Tax Compliance

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d) Vermeidung möglicher steuerlicher/steuerstrafrechtlicher Konsequenzen durch eine Compliance-Regelung

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Hinsichtlich der Struktur einer Tax Compliance-Regelung kann auf die obigen Ausführungen zu §§ 149 ff. AO (unter Rn. 101) verwiesen werden. Allerdings stellt sich im vorliegenden Falle noch die zusätzliche Notwendigkeit einer Abgrenzung zur Selbstanzeige gem. § 371 AO. Ist also das nachträgliche Erkennen des Fehlers in der Steuererklärung – wie häufig – nicht ganz unzweifelhaft, sollte aufgrund der völlig unterschiedlichen Voraussetzungen einer Selbstanzeige seit dem 1.1.2015 gegenüber § 153 AO und dem diesbezüglich notwendigen Überblick über die Gesamtproblematik externe Fachkenntnis in Form eines Steueranwaltes (§ 80 AO) zugezogen werden. Im Übrigen kann hinsichtlich der schwierigen Abgrenzung zwischen Nachmeldung und Selbstanzeige und daraus resultierender Folgen für eine Compliance-Regelung ebenfalls auf das nachfolgende 13. Kap. dieses Werkes vollumfänglich verwiesen werden.

III. Gesteigerte Mitwirkungspflichten im Ermittlungsverfahren und ihre Einhaltung bei internationalen Sachverhalten

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Die Ermittlungsbefugnisse der deutschen Finanzbehörden enden – abgesehen von den erweiterten Möglichkeiten der Amts- und Rechtshilfeverfahren (§§ 117 ff. AO) – an den deutschen Landesgrenzen. Damit daran die Amtsermittlungs- und Sachverhaltsaufklärungspflichten des Finanzamtes nicht scheitern, normieren die §§ 90 Abs. 2 und Abs. 3 AO, ggf. i.V.m. § 17 AStG, erhöhte Mitwirkungs- und Aufklärungspflichten für das Unternehmen bei internationalen Sachverhalten bereits ab Beginn der Auslandsgeschäftsbeziehung.[81] Bei dieser Thematik handelt es sich um eine gerade für das Unternehmen derart praxisrelevante und spezielle Thematik, die aufgrund der internationalen Verflechtungen deutscher Unternehmen eine so große Bedeutung erlangt hat, dass diesen Themen nachfolgend zwei gesonderte Kap. in diesem Werk, nämlich das 16. Kap. zu Auslandssachverhalten allgemein sowie das 19. Kap. zu § 90 Abs. 3 AO gewidmet sind, auf die hiermit vollumfänglich verwiesen wird. An dieser Stelle werden daher nur einige, auch für das Besteuerungsverfahren wichtige und aus Sicht des Verfassers unabdingbare Grundsätze dargelegt.

1. Zum Inhalt der erhöhten Mitwirkungspflichten

a) Zur gesteigerten Mitwirkungspflicht bei allgemeinen Auslandssachverhalten (§ 90 Abs. 2 S. 1, 2 AO), ggf. i.V.m. § 17 AStG

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§ 90 Abs. 2 S. 1, 2 AO normiert eine verfahrensrechtliche Verschärfung der Behandlung von grenzüberschreitenden Sachverhalten im Vergleich zu reinen Inlandssachverhalten. Dies indem er bei derartigen Sachverhalten nicht nur eine Mitwirkungsverpflichtung zur Auskunft und Beweisbenennung normiert, sondern darüber hinaus eine Sachaufklärungsverpflichtung i.V.m. einer Beweismittelbeschaffungspflicht des Steuerpflichtigen aus dem Ausland. In diesem Zusammenhang der Beweismittelbeschaffung wird dem Unternehmen zusätzlich eine Beweisvorsorgepflicht dahingehend auferlegt, dass das Unternehmen bereits beim Eingehen von Auslandsbeziehungen für die Möglichkeit der Beschaffung von Beweismitteln Vorsorge treffen muss, sich ggf. sogar vertraglich absichern muss, um bei späterem Bedarf diese Beweismittel gegenüber dem Finanzamt jederzeit vorlegen zu können.[82] Damit erweitert § 90 Abs. 2 AO die in § 90 Abs. 1 AO normierte Offenlegungspflicht für den „Normalfall“ des Inlandsfalles bei Auslandssachverhalten zu einer Pflicht zur „Sachaufklärung durch den Beteiligten“.

