Tax Compliance

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bb) Selbstbindung der Verwaltung in ihren Ermessenserwägungen durch die Betriebsprüfungsordnung (BpO)[95]

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Aufgrund der geschilderten, weitreichenden Ermessensmöglichkeiten bei der AP hat sich die Verwaltung im Sinne einer gleichmäßigen Besteuerung (§ 85 AO) bei Betriebsprüfungen bundesweit durch eine allgemeine Verwaltungsrichtlinie quasi „selbst Fesseln auferlegt“. Auch wenn es sich dabei „nur“ um eine Verwaltungsvorschrift handelt, können gerade für Betriebsprüfungen von Unternehmen sehr wichtige Erkenntnisse aus dieser Verwaltungsvorschrift für die Vorbereitung, Durchführung und erfolgreiche Beendigung einer Betriebsprüfung gezogen werden. Spiegelt diese doch in großen Teilen die Rspr. des BFH – auch zugunsten Steuerpflichtiger – wider. Nachfolgend sollen die wichtigsten Themenkreise für die Praxis kurz angesprochen werden.

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Hinsichtlich des Prüfungszeitraumes hat sich die Verwaltung durch § 4 BpO gebunden. Danach soll (im Sinne eines eingeschränkten Ermessens) nur bei Großbetrieben eine Anschlussprüfung erfolgen (§ 4 Abs. 2 BpO). Bei Mittel- und Kleinbetrieben soll der Prüfungszeitraum in aller Regel nicht mehr als drei Veranlagungszeiträume umfassen (§ 4 Abs. 3 BpO). In welche Größenklasse ein Unternehmen einzuordnen ist, richtet sich einerseits nach der Branche bzw. der „Betriebsart“, andererseits nach den Betriebsmerkmalen wie den Umsatzerlösen und dem „steuerlichen Gewinn“[96] zum Zeitpunkt der Prüfungsanordnung oder Erweiterung der Prüfung.[97]

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Welche drei Zeiträume sich die Betriebsprüfungsstellen im Rahmen der Festsetzungsverjährung nunmehr „herauspicken“, bleibt dem Ermessen des jeweiligen Finanzamtes überlassen. Die früher geltende, strikte Selbstbindung (vor Neuregelung der BpO v. 15.3.2000) an die letzten drei Jahre, für die bei der Unterzeichnung der Prüfungsanordnung Steuererklärungen des Unternehmens abgegeben worden sind, ist entfallen. Insb. kann eine Betriebsprüfung nach der Rspr. des BFH gerade auch der Beantwortung der Frage nach der Dauer des Laufes der Festsetzungsverjährung (regelmäßige 4 Jahre oder verlängerte Festsetzungsverjährung 5 oder 10 Jahre i.S.d. § 169 Abs. 2 AO) dienen.[98]

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Eine Erweiterung des Prüfungszeitraumes muss auch nach Auffassung der Vw. gesondert begründet werden und ist nur unter den Voraussetzungen von § 4 Abs. 3 S. 2 BpO zulässig. Meist werden die Umstände, die eine Erweiterung des Prüfungszeitraumes rechtfertigen, erst im Verlaufe der AP bekannt. Erfolgt daraufhin die Ausdehnung, so ist dies dem steuerpflichtigen Unternehmen durch eine gesonderte schriftliche Prüfungsanordnung mitzuteilen. Eine fehlende Begründung macht zwar die Erweiterung der Prüfung zunächst rechtswidrig. Allerdings ist eine nachfolgende Heilung dieser Rechtswidrigkeit gem. § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO möglich. Als Gründe für die Erweiterung kommen nach § 4 Abs. 3 BpO zum einen die Erwartung „nicht unerheblicher Änderungen der Besteuerungsgrundlagen“ in Betracht, zum anderen der „Verdacht einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit“. Bezüglich letzterer Begründung ist auf § 10 BpO (Notwendigkeit der Unterbrechung der Prüfung bis zur Mitteilung der Einleitung des Strafverfahrens) hinzuweisen. Da die Grenzen für eine erhebliche Änderung der Besteuerungsgrundlagen äußerst niedrig sind (sie liegen im vierstelligen Euro-Bereich für sämtliche Steuerarten im dreijährigen Mindest-Veranlagungszeitraum), ebenso die Schwelle für einen „Tatverdacht“ im Sinne eines strafrechtlichen Anfangsverdachtes, kann eine Erweiterung der Prüfung durch die Finanzverwaltung bei in Frage kommenden Sachverhalten i.d.R. unschwer begründet werden.

