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6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › C. Verfahren der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen › IV. Europäische Ermittlungsanordnung (EEA)

IV. Europäische Ermittlungsanordnung (EEA)

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Bereits das EU-RhÜbk sah die revolutionäre Möglichkeit vor, Behörden anderer Mitgliedstaaten mit Ermittlungsmaßnahmen zu betrauen. Später hätte nach dem Willen des Rates das System der Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen durch die sog. Europäische Beweisanordnung (EBA) ersetzt werden sollen. Ziel war die Schaffung eines „europaweit verkehrsfähigen Beweises“.[1] Mittels des zugrunde liegenden Rahmenbeschlusses des Rates vom 18.12.2008 (Rb EBA)[2], der bis zum Januar 2011 in den Mitgliedsstaaten hätte umgesetzt werden sollen, wurde das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung auf die Durchsuchung und die Beschlagnahme ausgedehnt. Die EBA hätte eine von der zuständigen Behörde des Anordnungsstaates erlassene justizielle Entscheidung dargestellt, welche die Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten aus dem Vollstreckungsstaat zur Verwendung in einem Strafverfahren bezwecken sollte. Erfasst waren solche Beweismittel, die bereits vorhanden sind oder im Wege der Durchsuchung beschlagnahmt werden können.

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Der Rb EBA hatte ursprünglich mittels Implementierung in das IRG umgesetzt werden sollen. Allerdings verzichtete die Bundesregierung bewusst auf die Umsetzung, da sich eine Überholung durch neuere Instrumente abzeichnete.[3] Gerade weil die EBA lediglich solche Beweismittel erfasst, die bereits erhoben sind, blieb der entsprechende Rahmenbeschluss teilweise hinter den Forderungen des Stockholmer Programms zurück. Auf eine Initiative Belgiens erging daher die Richtlinie über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (RL EEA)[4], mit welcher diese Lücke im Anwendungsbereich geschlossen werden soll. Der Rb EBA wurde Anfang 2016 aufgehoben.[5] Die EBA wird daher in Zukunft nur noch zwischen Dänemark und Irland anwendbar sein, die sich nicht an der EEA beteiligen.

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Die EEA stellt nunmehr ein einziges umfassendes Instrument zur grenzüberschreitenden Beweisgewinnung dar. Einerseits vereinfacht sie das Verfahren im Vergleich zum Rahmenbeschluss über Sicherstellungsentscheidungen[6] und ergänzt andererseits den begrenzten Anwendungsbereich der EBA.[7] Die Richtlinie betrifft andererseits einen weiten Regelungsbereich, da sie (mit Ausnahme von GEG und grenzüberschreitenden Observationen) „alle Ermittlungsmaßnahmen“ erfasst (Art. 3 RL EEA), etwa die grenzüberschreitende Vernehmung per Video- oder Telefonkonferenz oder die zeitweilige Überstellung inhaftierter Personen zu Zwecken der Beweiserhebung. Dieser neue umfassende Geltungsbereich der Richtlinie ersetzt den bisherigen fragmentarischen Ansatz bei Instrumenten der gegenseitigen Anerkennung. Auch liegt ihm ein andersartiges Verständnis gegenseitigen Vertrauens zugrunde. Zwar wird grundsätzlich vermutet, dass andere Mitgliedstaaten das Unionsrecht und insb. die Grundrechte einhalten; diese Vermutung ist jedoch widerlegbar.[8] Indes ähnelt das vorgesehene Verfahren weitgehend dem des Rb EBA. Während die RL EEA diesen Punkt offen gelassen hatte, wurde in der deutschen Umsetzung der Richtlinie festgelegt, dass die in den Anhängen zur Verfügung gestellten Muster verbindlich sind. Bemerkenswert ist schließlich, dass es auch einer verdächtigen oder beschuldigten Person offen steht, eine EEA zu beantragen bzw. von ihrem Verteidiger beantragen zu lassen (Art. 1 Abs. 3 RL EEA), womit ein gewisses Maß an Waffengleichheit zwischen Strafverfolgung und Verteidigung hergestellt werden soll.

