Fische fliegen am Himmel

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Fische fliegen am Himmel
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Alfred Klassen

Fische fliegen am Himmel

Abenteuer in Uruguay

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Widmung

Vorwort

Fische fliegen am Himmel

Das Gewehr explodiert

Abenteuer-Arbeit

Höchstgeschwindigkeit und Schneckentempo

Rauchen kann tödlich sein

Angriff auf ein Stinktier

Zeichen einer fernen Welt

Über den Ozean

Bildnachweise

Impressum neobooks

Widmung

Ich widme diese Abenteuerberichte

meiner jüngsten Schwester Annegret,

die am 5. September 1968 geboren wurde.

Sie kennt Uruguay nicht aus eigener Erfahrung.

Vorwort

Am 30. Dezember 1954 wurde ich, Alfredo, in Paysandu, Uruguay geboren und bin in dem kleinen Ort Gartental (genannt Kolonie Gartental), Departamento Rio Negro, aufgewachsen. Das Dörfchen Gartental ist um 1951 von deutschen Auswanderern gegründet worden, meine Eltern waren dabei und bauten das erste Häuschen in dem neu entstehenden Ort. Sie betrieben, wie auch die übrigen, eine kleine Landwirtschaft, die im Laufe der Jahre allmählich größer wurde.

1968, als ich dreizehneinhalb Jahre alt war, kehrten wir mit der ganzen Familie (Eltern, drei Kinder, Großeltern) nach Deutschland zurück. Einige der Abenteuer, die ich in Uruguay erlebte, habe ich für alle interessierten Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen aufgeschrieben.

Alfred Klassen

Fische fliegen am Himmel

Dunkel und bedrohlich kämpften, ballten und überschlugen sich die Wolken am Himmel. Trotzdem kam ich zu der Überzeugung, dass ich noch genügend Zeit haben würde, um endlich den Fang meines Lebens zu landen. Gerade bei diesem Wetter! Vor meinen inneren Augen sah ich nicht nur das trübe Flusswasser, sondern die Angelstelle, von der ich einen einzigartigen Erfolg erwartete.

„Oma, ich geh´ angeln, der Himmel zieht zu, da wird es bestimmt gut beißen“! „Aber Junge, bei dem Wetter? Bald wird es Abend. Frag´ Mutti!“ Ich lief durch das Haus, über den Hof und fand meine Mutter schließlich bei der Arbeit im Garten: „Ich will angeln gehen!“ „Na, dann pass aber gut auf“ hörte ich meine Mutter rufen „und nimm die Regenjacke mit!“ „Das tue ich!“

So schnell wie möglich rutschte ich in meine Stiefel, packte die Regenjacke in eine Tüte und holte den Spaten. Ich rannte in den Garten an eine Stelle von der ich wusste, dass sie Erfolg versprach: rot-braune, ja ungeheuer dicke Regenwürmer, an denen im Normalfall kein Fisch vorbeischwimmen kann. Ich fand viele davon. Brot stibitzte ich mir aus der Küche, das ebenfalls zum tödlichen Köder werden sollte. Dann die Angelstöcke. Es waren zwei bis drei Meter lange Ruten aus Bambus mit jeweils ein bis drei Zentimetern Durchmesser. Es waren Ruten, die fast nie zerbrachen. Bei diesem Gedanken stiegen Unsicherheit und Ärger in mir auf, denn vor langer Zeit war genau das geschehen. Ich hörte das Krachen der Rute bis heute in meinen Ohren. Ein dicker Aal hatte sich an einer Baumwurzel festgehalten und die Rute war hinüber! Diesmal wollte ich das auf keinen Fall erleben. Ich suchte meine stärksten Ruten aus, solche, die jedes Gewicht aushalten würden. Und das sollte denn auch nötig sein.