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Zu betonen ist allerdings, dass die Beteiligten mit diesen Verpflichtungen nicht die den Finanzbehörden übertragene Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung übernehmen. Ebensowenig haben sie die „ausschließliche Verpflichtung“ den Sachverhalt aufzuklären. Der Amtsermittlungsgrundsatz gem. § 88 AO bleibt allgemein, gerade auch bei Auslandssachverhalten, bestehen. Ergänzt wird § 90 Abs. 2 AO durch § 17 AStG, der sich im Unterschied zu § 16 AStG, welcher nur an § 160 AO anknüpft, auf die Anwendung der §§ 5, 7–15 AStG, also auf die Hinzurechnungsbesteuerung bei Zwischengesellschaften, bezieht. Das Aufklärungsverlangen der Finanzbehörde nach § 17 AStG ist ein mit dem Einspruch anfechtbarer Verwaltungsakt.[83] Welche Beweismittel zum Nachweis des steuerrelevanten Sachverhaltes im Einzelnen „erforderlich“ i.S.d. § 90 Abs. 2 S. 1 AO sind, ist eine Frage des Einzelfalles. In Betracht kommen z.B. folgende Beweisurkunden i.S.d. § 92 S. 2 Nr. 3 AO (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):


ausländische Steuerbescheide oder Steuerbescheinigungen;
ungekürzte Bilanzen und G+V-Rechnungen, Gewinnverteilungsabreden;
bei ausländischen Betriebsstätten: Aufbewahrungspflichtige Buchführungsunterlagen;
Grundbuchauszüge, Schriftwechsel;
Gründungsprotokolle, Gründungsurkunden;
Meldungen nach dem AWG;
Protokolle von Gesellschafterversammlungen und Kontrollorganen;
Prüfungs- und Geschäftsberichte;
Registereintragungen, Treuhandverträge, Verträge aller Art.

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Einen Sonderfall im Rahmen der genannten Beweismittelbeschaffungspflicht stellt bei Auslandssachverhalten die Benennung von Zeugen durch den Steuerpflichtigen (§ 92 S. 2. Nr. 1 AO) dar. Insoweit ist es mittlerweile gesicherte Rspr., dass ein steuerpflichtiges Unternehmen seine erhöhte Mitwirkungspflicht – im Gegensatz zu Inlandsfällen – nicht erfüllt, wenn es einen ausländischen Zeugen (z.B. Empfänger von Zahlungen/Gläubiger) lediglich mit vollem Namen und ladungsfähiger Anschrift bezeichnet. Vielmehr ist die Person als präsentes Beweismittel in die Sitzung zu stellen.[84] Wichtig ist, dass dieser Grundsatz auch für EU-Bürger gilt, die als ausländische Auskunftsperson in einem Besteuerungs-/Finanzermittlungsverfahren in Betracht kommen.[85] Sofern das beteiligte Unternehmen – wie regelmäßig – durch einen Angehörigen der steuerberatenden Berufe vertreten ist, sind die Finanzbehörden nach der Rspr. des BFH nicht einmal verpflichtet, darauf hinzuweisen, dass im Ausland ansässige Auskunftspersonen nicht von Amts wegen geladen und vernommen werden müssen, sondern in die Sitzung gestellt werden müssen![86]

b) Zur gesteigerten Mitwirkungspflicht bei Geschäftsbeziehungen zu Steueroasen (§ 90 Abs. 2 S. 3 AO)

