Tax Compliance

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Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 7. Kapitel Tax Investigation

7. Kapitel Tax Investigation

Inhaltsverzeichnis

A. Begriff der Tax Investigation im Sinne einer internen Ermittlung

B. Gründe für die Durchführung einer Tax Investigation

C. Tax Investigation als Teil des Tax Compliance Management Systems

D. Tax Investigation

E. Fallstudien von Tax Investigation

Literatur:

Aichberger/Schwartz Tax Compliance – Der Vorstand im Fokus (Teil 1), DStR 2015, 1691; Association of Certified Fraud Examiners, Inc. (ACFE) Fraud Examiners Manual – International Edition, 2016; Dühnfort Umsatzsteuerbetrug durch Karussellgeschäfte – Grundmuster Risiken und Präventionsansätze, ZFRC 2012, 117; Gehm Steuerliche und steuerstrafrechtliche Aspekte des Umsatzsteuerkarussells, NJW 2012, 1257; Institut der Wirtschaftsprüfer e.V. (IDW) PH 1/2016: Ausgestaltung und Prüfung eines Tax Compliance Management Systems gemäß IDW PS 980; dass. PS 210: Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung; dass. PS 980: Grundsätze ordnungsmäßiger Prüfung von Compliance Management Systemen; dass. WP Handbuch, 14. Aufl. 2012; Kudert/Birk Einsatz ausländischer Basisgesellschaften und Haftung des (faktischen) Geschäftsführers, IStR 2017, 6; Schaefer Das Umsatzsteuerkarussell, NJW-Spezial 2007 Heft 5, 231; Schneider Investigative Maßnahmen und Informationsweitergabe im konzernfreien Unternehmen und im Konzern, NZG 2010, 1201; Schürrle/Olbers Compliance-Verantwortung in der AG – Praktische Empfehlungen zur Haftungsbegrenzung an Vorstände und Aufsichtsräte, CCZ 2010, 102; Sölch/Ringleb UStG, Loseblatt; Werder/Rudolf Drohende Konsequenzen bei lückenhafter Tax Compliance, BB 2016, 1433.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 7. Kapitel Tax Investigation › A. Begriff der Tax Investigation im Sinne einer internen Ermittlung

A. Begriff der Tax Investigation im Sinne einer internen Ermittlung

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Der Gegenstand einer Tax Investigation bzw. „Tax Fraud Examination“ ist grundsätzlich die Sachverhaltsklärung eines möglichen Verstoßes gegen steuerliche Regeln (auch intern gesetzte steuerliche Richtlinien bzw. Standards) im Rahmen einer anlassbezogenen unternehmensinternen Ermittlung.[1] Sie dient damit den unternehmenseigenen Interessen und ist von einer behördlichen Ermittlung abzugrenzen.

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Der Begriff „Fraud Examination“ wird durch die ACFE[2] als ein Prozess zur Klärung von Fraud-Verdachtsmomenten, der alle Prozessstufen umfasst, definiert. Dieser Prozess umfasst unterschiedliche Aufgaben, darunter etwa:


Beweiserlangung,
Berichterstattung (Reporting),
Bezeugung von Ergebnissen, z.B. vor Gericht (abhängig von der Jurisdiktion),

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Im internationalen Kontext wird Tax Fraud als eine vorsätzliche Handlung verstanden, bei der ein Steuerpflichtiger die geschuldete Steuer nicht oder nicht vollständig entrichtet. Eine besondere Unterform des Tax Fraud stellt in der Systematik des ACFE die Steuerhinterziehung dar, die damit klar von einer legalen Steuervermeidung abgegrenzt wird. Dies entspricht im Wesentlichen dem Verständnis einer Steuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO bzw. leichtfertigen Steuerverkürzung i.S.d. § 378 AO, auch wenn es nach deutschem Verständnis kein Betrugsdelikt i.S.d. § 263 StGB darstellt.[4]

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 7. Kapitel Tax Investigation › B. Gründe für die Durchführung einer Tax Investigation

B. Gründe für die Durchführung einer Tax Investigation

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Der Auslöser für eine Tax Investigation wird regelmäßig ein Hinweis auf ein Handeln bzw. Unterlassen sein, der den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllen könnte. Der Hinweis auf dessen Grundlage ein Unternehmensorgan eine Sachverhaltsklärung anweist, kann dabei sowohl interner wie externer Natur sein.

