Tax Compliance

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bb) Zur Vorlage von Urkunden, Gewährung von Auskünften und dem digitalen Datenzugriff gem. § 147 Abs. 6 AO
(1) Zur Vorlage von Urkunden (§ 200 Abs. 1 AO)

143

Die Verpflichtung zur Vorlage von Urkunden bietet weitestgehend keine Besonderheiten. Nach der wohl h.M. sind prinzipiell alle Urkunden vorzulegen, deren Inhalt für die zu prüfenden Steuerfälle von Bedeutung ist, also nicht nur diejenigen Aufzeichnungen, zu deren Führung das steuerpflichtige Unternehmen gesetzlich verpflichtet ist.[123] In Betracht kommen daher alle beweiserheblichen, tatsächlich vorhandenen und aufbewahrungspflichtigen Urkunden. Eine Urkundenbeschaffungspflicht obliegt dem Unternehmen grundsätzlich nicht,[124] allerdings kann die Nichtvorlage von Unterlagen weitere Ermittlungen des Prüfers oder die Annahme eines dem Unternehmen nachteiligen Sachverhaltes nach sich ziehen, z.B. auch eine Schätzung (str. insbesondere bei Konzernunternehmen).

(2) Zur Anforderung von Auskünften (§ 200 Abs. 1 AO)

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Beim Anfordern von Auskünften hat sich der Prüfer zunächst an den Steuerpflichtigen (z.B. Einzelunternehmer) selbst zu halten, bei juristischen Personen an deren Vertreter i.S.d. §§ 34, 35 AO oder externe Bevollmächtigte gem. § 80 Abs. 3 S. 1 und 2 AO. Ferner an die vom Unternehmen benannten Auskunftspersonen gem. § 8 Abs. 1 BpO, z.B. Leiter Steuerabteilung, Leiter Buchhaltung, Prokurist, etc. Erst wenn deren Auskünfte nicht ausreichend sind, kann sich der Prüfer gem. § 200 Abs. 1 S. 3 AO auch an „andere Betriebsangehörige“ wenden. Hierbei ist problematisch, dass ein Verstoß des Prüfers gegen diese Reihenfolge letztlich nicht sanktioniert ist, insbesondere in der Regel kein Verwertungsverbot auslöst.[125] Äußerst problematisch kann dies auch bei einem strafrechtlichen Anfangsverdacht des Prüfers im Hinblick auf § 393 Abs. 1 AO und § 10 BpO werden. Insoweit würde ein Verwertungsverbot nur bei Erreichen der Grenzen von § 136a Abs. 1 StPO in strafrechtlicher Hinsicht in Betracht kommen (s.oben Rn. 136 ff.).

(3) Zum digitalen Zugriff (§ 147 Abs. 6 AO)

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Erhebliche Besonderheiten bietet die „digitale Außenprüfung“, bei der das steuerpflichtige Unternehmen den Prüfer gem. § 200 Abs. 1 S. 2 AO „zu unterstützen“ hat. Regelfall ist bei mittleren und kleinen Unternehmen der sog. „Z3-Zugriff“ gem. § 147 Abs. 6 S. 2 2. Alt. AO, wonach dem Prüfer, in aller Regel vor dem eigentlichen Beginn der Prüfung im Unternehmen bestimmte, gespeicherte Unterlagen des Unternehmens auf einem maschinell verwertbaren Datenträger wie CD, USB-Stick, DVD etc. zur Verfügung gestellt werden. Diese Daten wertet das Finanzamt entweder im Rahmen der Prüfung oder bereits vorab zur Prüfungsvorbereitung in den Räumen des Finanzamtes aus. Bei Großbetrieben ist der Regelfall mittlerweile der sog. „Z1-Zugriff“ gem. § 147 Abs. 6 S. 1 AO, bei dem sich die Finanzverwaltung im Rahmen der Anschlussprüfung des Unternehmens in die Hard- und Software des Unternehmens, das sog. Intranet, direkt aufschaltet. Sofern aus technischen Gründen – wie häufig – keine Sperrmöglichkeiten für den Finanzbeamten gegeben sind, kann sich dieser den gesamten E-Mail-Verkehr des Prüfungszeitraumes zu bestimmten Problemen, z.B. der Steuer- und/oder Rechtsabteilung, damit zu Nutze machen. Die auch nur ansatzweise Erörterung der sich hieraus für die Finanzverwaltung ergebenden Möglichkeiten würde den hier vorgegebenen Rahmen sprengen. Allerdings ist zu konstatieren, dass es häufig gerade dieser E-Mail-Verkehr ist, der in späteren gerichtlichen Steuerverfahren oder aber auch Strafverfahren den Unternehmensverantwortlichen zum Nachteil gereicht. Daher ist insoweit von vornherein äußerste Vorsicht geboten.