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Die EEA unterliegt einer doppelten Verhältnismäßigkeitsprüfung, nämlich vor dem Erlass (Art. 6 RL EEA) und während der Vollstreckung (Art. 11 RL EEA). Im ausstellenden Mitgliedstaat wird zunächst ein Validierungsverfahren durchlaufen, wobei die Anordnungsbehörde prüft, ob der Erlass der EEA unter Berücksichtigung der Rechte des Betroffenen notwendig und verhältnismäßig ist (Art. 6 Abs. 1 lit. a RL EEA) und die beabsichtigte Ermittlungsmaßnahme auch in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall angeordnet werden könnte (Art. 6 Abs. 1 lit. b RL EEA). Die Vollstreckung darf andererseits nur aus den in der Richtlinie festgelegten – sehr komplex ausgestalteten – Gründen abgelehnt werden. Dazu gehört u.a. der Schutz von Immunitäten oder Vorrechten sowie von im Vollstreckungsstaat gewährten Grundrechten (Art. 11 Abs. 1 RL EEA).

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Fehlt es bei der Handlung, aufgrund derer die EEA erlassen wurde, an einer beiderseitigen Strafbarkeit, stellt dies grundsätzlich einen Versagungsgrund dar (Art. 11 Abs. 1 lit. g RL EEA). Dieser wird allerdings dadurch erheblich eingeschränkt, dass bestimmte Ermittlungsmaßnahmen, z.B. Vernehmungen und Auskünfte aus Datenbanken, „stets zur Verfügung stehen müssen“ (Art. 10 Abs. 2 RL EEA). Ferner sind bestimmte Kategorien von Straftaten, die in Anhang D der Richtlinie aufgeführt sind, vom Erfordernis der beiderseitigen Strafbarkeit ausgenommen. Zu diesen Delikten gehört u.a.


Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,
Korruption,
Betrugsdelikte, einschließlich des Betrugs zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union i.S.d. Übereinkommens vom 26.7.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften,
Wäsche von Erträgen aus Straftaten,
Geldfälschung einschließlich der Euro-Fälschung,
Betrug und
Fälschung von Zahlungsmitteln.

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Die Vollstreckungsbehörde hat eine übermittelte EEA grundsätzlich ebenso zu behandeln wie die Anordnung einer innerstaatlichen Ermittlungsmaßnahme (Art. 9 Abs. 1 RL EEA), sie regelmäßig innerhalb einer Frist von 30 Tagen anzuerkennen (Art. 12 Abs. 3 RL EEA) und innerhalb einer Frist von 90 Tagen durchzuführen (Art. 12 Abs. 4 RL EEA). Insbesondere hat sie die angeordnete Ermittlungsmaßnahme, falls sie im Vollstreckungsstaat nicht zur Verfügung steht, mit einer zulässigen Maßnahme zu substituieren (Art. 10 Abs. 1 RL EEA). Neben den genannten Ablehnungsgründen kann die Anerkennung oder Vollstreckung einer EEA im Vollstreckungsstaat unter bestimmten Umständen aufgeschoben werden (Art. 15 RL EEA). Bestimmte Ermittlungshandlungen sind in diesem Zusammenhang besonders relevant. Dazu gehören


die Auskunftserteilung betreffend Bankkonten (Art. 26 RL EEA),
die einmalige oder laufende Überwachung von Finanztransaktionen (Art. 27, 28 RL EEA) und
die Kontrolle von Lieferungen im Hoheitsgebiet des Vollstreckungsstaates (Art. 28 Abs. 1 lit. b RL EEA).

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Die Verantwortung für einen angemessenen Rechtsschutz des Betroffenen liegt wiederum bei den Mitgliedstaaten. Diese haben dafür zu sorgen, dass gegen die in der EEA angegebenen Ermittlungsmaßnahmen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen, welche denen in innerstaatlichen Fällen gleichwertig sind (Art. 14 Abs. 1 RL EEA). Wie schon unter dem Rb EBA ist die gerichtliche Zuständigkeit geteilt, je nachdem, ob die sachlichen Gründe für den Erlass der EEA angefochten werden sollen (Art. 14 Abs. 2 RL EEA).