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Als interner Auslöser bezeichnet man Hinweise, die durch unternehmenseigene Kanäle erfolgen, wie bspw. eine Whistleblowing Hotline für Mitarbeiter oder die Interne Revision. Externe Auslöser sind i.d.R. Hinweise von staatlichen Stellen oder der Öffentlichkeit, auf (potentielle) Regelverstöße durch das Unternehmen bzw. deren Mitarbeiter oder Organe.

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Das Ergebnis einer jeden Investigation besteht immer in der objektiven Sachverhaltsdarstellung.[5] Die aus der Ermittlung gewonnenen Erkenntnisse können anschließend zum Erreichen unterschiedlicher Ziele genutzt werden.

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Da insbesondere die Unternehmensorgane die Pflicht trifft, substantiierten Hinweisen auf Regelverstöße nachzugehen bzw. eine Untersuchung und Aufklärung zu veranlassen,[6] werden regelmäßig haftungsrelevante Erwägungen im Vordergrund stehen. Insofern ist es durchaus empfehlenswert auch parallel zu einer behördlichen Ermittlung eine (unternehmensinterne) Investigation zu beauftragen, um eine bestmögliche Grundlage für eine (straf-) rechtliche Verteidigung zu schaffen[7] und/oder die Kooperation mit den Behörden zu intensivieren. Denn oft sind die kritischen Sachverhalte, mit denen das Unternehmen konfrontiert wird, nicht vollständig ausermittelt oder ermöglichen dem (steuer-) rechtlichen Berater nicht, eine klare Strategie festzulegen. So kann unklar sein, ob alle kritischen Sachverhalte und das steuerliche Ausmaß bekannt sind, wer für die Delikte verantwortlich ist, wer informiert war und welcher Zeitraum betroffen ist. Verdachtsmomente, die im Zusammenhang mit potentiellen steuerlichen Straftaten stehen, können aber auch im Rahmen von Betriebsprüfungen bekannt werden. Außerdem ist es möglich, dass Hinweisgeber sich nicht an das Unternehmen, sondern an die Finanzbehörden oder andere öffentliche Einrichtungen wenden und diese daraufhin ermitteln. Gerade in solchen Situationen ist es wichtig, dass die mit der Investigation beauftragte Person das Ziel der Untersuchung und die Anforderungen an diese mit dem mandatierten Steuerberater und/oder Rechtsanwalt abstimmt.

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Auch besteht die Möglichkeit im Rahmen einer Kooperation mit den Behörden Ergebnisse der Tax Investigation zur Verfügung zu stellen, sofern die Prämissen und Vorgehensweisen nachvollziehbar und gerichtsverwertbar sind und dadurch die Ermittlungen der Behörden ergänzen oder ersetzen können.

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Nichtsdestotrotz dient eine Tax Investigation auch dem Reputationsschutz indem gegenüber der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden kann, dass ein (potentielles) Fehlverhalten abgestellt und aufgearbeitet wird. Durch das Schließen der Kontrolllücken, die einen gegebenen Regelverstoß ermöglichten, wird das Unternehmen vor weiteren (finanziellen) Schäden bewahrt (Remediationsphase). Gleichwohl können anhand der dokumentierten Untersuchungsergebnisse u.U. auch Schadenersatzansprüche gegenüber dem Täter oder Ansprüche gegenüber Versicherungen geltend gemacht werden und somit zusätzlich zum Ziel des Vermögensschutzes beitragen.

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Substantiierten Hinweisen im Rahmen einer Investigation nachzugehen, ist darüber hinaus die logische Schlussfolgerung eines wirksamen Compliance Management Systems und trägt somit erheblich zur Stärkung der Unternehmenskultur bei, sofern die interne Ermittlungen begründet und objektiv durchgeführt wird.

