Die Liste

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Alina Frey

Die Liste

Der letzte Weg

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Die Liste

Venedig

Taj Mahal Agra

Impressum neobooks

Die Liste

„Wie friedlich es hier doch ist“, dachte Maren und holte tief Luft. Hier am

Ententeich auf dieser Bank saß sie sooft es ihre Zeit erlaubte. Was heißt-

Zeit erlaubte. Man sagt zwar, Rentner hätten nie Zeit. Aber das stimmt nun mal nicht...man hat viel zu viel Zeit. Seit dem Tod ihres Mannes vor drei Jahren, war es still in ihrem Leben geworden. Kinder hatte sie keine und die Hausarbeit in ihrer kleinen Wohnung war auch immer schnell erledigt. Ein sinnvolles Hobby hat sie leider auch nicht. Gerd, ihr Mann und sie, wollten noch so viele Pläne in die Tat umsetzen. So viele Dinge gab es, die sie erleben und erkunden wollten. Aber alleine...! Nein, alleine macht das keinen Spaß, dachte sie traurig. Obwohl - gesund war sie noch...erstaunlich gesund. Unbedenklich könnte sie noch auf Entdeckungsreise gehen, aber wie gesagt, alleine ist das einfach nur doof. „Sie gestatten?“ Maren sah hoch und genau in das Gesicht eines sympathischen, älteren Herrn. „Natürlich, bitte!“ Die Bank war schließlich nicht ihr Eigentum. „Schön hier, nicht wahr“, begann der nette Mann das Gespräch. Maren nickte, schwieg aber. Ein wenig musste er sich schon anstrengen. „Da wo ich wohne, ist es nicht so friedlich!“ „Nein? Wo wohnen Sie denn“, wollte Maren jetzt doch wissen. Seine Hand zeigte in eine Richtung: „Dort hinten, in dem Seniorenheim“. Maren schüttelte sich: „Seniorenheim...wie grässlich. Keine zehn Pferde würden mich dort hinein bekommen!“ Traurig sah er sie an: „Was soll ich machen, alleine in dem großen Haus nach dem Tod meiner Frau...!“ Neugierig hakte sie nach: „Haben Sie keine Kinder?“ Er schüttelte den Kopf: „Nein, meine Frau und ich waren beruflich sehr eingespannt, an Kinder haben wir nie gedacht. Heute tut mir das wirklich sehr leid. Haben Sie Kinder?“ Maren sah ihn an: „Nein, auch keine Kinder!“ Lange schwiegen beide. Maren fand ihn sehr nett. Gepflegtes Äußeres, liebe Augen, weiße Haare und Bart und eine ruhige Stimme. Gefiel ihr! Auch er riskierte einen Blick und war angetan von ihr. Dunkle Haare, eine angenehme Gestalt und ein ruhiges Wesen. Gefällt mir, stellte er schmunzelnd fest. Beide sahen sich an und lächelten. „Ich bin übrigens Thomas Manns“, stellte er sich vor. „Angenehm, Maren Brecht“, erwiderte sie. Wieder Schweigen...ein angenehmes Schweigen. Thomas sah Maren an: „Ich wollte noch so viele Dinge machen...wollte! Jetzt hocke ich in dem Seniorenheim und warte darauf, den Löffel abzugeben“, kam es bitter über seine Lippen. „Aber sie müssen das doch nicht! Ich meine - den Löffel abgeben! Wer hindert Sie daran, all diese Dinge noch in Angriff zu nehmen?“ Mit großen, fragenden Augen sah Maren Thomas an. Erschrocken sah Thomas hoch: „Sie haben Recht, wer hindert mich daran...niemand eigentlich. Aber alleine...ich weiß nicht so recht!“ Ihm geht es genau wie mir, dachte Maren. Wieder schwiegen beide eine Runde...man konnte so schön miteinander schweigen. Maren sah hoch: „Haben Sie sich auch eine Liste gemacht, von Dingen, die Sie noch erleben wollen?“ Thomas nickte: „Ja, habe ich. Darüber werde ich in Ruhe nachdenken“, meinte er leise. Sie verabschiedeten sich mit dem Versprechen, am nächsten Tag wieder hierherzukommen. Nachdenklich ging Maren den gewohnten Weg bis zu ihrer Wohnung. Sie fühlte sich irgendwie beschwingt, so anders als sonst. Die Begegnung mit Thomas hatte ihr gutgetan. Zuhause stand sie lange vor dem Bild ihres Mannes: „Du bist nicht böse, oder Gerd? Nein, du gönnst mir die Bekanntschaft mit Thomas, denn du wolltest nie, dass ich alleine bleibe!