Read the book: «Kartell Compliance», page 11

Font:

4. Arbeitsgemeinschaften

65

Kooperieren Unternehmen z.B. in Form von Bieter-, Projekt- bzw. Arbeitsgemeinschaften, Konsortien oder Subunternehmerverträgen bei der Abgabe eines Angebots bzw. der Durchführung eines Auftrags, kann hierdurch Wettbewerb nicht nur beschränkt, sondern im Gegenteil unter bestimmten Voraussetzungen auch erweitert oder erst ermöglicht werden. Das betrifft vor allem, aber nicht ausschließlich, Kooperationen kleiner oder mittlerer Unternehmen.[127] Können die kooperierenden Unternehmen sich objektiv nicht unabhängig voneinander an einer Ausschreibung, einem Auftrag oder Projekt beteiligen, weil ihnen hierzu individuell etwa die Kapazitäten, das Know-how, die technischen Möglichkeiten oder die Finanzkraft fehlen, handelt es sich jedenfalls in Bezug auf den konkreten Auftrag bzw. das konkrete Projekt nicht um potentielle Wettbewerber.[128]

66

Die Kooperation als solche kann keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen, wenn sie die Unternehmen erst in die Lage versetzt, sich am Wettbewerb um den Auftrag oder das Projekt zu beteiligen. An einer Wettbewerbsbeschränkung mangels potentiellem Wettbewerbsverhältnis zwischen den kooperierenden Unternehmen fehlt es somit nicht nur, wenn Unternehmen unterschiedlicher Branchen oder Gewerke kooperieren,[129] sondern auch, wenn es sich um Unternehmen auf demselben relevanten Markt handelt, die den konkreten Auftrag bzw. das konkrete Projekt aber objektiv nicht allein durchführen können.[130]

67

Dieser sog. Arbeitsgemeinschafts- oder Markterschließungsgedanke,[131] wonach die Kooperation als solche keine Wettbewerbsbeschränkung begründet und somit schon nicht unter das Kartellverbot fällt, wenn die kooperierenden Unternehmen den Auftrag bzw. das Projekt, worauf sich die Kooperation bezieht, nach objektiven Kriterien nicht unabhängig voneinander durchführen könnten, ist in der Verwaltungspraxis der Europäischen Kommission anerkannt.[132] Auch die (einzelfallgeprägte und bisher nicht ausdrücklich verallgemeinerte) Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich in diesem Sinne auslegen.[133]

68

Anerkannt ist der Arbeitsgemeinschaftsgedanke auch in der deutschen Rechtspraxis.[134] Die von der deutschen Rechtsprechung an die Zulässigkeit von Arbeitsgemeinschaften gestellten Anforderungen sind geringer als diejenigen im europäischen Recht. Die deutsche Rechtsprechung prüft Arbeitsgemeinschaften nicht streng unter dem Gesichtspunkt der Markterschließung. Es soll nicht darauf ankommen, ob die an der Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unternehmen objektiv in der Lage wären, den Auftrag auch unabhängig voneinander durchzuführen, sondern darauf, ob die selbstständige Angebotsabgabe bzw. Auftragsdurchführung wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig wäre.[135] Ist Letzteres nicht der Fall, soll die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen, weil nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass Unternehmen sich individuell nur dann an einer Ausschreibung oder einem Projekt beteiligen, wenn dies wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig ist.[136]

69

An einer Wettbewerbsbeschränkung fehlt es nach der deutschen Rechtsprechung somit nicht erst, wenn die Arbeitsgemeinschaft die beteiligten Unternehmen überhaupt in die Lage versetzt, ein Angebot abzugeben bzw. den Auftrag durchzuführen, sondern schon dann, wenn sie den beteiligten Unternehmen ermöglicht, ein erfolgversprechendes Angebot abzugeben.[137] Maßgeblich ist insoweit die subjektive Beurteilung der beteiligten Unternehmen, die von den Gerichten im Rahmen einer Gesamtwürdigung auf Grundlage objektiver Faktoren darauf überprüft wird, ob sie sich im Rahmen eines wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns bewegt.[138] Den beteiligten Unternehmen wird bei der Bildung einer Arbeitsgemeinschaft somit eine Einschätzungsprärogative zuerkannt, die auf ihre Vertretbarkeit hin kontrolliert wird.[139]

70

Das Bundeskartellamt hat diese Rechtsprechung schon früh kritisiert, weil sie den Unternehmen unter dem Gesichtspunkt der kaufmännischen Vernunft einen nur eingeschränkt überprüfbaren Spielraum bei der Bildung von Arbeitsgemeinschaften einräumt und kaufmännisch vernünftiges Verhalten sich nicht zwingend mit wettbewerbskonformem Verhalten decken muss.[140]

71

Nach Auffassung des Bundeskartellamtes soll die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft daher nur dann keine Wettbewerbsbeschränkung darstellen, wenn folgende drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:


1. Keines der beteiligten Unternehmen ist im Hinblick auf den konkreten Auftrag bzw. das konkrete Projekt alleine leistungsfähig,
2. die konkrete Zusammenarbeit stellt eine im Rahmen wirtschaftlich zweckmäßigen und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Unternehmensentscheidung dar und
3.

