Read the book: «Kartell Compliance», page 35

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1. Der Marktbeherrschungstest

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Die Beurteilung der Frage, ob ein Zusammenschluss zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs führt, indem hierdurch eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird, kann immer nur im Kontext eines für den Einzelfall bestimmten relevanten Marktes erfolgen. Erst nach der Bestimmung des sachlich und räumlich relevanten Marktes kann in einem zweiten Schritt festgestellt werden, ob ein Unternehmen auf diesem Markt marktbeherrschend ist oder möglicherweise erstmals wird.

a) Marktabgrenzung

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Die Abgrenzung des sachlich relevanten Marktes erfolgt ebenso wie in der europäischen Fusionskontrolle aus der Sicht der Marktgegenseite. Danach gehören alle diejenigen Waren bzw. gewerblichen Leistungen einem Markt an, die sich aus Sicht der Marktgegenseite nach ihren Eigenschaften, ihrem Verwendungszweck und ihrer Preislage so nahestehen, dass die verständigen Durchschnittsnachfrager sie als gegeneinander austauschbar ansehen (Bedarfsmarktkonzept).[103] Bei Zusammenschlüssen auf der Nachfrageseite kommt es spiegelbildlich darauf an, ob und in wieweit für die Anbieter gleichwertige Ausweichmöglichkeiten auf andere Nachfrager bestehen. Auch bei der Abgrenzung des räumlich relevanten Marktes kommt es auf die Perspektive der Marktgegenseite und damit bei Angebotsmärkten auf die Ausweichmöglichkeiten der Nachfrager auf Anbieter in anderen Regionen an. Entscheidend ist sowohl das tatsächliche Verhalten der Nachfrager, als auch das Vorhandensein rechtlicher Beschränkungen sowie tatsächliche Umstände wie z.B. die Art der Vertriebsform, die Höhe der Transportkosten, die Transportempfindlichkeit und die Transportdauer.[104] Wie durch § 18 Abs. 2 GWB klargestellt wird, kann der räumlich relevante Markt auch größer als das Bundesgebiet sein. In der Praxis nimmt das Bundeskartellamt bei bestimmten Produkten allerdings auch regionale und lokale Märkte an, wenn eine Tätigkeit der beteiligten Unternehmen in anderen Regionen ausgeschlossen ist oder die Verbrauchergewohnheiten dies nahelegen.[105] Wegen weiterer Einzelheiten zur Marktabgrenzung kann auf die Grundsätze und Anwendungspraxis zur europäischen Fusionskontrolle verweisen werden, die hier gleichermaßen Anwendung finden.

b) Voraussetzungen der Marktbeherrschung

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Der Begriff der Marktbeherrschung wird in § 18 Abs. 1 GWB legaldefiniert. Danach liegt Marktbeherrschung vor, wenn ein Unternehmen


ohne Wettbewerber ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 GWB),
keinem wesentlichen Wettbewerb ausgesetzt ist (§ 18 Abs. 1 Nr. 2 GWB) oder
eine im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern überragende Marktstellung hat (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 GWB).

Zwei oder mehr Unternehmen sind nach § 18 Abs. 5 GWB marktbeherrschend, wenn zwischen ihnen kein wesentlicher Wettbewerb besteht (Oligopolsituation) und sie in ihrer Gesamtheit die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 GWB erfüllen, also zumindest eine überragende Marktstellung im Verhältnis zu den Oligopolaußenseitern haben.

2. Einzelmarktbeherrschung

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Verhältnismäßig einfach ist die Marktbeherrschungsprüfung, wenn ein Unternehmen ohne Wettbewerber ist, da in diesem Fall ein Monopol mit nur einem Anbieter bzw. Nachfrager besteht. In allen anderen Fällen bedarf es einer wertenden Gesamtbetrachtung aller Umstände, insbesondere auch unter Berücksichtigung der auf dem relevanten Markt herrschenden Wettbewerbsverhältnisse, die dann in eine Prognoseentscheidung darüber mündet, ob der Zusammenschluss eine marktbeherrschende Stellung erstmals begründet oder eine bereits vorhandene weiter verstärkt.[106] Wie sich aus den bei dieser Prüfung nach § 18 Abs. 3 GWB zu berücksichtigenden Kriterien ergibt, ist hierbei die Marktstruktur von besonderer Bedeutung. Das wichtigste Kriterium ist dabei der Marktanteil und zwar sowohl der sich zusammenschließenden Unternehmen selbst (absoluter Marktanteil), als auch dessen Abstand zu den Marktanteilen der anderen Wettbewerbern auf dem Markt (relative Marktanteil). Je größer der Marktanteil eines Unternehmens absolut gesehen ist und je größer der Marktanteilsabstand zu seinen Konkurrenten ist, desto eher ist eine marktbeherrschende Stellung anzunehmen. Besondere Aussagekraft kommt den Marktanteilen zu, wenn diese über einen längeren Zeitraum hin stabil sind. Es gibt jedoch auch Situationen, in denen die Bedeutung des Marktanteilskriteriums zu relativieren ist. Dies ist z.B. auf Ausschreibungsmärkten der Fall, da hier der aktuelle Wettbewerb weitgehend losgelöst und unbeeinflusst von den bereits früher durchgeführten Aufträgen stattfindet, auf deren Grundlage die Marktanteile berechnet werden.