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§ 90 Abs. 2 S. 3 AO wurde durch das Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz v. 30.7.2009 mit Wirkung für Veranlagungszeiträume, die nach dem 31.12.2009 beginnen, d.h. also ab VZ 2010, ins Gesetz eingefügt.[87] Die Norm war mit der Möglichkeit der Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung bzgl. der Richtigkeit der Angaben des steuerpflichtigen Unternehmens eine Drohgebärde vor dem Hintergrund vieler Auslandskapitalanleger in diesen Jahren. Derzeit läuft die Norm jedoch leer, da auf der „schwarzen Liste“ des BMF keine Steueroasen-Länder verzeichnet sind (Stand: Sommer 2016).[88] Infolgedessen erübrigen sich weitere Ausführungen zu dieser Norm.

c) Gesteigerte Mitwirkungspflichten in Form besonderer Aufzeichnungspflichten bei Verrechnungspreisen (§ 90 Abs. 3 AO)

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Für Unternehmen, die Geschäftsbeziehungen zum Ausland mit nahestehenden Personen i.S.d. § 1 Abs. 2 AStG unterhalten, verlangt die mit dem sog. „Steuervergünstigungsabbaugesetz“[89] v. 16.5.2003 für Veranlagungszeiträume ab dem 1.1.2003 geltende Norm die Erstellung besonderer Aufzeichnungen und Dokumentationen zu internationalen Verrechnungspreisen in dieser Geschäftsbeziehung. Darunter ist einerseits eine sog. Sachverhaltsdokumentation (§ 90 Abs. 3 S. 1 AO) über Art und Inhalt der Geschäftsbeziehung zu der ausländischen, nahestehenden Person zu verstehen, die vom Konzernaufbau über die einzelnen Geschäftsvorgänge und die wesentlichen Verträge bis zur Vorlage der für die Verrechnungspreisfindung relevanten Dokumente geht. Den genauen Umfang konkretisieren § 1 Abs. 2, § 4 Nr. 1–3 der GAufzV.[90] Daneben ist nach § 90 Abs. 3 S. 2 AO eine sog. Angemessenheitsdokumentation erforderlich, die anhand eines transaktionsbezogenen Fremdvergleichs nach einer der sog. Standardmethoden (Preisvergleichs-, Kostenaufschlags- oder Wiederverkaufsmethode) die wirtschaftlichen und rechtlichen Grundlagen der zwischen den Nahestehenden vereinbarten Preise und anderer Geschäftsbedingungen darlegen soll. Auch hier wird im Einzelnen der Umfang der Pflicht durch § 1 Abs. 3, § 4 Nr. 4 GAufzV näher dargelegt. Im Übrigen wird insoweit zu dieser sehr komplexen Norm auf das 19. Kap. dieses Werkes verwiesen.

 

2. Zu den Risiken erhöhter Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten und ihrer Vermeidung

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Wie aus den knappen, vorangegangenen Ausführungen zu den §§ 90 Abs. 2, 90 Abs. 3 AO ersichtlich wird, sind die steuerlichen Risiken, beginnend bereits bei der Aufnahme der Geschäftsbeziehung und der damit einhergehenden Beweisvorsorgepflicht über die Dokumentationspflichten des § 90 Abs. 3 AO hinweg immens. Sie können im vorliegenden Rahmen nicht näher behandelt werden ohne diesen Rahmen zu sprengen. Daher sei auch an dieser Stelle hinsichtlich der Risiken und ihrer Vermeidung auf die nachfolgenden 16. Kap. sowie 19. Kap. dieses Werkes vollumfänglich verwiesen.