c) Zur Zulässigkeit von Kontrollmitteilungen über die steuerlichen Verhältnisse Dritter (§ 194 Abs. 3 AO)

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Die Prüfung der Besteuerungsgrundlagen (§ 199 Abs. 1 AO) ist beschränkt auf das lt. Prüfungsanordnung geprüfte Unternehmen. § 194 Abs. 3 AO eröffnet jedoch die Möglichkeit, für den Fall, dass anlässlich einer AP Verhältnisse Dritter festgestellt werden, eine Auswertung in Form von Kontrollmitteilungen an deren jeweilige Veranlagungsfinanzämter zu übersenden, sofern deren Kenntnis „für die Besteuerung dieser anderen Personen von Bedeutung ist“. Letztlich heißt dies: „von Bedeutung sein kann“. „Anlässlich“ bedeutet dabei, dass die Feststellungen nur zwischen Beginn und Ende der Prüfung gemacht werden dürfen und quasi nur ein „Nebenprodukt“ der AP sein dürfen. Die Geschäftsunterlagen des geprüften Unternehmens dürfen also nicht gezielt nach steuererheblichen Verhältnissen Dritter durchforstet werden, weder unter Anlegung eines „Rasters“ noch „ins Blaue hinein“.[99]

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Die Finanzverwaltung zieht naturgemäß die Grenze für Kontrollmitteilungen unter diesen Prämissen verhältnismäßig weit, wie die Tz. 4.2 des erwähnten, immer noch geltenden Rationalisierungserlasses aus dem Jahre 1995[100] zeigt: Danach sind Kontrollmitteilungen „immer dann geboten“, wenn nach den Umständen des konkreten Falles, nach der Lebenserfahrung (!) oder nach dem Wissen um branchen- oder betriebsspezifische Besonderheiten die Möglichkeit gegeben ist, dass die steuerlichen Verhältnisse eines Dritten nicht, nicht vollständig bzw. ohne das Kontrollmaterial nicht richtig ermittelt werden können. Als Beispiele werden von der Finanzverwaltung, gewissermaßen im Sinne einer Checkliste, u.a. folgende Sachverhalte angeführt:


Abfindungen, Einmalzahlungen, Zuschüsse, usw.;
Vermutung von fingierten Vorgängen (Scheinfirmen, Scheingeschäfte) oder OR-Geschäfte (ohne Rechnung-Geschäfte);
Vorgänge betreffend Hilfsgeschäfte bzw. solche Geschäfte, die für ein geprüftes Unternehmen bzw. für den Dritten nicht branchentypisch sind;
Leistungen (erkennbar oder vermutet) kurzlebiger Betriebe;
Provisionen und ähnliche Vergütungen;
Rechnungen mit außergewöhnlichem Erscheinungsbild;
Gewährung von Vorteilen in jeglicher Form (Boni, Rabatte usw.);
fragwürdige Zahlungsaufforderungen, ungewöhnliche Zahlungs- und Abwicklungsmodalitäten;
Geldschenkungen, Übertragung von Bank- und Sparguthaben sowie Wertpapieren;
Verzicht auf Darlehens- und andere Forderungen;
Umfang der Warenverkäufe an gewerbliche Abnehmer.