Weitere wichtige Faktoren bei der Marktbeherrschungsprüfung sind die Finanzkraft der neuen Unternehmenseinheit, ihr Zugang zu den Beschaffungs- und Absatzmärkten, bestehende Verflechtungen mit anderen Unternehmen, das Vorhandensein von rechtlichen oder tatsächlichen Schranken für den Marktzutritt anderer Unternehmen, der tatsächliche oder potentielle Wettbewerb durch ausländische und inländische Unternehmen, die Fähigkeit der neuen Unternehmenseinheit ihr Angebot oder ihre Nachfrage auf andere Waren bzw. Dienstleistungen umzustellen sowie die Möglichkeit der Marktgegenseite, auf andere Unternehmen auszuweichen (vgl. § 18 Abs. 3 GWB).[107] Welche Bedeutung diesen einzelnen Kriterien zukommt, die jeweils für sich genommen keine beherrschende Stellung begründen können, hängt stets von den konkreten Umständen ab. Im Einzelfall kann zudem auch dem aktuellen Marktverhalten der Unternehmen eine gewisse Indizwirkung zukommen.[108] Marktbeherrschung ist auch auf der Nachfrageseite eines Marktes möglich, wenn die Anbieter von bestimmten Waren oder Dienstleistungen auf ein Unternehmen als Abnehmer angewiesen sind und dieses daher über einen unkontrollierten Verhaltensspielraum verfügt.[109]

3. Oligopolmarktbeherrschung

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Nach der Oligopolklausel des § 18 Abs. 5 GWB können auch mehrere Unternehmen zusammen marktbeherrschend sein, wobei in diesem Fall jedes Mitglied des Oligopols für sich marktbeherrschend ist. Voraussetzung hierfür ist, dass zwischen den Unternehmen der Oligopol-Gruppe im Innenverhältnis kein wesentlicher (Binnen-)Wettbewerb besteht und sie zusammen im Außenverhältnis über eine marktbeherrschende Stellung gegenüber Außenseitern verfügen. In der Praxis bereitet vor allem die Beurteilung des Binnenwettbewerbs zwischen den Oligopolisten Probleme. Nach der Rechtsprechung fehlt es hieran, wenn aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung nach der Marktstruktur mit einem dauerhaft einheitlichen Verhalten der Oligopolmitglieder zu rechnen ist, weil dies aufgrund der Merkmale des relevanten Marktes wirtschaftlich vernünftig ist, insbesondere bei einer engen Reaktionsverbundenheit durch Markttransparenz und wirksame Abschreckungs- und Vergeltungsmittel gegen wettbewerbliche Vorstöße eines Oligopolisten in Abweichung von dem einheitlichen Verhalten, und wenn kein nennenswerter Wettbewerb zwischen den Oligopolisten beobachtet werden kann.[110] Die für diese Prüfung heranzuziehenden Kriterien, wie etwa Symmetrie der Marktanteile, Markttransparenz, Produkthomogenität und Verflechtungen, entsprechen denen, die die Kommission bei der Prüfung auf koordinierte Wirkungen anwendet, so dass hierauf verwiesen werden kann.