“ Sie setzte sich an den Tisch, nahm einen Block und Kuli zur Hand und schrieb all die Dinge auf, die Gerd und sie noch erleben wollten. Kam ganz schön etwas zusammen! An diesem Abend ging sie mit einem Lächeln und Thomas Bild vor Augen ins Bett. Der nächste Tag empfing Maren mit einem strahlenden Himmel. Gut gelaunt frühstückte sie, erledigte die gewohnte Hausarbeit und machte sich nach dem Mittagessen auf den Weg in den Park. Thomas war noch nicht da, aber es war erst kurz nach Mittag, sicher hatte man im Seniorenheim geregelte Tagesabläufe. Brrr...alleine der Gedanke daran ließ Maren erschauern. Ihre fiel der Satz „Zucht und Ordnung“ ein, aber so schlimm wird es wohl nicht sein. Dann sah sie Thomas, er kam langsam den Weg entlang und blieb dann vor ihr stehen: „Hallo Maren...schön Sie zu sehen!“ Marens Herz machte einen kleinen Hüpfer und sie schalt sich: „Stell dich nicht an wie ein Teenager!“ Aber trotzdem huschte eine verräterische Röte über ihre Wangen. Thomas setzte sich - ihre Nähe tat ihm wirklich gut. „Ich habe über das, was Sie gestern gesagt haben, lange nachgedacht. Da ich keine Verpflichtungen habe, keinem Rechenschaft abgeben muss, könnte ich theoretisch all das in Angriff nehmen, was ich ursprünglich wollte. Was meinen Sie?“ „Theoretisch schon - doch wie sieht das in der Praxis aus?“ Maren war überhaupt nicht neugierig. „Sie haben doch Verpflichtungen dem Heim gegenüber, müssen dort die Kosten begleichen!“ Thomas nickte: „Ja schon, die Kosten kann ich weiter begleichen. Irgendwann komme ich zurück, dann habe ich eine Bleibe!“ Maren dachte lange nach. Für etwas zahlen, was man nicht benutzt geht ihr gewaltig gegen den Strich. „Musst du...sorry, müssen Sie...?“ Thomas lachte: „Du hört sich gut an!“ Maren lächelte: „OK, Thomas - musst du wirklich das Heim weiterbezahlen, wenn du für längere Zeit unterwegs bist?!“ Thomas grübelte: „Keine Ahnung, da müsste ich mich mal schlau machen!“ Gedankenverloren sahen beide den Enten zu. Maren überlegte. Was wäre, wenn Thomas zu ihr käme und sie sich dann gemeinsam ihre letzten Träume erfüllen würden? Langsam mit den jungen Pferden, Maren. Aber so viel Zeit haben wir nicht mehr, kam Marens vernünftige innere Stimme zu Wort. Auf die lange Bank schieben geht nicht! Ruhig sah Maren Thomas an: „Hast du Lust, morgen zum Kaffeetrinken zu kommen?“ „Wirklich?“, meinte Thomas erfreut. „Gerne komme ich, soll ich Kuchen mitbringen?“ Da Maren eine miserable Köchin ist, und auch vom Backen Null Ahnung hat, ist ihr der Vorschlag von ihm höchst angenehm. „Super, ich kann nämlich nicht Backen“, gestand sie. „Aber Kaffeekochen?“ Maren errötete leicht, er hat Humor und das gefiel ihr. Sie saßen noch lange auf der Bank, schwiegen und gingen danach zufrieden nach Hause - jeder für sich. Intensiv dachte Maren über eine neue Beziehung nach. Wollte sie das überhaupt noch...mit 79 Jahren? Nein, keine Beziehung - aber eine schöne intensive Freundschaft, das würde ihr gefallen. Hoffentlich sah Thomas das auch so und stellte keine Ansprüche. Am nächsten Tag fieberte Maren mit leichten Nervenflattern dem Besuch von Thomas entgegen. Ob es ihm hier gefallen wird? Ihre Wohnung war gemütlich eingerichtet und spiegelte ihr sanftes Wesen wieder. Maren war ein absoluter harmoniebedürftiger Mensch, mag keinen Streit. Als es am Nachmittag klingelte, war sie total aufgeregt.