f) Vorbereitung und Durchführung der Außenprüfung im Rahmen der Vorgaben eines Tax Compliance-Systems

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Wie die vorangehenden Ausführungen deutlich machen, birgt die AP für das Unternehmen regelmäßig erhebliche steuerliche, evtl. sogar steuerstrafrechtliche Risiken. Daher ist eine AP, sofern zeitlich möglich, eingehend und insbesondere durch generelle Ablaufpläne seitens der Verantwortlichen des Unternehmens vorzubereiten. D.h. durch den Unternehmer mit einem externen Steuerberater, durch die Steuerabteilung, im Idealfall mit den Compliance-Verantwortlichen oder der Rechtsabteilung sowie den betroffenen operativen Abteilungen etc. Bei Großbetrieben, bei denen die nächste Anschlussprüfung im turnusmäßigen Zeitraum des 3-jährigen Prüfungszeitraumes (§ 4 Abs. 3 BpO) absehbar ist, ist das Thema vor Ergehen der nächsten PA etwas einfacher bzw. besser abzusehen. Bei kleineren Betrieben muss der externe Steuerberater sehr aufmerksam sein, da häufig das Finanzamt entgegenkommenderweise den genauen Beginn und die Dauer einer Prüfung mit ihm vorab vor Ergehen einer PA (Sperrgrund für Selbstanzeige in diesem Zusammenhang (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a AO)) abstimmt. Sobald eine solche Abstimmung erfolgt, müssen steuerlicher Berater und Unternehmen reagieren.

aa) Vorbereitung der Außenprüfung vor Ergehen einer Prüfungsanordnung
(1) Zuweisung persönlicher Verantwortlichkeiten für die Außenprüfung

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Zunächst ist im Rahmen eines Tax Compliance-Systems festzulegen, wer für die Organisation und Überwachung der Betriebsprüfung im jeweiligen Unternehmen, ggf. auch in mitbetroffenen Tochterunternehmen, verantwortlich ist. Dies werden, wie bereits mehrfach angesprochen, je nach Größe des Unternehmens der Unternehmer selbst, Fremdgeschäftsführer, Buchhaltungs- und/oder Steuerabteilungsleiter, deren Mitarbeiter etc. sein. Es müssen in jedem Falle zumindest ein Hauptverantwortlicher sowie ein Vertreter benannt werden. Anschließend muss geregelt werden, wer den Kontakt zum Betriebsprüfer sowie zum steuerlichen Berater (intern oder extern) für die Dauer der AP hält, um etwaig während der Prüfung auftretende Fragestellungen schnellstmöglich einer Lösung zuzuführen. In diesem Rahmen sind auch die Auskunftspersonen i.S.v. § 200 Abs. 1 S. 3 AO zu bestimmen. Dies werden regelmäßig die Personen sein, die den Kontakt mit dem Betriebsprüfer von Beginn bis Ende der Prüfung zu halten haben. Ebenso sollte eine Belehrung weiterer Mitarbeiter des Unternehmens im sachlichen und räumlichen Umfeld des Betriebsprüfers über ihre Zeugenrechte und -pflichten, insbesondere zunächst Verweis auf die vom Unternehmen benannten Auskunftspersonen und Verantwortlichen für die AP, erfolgen. Das beinhaltet insbesondere die Bitte an den Prüfer, seine Fragen schriftlich zu formulieren – im Rahmen von § 199 Abs. 2 AO, trotz § 200 Abs. 1 S. 4 AO i.V.m. § 93 Abs. 2 S. 2 AO – sowie ggf. das Recht auf eine schriftliche Zeugenladung bzw. Auskunftsersuchen gem. § 93 Abs. 2 AO wahrzunehmen.

