Read the book: «Kartell Compliance», page 17

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bb) Verbot der versuchten Preisbindung im deutschen Recht (§ 21 Abs. 2 GWB)

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Zwar können auch mittelbare Maßnahmen des Anbieters als verbotene Preisbindung i.S.v. Art. 4 lit. a qualifiziert werden, wenn sie eine Vereinbarung oder eine Verhaltensabstimmung i.S.v. Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen. Rein einseitige Verhaltensweisen des Lieferanten wie bspw. ein Rabattangebot, eine Aufforderung oder eine Kündigungsandrohung, die der Händler zurückweist, sind insoweit nicht tatbestandsmäßig. Die nur versuchte Preisbindung ist im europäischem Kartellrecht also nicht verboten.[154]

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Einseitige Maßnahmen können aber gegen § 21 Abs. 2 GWB[155] verstoßen. Die Vorschrift untersagt bereits das Androhen oder Zufügen von Nachteilen sowie das Versprechen oder Gewähren von Vorteilen mit dem Ziel, andere Unternehmen zu einem kartellrechtlich untersagten Verhalten zu veranlassen.[156] Gegen dieses Verbot verstößt ein Lieferant z.B., wenn er dem Händler zwecks Umsetzung der vorgegebenen Preise Nachteile androht oder zufügt (z.B. Auslistung, Rabattkürzung etc.) oder Vorteile verspricht oder gewährt (z.B. zusätzliche Konditionen). Der Tatbestand von § 21 Abs. 2 GWB ist unabhängig davon erfüllt, ob der Händler seine Preissetzung entsprechend anpasst. § 21 Abs. 2 GWB untersagt damit den einseitigen Versuch der Preisbindung.[157]

b) Maßnahmen der Preispflege

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Maßnahmen der Preispflege sind in erster Linie am Maßstab von Art. 4 lit. a 2. Halbs. Vertikal-GVO zu messen, der eine Ausnahme vom Preisbindungsverbot statuiert. Demnach sind Höchstpreise sowie Preisempfehlungen grundsätzlich nicht als Kernbeschränkung zu qualifizieren. Dies gilt allerdings nur, sofern diese nicht infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen faktisch wie Fest- oder Mindestpreisbindungen wirken.

aa) Höchstpreise

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Die Vereinbarung eines Höchstpreises zeichnet sich dadurch aus, dass der Händler (Abnehmer) den vom Hersteller (Anbieter) vorgegebenen Preis zwar unter-, nicht aber überschreiten darf.[158] Die Frage, ob Höchstpreisbindungen überhaupt wettbewerbsbeschränkende Wirkungen haben, ist wettbewerbsökonomisch (noch) nicht abschließend geklärt.[159] Auf der einen Seite schränken auch Höchstpreise (wie Fest- oder Mindestpreise) die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers ein und verhindern damit, dass der Preis im vollständig freien Spiel von Angebot und Nachfrage zustande kommt.[160] Auf der anderen Seite wird verhindert, dass der Preis – zugunsten der Kunden – ein bestimmtes Niveau überschreitet.[161] Zwar sprechen damit gute Argumente dafür, bei Höchstpreisbindungen schon den wettbewerbsbeschränkenden Charakter zu verneinen.[162] Angesichts der Äußerungen des EuGH, wonach in jedem Einzelfall zu prüfen sei, ob eine Höchstpreisbindung als spürbare Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren ist,[163] sind Höchstpreisbindungen ohne nähere Prüfung der Tatbestandsmäßigkeit aber nur dann sicher zulässig, wenn die Voraussetzungen der Vertikal-GVO erfüllt sind.

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Bei der Vorgabe von Höchstpreisen ist zu beachten, dass diese nicht auf ein derart niedriges Niveau festgesetzt werden, dass eine Unterschreitung durch den Händler betriebswirtschaftlich unmöglich ist. Mag eine solche Preisbindung auch im Interesse der Verbraucher liegen, besteht angesichts der Beschränkung der Preissetzungsfreiheit des Händlers dennoch die naheliegende Gefahr einer faktischen Preisbindung, die gegen Art. 4 lit. a Vertikal-GVO verstößt.[164]

bb) UVP

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UVP sind an Händler gerichtete, formell unverbindlich empfohlene Wiederverkaufspreise.[165] Der Empfänger von UVP darf den empfohlenen Preis also sowohl unter- als auch überschreiten. Dabei kann die Preisempfehlung einerseits gegenüber dem Kunden etwa durch einen Verpackungs- oder Etikettenaufdruck, durch die Medienwerbung oder in Katalogen mit jeweils deutlichem Zusatz der Unverbindlichkeit des Preises kommuniziert werden. Andererseits können UVP auch (nur) gegenüber dem Händler ausgesprochen werden, etwa in Form von unverbindlich empfohlenen Bruttopreislisten oder durch entsprechende Angaben in Händlerkatalogen (sog. „Händlerpreisempfehlung“).[166]

