Randwelten: Science Fiction Abenteuer

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Randwelten: Science Fiction Abenteuer
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Alfred Bekker

Randwelten: Science Fiction Abenteuer

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Randwelten

Vorwort

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Impressum neobooks

Randwelten

von Alfred Bekker

© 1986 Alfred Bekker

© Digital Edition 2013 AlfredBekker/CassiopeiaPress

Alle Rechte vorbehalten

www.AlfredBekker.de

Postmaster@EAlfredBekker.de

Vorwort

Die vorliegende Novelle erschien ursprünglich unter dem Titel DAS FESTIVAL in dem Magazin ANTARES NEWS, wo sie 1986 von den Lesern mit dem Antares Award für die beste Erzählung des Jahres ausgezeichnet wurde. Viele Jahre später sagte ich Heinz Mohlberg, dem Verleger des Mohlberg-Verlages zu, diese Novelle zum Roman auszuarbeiten. Ich erweiterte den Umfang von 40 auf etwa 80 Manuskriptseiten, was aber für einen Heftroman noch nicht ganz ausreicht. Das Schlimmste aber: Ich hatte in der 80 Seiten Fassung die Handlug zwar erweitert, brauchte aber nun ein neues Ende für den Roman und mir wollte einfach nichts Vernünftiges einfallen. Glücklicherweise sprang ein Freund und Kollege, der bekannte SF-Autor Wilfried A.Hary ein, erweiterte das Manuskript auf etwa 120 Seiten und gab der Geschichte einen völlig neuen Dreh. Das Ergebnis erschien als DAS FESTIVAL VON TASNER in der Sirius-Reihe des Mohlberg-Verlages. Hier liegt dem geneigten Leser nun nach vielen Jahren wieder erstmalig die (etwas geglättete) Ursprungsversion vor, die neben der sopäteren Romanfassung als völlig eigenständiges Werk bestehen kann.

A.B.

Erster Teil

"Wie lange befinden Sie sich bereits im Territorium der Rand-Föderation, N'Gaba?"

"Um genau zu sein: Seit 6, 7 Standardeinheiten."

"Und nach so kurzer Zeit glauben Sie bereits, ein Urteil fällen zu können?"

"Ich nicht, aber mein Computer!"

"Ach was. Ich will Ihnen 'was sagen, N'Gaba: Sie sind genau wie alle anderen, die jetzt von den inneren Welten hierher kommen. Sie sind arrogant: Nur weil Alpha Centauri ein bisschen weiter weg vom intergalaktischen Nichts liegt als Centrum oder Tasner, glauben Sie, wir seien Halbprimitive"

"Verzeihen Sie, wenn ich Sie korrigieren muss, aber die Barretto-Yilmaz-Gerlard-Company hat ihren Sitz nicht in Alpha Centauri, sondern im Sol-System."

Xa LeCarré zuckte mit den Schultern.

"Aus dieser Entfernung sind solche Unterschiede unerheblich."

Israt N'Gaba hob die Brauen und rieb sich die Augen.

Er hatte nicht erwartet, in LeCarré einen umgänglichen Gesprächspartner zu finden, da er auf Centrum bereits von diesem Mann gehört hatte.

Der Erste Repräsentant von Tasner und Mitglied des Föderalen Rates war von kleiner und untersetzter Statur, hatte kaum noch Haare auf dem Kopf und wirkte aber dennoch keineswegs greisenhaft.

Seine grau-blauen Augen funkelten ein wenig und verrieten etwas von der Intelligenz, die hinter der hohen Stirn steckte. "Immerhin...", meinte er dann zu Israt. "Sie haben Rand-Lingua ziemlich gut gelernt."

"Hypnokurs. Damit geht das sehr schnell."

"In dieser Beziehung sind wir vielleicht doch Barbaren." LeCarré lächelte. "So etwas haben wir hier noch nicht. Der technologische Rückstand ist schwerlich zu leugnen. Aber wir hatten es auch nicht leicht. Die lange Zeit der Isolation hat den Rand schwer zugesetzt: Die Föderation war völlig auf sich allein angewiesen."

"Ich denke, dass das nun anders werden wird", gab Israt seiner Überzeugung Ausdruck.

Israt N 'Gabe war in Ibadan, Nigeria auf der Erde geboren worden, wovon seine schwarze Hautfarbe ein deutliches Zeugnis ablegte.