IV. Besondere Arten des Ermittlungsverfahrens, ihre mögliche Vorbereitung und Durchführung unter Betrachtung ausgewählter Risiken

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Außenprüfung (§§ 193 ff. AO), Nachschau und Fahndungsprüfung (§§ 208, 385 ff. AO) sind allesamt Institute, die Ausfluss der Pflicht des Fiskus zur gleichmäßigen Erhebung der Steuern (§ 85 AO) sind. Mit der Außenprüfung verfügt der deutsche Fiskus über ein tatsächlich und rechtlich weit ausgebautes, international wohl einzigartiges Instrumentarium zur Ermittlung der Grundlagen für die Festsetzung der Steuern beim Steuerpflichtigen selbst (§ 194 Abs. 1 S. 1 AO). Sie hat eine präventive Funktion, da die Besteuerungsgrundlagen nicht nur „am grünen Tisch“ im Finanzamt, sondern vor Ort im Unternehmen – zumindest nach dem Zufallsprinzip – geprüft werden können. Die an die Lohnsteuer-Nachschau (§ 42g EStG) sowie die Nachschau bei Zöllen und Verbrauchsteuern (§ 210 AO) angelehnte USt.-Nachschau (§ 27b UStG) bezeichnet in erster Linie schlichte Ermittlungsmaßnahmen zum Zwecke der Nachprüfung der bei der Finanzbehörde gemachten Angaben durch eine Augenscheinnahme beim Steuerpflichtigen. Die USt.-Nachschau dient nach der Gesetzesbegründung primär der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges. Sie ist keine Außenprüfung (im Folgenden: AP), aber auch keine Durchsuchung i.S.d. StPO, sondern soll ein „besonderes Verfahren zur zeitnahen Aufklärung möglicher steuererheblicher Sachverhalte“ sein. Daher gelten für sie unmittelbar weder die Vorschriften über die AP noch die strafprozessualen Vorschriften. Dies wird u.a. nachfolgend im Einzelnen erörtert.

1. Zur Außenprüfung beim Unternehmen (§§ 193 ff. AO)

a) Zulässigkeit einer Außenprüfung (§ 193 AO) – Wer wird geprüft?

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Unternehmen i.S.d. § 193 Abs. 1 AO können i.d.R. stets ohne Begründung geprüft werden, selbiges gilt für die „Einkommensmillionäre“ gem. § 147a AO, die aber vorliegend keine Rolle spielen. Die Steuerpflichtigen, die über Gewinneinkünfte gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG verfügen, müssen immer mit einer Prüfung rechnen, dies ohne besonderen Anlass.

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Anders, d.h. eine Begründungspflicht besteht, verhält es sich bei Steuerpflichtigen gem. § 193 Abs. 2 AO, also denjenigen, die Überschusseinkünfte erzielen, oder die ihre erhöhten Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten verletzen (§ 193 Abs. 2 Nr. 3 AO). Relativ selten ist der Fall des § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO, der z.B. Arbeitgeber betreffen würde, die die Lohnsteuer der Arbeitnehmer vom Arbeitslohn einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen haben (§ 38 ff. EStG), oder aber der Banken, die Kapitalertragsteuer gem. §§ 43 ff. EStG einzubehalten haben. Denn diese Unternehmen unterfallen als gewerbliche Betriebe zumeist der Zulässigkeit der AP nach § 193 Abs. 1 AO.

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Die Zulässigkeit einer AP hängt weiters nicht davon ab, dass die Steuerbescheide für den Prüfungszeitraum unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) ergangen sind. Dies wird zwar häufig der Fall sein, sofern die Finanzverwaltung – abgesehen von Großbetrieben, bei denen ohnehin eine Anschlussprüfung erfolgt – eine AP beabsichtigt. Voraussetzung ist dies aber ebensowenig wie das Ergehen endgültiger Steuerbescheide oder die Abgabe von Steuererklärungen.[91] Ansonsten könnte ein Unternehmen durch Nichtabgabe von Steuererklärungen eine AP zumindest hinauszögern oder aber ganz für bestimmte Zeiträume verhindern. Insgesamt steht die Festsetzung einer AP daher gem. dem „ob“ einer Betriebsprüfung im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung. Das Unternehmen hat umgekehrt allerdings auch keinen Anspruch auf Durchführung einer Betriebsprüfung (etwa zum Beleg bestimmter Tatsachen oder Klärung bestimmter Rechtsfragen), sondern lediglich einen Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensausübung der Finanzverwaltung. Zulässig und in der Praxis häufig ist eine AP daher auch bei Aufgabe/Veräußerung/Liquidation eines Unternehmens oder eines Teilbetriebes. Ebenso wie nach der Gründungsphase dürfte in diesen Fällen die AP sogar als Regelfall zu bezeichnen sein.

b) Prüfungsfelder (§ 194 AO) – Was wird geprüft?