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Wie bereits bei Höchstpreisen stellt sich auch bei Preisempfehlungen zunächst die Frage, ob diese überhaupt eine tatbestandliche Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 101 Abs. 1 AEUV bezwecken oder bewirken.[167] Bei UVP ist die Antwort klar. Nach Ansicht des Bundeskartellamts ist „das Aussprechen von unverbindlichen Preisempfehlungen durch den Hersteller (. . .) erlaubt.“[168] Der Umstand allein, dass eine Preisempfehlung von ihren Adressaten (Händlern) befolgt wird, begründet noch keine Vereinbarung oder abgestimmte Verhaltensweise i.S.v. Art. 101 Abs. 1 AEUV.[169] Auch die Kommission stellt in den Vertikal-LL klar, dass das Aussprechen von UVP ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht tatbestandsmäßig ist: Händigt der Hersteller dem Händler etwa eine Liste mit Preisempfehlungen aus, so sei dies nicht als vertikale Preisbindung zu qualifizieren.[170] Das BKartA betont, dass der Hersteller die Möglichkeit habe, „seine Meinung darüber auszusprechen, welchen Ladenverkaufspreis er für das von ihm gelieferte Produkt als sinnvoll erachtet.“[171] Weitergehend dürfe der Hersteller seine Meinung auch erläutern und begründen, um den Händler vom Preispotenzial eines Produkts zu überzeugen,[172] solange dadurch die Unverbindlichkeit der Empfehlung nicht in Frage gestellt wird.[173] Auf Herstellerempfehlungen von Weiterverkaufspreisen findet Art. 101 Abs. 1 AEUV also keine Anwendung, soweit ein rein einseitiges und unverbindliches Verhalten der Herstellers zugrunde liegt.

Beispiel: Umgang mit Preisempfehlungen:


A empfiehlt im Jahresgespräch einen Preis von 3,33 EUR. Zur Begründung verweist er auf die Ergebnisse der internen Marktforschung: Man habe Verbraucher befragt, Preissensitivitätsanalysen erstellt und auch die im Handel gezeigten Preise der Konkurrenzprodukte einbezogen.
Reaktion: Der Händler (B) nimmt die Erläuterungen von A zur Kenntnis, äußert sich aber nicht zu seiner künftigen Preisgestaltung. Nach internen Beratungen setzt er die Preisempfehlung um.

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Insoweit fehlt schon eine Vereinbarung über den Verkaufspreis: „Der Händler hat seine Entscheidung, die empfohlenen Preise der eigenen Preissetzung zugrunde zu legen, autonom getroffen und dem Hersteller keine Zusage hinsichtlich der Preisgestaltung gemacht.“[175] Bereits hieraus ergibt sich, dass das bloße Befolgen einer Preisempfehlung unabhängig davon kartellrechtlich zulässig ist, wie andere Händler reagieren, also selbst dann, wenn die UVP flächendeckend im Markt umgesetzt wird.[176] Dieses Ergebnis steht im Einklang mit lauterkeitsrechtlichen Wertungen,[177] wonach die Zulässigkeit von Werbung mit unverbindlichen Herstellerpreisempfehlungen gerade davon abhängt, dass die UVP für den Verkehr eine marktgerechte Orientierungshilfe darstellt.[178]

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Kündigt der Händler im Beispiel aber an, der UVP zu folgen, setzt er sich einem Bußgeldrisiko aus – oder in den Worten des BKartA: „Damit verlässt der Händler den Bereich des eindeutig und ohne nähere Prüfung kartellrechtskonformen Verhaltens.“[179] Ob eine Rückäußerung tatsächlich als Zustimmung zu einer ihm angetragenen vertikalen Preisbindung zu werten ist, kann nur im Wege einer Gesamtbetrachtung der Einzelfallumstände beantwortet werden. Dabei stellt das BKartA allein auf die getätigten Äußerungen ab und hält einen etwaigen inneren Vorbehalt des Händlers, ggf. auch einen niedrigeren Preis zu setzen, expressis verbis für unbeachtlich.[180] Zur Vermeidung der mit einer Einzelfallwürdigung einhergehenden Unsicherheit ist Händlern zu empfehlen, jedwede Rückäußerung zu unterlassen, die auch nur den Anschein einer Zusage erwecken könnte, man werde die UVP befolgen.[181] Generell sollten Hersteller wie Händler die Kommunikation zu UVP vor dem Hintergrund der Praxis des BKartA stets auf das Nötigste reduzieren.[182]

cc) Faktische Preisbindung durch Druck oder Anreize als Grenzen der zulässigen Preise