LeCarré hatte ihn zunächst voller Verwunderung und Erstaunen (und im übrigen auch völlig ungeniert) angestarrt.

Später sollte Israt merken, dass der Erste Repräsentant alle Menschen, die ihm begegneten, mit dieser übergroßen Neugier betrachtete und dass das keineswegs etwas mit der Hautfarbe zu tun hatte.

"Ja, jetzt kommen sie wieder", brummte LeCarré nun. "Leute aus dem Sirius-Imperium, Leute aus Alpha Centauri, aus Brasilien und aus China. Sie kommen, um uns wieder ihr Zeug zu verkaufen." Dann blickte er plötzlich auf. "Man hat mir Daten über Sie gegeben, N'Gaba. Sie sind Moslem..."

"Das ist richtig."

LeCarrés Mund verzog sich ein wenig und sein Gesicht nahm einen schwer zu deutenden Ausdruck an, der irgendwo zwischen Verachtung und Interesse lag.

"Glauben Sie an Allah? Glauben Sie an die Suren des Korans?"

Warum will er das wissen?, fragte sich Israt.

Er blickte auf, verengte ein wenig die Augen. Du hast diese Frage gefürchtet wie der Teufel das Weihwasser - wie es ein Anhänger der irdisch-reformiert-katholischen Kirche ausdrücken würde.

"Ich weiß nicht...", gab Israt unsicher zur Auskunft.

LeCarrés Blick wirkte stählern.

"Ja oder nein?"

Israt N'Gaba zuckte die Achseln.

"Ich bin irgendwo auf halbem Wege zwischen Glauben und Unglauben stehen geblieben, das ist die Wahrheit. Ich weiß es wirklich nicht. Ich meine auch nicht, dass das irgendeine Relevanz hat."

"Ich glaube, Sie täuschen sich."

"Nun, vielleicht hat es eine, vielleicht auch nicht. Wer kann das schon genau sagen?"

Sie befanden sich irgendwo in einem der unzähligen saalartigen Räume von LeCarrés riesigem Haus.

Israt war erst seit 1,9 Standardeinheiten (das entsprach etwa einem tasnerianischen Tag) Gast des Ersten Repräsentanten und konnte daher noch keinesfalls erwarten, sich in diesem ausgedehnten Gebäude zurechtzufinden.

Gleich, als sie diesen Raum betreten hatten, waren Israt die verschiedenen Schwerter an den Wänden aufgefallen. Eigentlich schien ihm sein Gastgeber nicht der Typ des romantischen Sammlers archaischer Reliquien zu sein. Die Klingen blitzten und schienen aus hochwertigem, modernen Stahl zu sein; gerade so, als würden sie von ihrem Besitzer noch zu anderen als dekorativen Zwecken gebraucht. Aber das war natürlich absurd.

Ist LeCarré ein Nostalgiker? ging es Israt durch den Kopf. Auf der Erde gibt es eine ganze Subkultur, deren Anhänger sich der Prä-Weltraum-Ära auf der Erde verschrieben haben und solche antiken Reliquien sammeln.

Aber hier - in der Rand-Föderation?

Israt war überrascht.

"Sie haben mich nach Daten gefragt, N'Gaba...", fuhr der Erste Repräsentant jetzt fort.

"Das ist richtig. Bevor sich unsere Firma zu einer größeren Investition entschließt, werden im Allgemeinen die nötigen Daten eingeholt, um das Risiko auf ein Minimum zu senken."

LeCarré nickte verständnisvoll.

Er wandte seinem Gast den Rücken zu und verschränkte die Arme vor der Brust. "Die Sache ist nur die", sagte der Erste Repräsentant dann sehr langsam und akzentuiert, "dass ich Ihnen, selbst wenn ich es wollte, nicht unmittelbar helfen kann."

Israt runzelte die Stirn.

Er fühlte seinen Puls beschleunigen und Ärger in sich aufkeimen.

"Was soll das heißen?"

Er drohte tatsächlich, seine Selbstsicherheit und Gelassenheit zu verlieren. Rasch genug, um schlimmere Entgleisungen zu verhüten, gelang es ihm jedoch, sich wieder unter Kontrolle zu bringen.

Eigentlich darf mir so etwas nicht passieren, dachte er. Als Wirtschaftsmanager hatte er natürlich entsprechendes PsychoConditioning mitgemacht.

"Ich dachte", setzte er dann (inzwischen wieder wesentlich ruhiger) ein zweites Mal an, "Sie wären hier die maßgebliche Instanz, LeCarré."