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Weitgehend Einigkeit besteht darüber, dass durch Kontrollmitteilungen beliebige steuerliche Sachverhalte mitgeteilt werden dürfen, unabhängig davon, ob Anhaltspunkte für eine Steuerverkürzung oder ähnliches tatsächlich vorliegen. Angesichts der Fülle von Möglichkeiten zur Übermittlung von Kontrollmitteilungen liegt es auf der Hand, dass die Finanzverwaltung zumindest durch die Rspr. auch insoweit kontrolliert und ggf. begrenzt werden muss. Dies zumal gegen eine Kontrollmitteilung, nachdem es sich bei ihr nicht um einen Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO handelt,[101] weder Einspruch noch eine Anfechtungsklage gegeben ist. Überdies erfahren die Betroffenen häufig von einer solchen Kontrollmitteilung überhaupt nicht oder viel zu spät, erst im Rahmen der eigenen Betriebsprüfung bzw. der Akteneinsicht vor dem Finanzgericht (oder im Strafverfahren). Zudem gibt es keinerlei gesetzliche Sanktion für den Fall, dass sich ein Prüfer nicht an die gesetzlichen Vorgaben hält, insb. gibt es kein steuerliches Verwertungsverbot für rechtswidrig erlangte Informationen der Finanzämter.

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Daher kommt dem Umstand besondere Bedeutung zu, dass die Rspr. bei Erstellung von Kontrollmitteilungen das Tatbestandsmerkmal „anlässlich“ in § 194 Abs. 3 AO einschränkend dahingehend begrenzt, dass es neben einem zeitlichen Zusammenhang zwischen der Außenprüfung und der Feststellung steuerrelevanter Verhältnisse Dritter auch einen sachlichen Zusammenhang in der Art verlangt, dass bei einer konkreten und im Aufgabenbereich des Prüfers liegenden Tätigkeit ein Anlass auftauchen muss, der den Prüfer veranlasst, solche Feststellungen zu treffen.[102] Einen solchen „hinlänglichen Anlass“ hat die Rspr. des BFH z.B. für den Bankenbereich i.R.d. § 30a Abs. 3 S. 1 AO jedenfalls dann gesehen, wenn der Betriebsprüfer bei Prüfung bankinterner Konten einer Bank feststellt, dass Bankkunden, obwohl sie dort ihre Girokonten führen, anonymisierte Geschäfte außerhalb dieser Konten in der Art von Bargeschäften abgewickelt haben.[103] Wenn also das zu prüfende Bankgeschäft Auffälligkeiten aufweist, die es aus dem Kreis der alltäglichen und banküblichen Geschäfte hervorheben.[104] Ob dieses Erfordernis des „hinreichenden Anlasses“ für Kontrollmitteilungen auch bzgl. anderer Branchen besteht – im Bankenbereich besteht besonderer Schutz durch § 30a Abs. 3 AO – ist freilich bisher umstritten. Einerseits wird im Schrifttum zu Recht die Zulässigkeit eines solchen, Kontrollmitteilungen begrenzenden Erfordernisses ähnlich demjenigen bei Sammelauskunftsersuchen gefordert.[105] Andererseits wird von der Rspr. und ihren Repräsentanten ein solches Erfordernis bisher verneint.[106] Letzteres führt dazu, dass Kontrollmitteilungen für ein Unternehmen sowohl aus den Prüfungen anderer Unternehmen, aber auch im eigenen Hause, äußerst problematisch werden können.

 

d) Zur Prüfungsanordnung und ihrer Bekanntgabe (§§ 196, 197 AO)
aa) Allgemeines

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Die Prüfungsanordnung (PA) ist ein, wenn nicht sogar der zentrale Baustein des Betriebsprüfungsverfahrens für den Steuerpflichtigen. Daher sieht § 196 AO für die PA die Schriftform sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung vor. Ihrer Rechtsnatur nach stellt die PA einen sog. schriftlichen, belastenden Sammelverwaltungsakt i.S.d. § 118 AO dar,[107] da im Wege der Prüfung unmittelbar in die Rechtsstellung des steuerpflichtigen Unternehmens eingegriffen wird. Denn die PA enthält die Anordnung, die AP in dem in der PA bestimmten Umfang im Unternehmen zu dulden.[108] Die PA regelt damit den fachlichen, persönlichen und zeitlichen Umfang der AP. Sie bestimmt vor Beginn der AP bei welchem steuerpflichtigen Unternehmen, welche Steuern, für welchen Zeitraum, wann und wo geprüft werden. Die verschiedenen, in der PA enthaltenen Verwaltungsakte sind daher (aufgrund ihres belastenden Charakters) mit dem Einspruch gem. §§ 347 ff. AO anfechtbar (dazu näher unter Rn. 189).