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Nach Art. 4 lit. a 2. HS sind Höchstpreise und UVP dann als Kernbeschränkung zu qualifizieren, wenn sie infolge der Ausübung von Druck oder der Gewährung von Anreizen faktisch wie Fest- oder Mindestverkaufspreise wirken, also die Preissetzungsfreiheit des Abnehmers in einer mit Fest- oder Mindestpreisbindungen vergleichbaren Intensität beschränken.[183] Im Sinne eines Umgehungsverbots soll damit verhindert werden, dass das Preisbindungsverbot durch Höchstpreise und UVP unterlaufen wird, die wie gebundene Preise wirken.[184]

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Ob eine solche faktische Wirkung anzunehmen ist, ist nach der Rechtsprechung des EuGH durch eine umfassende Einzelfallwürdigung festzustellen. Dabei sind sämtliche vertraglichen Verpflichtungen sowie das Verhalten der Parteien einzubeziehen.[185] Aus diesem Ansatz folgt eine gewisse Rechtsunsicherheit, zumal die Vertikal-LL nur grobe Anhaltspunkte liefern. Für in Deutschland tätige Unternehmen wird diese Unsicherheit zumindest teilweise dadurch beseitigt, dass die Praxis des BKartA in den letzten Jahren eine weitreichende Kasuistik zur Behandlung von de facto-Preisbindungen hervorgebracht hat.[186]

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Im Falle einer Gewährung von Anreizen wird eine Preisunterbietung oder -abweichung durch (wirtschaftliche) Vorteile faktisch verhindert, die dem Händler bei Einhaltung eines bestimmten Preises in Aussicht gestellt werden.[187] So können Lieferanten/Hersteller etwa durch die Gewährung von Boni oder Rabatten,[188] Kick-Back-Zahlungen[189] oder Werbekostenzuschüssen für den Händler derart starke finanzielle Anreize schaffen, dass dieser aus wirtschaftlichen Erwägungen von seiner rechtlich gegebenen Preissetzungsfreiheit faktisch keinen Gebrauch macht.[190]

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Die Ausübung von Druck liegt demgegenüber vor, wenn der Anbieter seine Abnehmer (Händler) durch Androhungen, Einschüchterungen und Sanktionsmaßnahmen zur Einhaltung eines bestimmten Preisniveaus beim Weiterverkauf der Waren „bewegt“. Dabei sind sämtliche Vorkehrungen erfasst, die dem Händler für den Fall des Abweichens Nachteile auferlegen, also von einer Verknappung der Liefermenge[191] über Lieferverzögerungen[192] und Liefersperren[193] bis hin zur Vertragskündigung.[194] Als weitere Nachteile wurden in der Praxis etwa eine Verschlechterung der Einkaufskonditionen sowie unterschiedliche Beschränkungen des Online-Vertriebs (etwa Sperrung bei Online-Plattformen wie eBay) bewertet.[195]

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Im Hinweispapier LEH betont das BKartA, dass es für die Annahme einer verbotenen Preisbindung nicht erforderlich ist, dass unter dem Einfluss von Druck oder Anreizen tatsächlich eine Veränderung der Preisstellung zustande kommt.[196] Vom Kartellverbot sollen vielmehr auch solche Verhaltensweisen erfasst sein, die auf einem gleichgerichteten Interesse beider Seiten beruhen.[197] Denn ein Händler lasse sich auf eine Verpflichtung zu einer bestimmten Gestaltung der Weiterverkaufspreise regelmäßig nur in der Erwartung ein, der Hersteller werde auch konkurrierende Händler zu entsprechenden Zusagen bewegen.[198]