I. Tax Investigation als Grundlage für eine Selbstanzeige

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Wird im Rahmen einer Tax Investigation festgestellt, dass sich ein Verdacht erhärtet hat, besteht die Möglichkeit einer Selbstanzeige bei der zuständigen Finanzbehörde auf Basis des ermittelten Sachverhalts. Die drohenden Konsequenzen können das Unternehmen oder die handelnden Personen treffen.[8]

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Gem. § 371 AO bleibt straffrei, wer gegenüber der Finanzbehörde in vollem Umfang die unrichtigen Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart – mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre – anzeigt und die unvollständigen Angaben vollständig ergänzt oder die unterlassenen Angaben vollständig nachholt. Die Grundlagen für das Nachholen der benötigten Angaben können durch eine Tax Investigation geschaffen werden.

 

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Mit Wirkung zum 1.1.2015 gilt die Strafaufhebung nicht mehr für Steuerhinterziehungen von mehr als 25 000 EUR je Tat. Wenn in solchen Fällen eine Berichtigungserklärung nach § 371 Abs. 1 AO erfolgt und die Steuer zuzüglich eines Zuschlages nachgezahlt wird, kommt es zu einer prozessualen Einstellung des Verfahrens.[9]

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Im Vorwege einer Selbstanzeige soll die Tax Investigation demnach dazu dienen, auszuarbeiten, welche Beweismittel dem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehen. Aus einer sorgfältig durchgeführten Tax Investigation werden regelmäßig die möglichen Risiken sowie das erwartete Schadensausmaß zu entnehmen sein und dem Steuerpflichtigen Handlungsalternativen aufgezeigt, welche diesem als Grundlage für das Steuerverfahren dienen können.

II. Mitwirkung(-spflichten) bei der Sachverhaltsaufklärung und deren Beauftragung

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Wird in einem Unternehmen eine Tax Investigation durchgeführt, können alle für ein Unternehmen tätigen Mitarbeiter in den Fokus von Untersuchungen geraten. Entweder weil sie verdächtigt werden einen Regelverstoß begangen zu haben oder weil sie Informationen geben können, die dazu beitragen einen bestimmten Sachverhalt aufzuklären. Welche Handlungspflichten bei einer Sachverhaltsaufklärung bestehen, richtet sich insbesondere nach der Funktion der Betroffenen.

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Verantwortung und Haftung treffen zunächst die Organe von Gesellschaften (Geschäftsleitung und Überwachungsgremien). Diese werden regelmäßig ein hohes Interesse an einer Sachverhaltsaufklärung haben, denn bereits eine nicht vorgenommene Aufklärung des Sachverhalts kann eine Verletzung der Organpflichten darstellen, wenn ein ordentlicher Geschäftsleiter in dieser Situation eine Sachverhaltsaufklärung hätte vornehmen müssen. Darüber hinaus haften die gesetzlichen Vertreter und die Verfügungsberechtigten z.B. auch nach § 69 AO i.V.m. §§ 34, 35 AO für Steuern, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig ihre Pflichten verletzen. Bei einem Organisationsverschulden kann darüber hinaus eine Haftung nach §§ 30, 130 OWiG einschlägig sein.[10]

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Bei Organen stellt sich weiter die Frage, ob diese neben internen Investigation zur Sachverhaltsaufklärung auch externe Berater beauftragen dürfen.[11] Bei Kapitalgesellschaften besteht ein dahingehendes Auswahlermessen, welches sich im Einzelfall zu einer Verpflichtung der Geschäftsleitung (Geschäftsführung oder Vorstand) zur Beauftragung externer Dritter verdichten kann. Ähnlich wird dies bei einer GmbH gesehen, wenn und soweit in den gesellschaftsvertraglichen Regelungen kein Zustimmungserfordernis der Gesellschafterversammlung vereinbart wurde.[12]