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Zusätzliche Bedeutung hat die PA dadurch erfahren, dass seit der grundlegenden Änderung des Selbstanzeigerechtes im Jahre 2011[109] als Sperrgrund für eine Selbstanzeige i.S.d. § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO bereits die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung nach § 197 AO gilt. Der bis dahin geltende, wichtige Sperrgrund des „Erscheinens eines Amtsträgers“ hat dadurch an Bedeutung verloren. Er ist nur noch im Rahmen einer Prüfungserweiterung (über die bisherige PA hinaus) relevant. Seither ist die Selbstanzeige, zunächst im vollen, nicht strafverjährten Umfang für die in der PA genannten Steuerarten, seit 1.1.2015 wieder gesetzlich beschränkt auf den von der PA angeordneten sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung[110] (vgl. § 371 Abs. 2 Nr. 1a letzter HS AO), bereits durch die Bekanntgabe der PA gesperrt. Es liegt auf der Hand, dass schon aus diesem Grunde, gerade im Bereich einer Tax Compliance-Regelung, dafür gesorgt werden muss, dass bei Unternehmen bereits vor Ergehen einer PA (wenn ein prüfungsfähiger Zeitraum von annähernd drei Jahren (vgl. § 4 Abs. 3 BpO) erreicht ist) vom steuerlichen Berater des Unternehmens oder der Steuerabteilung der Kontakt zur Betriebsprüfung im Hinblick auf Planungen einer erneuten Außenprüfung/Anschlussprüfung bei Großbetrieben gesucht werden muss. Erst Recht muss nach Ergehen der PA eine genaue Prüfung der PA im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit sowie das weitere Vorgehen des Unternehmens (dazu unten Rn. 136 ff.) gewährleistet werden.

bb) Zur Bekanntgabefrist vor Prüfungsbeginn (§ 197 AO)

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Aufgrund der einschneidenden Wirkungen einer AP – zumindest Zeitverlust, Behinderung des operativen Geschäftes des Unternehmens bzw. der betroffenen Abteilungen – ist eine PA nach dem Gesetz (§ 197 Abs. 1 S. 1 AO) „angemessene Zeit“ vor Beginn der Prüfung bekannt zu geben. Hinsichtlich des Verständnisses dieses unbestimmten Rechtsbegriffes hat sich die Finanzverwaltung über § 5 Abs. 4 S. 2 BpO wiederum selbst gebunden. Danach soll (dies kann allerdings nur das Minimum sein) bei Großbetrieben vier Wochen vor Prüfungsbeginn und bei Klein- und Mittelbetrieben[111] zwei Wochen „angemessen“ sein. In diesem Zusammenhang ist die Rspr. des BFH zu beachten, wonach im Falle einer Erweiterung des Prüfungszeitraumes diese Fristen während einer bereits begonnenen Prüfung regelmäßig deutlich kürzer als bei der erstmaligen PA bei dieser AP sein dürfen.[112] Im Ausnahmefall kann die Frist zur Bekanntgabe sogar auf Null zurückgehen, d.h. mit dem Erscheinen des Prüfers und der Übergabe der erweiterten PA und dem Prüfungsbeginn zusammenfallen.[113] Begründet wird diese Rechtsauffassung der Rspr. damit, dass das Unternehmen in Folge der bereits begonnenen Prüfung durch die Erweiterung der Prüfung nicht mehr derart belastet sei wie bei einer erstmaligen PA. Grundsätzlich gilt die PA als belastender Sammelverwaltungsakt gem. § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 3. Tage nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben (s. ausführlich AEAO zu § 122 AO).