(2) Vorgaben für die räumliche Durchführung der AP aus Sicht des Unternehmens

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In diesem Zusammenhang ist generell – eventuell aber auch gesondert, je nach erwarteter Prüfung und Risikolage – zu erörtern, wo die Prüfung aus Sicht des Unternehmens stattfinden soll. Dies hängt auch von dem vom Finanzamt gewünschten Datenzugriff ab. Bei einem „Z1-Zugriff“ gem. § 147 Abs. 6 S. 1 AO wird aller Wahrscheinlichkeit nach nur der Regelfall der Prüfung im Unternehmen, i.d.R. ist ein Prüferzimmer in Nähe der Steuerabteilung oder Buchhaltung vorhanden, in Betracht kommen. Möglicherweise ist aber auch die Möglichkeit einer Aufschaltung von außen und eine Prüfung beim Steuerberater, wenn im Unternehmen geeignete Räumlichkeiten für den Prüfer nicht vorhanden sind, gegeben. In jedem Falle sollte versucht werden, Kompatibilität mit den Wünschen des Finanzamtes – will i.d.R. im Unternehmen prüfen (§ 200 Abs. 2 AO) – herzustellen. Die „Prüfung im Amt“ ist der Ausnahmefall.

(3) Steuerliche Risikoanalyse in Bezug auf die Außenprüfung

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Hauptpunkt der Vorbereitung auf die kommende AP wird die Risikoanalyse im Hinblick auf die Besteuerung des Unternehmens sein. Welche Erkenntnisse bestehen aus der oder den letzten Prüfungen? Gab es Sachverhalte, die „auf der Kippe gestanden“ sind? Sind diese Sachverhalte im neuen Prüfungszeitraum zur Zufriedenheit des Finanzamtes im Rahmen des Bekenntnisses zur Tax Compliance und zur Rechtstreue geregelt worden oder aber gab es die alten, oder aber gar neue Fehler/Probleme? Gibt es Erkenntnisse über neue Risiken, bspw. durch den Zukauf neuer Firmen im Ausland sowie deren steuerliche Behandlung? Gibt es zwischenzeitliche Erkenntnisse über etwaige Mitteilungen von Kontrollmitteilungen aus der Prüfung von Dritten, d.h. der Betriebsprüfung von Lieferanten oder Abnehmern (§ 194 Abs. 3 AO)? Sind schließlich im Idealfall des Bestehens eines Tax Compliance-Managementsystems die eigenen Richtlinien in steuerlicher Hinsicht zutreffend umgesetzt und ist insbesondere deren ordnungsgemäße und vollständige Dokumentation für den Prüfungszeitraum erfolgt?

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All diese Fragen werden die Verantwortlichen für die Organisation und Durchführung der Betriebsprüfung im Unternehmen im Einzelnen zu überprüfen, zu beantworten und zu dokumentieren haben, dies im Idealfall mit einiger Vorlaufzeit vor dem Prüfungsbeginn. Alles insbesondere unter dem sehr wichtigen Aspekt, ob Nachmeldungen (§ 153 AO) oder gar eine Selbstanzeige gem. § 371 AO notwendig sind. Anders sieht die Situation aus, wenn bereits eine PA – ggf. ohne jegliche Rücksprache mit der Steuerberatung bzw. der Unternehmensleitung – ergangen ist. Dann ist auch eine ggf. notwendige Selbstanzeige i.S.v. § 371 AO – jedenfalls für den angeordneten Prüfungszeitraum und die geprüften Steuern – nicht mehr möglich, da bereits die Bekanntgabe einer PA seit 2011 einen Sperrgrund gem. § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 1a AO darstellt.[126]

 

bb) Vorgaben bei einer bereits angeordneten Außenprüfung sowie ihre Durchführung und Beendigung