LeCarré wandte sich wieder zu ihm um und lächelte müde.

"Was heißt schon maßgeblich? Ich bin kein Alleinherrscher oder Diktator, das scheinen Sie zu vergessen: Bei uns gibt es eine Gewaltenteilung: Gerichtsbarkeit - Administration - Datenwesen. Sie verstehen?"

"Sicher."

"Es hat sich im Lauf unserer Geschichte als vernünftig erwiesen und als vorteilhaft für den einzelnen Bürger, diese drei Bereiche strikt voneinander zu trennen und die entsprechenden Verantwortlichkeiten in verschiedene Hände zu legen. Ich bin der Chef der Administration und kann ohne die Genehmigung des Obersten Datenkontrolleurs nichts herausgeben. Verstehen Sie das bitte nicht als Schikane gegen Sie. So ist nun einmal, unser Gesetz und an dieses bin auch ich gebunden, ob Ihnen oder mir das nun passt oder nicht. Außerdem bin ich der festen Überzeugung, dass dieses Gesetz sehr wohl seinen Sinn hat, denn mit den Computerdaten kann - wie Sie sicherlich auch zugeben werden - viel Unfug getrieben werden."

Israt seufzte.

Wieder fiel sein Blick auf die Schwerter an der Wand.

Waffen für barbarische Wilde ---

Im Ganzen waren es fünf Klingen unterschiedlicher Länge und Schwere.

 

Das größte von ihnen war zweischneidig und ungebogen.

Der lange Griff deutete darauf hin, dass es sich tun einen Beidhänder handelte.

"Interessieren Sie sich für Waffen, N'Gaba?", fragte LeCarré, der das aufkeimende Interesse seines Gesprächspartners bemerkt hatte.

"Oh... Nein, nicht besonders..."

"Und doch können Sie den Blick nicht von den Klingen wenden."

Israt hob die Augenbrauen.

"Warum hängen diese Mordwerkzeuge hier?"

LeCarré zeigte seinem Gast ein etwas verkrampft geratenes Grinsen. "Wo sollte ich sie sonst hinhängen? Ich habe so viele davon... Soll ich Ihnen eines herunternehmen?"

"Nein, danke. Sind das historische Stücke?"

"Nein, natürlich nicht. Sie sind zum Gebrauchen da, wozu sonst? Aber bleiben wir bei der Frage der Datenbeschaffung. Das Amt des Obersten Datenkontrolleurs hat zur Zeit Alana Susstu-Garlis inne. Sie ist zwar eine ausgesprochene charmante und liebenswürdige Person, aber durchaus keine Heilige."

"Was meinen Sie damit?"

"Das man sie möglicherweise kaufen kann. Sie ist korrupt und zielstrebig. Vielleicht hat sie eine große Karriere vor sich. Ich werde sie mit Ihnen zusammenbringen --- bei Gelegenheit!"

"Bei Gelegenheit?"

"Ich verstehe durchaus, dass Sie ungeduldig sind, N'Gaba, aber bei uns verläuft die Zeit anders als bei Ihnen, auf den Inneren Planeten. Hier geht alles wesentlich langsamer und alles bedarf wohlüberlegter Vorbereitung. Wenn ich Sie mit Alana zusammenbringe, dann werde ich den Boden zu Ihren Füßen bereits teilweise beackert haben, um eine Entscheidung in gewünschtem Sinne zu forcieren."

"Und Sie meinen, es gibt keine 'einwandfreie' Möglichkeit, an diese Frau heranzutreten?"

"'Einwandfrei'? Sie meinen, ohne etwas dafür bezahlen zu müssen?"

"Ja, so kann man es auch ausdrucken."

LeCarré lächelte nachsichtig und schüttelte bedächtig den Kopf. "Natürlich können Sie diese Sache auch auf 'einwandfreie' Art und Weise erledigen. Sie können zu ihr hingehen und sie um die notwendigen Daten bitten. Und sie wird sie Ihnen sogar geben - geben müssen, denn sie ist verpflichtet dazu. Aber das, was sie da bekommen würden, wäre nicht besonders viel - und nebenbei bemerkt auch nicht besonders brauchbar -‚ da unsere Datenschutzgesetze sehr streng sind. Ich denke zum Beispiel, dass Sie auch Individualdaten, detaillierte Angaben zur Person haben wollen, nicht wahr?"