Als ich alles zusammen hatte, zog ich los. Vorbei an den Nachbarn, schnurstracks und quer über die Wiese, immer die Angelstelle vor Augen. Es war nicht gerade einfach, eine Wiese zu überqueren. Denn es kam vor, dass mich einiges interessierte, zum Beispiel die umherlaufenden und laut kreischenden Kiebitze, die ihre Nester vor mir verheimlichen wollten. Aber Potz Blitz! Ab und zu war ich eben doch erfolgreich und griff mir eins der im Gras verstecken Kiebitzeier. Oder auch mehrere. Was ich mit diesen braunfleckigen Eiern anfangen wollte? Keine Ahnung. Ich kam gar nicht dazu, darüber nachzudenken, sondern nahm sie an mich - und musste wegen der dunklen Wolken auch schnell weiter laufen. Kaum war ich durch den Zaun geschlüpft, der zwei Wiesen voneinander trennte, bemerkte ich, dass die grasenden Kühe ihre Köpfe erhoben. Zu meinem großen Ärger wurde auch der anwesende Bulle auf mich aufmerksam. Ich sah die Gefahr kommen. Mit meinen Angelstöcken würde ich gegen dieses Untier nicht das Geringste ausrichten können, denn mit ihm war nicht zu spaßen. Immer wieder hatte ich gehört, dass Bullen unvorsichtige Menschen zu Tode bringen können. Als sich nun dieses Ungetüm mit leicht gesenktem Kopf in meine Richtung bewegte, zog ich mich sofort hinter den Zaun zurück, obwohl mir klar war, dass ich auch dort nicht sicher war. Doch wer im Alter von zehn Jahren den Fang seines Lebens plant, muss bereit sein, gewisse Risiken einzugehen! Der Bulle näherte sich mir noch ein Stück weit, bis er bemerkte, dass ich Reißaus genommen hatte. Dann wandte er sich schnell ab. Nun konnte ich in aller Ruhe am Zaun entlanglaufen und die Wiese an einer anderen Stelle überqueren. Der Plan gelang. Kühe und Bulle waren viel zu weit weg, um sich an mir zu stören, so dass ich mit einem inneren Glücksgefühl den Weg fortsetzen konnte.

Der Fluss zeigte sich an der Angelstelle etwas breiter als üblich, vielleicht fünf bis sieben Meter, doch interessierte mich vor allem das Ufer, das mit Schilf zugewachsen war. In der Nähe des Schilfes, am Flussgrund, so meine Überlegung, würden sie sich aufhalten: Welse, Aale und andere quicklebendige Fische, die das aufkommende Gewitter spürten und sich vor lauter Hungergefühl kaum im Zaum halten konnten. Außerdem wusste man nie, ob nicht auch einer der ansehnlichen Hechte, die hier jagten, an die Angel gehen würde. Deshalb rollte ich Brot zu kleinen Kügelchen und fing damit zunächst einige sogenannte Pizzia, sehr kleine Weißfische, die Hechte gerne verspeisten. All das hatte ich von meinem Vater gelernt!

Und dann raus mit den großen Angeln. Jede Bambusrute besaß eine etwa gleich lange und wirklich dicke Angelschnur, die viel aushalten konnte. Das war auch war nötig. Gerade bei diesen dunklen Wolken mit ihrem drohenden Regen und den hungrigen großen Fischen.

Kaum hatte ich die erste Angel über das Schilf ins Wasser geworfen, schoss die Pose auch schon davon und verschwand in der trüben Brühe. Ich sprang wie elektrisiert auf, packte die Rute mit beiden Händen und riss sie hoch, mit aller Kraft und ungeheurer Wucht. Erstaunt bemerkte ich, wie der Fisch, ein gewaltiger Wels, hoch über meinem Kopf am dunklen Himmel entlang flog, wie ein Flugzeug, um dann mit einem gewaltigen Krachen hinter mir auf dem Wiesenboden aufzuschlagen. Schnell wie der Blitz war ich bei ihm. Es war klar: Zwar konnte der Fisch den Himmelsflug durch die Luft überlebt haben, doch wer so aus dem Himmel abstürzt, um den ist es endgültig geschehen. Der bereitete mir keine Mühe mehr.

Als ich nach etwa zwei bis drei Stunden wieder zu Hause ankam und die vielen Fische aus dem alten, nassen Weizensack in eine große Badewannenschüssel schüttete, waren das Erstaunen und das Gerede groß. Gewaltige Welse, dicke Aale, ansehnliche Hechte und auch die ungeliebten Krauser, ja viele Fische ohne Namen zappelten in der Kiste. Demnächst würde es bei uns wieder öfter Fischbraten zum Mittagessen geben, nein, bereits jetzt zum Abendbrot. Zunächst einmal war es aber nötig, die vielen Fische für die Bratpfanne vorzubereiten. Das war eine Arbeit, mit der ich mich nicht so gerne befasste wie mit dem Angeln selbst, doch sie musste getan werden. Dabei dachte ich daran, wie Fische am Himmel entlang fliegen, immer und immer wieder. Seltsam: Durch diesen Gedanken ging mir die schwere Arbeit deutlicher leichter von der Hand. Das Leben besaß eben auch schon damals für mich nicht nur angenehme Seiten. Und so ist es bis heute geblieben. Die Kiebitzeier haben wir übrigens nicht gegessen, sondern bewundert und ausgepustet als kleine Schmuckstücke oder als Spielzeug verwendet. Mir ist bewusst: Solche Dinge sind nur dort möglich, wo die Fische am Himmel fliegen.

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