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Ist die Außenprüfung bereits angeordnet, d.h. die PA i.S.d. § 196 AO bereits ordnungsgemäß bekanntgegeben, so sind die oben unter Rn. 147 ff. dieses Abschn. angeführten Fragestellungen trotz Vorgaben eines Compliance-Systems für eine AP i.d.R. innerhalb deutlich kürzerer Zeit zu beantworten bzw. die entsprechenden Einschätzungen unter weitaus größerem Zeitdruck zu treffen. Im Idealfall greift nun der Ablaufplan aus einem bereits bestehenden Tax Compliance-System. Insbesondere ist aber bei kritischen Sachverhalten eine strafbefreiende Selbstanzeige in vollem Umfange nicht mehr möglich, sondern nur noch außerhalb des mit der PA bekanntgegebenen Prüfungszeitraumes und außerhalb der dort genannten Steuerarten. Es kommt lediglich eine Nachmeldung gem. § 153 AO in Betracht, die aber wiederum ein undoloses Handeln im Vorfeld erfordert. Ggf. ist durch die für die Organisation und Durchführung der Außenprüfung im Unternehmen bestimmten Personen, ggf. mit externer Hilfe, zügig darüber zu entscheiden, ob hinsichtlich einzelner Sachverhalte ggf. auch eine teilweise fehlgeschlagene Selbstanzeige in Kauf zu nehmen ist, dies je nach Sachverhalt. Zu prüfen ist (natürlich) auch der Versuch der Verlegung des Beginns der AP über einen einfach Antrag (§ 197 Abs. 2 AO) oder über das Rechtsmittel des Einspruchs gegen die PA (§ 347 Abs. 1 AO) i.V.m. einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der PA gem. § 361 Abs. 2 AO.

(1) Steuerliche Risikoanalyse vor und während der Außenprüfung

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Der wichtigste Abschn., auch im Rahmen dieser Variante der bereits ergangenen Prüfungsanordnung, ist sicherlich die eigene Risikoanalyse des Unternehmens für den Prüfungszeitraum vor dem eigentlichen Beginn der Prüfung. Insoweit kann auf dieselben unter Rn. aa) dieses Abschn. aufgeworfenen Fragestellungen verwiesen werden. Entscheidend ist aber bei Durchführung der AP die sich aus der Wahrnehmung der Kommunikation mit dem Prüfer anschließende weitere Erörterung und Diskussion im Unternehmen mit den verantwortlichen Abteilungen und Personen betreffend die Beantwortung der Fragen des Prüfers wie auch der Einschätzung sich daraus ergebender Risiken und Handlungsmodalitäten des Unternehmens, z.B. Herausgabe von Unterlagen, Notwendigkeit von Nachmeldungen sowie steuerstrafrechtlichen Einschätzungen, ggf. im Wege der Hinzuziehung externen Sachverstandes in Gestalt eines Steueranwaltes. Es ist im TaxCompliance-System von vornherein zu regeln, welche Personen und Instanzen, ggf. auch Geschäftsführung oder Vorstand sowie Aufsichtsrat, bei welchen Fragestellungen und v.a. auch Größenordnungen, unverzüglich zu informieren und anzusprechen sind.

(2) Durchführung und Beendigung der Außenprüfung

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In jedem Falle ist durch die Verantwortlichen/benannten Auskunftspersonen i.S.v. § 200 Abs. 1 S. 3 AO der Prüfer, an dem im Idealfall gemeinsam mit dem Finanzamt bestimmten Ort der Prüfung, regelmäßig im Unternehmen, zu empfangen. Eine Unternehmensführung für den Prüfer sollte zu Beginn der Prüfung immer vorgesehen sein. Es ist der Kontakt mit dem Betriebsprüfer, der auch während der Außenprüfung gem. § 199 Abs. 2 AO zur Unterrichtung des Unternehmens über festgestellte Sachverhalte und mögliche Auswirkungen verpflichtet ist, fortlaufend zu suchen. Dies am besten in Form schriftlicher Zwischenfeststellungen bzw. Listen des Prüfers über abzuarbeitende Fragen. Ebenso ist von Verantwortlichen/Auskunftspersonen die Möglichkeit der Fertigung von Papierkopien durch den Prüfer zu regeln.