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Dem Aufsichtsrat obliegt die komplette Überwachung der Geschäftsleitung. Dieser hat den Vorstand zu kontrollieren und zu beraten.[13] Weiter kann der Aufsichtsrat auch besondere Sachverständige zur Aufklärung von Sachverhalten beauftragen. Auch der BGH fordert im Fall der gerichtlichen Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ein Vorstandsmitglied grundsätzlich eine Sachverhaltsaufklärung durch den Aufsichtsrat.[14]

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Die einzelnen Aktionäre bzw. die Hauptversammlung bei der Aktiengesellschaft trifft grundsätzlich keine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung z.B. durch die Beauftragung externer Ermittler. Dies ergibt sich aus der Natur der Aktiengesellschaft als Publikumsgesellschaft mit einer hohen Gesellschafteranzahl. Für die Gesellschafterversammlung bei einer GmbH ist geregelt, dass den Gesellschaftern die Bestimmung der Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsleitung obliegt. Eine Verpflichtung zur Sachverhaltsaufklärung besteht nicht.[15] Dem einzelnen Gesellschafter einer GmbH steht lediglich ein Auskunfts- und Einsichtsrecht zu.[16]

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Die Pflichten zur Mitwirkung an der Sachverhaltsaufklärung von geschäftsführenden Gesellschaftern einer Personengesellschaft (OHG, KG) sind abhängig von der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung im Einzelfall. So sind z.B. bei einer OHG grundsätzlich alle Gesellschafter zur Führung der Geschäfte berechtigt und verpflichtet. Mithin kann den einzelnen Gesellschafter grundsätzlich keine Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung treffen. Gem. § 115 Abs. 1 HGB ist zwar in dem Fall, dass die Geschäftsführung allen oder mehreren Gesellschaftern zusteht, jeder von ihnen allein zu handeln berechtigt. Dies gilt für die mit dem gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes verbundenen Geschäfte der Gesellschaft. Zur Vornahme von darüber hinausgehenden Geschäften ist ein Beschluss sämtlicher Gesellschafter erforderlich.

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Compliance Beauftragte, Compliance Officer oder Chief Compliance Officer können verpflichtet sein, bei der Sachverhaltsermittlung tätig zu werden. Nach BGH-Rechtsprechung kann dem Chief Compliance Officer eine Garantenpflicht i.S.d. § 13 Abs. 1 StGB treffen.[17] Dies hängt jedoch insbesondere von den arbeitsvertraglichen Regelungen ab. Bei anderen Personen im Unternehmen (z.B. Leiter der Rechtsabteilung oder der Internen Revision) kommt es nach dem BGH entscheidend auf die Zielrichtung der Beauftragung an, ob sich die Pflichtenstellung des Beauftragten allein darin erschöpft, die unternehmensinternen Prozesse zu optimieren und gegen das Unternehmen gerichtete Pflichtverstöße aufzudecken und zukünftig zu verhindern, oder ob der Beauftragte weitergehende Pflichten dergestalt hat, dass er auch vom Unternehmen ausgehende Rechtsverstöße zu beanstanden und zu unterbinden hat.[18]

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Schließlich ergibt sich aus dem Arbeitsrecht eine Reihe von Mitwirkungspflichten für Arbeitnehmer. So steht dem Arbeitgeber nach §§ 666, 667 i.V.m. § 675 BGB ein Auskunfts- und Herausgabeanspruch zu. Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber zur Auskunft und Rechenschaft über alle Vorgänge, die in Zusammenhang mit der Tätigkeit stehen, verpflichtet ist.[19] Alle vorhandenen Akten und Daten, die zur Aufklärung eines Sachverhalts notwendig sind, sind auszuhändigen.