cc) Rechtsmittel gegen die Prüfungsanordnung

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In jedem Falle sollte daher bei kritischen Betriebsprüfungen – zumindest vorbeugend – in Folge der beschriebenen Bedeutung der PA Rechtsmittel in Gestalt eines Einspruches (§ 347 AO) sowie ggf., da dem Einspruch keine aufschiebende Wirkung zukommt, Aussetzung der Vollziehung der PA (§ 361 Abs. 2 S. 2 AO) beantragt werden. Soll lediglich eine Verschiebung des Prüfungsbeginns erreicht werden, ist auch auf § 197 Abs. 2 AO, einfacher Antrag an das Finanzamt, zu verweisen. Im Zweifel sollte der Einspruch gewählt werden, der im Einzelnen gegen die PA (§ 5 Abs. 2 S. 1 BpO), die Anordnung des Prüfungsbeginns[114] sowie des Prüfungsortes[115] selbstständig gerichtet werden kann. Gegen die Bestimmung der Person des Betriebsprüfers ist, da es sich um eine verwaltungsinterne Maßnahme handeln soll, grundsätzlich kein Rechtsbehelf gegeben.[116]

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Darüber hinaus ist der (vorbeugende) Einspruch gegen die PA auch deshalb besonders wichtig, weil ein steuerliches Verwertungsverbot für durch den Prüfer rechtswidrig erlangte Außenprüfungsergebnisse nach der Rspr. des BFH allenfalls dann erreicht werden kann, wenn das steuerpflichtige Unternehmen erfolgreich gegen die PA der betreffenden Prüfungsmaßnahme vorgegangen ist.[117] Sofern die rechtswidrig erlangten Prüfungsfeststellungen bereits Eingang in Steuerbescheide gefunden haben sollten, muss das Unternehmen im Wege eines zweistufigen Verfahrens nach dieser Rspr. auch diese Bescheide anfechten, um ein steuerliches Verwertungsverbot zu erlangen.[118] In Folge dieser Rspr. besteht ein steuerliches Verwertungsverbot in der Praxis äußerst selten. Dies auch, weil zumeist in Unkenntnis dieser Rspr., v.a. aus klimatischen Gründen, in der Außenprüfung kein Rechtsmittel gegen die PA eingelegt wird. Denn ansonsten gibt es, abgesehen von einer für das materielle Verfahren eher wirkungslosen Dienstaufsichtsbeschwerde, keinerlei Sanktion für ein rechtswidriges Verhalten des Prüfers während der Prüfung, geschweige denn ein steuerliches Verwertungsverbot. Eher kommt man noch zu einem strafrechtlichen Verwertungsverbot gem. § 136a StPO, z.B. wenn der Prüfer gegen § 10 BpO verstößt. Außerdem ist das Finanzamt nach dieser h.M. nicht daran gehindert, eine formfehlerhafte, zunächst rechtswidrige PA fehlerfrei zu wiederholen oder aber eine fehlende Begründung der PA (§ 121 Abs. 1 AO) nachträglich im Sinne einer Heilung der Rechtswidrigkeit zu geben (§ 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 AO).

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Ferner empfiehlt sich aus Sicht des Verfassers die (vorbeugende) Einlegung eines Einspruches gegen die PA auch in Folge der sonstigen Bedeutung der PA für das Verfahren der Außenprüfung sowie das gesamte weitere Besteuerungsverfahren. Ebenso kann umgekehrt die nachträglich gerichtlich festgestellte Rechtswidrigkeit einer PA ebenso bedeutend für das Unternehmen sein:


Weil der Ablauf der Festsetzungsfrist gehemmt ist (Ablaufhemmung), wenn mit einer rechtmäßigen Außenprüfung begonnen wurde oder deren Beginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben worden ist (§ 171 Abs. 4 S. 1 AO); insofern ist es natürlich von Bedeutung, wenn die PA aufgrund Rechtswidrigkeit im Nachhinein entfällt;
Weil sich die Sperrwirkung für Selbstanzeigen nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO wieder (seit 1.1.15) nur auf den Umfang der PA erstreckt und bei Entfallen der PA rückwirkend auch die Sperrwirkung entfällt, also eine schon abgegebene Selbstanzeige vollumfänglich wirksam sein kann.