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In Deutschland ist der Hersteller einem Zuwiderhandlungsrisiko auch dann ausgesetzt, wenn es nicht zu einer solchen Übereinkunft kommt. Nach § 21 Abs. 2 GWB und der sehr weitgehenden[199] Rechtsauffassung des BKartA soll nach Übersendung einer unverbindlichen Preisempfehlung bereits jedes Gespräch des Lieferanten mit Händlern über deren Preisgestaltung als nach § 21 Abs. 2 GWB unzulässige Einflussnahme anzusehen sein.[200] Ob dies zutreffend ist, hat der BGH zwar ausdrücklich offengelassen, jedoch klargestellt, dass ein Verstoß gegen § 21 Abs. 2 GWB jedenfalls dann anzunehmen ist, wenn der Händler eine Kontaktaufnahme durch den Hersteller nur dahingehend verstehen kann, dass dieser gegen die Unterschreitung seiner unverbindlichen Preisempfehlung interveniert.[201]

Beispiel:


Der Händler unterschreitet die UVP des Herstellers für Rucksäcke und Schulranzen deutlich. Daraufhin wird der Händler von einem Außendienstmitarbeiter des Herstellers angerufen, der ihm mitteilt, er könne die Preiskalkulation des Klägers für bestimmte Rucksäcke „betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehen“.
Auf die Frage des Händlers, ob dies bedeute, dass der Hersteller ihn nicht mehr beliefern werde, antwortet der Außendienstmitarbeiter nur, dies nicht gesagt zu haben. Er wiederholt seine Aussage zur wirtschaftlichen Nachvollziehbarkeit und äußert sich nicht zur weiteren Belieferung des Händlers.
Nach der Rechtsprechung habe der Händler den Anruf des Herstellers nur so verstehen können, dass dieser angesichts der erheblichen Abweichung der Preise des Händlers im Interesse einer Preisangleichung intervenierte, so dass eine unzulässige Preisbindung angenommen wurde.
Zu beachten ist ein aktuelles Urteil des OLG Düsseldorf v. 27.9.2019 in einem Kartellzivilverfahren (VI-U (Kart) 3/19 „Reuter/Cor“, noch nicht veröffentlicht). Hiernach sei die Auffassung des BKartA nicht vertretbar, bereits in jeder Thematisierung von UVP (nach ihrer einmaligen Erläuterung) eine unzulässige Druckausübung zu sehen. Das OLG Düsseldorf hat strengere Voraussetzungen für die Annahme einer Vereinbarung i.S.d. Kartellverbots gestellt und auch der Umsetzung von UVP durch den Handel erhebliche Bedeutung beigemessen. Angesichts der Praxis des BKartA sowie der Rechtsprechung des BGH dürfte dieses Urteil zwar den wissenschaftlichen Diskurs intensivieren, die Praxis einstweilen aber nicht beeinflussen, die sich weiter am BKartA orientieren sollte.

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Der Adressat der Druckausübung oder Vorteilsauslobung muss kein Bußgeld befürchten, „so lange er nicht auf den Vorschlag einer Preisbindung eingeht.“[202] Auch wenn diese Äußerung des BKartA Gegenteiliges suggeriert, kann es dem Abnehmer im Einzelfall durchaus erhebliche Schwierigkeiten bereiten, ein Bußgeld abzuwenden. Anders als es mit Blick auf die Äußerung des BKartA naheliegt („nicht eingehen“), wird bloße Passivität vielfach nicht ausreichen:[203]

Druck und Anreize – Verhaltensempfehlungen des BKartA:


Das BKartA legt betroffenen Händlern nahe, sich dem Versuch der Einflussnahme zunächst unter Hinweis auf die Freiheit der Preisbestimmung zu widersetzen. Zu Nachweiszwecken sollten sowohl das ggf. rechtswidrige Ansinnen des preisbindenden Anbieters als auch die abwehrende Reaktion des Händlers klar dokumentiert werden: „Wir weisen darauf hin, dass uns die Hoheit der Preisbestimmung obliegt und jegliche Beeinträchtigung unserer Preissetzungsfreiheit verboten ist. Wir weisen Ihren Vorschlag daher zurück und fordern Sie auf, künftig von solchen Forderungen Abstand zu nehmen.“
Ergänzend empfiehlt das BKartA, „erforderlichenfalls die Kartellbehörden einzuschalten.
Kommt eine Zurückweisung „ausnahmsweise nicht als realistische Handlungsoption“ in Betracht (etwa weil ein Händler von der Belieferung durch einen Hersteller abhängig ist), sollte zumindest die Drohung dokumentiert werden. In einem ggf. nachfolgenden Kartellverfahren könne so nachgewiesen werden, dass die Initiative zur Preisbindung nicht vom Händler ausging. Dies könne zugunsten des Händlers Berücksichtigung finden, der formal aber ebenso am Kartellverstoß beteiligt wäre wie der Hersteller.