4. Marktbeherrschungsvermutungen

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Anders als das europäische Recht enthält das GWB Vermutungstatbestände für die Einzel- und die Oligopolmarktbeherrschung, um dem Bundeskartellamt die Praxis der Fusionskontrolle zu erleichtern. Ein Unternehmen ist danach als allein marktbeherrschend anzusehen, wenn es einen Marktanteil von mindestens 40 % hat (§ 18 Abs. 4 GWB). Eine Gesamtheit von Unternehmen gilt als marktbeherrschend, wenn sie aus drei oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von 50 % erreichen (§ 18 Abs. 6 Nr. 1 GWB), oder aus fünf oder weniger Unternehmen besteht, die zusammen einen Marktanteil von zwei Dritteln erreichen (§ 18 Abs. 6 Nr. 2 GWB). Das Bundeskartellamt ist beim Eingreifen der Vermutungen allerdings nicht von einer umfassenden Prüfung der Untersagungsvoraussetzungen entbunden, sondern muss in jedem Fall sämtliche für und gegen die Marktbeherrschung sprechenden Umstände von Amts wegen ermitteln. Lediglich dann, wenn nach einer solch umfassenden Prüfung eine marktbeherrschende Stellung weder nachgewiesen ist noch ausgeschlossen werden kann, ist Raum für die Anwendung der Vermutungen.[111] Die Unternehmen können der ihnen danach obliegenden materiellen Beweislast durch eine Widerlegung der Vermutung nachkommen. Die Einzelmarktbeherrschungsvermutung lässt sich z.B. durch den Nachweis heftigen Preiswettbewerbs, das Fehlen von Marktzutrittsschranken, technische Neuerungen oder marktmächtige Nachfrager widerlegen. Die beiden Oligopolvermutungen begründen demgegenüber eine echte Beweislastumkehr, da die am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen nachweisen müssen, dass die Wettbewerbsbedingungen auch nach dem Zusammenschluss zwischen ihnen wesentlichen Wettbewerb erwarten lassen oder das Oligopol im Verhältnis zu seinen Wettbewerbern keine überragende Marktstellung hat (§ 18 Abs. 7 GWB).[112]

5. Begründung oder Verstärkung von Marktbeherrschung

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Das Bundeskartellamt kann einen Zusammenschluss nur dann untersagen, wenn hierdurch eine marktbeherrschende Stellung begründet oder verstärkt wird. Die Marktstellung der beteiligten Unternehmen muss sich also durch den Zusammenschluss zum Nachteil der Wettbewerbsverhältnisse verschlechtern. Um dies festzustellen bedarf es eines Vergleichs der Wettbewerbsbedingungen mit und ohne den Zusammenschluss. Die Begründung einer marktbeherrschenden Stellung setzt voraus, dass eine solche vor dem Zusammenschluss noch nicht bestanden hat. Dies erfordert eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der Marktstruktur und einen erheblichen Marktanteilszuwachs, was in der Praxis eher selten vorkommt. Häufiger sind Fälle, in denen eine bereits bestehende Marktbeherrschung weiter verstärkt wird, d.h. sich die Größen, die die Marktmacht nach § 18 Abs. 3 GWB bestimmen, dergestalt ändern, dass die die Macht neutralisierende Wirkung des Wettbewerbs in noch höherem Maße eingeschränkt wird, als dies vor dem Zusammenschluss der Fall war.[113] Eine Verstärkungswirkung ist dabei vor allem beim Zuwachs von Marktanteilen beim marktbeherrschenden Unternehmen anzunehmen. Dabei ist der Restwettbewerb auf einem Markt umso schutzwürdiger, je größer die schon bestehende Marktmacht der beteiligten Unternehmen ist, so dass auf hochkonzentrierten Märkten bereits ein geringfügiger Marktanteilsgewinn von 1 % für eine Verstärkung ausreichen kann.[114] Ein Zuwachs an Marktanteilen ist jedoch keine zwingende Voraussetzung. Vielmehr reicht es bereits aus, wenn die Unternehmen durch den Zusammenschluss den nachstoßenden Wettbewerb der Konkurrenten abmindern können, indem sie die aktuellen Wettbewerber durch einen Ressourcenzuwachs von aggressivem Wettbewerbsverhalten abschrecken oder potentielle Konkurrenten von einem Marktzutritt abhalten.[115]

Der Zusammenschluss muss für die Veränderung der Marktstruktur schließlich auch ursächlich sein. An der Kausalität fehlt es insbesondere bei einem Zusammenschluss mit einem vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch stehenden Unternehmen, wenn das sanierungsbedürftige Unternehmen ohne den Zusammenschluss aus dem Markt ausscheiden müsste und seine Marktanteile dann ebenfalls dem erwerbenden Unternehmen zugefallen wären (sog. Sanierungsfusion).[116]