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§ 194 Abs. 1 AO regelt den Umfang einer Prüfung bei Unternehmen, die nach der Maßgabe des § 193 Abs. 1 AO überhaupt geprüft werden dürfen, in sachlicher, zeitlicher und persönlicher Hinsicht. Das „was“ liegt zwar einerseits wiederum im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung (§ 5 AO i.V.m. § 194 Abs. 1 S. 2 AO). Allerdings wird dieses Ermessen u.a. begrenzt durch Sinn und Zweck der AP, nämlich die Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse des steuerpflichtigen Unternehmens (§ 194 Abs. 1 S. 1 AO), an das die Prüfungsanordnung (§ 196 AO) adressiert ist. Nicht zulässig ist z.B. die gezielte Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse Dritter, es sei denn, dies wäre ausdrücklich gesetzlich zugelassen (z.B. § 10 VerStG, § 9 Abs. 2 FeuerschG). Das ist ständige Rspr. seit dem RFH zur RAO.[92] Die gem. § 194 Abs. 3 AO gesetzlich geschaffene Möglichkeit, anlässlich einer AP Kontrollmitteilungen für Besteuerungszwecke Dritter zu fertigen (z.B. im Falle der Zahlung von Provisionen über die Provisionsempfänger), stellt keine Durchbrechung des eben dargestellten Prinzips dar. Denn die den Kontrollmitteilungen zugrundeliegenden Feststellungen dürfen nicht gezielt ermittelt werden. Sie dürfen nur gleichsam als Abfallprodukt anlässlich einer AP anfallen. Für die Bankenbranche gilt die Norm des § 30a Abs. 3 S. 2 AO, die allerdings kein generelles Verbot und schon gar kein „Bankgeheimnis“ begründet.

aa) Zum sachlichen und zeitlichen Prüfungsumfang

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Das Finanzamt kann das ihm eingeräumte Ermessen hinsichtlich des Prüfungsumfanges gem. § 194 Abs. 1 S. 2 AO, insb. hinsichtlich der in der jeweiligen Prüfung zu überprüfenden Steuerarten als auch hinsichtlich der Besteuerungszeiträume, zur Geltung bringen.

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Hinsichtlich der Steuerarten i.S.d. § 194 Abs. 1 S. 2 AO kommen sämtliche Steuerarten gem. § 3 AO in Betracht. Dazu gehören auch Sachverhalte, die Grundlage für steuerliche Subventionen wie z.B. frühere Investitionszulagen sind, da auch diese Zulagen unter den Begriff der „Steuerarten“ gezählt werden, weil sie von Finanzbehörden bewilligt wurden. Darüber hinaus kann Gegenstand einer AP auch die Ermittlung „bestimmter Sachverhalte“ (§ 194 Abs. 1 S. 2 2. HS AO) sein: Hierzu gehören die Sachverhalte betreffend den Erlass von Lohnsteuer-, Kapitalertragsteuer-, Aufsichtsratssteuerbescheiden und für den Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 EStG. Es gilt letztlich der Grundsatz der Vollprüfung, d.h. die Betriebsprüfer werden ihre Prüfung z.B. bei der Ertragsteuer nicht auf die gewerblichen, freiberuflichen oder land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte beschränken, sondern werden im Einklang mit der geltenden Rspr. auch die übrigen Einkünfte, z.B. bei Einzelunternehmen auch andere Einkunftsarten, wie die Kapitaleinkünfte überprüfen.[93] Ergänzt wird diese weitgehende Prüfungsbefugnis des Finanzamtes durch die Möglichkeit gem. § 194 Abs. 2 AO die Prüfung – entweder über eine Prüfungserweiterung während der laufenden Prüfung – oder aber von vornherein auf die steuerlichen Verhältnisse der Gesellschafter insgesamt auszudehnen. In diesem Falle wäre die Prüfungsanordnung gem. § 197 Abs. 1 S. 3 AO sämtlichen Gesellschaftern und Mitgliedern von Überwachungsorganen bekanntzugeben (vgl. auch § 5 Abs. 6 BpO).