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Insgesamt belegen die vorstehenden Ausführungen, dass gegen die PA in vielen Fällen zumindest vorbeugend Rechtsmittel eingelegt werden sollte. Zwar ist nur selten ein steuerliches Verwertungsverbot für Prüfungsfeststellungen erreichbar, nach der Rspr. des BFH gibt es hiervon sogar noch Ausnahmen für erstmalige Steuerfestsetzungen etc. Umgekehrt kann ohne einen Einspruch gegen die PA rechtlich insoweit überhaupt nichts mehr erreicht werden, egal wie ein Prüfer sich während der AP verhalten hat.

e) Zu den besonderen Mitwirkungspflichten vor und während der Außenprüfung (§§ 90 Abs. 1, 200, 147 Abs. 4, 147 Abs. 6 AO)

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§ 200 Abs. 1 AO ergänzt die auch in der AP geltenden, allgemeinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren (vgl. oben Rn. 12 ff.) bzw. passt diese an die spezielle Situation der AP an.[119] Die Vorschrift entspricht daher weitgehend den allgemeinen Vorschriften der §§ 90 ff. AO, schließt aber in § 200 Abs. 1 S. 4 AO z.B. das Erfordernis der Schriftlichkeit von Auskunftsersuchen des Prüfers gem. § 93 Abs. 2 S. 2 AO sowie des Vorrangs der Beteiligtenbefragung bei Verlangen einer Urkunde gem. § 97 Abs. 2 AO ausdrücklich aus. Das steuerpflichtige Unternehmen hat also in der AP insbesondere „Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen“ sowie die zum Verständnis erforderlichen Erläuterungen zu geben und „die Finanzbehörde bei Ausübung ihrer Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO (digitale Außenprüfung) zu unterstützen“ (vgl. § 200 Abs. 1 S. 2 AO).

aa) Begrenzung durch den Umfang der Prüfungsanordnung (§ 196 AO)

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Begrenzt werden diese umfassenden Mitwirkungspflichten einerseits durch den Inhalt der PA hinsichtlich des jeweils geprüften Unternehmens, der geprüften Steuerarten, der geprüften Veranlagungszeiträume sowie des Beginns und des Ortes der Prüfung. Die Mitwirkungspflichten gem. § 200 AO bestehen nur für die Feststellung von Sachverhalten, die im Rahmen dieses angeordneten Prüfungsumfanges von Bedeutung sein können. Andererseits werden die Grenzen der Mitwirkungspflicht allgemein bestimmt durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Zumutbarkeit des jeweiligen Verlangens des Prüfers. I.Ü. richtet sich der Umfang der Mitwirkungspflichten des Unternehmens nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamtes.[120] So haben z.B. Konzernunternehmen für den Prüfungszeitraum insbesondere folgende Unterlagen vorzulegen:


Den Prüfungsbericht des Wirtschaftsprüfers über die Konzernabschlüsse der Konzernmuttergesellschaft;
Die Richtlinie der Konzernmuttergesellschaft zur Herstellung des Konzernabschlusses;
Die konsolidierungsfähigen Einzelabschlüsse (Handelsbilanzen II) der Konzernmuttergesellschaft;

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Vorlegen“ heißt dabei, dass das Unternehmen die Urkunden und Unterlagen selbst heraussuchen und dem Prüfer übergeben muss, und zwar am Ort der Außenprüfung (§ 200 Abs. 2 AO/§ 6 BpO). Ohne Zustimmung des Unternehmens darf der Prüfer die Unterlagen nicht selbst heraussuchen. Häufiger Streitpunkt ist dabei die Frage, ob die Vorlagepflicht auch Unterlagen betrifft, die zwar nicht unmittelbar den Prüfungszeitraum betreffen, aber zur Feststellung von Sachverhalten innerhalb des Prüfungszeitraumes erforderlich sind. Nach Auffassung der Finanzverwaltung kann ein Prüfer diese Unterlagen ohne Erweiterung des Prüfungszeitraumes nochmals herausverlangen, z.B. Unterlagen über Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge, Sukzessiv-Lieferungsverträge etc.. Auch die erhöhte Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten besteht natürlich fort.[122]