6. Abwägungsklausel

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Nach § 36 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 GWB darf das Bundeskartellamt einen Zusammenschluss der die Eingriffsvoraussetzungen erfüllt dann nicht untersagen, wenn hierdurch auch Verbesserungen der Wettbewerbsbedingungen eintreten und diese Verbesserungen die Behinderung des Wettbewerbs überwiegen. Diese sog. Abwägungsklausel eröffnet dem Bundeskartellamt die Möglichkeit, die positiven und negativen Aspekte eines Zusammenschlusses gegeneinander abzuwägen und bei einem Überwiegen der positiven Aspekte auf ein Verbot des Zusammenschlusses zu verzichten. Allerdings sind hierbei allein positive strukturelle Veränderungen auf anderen Märkten berücksichtigungsfähig, nicht dagegen solche Vorteile, die allein bei den beteiligten Unternehmen eintreten (z.B. durch Rationalisierung) oder von gesamtwirtschaftlicher Bedeutung sind (z.B. Vorteile für den Arbeitsmarkt).[117] Lässt sich die Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen mit weniger einschneidenden Mitteln erreichen, so greift die Abwägungsklausel nicht ein. Der Nachweis für das Eintreten der Verbesserung, deren Überwiegen über die Nachteile und die Kausalität durch den Zusammenschluss obliegt den beteiligten Unternehmen. Deshalb und aufgrund der restriktiven Handhabung durch das Bundeskartellamt hat die Abwägungsklausel in der Praxis keine große Bedeutung.

7. Beurteilung von Gemeinschaftsunternehmen

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Die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens kann sowohl zur Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung des Gemeinschaftsunternehmens bzw. einer seiner Mütter führen, als auch den Wettbewerb zwischen den Müttern beschränken, so dass sich die Frage stellt, ob ein solcher Zusammenschluss nicht nur nach den Vorschriften der Fusionskontrolle, sondern auch anhand des allgemeinen Kartellverbots des § 1 GWB zu überprüfen ist. Nachdem dies lange Zeit umstritten war, lehnt die mittlerweile allgemeine Ansicht eine privilegierte Behandlung solcher Sacherhalte allein nach den Regeln der Fusionskontrolle ab (sog. Konzentrationsprivileg).[118] Die Rechtsprechung geht vielmehr von einer parallelen Anwendbarkeit von Kartellverbot und Fusionskontrollvorschriften auf die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens aus, soweit die jeweiligen Voraussetzungen des § 1 GWB und der §§ 36, 37 GWB im Einzelfall erfüllt sind.[119]

Hierbei kommt der Unterscheidung zwischen konzentrativen und kooperativen Gemeinschaftsunternehmen nach wie vor eine wichtige Bedeutung zu. Denn die Gründung eines konzentrativen Gemeinschaftsunternehmens, d.h. eines Unternehmens, das alle wesentlichen Funktionen eines selbstständigen Unternehmens wahrnimmt, marktbezogene Leistungen erbringt und nicht ausschließlich oder überwiegend auf einer vor- oder nachgelagerten Stufe für die Muttergesellschaften oder auf deren Markt tätig ist, erfüllt grundsätzlich nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 GWB. Aber auch die Einstufung als kooperatives Gemeinschaftsunternehmen bedeutet nicht automatisch, dass ein Verstoß gegen das Kartellverbot vorliegt. Erforderlich ist vielmehr, dass es über den Fusionstatbestand hinaus zu einer Beschränkung des Wettbewerbs zwischen den Müttern kommt. Nach der Rechtsprechung ist dies regelmäßig dann zu erwarten, wenn die Mütter weiterhin auf dem gleichen sachlichen und räumlichen Markt wie das Gemeinschaftsunternehmen tätig bleiben, da sie dann im Allgemeinen versucht sein werden, durch Abstimmung ihrer Geschäftspolitik oder durch bewusste Zurückhaltung die Intensität des Wettbewerbs zu verringern (sog. Gruppeneffekt).[120] Das Bundeskartellamt prüft § 1 GWB bei kooperativen Gemeinschaftsunternehmen regelmäßig im Fusionskontrollverfahren mit, ist hierbei jedoch – anders als die Europäische Kommission – nicht an die kurzen fusionskontrollrechtlichen Fristen gebunden. Auch die Freigabe der Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens bedeutet nicht, dass eine Anwendung des § 1 GWB ausgeschlossen ist. Das Bundeskartellamt behält sich in solchen Fällen eine spätere Prüfung in der Freigabemitteilung zumeist ausdrücklich vor.