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Einen guten Überblick über die Prüfungsschwerpunkte der Verwaltung sowie die klassischen Prüfungsfelder einer Betriebsprüfung, quasi im Sinne einer „Checkliste“, bietet der immer noch aktuelle Erlass des FM Nordrhein-Westfalen v. 13.6.1995, der sog. „Rationalisierungserlass“.[94] Danach ergeben sich folgende Prüfungsfelder, die im Rahmen der nachfolgend erörterten Prüfungsvorbereitung in jedem Falle zumindest „abgeklopft“ werden sollten:


steuerliche Beurteilung der Unternehmensform, insbesondere Überprüfung, ob den zivilrechtlich gewollten Gestaltungen auch steuerlich gefolgt werden kann (z.B. Umwandlungsverträge/Rückwirkungsverbot);
steuerlich erhebliche Verträge zwischen nahestehenden Personen (auch Konzerngesellschaften), relevant z.B. bei Arbeits- und Mietverträgen sowie Verträgen über Darlehen zwischen Konzerngesellschaften;
Verträge und Gestaltungen über die Grenze, insb. mit ausländischen Gesellschaften, auch Konzerngesellschaften, die möglicherweise mit dem inländischen Unternehmen verbunden sind (vgl. oben zu §§ 138 Abs. 2 AO, 90 Abs. 3 AO, 16 AStG);
Privatabgrenzungen:
Auto-, Telefon-, Reise- und Bewirtungskosten sowie sonstige Spesen im Unternehmen. Grundsätzliche Überprüfung der Betriebsbedingtheit von Aufwendungen, die auch den privaten Bereich tangieren (z.B. Sportsponsoring, Sportveranstaltungen (VIP-Lounges), Aufwendungen für Reisen, Incentive-Veranstaltungen);
Geschenke, offene und verdeckte Schmiergelder (§ 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG i.V.m. §§ 4, 8 Abs. 2 KStG);
aus der Bilanzierung: hinreichende Aktivierungen, überhöhte Passivierungen von Rückstellungen;
berechtigter Schuldzinsenabzug;
Verdeckte Gewinnausschüttungen: Leistungsbeziehungen und Werbezuschüsse zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern bzw. nahestehenden Personen;
formeller Zustand der Buchführung (s. oben Rn. 45 ff.);
materielle Richtigkeit der Buchführung, insb. durch Überprüfung der Einnahmen aufgrund von Nachkalkulationen, Vermögenszuwachsrechnungen etc.

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Hinsichtlich des in § 194 Abs. 1 S. 2 AO verwendeten Begriffes des Besteuerungszeitraumes ist jener Zeitraum gemeint, für den die Steuer festgesetzt wird. Bei der Einkommensteuer/Körperschaftsteuer ist dies der Veranlagungszeitraum (§ 25 Abs. 1 EStG i.V.m. §§ 4, 8 Abs. 2 KStG), d.h. regelmäßig das Kalenderjahr (sofern kein abw. Wirtschaftsjahr), bei der Gewerbesteuer der Erhebungszeitraum, also ebenfalls das Kalenderjahr (§ 14 GewStG). Bei der USt. kommt als Besteuerungszeitraum ebenfalls das Kalenderjahr in Betracht (§ 18 Abs. 3 UStG), aber auch die Voranmeldungszeiträume gem. § 18 Abs. 1 und 2 UStG, also Kalendermonat bzw. Kalendervierteljahr. Bei der Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer ist Besteuerungszeitraum der Anmeldungszeitraum (§ 41a Abs. 1 EStG), also Kalendermonat oder Kalendervierteljahr (§ 41a Abs. 2 EStG).