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Umgesetzt wurde die RL EEA mit Wirkung zum 22.5.2017 durch eine Ergänzung des IRG um einen neuen Abschnitt im zehnten Teil (§§ 91a ff. IRG).[9] Finden sich dort keine besonderen Regelungen oder wird ein Ersuchen nicht auf die RL EEA gestützt, ist auf die bisherigen Regeln des IRG und die in § 77 IRG genannten strafrechtlichen Verfahrensordnungen und Vorschriften zurückzugreifen (§ 91a Abs. 4 IRG). Ebenso wie etwa bei der Auslieferung wegen fiskalischer Delikte (vgl. hierzu Rn. 57) bleibt in Steuer-, Abgaben-, Zoll- oder Währungsangelegenheiten außer Betracht, ob das deutsche Recht gleichartige Steuern oder Abgaben vorsieht oder gleichartige Steuern-, Abgaben-, Zoll- oder Währungsbestimmungen enthält.

Anmerkungen

[1]

So bereits das Grünbuch der Kommission v. 11.12.2001.

[2]

Rahmenbeschluss 2008/978/JI des Rates vom 18.12.2008 über die Europäische Beweisanordnung zur Erlangung von Sachen, Schriftstücken und Daten zur Verwendung in Strafsachen, ABlEU Nr. L 350/72 v. 30.12.2008.

[3]

Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Jerzy Montag, Ingrid Hönlinger, Memet Kilic, weiterer Abgeordneter und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drucks. 17/1391), BT-Drucks. 17/1543 S. 2.

[4]

Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3.4.2014 über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen, ABlEU Nr. L 130/1 v. 1.5.2014.

[5]

VO (EU) 2016/95 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.1.2016 zur Aufhebung bestimmter Rechtsakte im Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen, ABlEU Nr. L 26/9 v. 2.2.2016.

[6]

Rahmenbeschluss 2003/577/JI des Rates vom 22.7.2003 über die Vollstreckung von Entscheidungen zur Sicherstellung von Vermögensgegenständen und Beweismitteln in der EU, ABlEU Nr. L 196/45 v. 2.8.2003.

[7]

Vgl. Erwägungsgründe 3 und 6 der EEA-Richtlinie.

[8]

Erwägungsgrund 19 der EEA-Richtlinie.

[9]

Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 5.1.2017, BGBl I 2017, 31. Ausf. zur Umsetzung Brahms/Gut NStZ 2017, 388 ff.

6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › C. Verfahren der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen › V. Europäische Überwachungsanordnung (EÜA)

V. Europäische Überwachungsanordnung (EÜA)

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Der Rahmenbeschluss über eine Europäische Überwachungsanordnung (Rb EÜA)[1] umfasst Regeln, nach denen ein Mitgliedstaat eine in einem anderen Mitgliedstaat als Alternative zur Untersuchungshaft erlassene Entscheidung über Überwachungsmaßnahmen anerkennt, die einer natürlichen Person auferlegten Überwachungsmaßnahmen überwacht und die betroffene Person bei Verstößen gegen diese Maßnahmen dem Anordnungsstaat übergibt (Art. 1 Rb EÜA). Die gegenseitig anzuerkennenden Maßnahmen sind enumerativ aufgeführt und umfassen v.a. Meldeauflagen, Betretungs- und Kontaktverbote (Art. 8 Abs. 1 Rb EÜA), mithin solche Maßnahmen, die in der Phase des Ermittlungsverfahrens ohne Freiheitsentzug verhindern sollen, dass sich die verdächtigte Person dem Verfahren entzieht.[2] Damit soll insb. verhindert werden, dass vorschnell der Haftgrund der Fluchtgefahr angenommen wird.[3] Darüber hinaus steht es allerdings jedem Mitgliedstaat frei, die Vollstreckung weiterer Überwachungsmaßnahmen zu übernehmen, etwa Berufs- und Fahrverbote (Art. 8 Abs. 2 Rb EÜA). Zwar haben Betroffene keinen individuellen Anspruch darauf, dass freiheitsentziehende Maßnahmen durch eine EÜA substituiert werden. Jedoch müssen die Gerichte der Mitgliedstaaten unter dem Blickwinkel der Verhältnismäßigkeit begründen können, warum ein angenommener Haftgrund nicht durch Erlass einer EÜA beseitigt werden könnte.[4]