IV. Das Fusionskontrollverfahren

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Zusammenschlüsse, die in den Geltungsbereich der deutschen Fusionskontrolle fallen, sind vor ihrem Vollzug beim Bundeskartellamt anzumelden (§ 39 Abs. 1 GWB). Anders als die Europäische Kommission erwartet das Bundeskartellamt vor Einreichung der Anmeldung keine informelle Kontaktaufnahme oder die Vorlage eines Anmeldeentwurfes. Ein solches Vorgehen kann allerdings in schwierigen Fällen ratsam sein, um mit dem Bundeskartellamt die Freigabefähigkeit des Vorhabens zu klären und den Umfang der in der Anmeldung vorzulegenden Informationen abzustimmen.

1. Anmeldung

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Die Pflicht zu Anmeldung des Zusammenschlusses trifft alle am Zusammenschluss (materiell) beteiligten Unternehmen sowie im Falle eines Zusammenschlusses durch Vermögens- oder Anteilserwerb auch den Vermögens- bzw. Anteilsveräußerer (§ 39 Abs. 2 GWB). Die Anmeldepflicht obliegt zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes jedem der genannten Unternehmen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass jeder Verpflichtete auch für sich eine eigene Anmeldung einreichen muss. Vielmehr reicht es aus, wenn eine zur Anmeldung verpflichtete Person den Zusammenschluss mit Wirkung für alle Beteiligten anmeldet. Aus diesem Grund empfiehlt es sich bereits im Kauf- und Übertragungsvertrag festzulegen, welche Vertragspartei die Anmeldung übernimmt. In der Praxis wird dies zumeist der Käufer sein. Für die rechtzeitige, vollständige und richtige Anmeldung haften jedoch stets alle Beteiligten gemeinsam. Für Unternehmen mit Sitz im Ausland ist eine zustellungsbevollmächtigte Person im Inland zu benennen, bei der es sich auch um eine inländische Tochtergesellschaft handeln kann.

Einen bestimmten Zeitpunkt für die Anmeldung schreibt das Gesetz nicht vor. Entscheidend ist allein, dass der Zusammenschluss nicht vor Anmeldung und Freigabe vollzogen wird. Ein verbindlicher Vertrag zwischen den beteiligten Unternehmen ist keine Voraussetzung für die Anmeldung. Vielmehr kann auch schon der Plan eines Zusammenschlusses angemeldet werden, vorausgesetzt das Vorhaben ist hinreichend konkret und es besteht in absehbarer Zeit die Chance einer Verwirklichung des Zusammenschlusses.[121] Nimmt ein beteiligtes Unternehmen endgültig Abstand von der Verwirklichung des Zusammenschlusses, fehlt es an einem prüffähigen Vorhaben und das Verfahren erledigt sich. Haben die Beteiligten den Zusammenschluss bereits vollzogen, etwa weil sie die Anmeldepflicht übersehen haben, so ist eine nachträgliche Anmeldung nach Auffassung des Bundeskartellamtes nicht mehr möglich.[122] In diesem Fall können die Unternehmen nur den Vollzug des Zusammenschlusses nach § 39 Abs. 6 GWB anzeigen. Diese Anzeige löst jedoch nicht das fristengebundene Fusionsverfahren aus, sondern das Bundeskartellamt prüft den Zusammenschluss in einem Entflechtungsverfahren nach § 41 Abs. 3 GWB und stellt dieses ein, sofern die Untersagungsvoraussetzungen des § 36 Abs. 1 GWB nicht erfüllt sind.[123]

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Für die Anmeldung selbst gibt es keine verbindlichen Formvorgaben. Das vom Bundeskartellamt im Jahr 2006 herausgegebene rechtlich nicht verbindliche „Formular zur Anmeldung eines Zusammenschlusses“ konnte sich in der Praxis nicht durchsetzen, insbesondere weil darin Informationen abgefragt werden, die über die gesetzlichen Pflichtangaben hinausgehen. Diese sind abschließend in § 39 Abs. 3 GWB geregelt und umfassen u.a. Angaben zur Form des Zusammenschlusses und für jedes beteiligte Unternehmen Angaben zu Firma, Sitz, Art des Geschäftsbetriebes, Umsatzerlöse sowie Marktanteile, sofern diese 20 % erreichen. Anmeldungen können auch in elektronischer Form beim Bundeskartellamt eingereicht werden, sofern sie per E-Mail an die zentrale De-Mail-Adresse des Amtes oder dessen zentrale E-Mail-Adresse für E-Mails mit qualifizierter elektronischer Signatur geschickt werden (§ 39 Abs. 1 GWB). Das Datum der Anmeldung, die Namen der Beteiligten und die betroffenen Produktbereiche werden auf der Internetseite des Bundeskartellamtes veröffentlicht, nicht aber die Anmeldung selbst.