dd) Preisüberwachungssysteme („Preisbindungsverbot 2.0“)

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Wie die Europäische Kommission in den Vertikal-LL betont, kann die Wirksamkeit von direkten wie indirekten Maßnahmen zur Preisfestsetzung dadurch erhöht werden, dass sie mit Maßnahmen zum Auffinden von „Preisabweichlern“ kombiniert werden.[204] Entsprechende Preisüberwachungssysteme sind zwar auch in analoger Form denkbar (bspw. durch Befragung von Kunden oder Testkäufe).[205] Sie werden aber zunehmend in digitaler Form eingesetzt (Preisbeobachtungssoftware bzw. -algorithmen, Preissuchmaschinen,[206] etc.).[207]

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Gerade mit Blick auf die besondere Preistransparenz im Online-Handel könnte der technische Fortschritt zu einem Paradigmenwechsel bei der Beurteilung von Preisempfehlungen führen, wenn Hersteller softwaregestützte Preisüberwachungssysteme[208] in Verbindung mit Preisempfehlungen einsetzen: Der erhöhte Druck auf die Preise durch den Online-Handel, die hohe Preistransparenz und die zunehmende Verwendung von Preisbeobachtungssoftware erhöhen die Anreize und Möglichkeiten der Hersteller, die Preisgestaltung ihrer Online-Händler zu überwachen und zu beeinflussen. Es ist für Hersteller deutlich einfacher geworden, „Preisabweichler“ zu identifizieren. Da Händler sich dieses Umstands durchaus bewusst sind und sie ggf. Sanktionen befürchten müssen, kann bereits die den Händlern bekannte Verwendung von Preisüberwachungssoftware den Anreiz, von Preisempfehlungen abzuweichen, verringern.[209] Ob Kartellbehörden der Verwendung von Preissoftware eine indizielle Bedeutung zumessen und diese als Teil einer Gesamtstrategie zur Einhaltung eines bestimmten Preisniveaus, interpretieren werden, bleibt aber abzuwarten.[210]

ee) Sonderproblem: Datenaustausch zwischen Hersteller und Händler

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Die bei einem Handelsunternehmen anfallenden Daten über Verkaufspreise und -mengen (Absatzdaten) stellen eine wichtige Erkenntnisquelle für die Preis- und Sortimentsgestaltung des Handels dar. Sie sind darüber hinaus auch für den Hersteller von großem Interesse. Angesichts der erheblichen Kosten, die mit dem Bezug solcher Daten bei Marktforschungsunternehmen verbunden sind, sowie der für statistische Erhebungen charakteristischen Ungenauigkeiten, sind viele Hersteller an einem direkten Bezug der Absatzdaten beim Handel interessiert, was grds. zulässig ist.[211] Kartellrechtliche Schranken ergeben sich jedoch daraus, dass der Datenaustausch nicht zu einer Abstimmung des Preissetzungsverhaltens führen darf, und zwar weder zwischen Händler und Hersteller, noch zwischen den Händlern unter Vermittlung des Herstellers und auch nicht zwischen den Herstellern unter Vermittlung des Händlers.[212] Dementsprechend sind einer Übermittlung von zukunftsbezogenen Daten – etwa der vorgesehenen Aktionspreise – Grenzen gesetzt.

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Mit Blick auf Absatzdaten der Vergangenheit kommt es darauf an, ob diese lediglich dem legitimen Zweck einer betriebswirtschaftlichen Auswertung dienen, oder ob die Lieferung der Absatzdaten Instrument eines Kontrollsystems ist, das die Einhaltung einer vertikalen Preisbindung überwacht. Ob dies der Fall ist, wird insbesondere von der Aktualität der Daten abhängen. Wie das BKartA hervorhebt wird regelmäßig allein die Lieferung aktueller Daten die effektive Durchsetzung einer Preisbindung ermöglichen bzw. erleichtern. Umgekehrt kann aber auch eine solche Lieferung nur ein Indiz für das Vorliegen einer Preisbindung darstellen, so dass weitere Anhaltspunkte hinzutreten müssen.[213]

Beispiele:


Kritisch: Vergütung für eine Datenlieferung nimmt Bezug auf eine Hersteller-UVP.