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Keinesfalls sollte a.E. der AP seitens des Unternehmens freiwillig auf eine Schlussbesprechung i.S.d. § 201 Abs. 1 AO verzichtet werden. Dies sollte nur im Falle einer „Nullprüfung“ erfolgen, d.h. für den Fall, dass die Prüfung ohne jegliche Feststellungen des Prüfers endet. Ansonsten sollte weiterhin das Gespräch mit dem Prüfer und ggf. seiner Sachgebietsleitung gesucht werden, da auf der Ebene der Betriebsprüfung erfahrungsgemäß am ehesten konstruktive, für das Unternehmen tragbare Lösungen zu erzielen sind. In späteren Verfahrensstadien wird dies aufgrund einer immer formaleren Denkweise der beteiligten Finanz- und/oder Gerichtsorgane häufig zunehmend schwieriger.

2. Die Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG) und die Umsatzsteuer-Sonderprüfung (§§ 193 ff. AO)

a) Zur Umsatzsteuer-Nachschau (§ 27b UStG, Abschn. 27b. 1 Abs. 2 UStAE)

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Die USt.-Nachschau ist der Nachschau bei Zöllen und Verbrauchsteuern (§ 210 AO) durch das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz[127] seit 1.1.2002 nachgebildet. Sie ist eine Ausnahmeregelung im Bereich des Besteuerungsverfahrens, das grundsätzlich als „Selbstveranlagungsverfahren“ gestaltet ist. Sie dient nach der Gesetzesbegründung in erster Linie der Bekämpfung des in den letzten beiden Jahrzehnten häufig gewordenen Erscheinungsbildes des Umsatzsteuerbetruges wie etwa USt.-Karussellen, Scheinfirmen etc. und soll zur zeitnahen Aufklärung etwaiger Auffälligkeiten in diesem Bereich führen. Gem. Abschn. 27 b. 1 Abs. 2 UStAE ist sie insbesondere bei folgenden Anlässen einschlägig:


Existenzprüfungen bei Unternehmensgründungen,
Entscheidungen der Finanzverwaltung bei Zustimmungen zu Erstattungen nach § 168 S. 2 AO,
Erledigung von Auskunftsersuchen zur Vorsteuererstattung anderer Finanzämter (Kontrollmitteilungen),
Erledigung von Auskunftsersuchen anderer Mitgliedstaaten der EU.

aa) Befugnisse des Finanzamtes nach der Legaldefinition in § 27b Abs. 1 S. 1 UStG

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Nach der Legaldefinition des § 27b Abs. 1 S. 1 UStG können Finanzbeamte „ohne vorherige Ankündigung“, d.h. ohne PA, „und außerhalb einer Außenprüfung Grundstücke und Räume von Personen, die eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausüben, während der Geschäfts- und Arbeitszeiten betreten, um Sachverhalte festzustellen, die für die Besteuerung erheblich sein können.“ Die Beamten können also einen Augenschein nehmen und sich z.B. vor Ort dazu eine Meinung bilden, ob ein neu gegründetes Unternehmen tatsächlich besteht, ob es über Geschäftsräume, Mitarbeiter, Geschäftsausstattung etc. verfügt. Gem. § 27b Abs. 2 UStG haben die entsprechenden Unternehmen und Personen „Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden“, ähnlich § 200 Abs. 1 AO bei der AP vorzulegen. Allerdings stellt die Nachschau weder eine Außenprüfung noch eine Durchsuchung i.S.d. StPO dar. Es bedarf zu ihrer Durchführung daher weder eines (steuer-) strafrechtlichen Anfangsverdachtes noch der Voraussetzungen einer Betriebsprüfung (vgl. oben Rn. 117 ff.). Sie ist daher ein für das Unternehmen unangenehmes, um nicht zu sagen gefährliches Instrument der Finanzverwaltung, das aufgrund der unbestimmten Voraussetzungen zu Missbrauch der Behörden einlädt. Umso wichtiger wäre daher eine effektive Kontrolle der Ermessensentscheidungen der Finanzverwaltung durch die Gerichte.[128]