"Ja, selbstverständlich."

Man konnte einfach das Risiko nicht eingehen, ein Produkt zu machen, das niemand kaufte. Man musste bereits im Voraus wissen, wer es unter Unständen abnehmen würde (was umfangreiches Datenmaterial über Vorlieben und Geschmack des Einzelnen erforderte). Auf diese Weise konnte man den potentiellen Kunden mit gezielten Werbemaßnahmen erreichen. Die Verschwendung, Werbekampagnen nach der Gießkannenmethode zu betreiben, gehörte der Vergangenheit an.

"Das Verbot der Weitergabe solcher Daten zu kommerziellen Zwecken ist nur eine der vielen Einschränkungen, die uns das Gesetz in diesem Bereich auferlegt. Sie sehen also, Alana wird eine lohnende Investition für Sie sein - selbst wenn sie sehr unverschämt sein sollte."

Es gab keine Alternative zu dem, was der Erste Repräsentant gesagt hatte, Israt sah das ein.

"Sagen Sie, LeCarré", meinte Israt ein wenig später, "Sie helfen mir doch sicherlich auch nicht nur aus selbstlosen Motiven?"

Der Erste Repräsentant zuckte mit den Schultern und setzte einen gleichgültigen Gesichtsausdruck auf. "Ich glaube", sagte er, "dass das egoistische Motiv das einzig reale ist."

*

Die Standardeinheiten vergingen und Israt N'Gaba begann, sich an verschiedene Besonderheiten Tasners zu gewöhnen, insbesondere an den langsameren Verlauf der Zeit. Im Übrigen gewann er zunehmend den Eindruck, dass Xa LeCarré, dessen persönlicher Gast er war, seine Ziele tatsächlich unterstützte. Es war gut, einen derart wichtigen Mann auf der eigenen Seite zu wissen, auch wenn Israt die Motive dieses Bündnisses noch nicht durchschaute.

Bis jetzt hatte der Erste Repräsentant noch keine Forderungen gestellt, aber vielleicht kam das auch erst später. Möglicherweise war er an materiellen Reichtümern auch nur sekundär interessiert, da er sie im Überfluss besaß, und es ging ihn in Wirklichkeit um etwas ganz anderes.

Es dauerte nicht sehr lange, bis er die Zeit nicht mehr nach Standardeinheiten, sondern nach den natürlichen Tagen Tasners maß, dem Wechsel zwischen Licht und Dunkelheit (auf Grund der niedrigen Sternendichte und der Mondlosigkeit des Planeten, fiel dieser wesentlich drastischer aus, als im Inneren der Galaxis).

Tasner hatte ursprünglich keine atembare Atmosphäre gehabt. Die war erst nach einem künstlich eingeleiteten Terraforming-Prozeß entstanden - ebenso wie das Wasser, das außerdem nur recht spärlich vorhanden war. Über neunzig Prozent der Planetenoberfläche bestand aus Land. Es gab nur zwei größere Binnenseen, beide auf der Osthalbkugel gelegen. Um diese herum gruppierten sich die wenigen Städte des Planeten mit ihnen zusammen nicht mehr als 1,2 Millionen Einwohnern.

Israt befand sich in Val-Duun, der Hauptstadt, dort, wo der Knotenpunkt der Macht auf Tasner lag.

Das Treiben auf den Straßen und am See-Ufer konnte man beim besten Willen nicht als hektisch beschreiben, alles schien mit einer eigentümlichen Ruhe und Gelassenheit erledigt zu werden.

Mit der Magnetbahn fuhr Israt einmal zum See, wo ihn ein breiter, künstlich angelegter weißer Sandstrand erwartete. Das Baden war allerdings (wie zahlreiche Hinweisschilder bekannt gaben) wegen der gefährlichen Raubfische, die nicht selten bis in die flachen Ufer-Regionen vordrangen, verboten.

Israt stand eine ganze Weile an diesem Strand, hörte dem Geflüster der leichten Wellen zu und schaute zu den schroffen Felsmassiven hinauf, die vor der Küste Val-Duuns aus dem Wasser ragten.

Es ist der Mensch gewesen, der diese Welt zu dem gemacht hat, was sie ist, dachte er.

Es war nicht Allah.

Manchmal schien es ihm so unerheblich zu sein, ob Allah existierte oder nicht. Doch ab und zu überkamen ihn auch Stimmungen ganz anderer Art.

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