Teil 1 Tax Compliance und Unternehmen › 7. Kapitel Tax Investigation › C. Tax Investigation als Teil des Tax Compliance Management Systems

C. Tax Investigation als Teil des Tax Compliance Management Systems

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Die Unternehmensleitung hat ihr Unternehmen so zu organisieren und zu beaufsichtigen, dass die Gesetze eingehalten werden. Diesem Zweck dienen unter anderem Compliance Management Systeme (CMS). Obwohl gerade ein Verstoß gegen steuerrechtliche Anforderungen neben einer Haftung auch strafrechtliche Konsequenzen für Organmitglieder und handelnde Personen nach sich ziehen kann, ist ausgerechnet die Investigation häufig kein Bestandteil des implementierten CMS.

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Ein Tax Compliance Management System (Tax CMS) ist ein abgegrenzter Teilbereich eines CMS, dessen Zweck die Einhaltung steuerlicher Vorgaben ist. Dabei umfasst die Steuerfunktion alle Stellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens, die mit der Erfüllung steuerlicher Pflichten des Unternehmens betraut sind. Aber systemimmanente Grenzen gewährleisten dennoch keine hundertprozentige Sicherheit. Menschliche Fehlleistungen lassen sich beispielsweise ebenso wenig ausschließen wie ein Umgehen oder die Außerkraftsetzung von Kontrollen durch die aktive Zusammenarbeit mehrerer Personen.

Gerade im Rahmen von steuerlichen Betriebsprüfungen kommt es immer wieder vor, dass Sachverhalte aufgedeckt werden, die steuerlich falsch beurteilt wurden. Dabei stellt sich oftmals die Frage ob ein Vorsatz oder bedingter Vorsatz gegeben ist, da dann der Tatbestand der Steuerhinterziehung verwirklicht sein könnte. Dabei ist es für den bedingten Vorsatz nach der ständigen Rechtsprechung des BGH neben dem Für-Möglich-Halten einer Steuerhinterziehung bereits ausreichend, dass der Eintritt des Taterfolges durch den Steuerpflichtigen in Kauf genommen wird, es dem Steuerpflichtigen also egal ist, ob es zu einer Steuerhinterziehung kommen kann. Wurde jedoch ein wirksames Tax CMS implementiert, kann gerade dieses gegen einen bedingten Vorsatz sprechen und einen wirksamen Schutz im Falle des Vorwurfes der Steuerhinterziehung darstellen.[20]

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Ein innerbetriebliches Kontrollsystem für die Einhaltung steuerlicher Vorschriften stellt einen Teilbereich eines umfassenden Compliance Management Systems dar. Für seine Konzeption bietet der allgemein anerkannte und bewährte Prüfungsstandard IDW PS 980 sowie der auf dieser Basis entwickelte Praxishinweis IDW PH 1/2016 wertvolle Hinweise. Die zugrundeliegende Systematik des IDW PS 980 basiert auf sieben Grundelementen (siehe Abbildung).

Abb. 1:

Übersicht „Sieben Grundelemente (CMS Regelkreis)“


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Besondere Bedeutung hat dabei das Grundelement der Tax Compliance-Kultur. Sie bestimmt maßgeblich, wie wichtig die Mitarbeiter des Unternehmens die Beachtung steuerlicher Regeln und die ordnungsgemäße Erfüllung steuerlicher Pflichten nehmen. Entscheidend geprägt wird diese Kultur durch die Grundeinstellung und die Verhaltensweisen des Managements sowie deren Kommunikation ins Unternehmen. Die entsprechenden Werte und gewünschten Verhaltensweisen lassen sich beispielsweise mittels eines Code of Conducts oder schriftlich fixierter (Steuer-)Richtlinien bzw. Steuerstrategien vermitteln und dokumentieren.

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Die systematische Identifikation und Bewertung wesentlicher Bereiche und die Festlegung der Tax Compliance-Ziele erfolgt in Übereinstimmung mit den allgemeinen Unternehmenszielen. Im Anschluss daran werden die Tax Compliance-Risiken, also die Risiken für Verstöße gegen einzuhaltende Regeln identifiziert und in Risikoklassen eingeordnet. Hierzu werden sie anhand ihrer Eintrittswahrscheinlichkeiten und möglicher Folgen bewertet. Die Ziel- und Risikoanalysen sind wegen ihres grundlegenden Charakters besonders wichtig. Deshalb sollten für diese ein entsprechender zeitlicher Umfang in der Konzeptionsphase eingeplant werden. Steuerliche Risiken entstehen oftmals im Rahmen operativer Abläufe, die nicht von der Steuerabteilung gesteuert oder überwacht werden. Daher ist es entscheidend, gerade auch relevante Unternehmensbereiche außerhalb der Steuerabteilung in die Betrachtung von steuerlichen Risiken mit einzubeziehen.