bb) Einordnung in ein Tax Compliance-System zum Besteuerungsverfahren

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Im Gegensatz zur AP ist eine Vorbereitung der USt.-Nachschau im üblichen Sinne nur schwerlich, allenfalls vorbeugend möglich, da, wie ausgeführt, die Nachschau „ad hoc“ erfolgt. Somit bedarf es eines vorausschauenden, umsichtigen Tax Compliance-Managementsystemes bei der USt., wobei insbesondere auf das diesbezüglich spezielle 25. Kap. dieses Werkes zu dem komplexen Umsatzsteuerthema insgesamt verwiesen werden kann. An dieser Stelle, an der die Nachschau als besonderes Ermittlungsverfahren der Finanzverwaltung i.R.d. Besteuerungsverfahrens erörtert wird, sei lediglich darauf verwiesen, dass generell zur Vorbereitung, für den Fall einer Nachschau, ebenso wie für das ungewisse Ereignis einer Durchsuchung oder aber der nachfolgend ebenfalls noch zu behandelnden Lohnsteuer-Nachschau, eine Checkliste im Unternehmen vorab i.R.d. Tax Compliance-Systems erstellt werden sollte. Diese „Checkliste“ sollte zumindest die folgenden Punkte umfassen und der Geschäftsleitung, Abteilungsleitern (sowohl operativ wie erst Recht Steuer- und Rechtsabteilung), sowie v.a. den für die AP zuständigen Personen i.R.d. Compliance-Richtlinie für den „Fall eines Falles“ vorliegen:


Verlangen nach Ausweisung der Finanzbeamten, Dienstausweis, Prüfungsauftrag etc. – Dokumentation der Angaben der Beamten.
Klärung und Benennung der zentralen Ansprechpartner im Unternehmen (mit Telefon- und Handy-Nummer) für den Fall, dass eines Morgens mehrere Finanzbeamte im Rahmen einer USt.-Nachschau (gilt aber auch für Lohnsteuer-Nachschau) erscheinen (ggf. mit halbjährlicher Aktualisierung).
Wer ist konkret – Bestimmung mehrerer Personen, wie etwa Leiter der Steuerabteilung, externer Steuerberater, Leiter der Buchhaltung, jeweils einschließlich Vertreter – darüber hinaus über den Sachverhalt der Nachschau im Unternehmen unverzüglich zu informieren?
Welche Räumlichkeiten und PCs sind konkret bei einer Nachschau zu nutzen, um den betrieblichen Ablauf des Unternehmens nicht zu stören?
Ggf. ist eine Begründung der Nachschau als grds. mündlicher Verwaltungsakt gem. § 119 Abs. 2 S. 2 AO in schriftlicher Form von den Beamten zu verlangen.
Das Verhalten der Finanzbeamten, ihre Antworten und Begründungen sind detailliert, ebenfalls durch das Unternehmen intern zu dokumentieren: Wer will was weshalb im Einzelnen prüfen?
Aufklärung der betroffenen Mitarbeiter/Abteilungen über Rechte (und Pflichten) vorab/parallel im Rahmen einer Nachschau:
Keine Durchsuchung/keine Selbst-Initiative der Finanzbeamten bei Anforderung von Unterlagen erlaubt.
Selbstanzeige durch Nachschau gesperrt, solange Nachschau andauert bzw. Finanzbeamte im Unternehmen sind (§ 371 Abs. 2 Nr. 1e) AO).
Mit Abschluss der Nachschau kann erneut vollumfänglich Selbstanzeige erstattet werden, wobei insoweit u.U. Eile geboten ist, wegen des möglichen Überganges in eine Außenprüfung (sofern nicht von vornherein von den Beamten in eine Außenprüfung übergeleitet wird).

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Beispiele für typische Sachverhalte werden nachfolgend im Rahmen der Erörterung der USt.-Sonderprüfung aufgeführt (Rn. 160 ff.).

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