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Die Anerkennung der Entscheidung über Überwachungsmaßnahmen aus anderen Mitgliedstaaten erfordert in bestimmten Fällen keine Überprüfung der beiderseitigen Strafbarkeit. Diese Prüfung entfällt, wenn die zugrunde liegende Tat im Anordnungsstaat mit einer Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren bedroht ist und die verletzte Strafvorschrift von der Positivliste des Rb EÜA erfasst ist. Zu den darin aufgeführten Deliktsgruppen (welche mit denen des Art. 14 Abs. 2 Rb EBA identisch sind) gehören insb.


Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung,
Korruption,
Betrugsdelikte, einschließlich Betrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften i.S.d. Übereinkommens vom 26.7.1995 über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften,
Wäsche von Erträgen aus Straftaten,
Geldfälschung, einschließlich der Euro-Fälschung,
Betrug und
Fälschung von Zahlungsmitteln.

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Die Umsetzung des Rb EÜA hat sich insgesamt – aber v.a. in Deutschland – stark verzögert, was auch an der deutlich geäußerten Kritik[5] liegen dürfte. Sie erfolgte schließlich im Jahr 2015 in Form der §§ 90o–90z IRG.[6] Darin finden sich die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Überwachung durch deutsche Behörden, insb. ein abschließender Katalog mit überwachbaren Maßnahmen (§ 90p Abs. 1 IRG). Wie auch bei anderen Harmonisierungs-Maßnahmen die Existenz gleichartiger deutscher Steuer-, Zoll- und Währungsbestimmungen keine Voraussetzung für die Überwachung von Maßnahmen in Steuer-, Zoll- und Währungsangelegenheiten (§ 90p Abs. 2 IRG). Einige der im Rahmenbeschluss vorgesehenen möglichen Gründe für die Nichtanerkennung (Art. 15 Rb EÜA) finden sich bei den Unzulässigkeitsgründen (§ 90p Abs. 3 IRG) sowie bei den Bewilligungshindernissen (§ 90r IRG), wobei die deutsche Umsetzung wohl über den eigentlich abschließend gemeinten Katalog hinausgeht. Bewilligt die nach § 51 IRG zuständige Staatsanwaltschaft die Übernahme der Überwachung nicht, kann der Betroffene innerhalb von zwei Wochen gerichtliche Entscheidung beantragen (§ 90s Abs. 4 IRG) und gegen den Beschluss des zuständigen Amtsgerichts sofortige Beschwerde einlegen (§ 91u Abs. 5 IRG).

Anmerkungen

[1]

Rahmenbeschluss 2009/829/JI des Rates vom 23.10.2009 über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft, ABlEU Nr. L 294/20 v. 11.11.2009.

[2]

Satzger § 10 Rn. 40.

[3]

Müller-Gugenberger/Bieneck § 5 Rn. 157.

[4]

Morgenstern ZIS 2014, 216, 229.

[5]

Vgl. nur DAV-Stellungnahme Nr. 4/2007 sowie BRAK-Stellungnahme-Nr. 38/2006.

[6]

Drittes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 16.7.2015, BGBl I 1197.

6. Kapitel Europarechtliche Verfahrensvorschriften › C. Verfahren der europäischen Zusammenarbeit in Strafsachen › VI. Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln

VI. Sicherstellung von Vermögensgegenständen oder Beweismitteln

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Mit den §§ 94 ff. IRG wurde der europäische Rahmenbeschluss 2003/577/JI[1] in deutsches Recht umgesetzt. Auch dieses Instrument basiert auf dem Prinzip der gegenseitigen Anerkennung und soll die europaweite Sicherstellung von Vermögenswerten und Beweismitteln unter Einschluss von Forderungen und Immobilien[2] ermöglichen. Ziel einer hiernach ergangenen Sicherstellungsentscheidung ist es, vorläufig die Vernichtung, Veränderung, Verbringung, Übertragung oder Veräußerung solcher Vermögensgegenstände zu verhindern, deren Einziehung angeordnet werden könnte oder die ein Beweismittel darstellen könnten (Art. 2 lit. c). Gemeint sind jedoch ausdrücklich auch Informationsträger oder Vermögensgegenstände, die bereits als Beweismittel für ein Strafverfahren vor einem deutschen Gericht beschlagnahmt wurden (vgl. Art. 8 Abs. 1 lit. b).