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Die Reaktionen auf die identifizierten Risiken werden im nächsten Grundelement, dem Tax Compliance-Programm, niedergelegt. Als sehr praktikabel hat sich hier in der Praxis die Dokumentation in sog. Risiko-Kontroll-Matrizen erwiesen. Im Idealfall haben die entsprechenden risikosteuernden Maßnahmen dabei eine präventive, also fehlervermeidende Wirkung. Weil sich auch hierdurch keine absolute Sicherheit gewinnen lässt, sind durch geeignete (detektive) Maßnahmen sicherzustellen, dass Regelverstöße zeitnah aufgedeckt werden. Schließlich beinhaltet das Compliance Programm Methoden zur Identifikation von sog. Red Flags, d.h. Hinweise auf mögliche Compliance-Verstöße und Kriterien sowie Maßnahmen zur Durchführung interner Investigations. Die bereits vorher erwähnte Remediationphase, d.h. die Identifikation von Schwachstellen bei den Präventionsmaßnahmen, die die festgestellten Verstöße ermöglicht haben, führt zu einer Verschärfung der Präventionsmaßnahmen in den kritischen Bereichen. Die Verbindung zwischen den Ergebnissen einer Investigation und den Folgewirkungen im Rahmen der Konzeption sollte im CMS geregelt werden. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Compliance-Programm aus präventiven, aufdeckenden und investigativen Maßnahmen besteht, wobei idealerweise die Eintrittswahrscheinlichkeit von Verstößen durch präventive Maßnahmen erheblich reduziert wird. Da der Eintritt von Verstößen durch präventive Maßnahmen aber nicht vollständig ausgeschlossen werden kann, ist die konzeptionelle Ausgestaltung einer Investigation ein wichtiger Bestandteil des Compliance-Programms, vor allem die Festlegung unter welchen Umständen und unter Berücksichtigung welcher internen Entscheidungsprozesse eine Investigation durchzuführen ist.

 

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Das Grundelement der Tax Compliance-Organisation stellt in vielen Praxisfällen eine besondere Herausforderung dar. Bei der Tax Compliance-Organisation geht es um die Regelungen zur Aufbau- und Ablauforganisation. Hierbei kommt es darauf an, das Tax CMS und die Steuerabteilung so weit wie möglich in das unternehmensweite CMS zu integrieren.

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Im Rahmen des Grundelementes der Tax Compliance-Kommunikation geht es darum, ob betroffene Mitarbeiter und ggf. Dritte ausreichend informiert werden. Dies umfasst die jeweils betreffenden Anforderungen, Verpflichtungen und Teile des Tax Compliance-Programms ebenso wie die festgelegten Rollen. Darüber hinaus sind im Rahmen der Tax Compliance-Kommunikation Berichtswege, -inhalte -turnus und -empfänger zu definieren. Zudem sollte die Möglichkeit, Hinweise auf Regelverstöße zu melden gegeben sein.

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Auch vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung ist es dabei essenziell, dass sich der Vorstand beziehungsweise die Geschäftsführung von der Wirksamkeit des Tax CMS überzeugt. Dies wird unter dem Grundelement der Tax Compliance-Überwachung/ -Verbesserung zusammengefasst. Die Wirksamkeit des Tax CMS erfordert u.a. eine angemessene Überwachung der Einhaltung der Maßnahmen des Tax Compliance-Programms, der Prozessabläufe, der Wahrnehmung notwendiger Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen sowie der Schnittstellen zu den externen Dienstleistern.

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