Erster Besuch nach drei Jahren

Mit einem großen Blumenstrauß und Kuchen bewaffnet stand Thomas lächelnd vor ihr: „Hallo, schöne Frau - darf ich eintreten?“ Er überreichte Maren den Blumenstrauß und stellte den Kuchen auf den Tisch. Maren kramte eine Blumenvase hervor: „Sieh dich ruhig um und mach es dir bequem“, forderte sie Thomas auf. Liebevoll drapierte sie den Blumenstrauß in eine Vase und stellte ihn auf den Tisch: „Die Blumen sind wunderschön“, meinte sie. Thomas sah sich um und nickte anerkennend: „Schön hast du es hier, Maren!“ Tief atmete Maren aus, ein Stein fiel ihr vom Herzen. Nachdem sie den Kaffee eingeschüttet und den Kuchen auf Tellern verteilt hatte, setzte sie sich zu ihm. „Schön, wieder einmal Besuch zu haben“, stellte Maren fest. Erst jetzt wurde ihr bewusst, wie einsam sie in den letzten drei Jahren war. „Wie lange bist du schon alleine“, wollte Maren wissen. Thomas überlegte kurz: „Es sind zwei Jahre und drei Monate!“ „Erzähl mir von deiner Frau“, bat sie leise. „Natürlich nur, wenn du es kannst!“ Thomas lächelte: „Wir hatten eine wundervolle Ehe. Meine Frau war sehr geschäftstüchtig und half mir in der Firma. Als sie dann krank wurde, verstand ich die Welt nicht mehr. Es war doch alles so perfekt. Eines Tages schlief sie einfach ein!“ Tröstend drückte Maren seine Hand. Sie verstand ihn nur zu gut, ihr ging es vor drei Jahren genauso. Man kann sich das Leben ohne Partner gar nicht richtig vorstellen - aber das Leben geht weiter, man muss nach vorne sehen. „Was hast du jetzt vor? Hast du dir darüber Gedanken gemacht?“ Maren sah ihn fragend an. „Das habe ich tatsächlich, Maren. Gerne würde ich auf Reisen gehen, all die Dinge machen die ich aufgeschrieben habe, mich sozusagen auf die letzte Reise begeben!“ Maren erschrak, dann würde sie ihn gar nicht wiedersehen. Doch Thomas nahm ihre Hand: „Natürlich nur mit dir, Maren...ich lade dich ein mich zu begleiten. Lass uns diesen Weg gemeinsam gehen!“ Konnte sie das überhaupt annehmen? Leise sagte Maren: „Ich wollte eigentlich keine neue Partnerschaft mehr eingehen...Thomas. Eine echte Freundschaft könnte ich mir aber vorstellen, was meinst du dazu?“ „Du sprichst mir aus dem Herzen, auch ich möchte keine Partnerschaft. Aber in deiner Gegenwart fühle ich mich wohl, möchte gerne eine gute Freundschaft mit dir. Als Freund lade ich dich zu dieser Reise ein! Einverstanden?“ „Das wäre wundervoll“, meinte Maren. Thomas kramte in seiner Jackentasche und zog einen weißen Zettel hervor: „Sieh mal, meine Liste. All diese Orte wollte ich noch besuchen, mit dir zusammen stelle ich mir das super toll vor!“ Maren nahm den Zettel und las: Pyramiden in Ägypten, Taj Mahal in Indien, Paris Eiffelturm, Drachenfliegen. Sie stand auf und holte ihre Liste, er las: Venedig, Amsterdam Matjes auf der Straße essen, Eiffelturm, Thailand Buddha. „Buddha?“ Maren lachte: „Ja, Buddhafiguren liebe ich, und in Thailand sind sie riesig...das wollte ich immer mal sehen. In Amsterdam war ich in jungen Jahren, und Matjes esse ich für mein Leben gern. Die Besten gibt es nur dort!“ Thomas amüsierte sich köstlich über die Matjes. „Da haben wir ein strammes Programm. Heute Abend stelle ich einen Reiseplan zusammen und wenn alles gut geht, könnten wir in zwei bis drei Wochen unsere Reise beginnen!“Nachdenklich sah Maren Thomas an: „Das könnte aber ein teurer Spaß werden, Thomas...ich bekomme jetzt schon ein schlechtes Gewissen!“ „Das brauchst du nicht. Verwandte habe ich keine, mein Haus und die Firma habe ich verkauft, es ist genug da. Wir können alles restlos auf den Kopf hauen!“ Sein Wort in Gottes Ohr. „Du bist ein Scherzkeks, Thomas“, lachte Maren. Am nächsten Tag brachte Thomas den Reiseplan vorbei. „Wir fangen in Amsterdam an und klappern alles ab was auf der Liste steht. Wir haben so viel Zeit, keiner hetzt uns. Aber du musst unbedingt zu deinem Hausarzt gehen und dich impfen lassen, das ist sehr wichtig!“ Maren nickte: „Mache ich - du aber auch?“ „Natürlich, habe schon einen Termin gemacht. Packe so viele Sachen ein, wie in einen Koffer gehen. Alles andere können wir unterwegs kaufen!“ „Das Heim, wie machst du das für die Zeit deiner Abwesenheit?“ Thomas meinte nachdenklich: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder ich bezahle die Heimkosten weiter oder ich kündige und stelle meine persönlichen Sachen irgendwo unter. Ich denke mal, viele Wochen werden wir auf Achse sein!“ „Was wäre dir denn lieber, Thomas?“ „Naja“, meinte er, „wenn ich zurück bin brauche ich eine Unterkunft. Aber im Heim einen Platz zu bekommen, das dauert. Ich würde sagen - ich bezahle den Heimplatz weiter, dann bin ich auf der sicheren Seite!“ Gut, dann wäre das auch geklärt. Die nächsten Tage waren beide mit Vorbereitungen für die Reise - eine lange Reise - beschäftigt. Den Arztbesuch hatte Maren bereits hinter sich gebracht. Am Abend lag sie auf ihrem Bett und grübelte. Was hatte sie eigentlich vor? Mit einem wildfremden Mann auf eine wochenlange Reise gehen, einen Mann den sie kaum kannte. Sie wusste überhaupt nichts von ihm, war das nicht ein wenig leichtsinnig? Andererseits kam er ihr total vertraut vor, so, als würden sie sich schon eine Ewigkeit kennen. Alles Quatsch...sie würde es wagen, was hatte sie schon groß zu verlieren. Ihre Unschuld bestimmt nicht, die war schon lange futsch...in einem anderen Leben. Sanft schlief sie ein.

 
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