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Das Ersuchen um eine Sicherstellung muss auf einem einheitlichen Formblattes in einer Amtssprache des Vollstreckungsstaates an die von diesem benannten zuständigen Behörden übermittelt werden. Dort gliedert sich das anschließende Verfahren in die Anerkennung und die Vollstreckung einer Sicherstellungsanordnung. Grundsätzlich sollen übermittelte Sicherstellungsanordnungen „ohne weitere Formalität“ anerkannt und unmittelbar wie inländische Sicherstellungsentscheidungen vollstreckt werden (Art. 5 Abs. 1). Über die Anerkennung soll stets sobald wie möglich, nach Möglichkeit innerhalb von 24 Stunden, entschieden werden (Art. 5 Abs. 3). Für die eigentliche Sicherstellung können auch (die nach dem Recht des Vollstreckungsstaates zulässigen) Zwangsmaßnahmen ergriffen werden (Art. 5 Abs. 2). Im Rahmen des Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahrens bestehen vielfältige Informations- und Konsultationspflichten.[3]

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Anerkennung und Vollstreckung können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen vom Vollstreckungsstaat versagt werden, etwa wenn notwendige Angaben in den Sicherungsunterlagen fehlen (§ 95 IRG) oder ein im Rahmenbeschluss ausdrücklich benannter Verweigerungsgrund eingreift (vgl. Art. 7 Abs. 1). Zwei dieser Gründe sind ausdrücklich in § 94 Abs. 2 IRG normiert; dabei handelt es sich um das Vorliegen eines Beschlagnahmeverbots nach § 77 Abs. 1 i.V.m. § 97 StPO (Nr. 1) sowie den Strafklageverbrauch (Nr. 2). Dagegen stellt eine mögliche Beeinträchtigung laufender strafrechtlicher Ermittlungen zwar keinen Verweigerungsgrund dar, kann aber zum Aufschub der Bewilligung führen (§ 94 Abs. 3 IRG). Die gegenseitige Strafbarkeit ist unter zwei kumulativen Voraussetzungen nicht zu prüfen, nämlich wenn die dem Ersuchen zugrunde liegende Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer Höchststrafe von mindestens drei Jahren Freiheitsentzug bedroht ist und zu den in Art. 3 Abs. 2 des Rahmenbeschlusses aufgeführten Deliktsgruppen gehört. Der dort niedergelegte Katalog entspricht weitestgehend demjenigen des RbEuHb. Eine Besonderheit besteht bei Ersuchen, welche Steuer-, Abgaben-, Zoll- und Währungsstraftaten betreffen. Diese sind auch dann zulässig, wenn das deutsche Recht keine gleichartigen Steuern vorschreibt oder keine gleichartigen Steuer-, Abgaben-, Zoll- und Währungsbestimmungen enthält wie das Recht des ersuchenden Mitgliedstaates (§ 94 Abs. 1 Nr. 2 IRG).

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Sämtlichen Betroffenen, also allen von der Beweisanordnung in ihren Rechten beeinträchtigten Personen, gewährt Art. 11 des Rahmenbeschlusses einen Rechtsbehelf. Zu den Betroffenen zählen auch (gutgläubige) Dritte, sofern deren Vermögenswerte beschlagnahmt wurden. Wiederum können die sachlichen Gründe einer Sicherungsanordnung nur vor einem Gericht des Entscheidungsstaats angefochten werden, während Beschwerden gegen die Anerkennung und Vollstreckung derselben vor den Gerichten des Vollstreckungsstaates erhoben werden müssen. Somit stehen deutschen Betroffenen gegen einen dinglichen Arrest (§ 111d StPO) die Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) sowie die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) zur Verfügung. Für Dritte, die von sichernden Maßnahmen nach §§ 111b StPO betroffen sind, kommt ergänzend die Drittwiderspruchsklage (§§ 771 ff. ZPO) in Betracht.