Mit der zweiten und dritten Voraussetzung greift das Bundeskartellamt zwar die Kriterien der deutschen Rechtsprechung (wirtschaftlich zweckmäßiges und kaufmännisch vernünftiges Handeln, Ermöglichung eines wettbewerbsfähigen Angebots) auf, stellt diese jedoch unter den Vorbehalt einer (objektiv) fehlenden individuellen Leistungsfähigkeit der beteiligten Unternehmen in Bezug auf den konkreten Auftrag bzw. das konkrete Projekt (1. Voraussetzung).[142] Damit entspricht die Praxis des Bundeskartellamtes im Wesentlichen derjenigen der Europäischen Kommission, die ebenfalls die objektiv fehlende individuelle Leistungsfähigkeit der an der Arbeitsgemeinschaft beteiligten Unternehmen als zentrales Kriterium für eine fehlende Wettbewerbsbeschränkung ansieht. Nach der deutschen Rechtsprechung kommt es dagegen nicht darauf an, ob die beteiligten Unternehmen auch für sich genommen zur Leistung in der Lage wären, sofern die Arbeitsgemeinschaft wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig erscheint.[143]

72

Für die Prüfung der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Arbeitsgemeinschaften ergibt sich hieraus ein praktisch bedeutsamer Unterschied: Dienen Arbeitsgemeinschaften nicht der Herstellung, sondern der Verbesserung der Leistungsfähigkeit der beteiligten Unternehmen in Bezug auf den konkreten Auftrag bzw. das konkrete Projekt, kann das nach der deutschen Rechtsprechung schon eine Wettbewerbsbeschränkung und damit die Anwendung des Kartellverbots von vornherein ausschließen. Nach der europäischen Rechtspraxis und der Auffassung des Bundeskartellamtes ist die Verbesserung der Leistungsfähigkeit der beteiligten Unternehmen dagegen allein eine Frage der Freistellung vom Kartellverbot nach Art. 101 Abs. 3 AEUV/§ 2, 3 GWB.[144]

73

Die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft ist nach den Anforderungen der deutschen Rechtsprechung somit unter erheblich erleichterten Voraussetzungen möglich. Danach muss anhand objektiver Faktoren nur aufgezeigt werden, dass die Bildung einer Arbeitsgemeinschaft wirtschaftlich zweckmäßig und kaufmännisch vernünftig ist, also ein wettbewerbsfähiges Angebot ermöglicht, wobei den beteiligten Unternehmen eine Einschätzungsprärogative zukommt. Dagegen müssen nach europäischem Recht und der Auffassung des Bundeskartellamtes, wenn die Arbeitsgemeinschaft nicht objektiv notwendig ist, um den beteiligten Unternehmen überhaupt ein Angebot bzw. die Durchführung des Auftrags zu ermöglichen, die Freistellungsvoraussetzungen nachgewiesen werden, was in der Praxis mit erheblichem Aufwand und Rechtsunsicherheit verbunden ist.[145]

5. Forschungs- und Entwicklungskooperationen

74

Kooperationen im Bereich der Forschung und Entwicklung werden kartellrechtlich grundsätzlich positiv beurteilt. Denn diese Kooperationen versetzen die beteiligten Unternehmen häufig erst in die Lage, in einem bestimmten Bereich Forschung und Entwicklung zu betreiben, z.B. weil die Unternehmen allein nicht über das erforderliche Know-how oder die notwendigen Mittel verfügen.[146] Das gilt besonders für Forschungs- und Entwicklungskooperationen kleiner und mittlerer Unternehmen.[147] Sind die beteiligten Unternehmen objektiv allein nicht in der Lage, das Forschungs- und Entwicklungsprojekt durchzuführen, handelt es sich nicht um (potentielle) Wettbewerber und von der Forschungs- und Entwicklungskooperation als solcher kann damit i.d.R. schon keine Wettbewerbsbeschränkung ausgehen.[148] Insoweit kommt der Arbeitsgemeinschaftsgedanke zum Tragen.[149]

75

Sind die beteiligten Unternehmen dagegen auch individuell zur Durchführung des Forschungs- und Entwicklungsprojekts in der Lage, sind sie zwar als (potentielle) Wettbewerber anzusehen.[150] Auch in diesem Fall fehlt es aber häufig an einer (spürbaren) Wettbewerbsbeschränkung.[151] Abgesehen von Ausnahmefällen, in denen die Forschungs- und Entwicklungskooperation als Deckmantel für die Unterbindung eigenständiger Forschungs- und Entwicklungsbestrebungen oder andere bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen dient,[152] sind Wettbewerbsbeschränkungen durch Forschungs- und Entwicklungskooperationen eher unwahrscheinlich, sofern nicht mindestens eine der Parteien über Marktmacht auf einem der betroffenen Märkte verfügt oder der Innovationswettbewerb spürbar verringert wird.[153] Von Letzterem ist grundsätzlich nur auszugehen, wenn es wie z.B. im Pharmabereich von vornherein konkurrierende Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen (sog. „F&E-Pole“) gibt, deren Anzahl sich durch die Forschungs- und Entwicklungskooperation verringert.[154] Ansonsten gehen von reinen Forschungs- und Entwicklungskooperationen, bei denen sich die Parteien nicht auch im Hinblick auf die Verwertung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse koordinieren, regelmäßig keine Wettbewerbsbeschränkungen aus.[155] Das gilt besonders für Forschungs- und Entwicklungskooperationen in einem frühen Stadium, das weit entfernt ist von der Verwertung möglicher Ergebnisse.[156]

76

Gehen von Forschungs- und Entwicklungskooperationen im Einzelfall Wettbewerbsbeschränkungen aus, kommt aufgrund der mit Forschungs- und Entwicklungskooperationen regelmäßig verbundenen Effizienzvorteile eine Freistellung vom Kartellverbot (Art. 101 Abs. 3 AEUV/§§ 2, 3 GWB) in Betracht.[157] Kooperationen ermöglichen durch die Bündelung von Know-how häufig einen schnelleren Abschluss der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten sowie bessere Ergebnisse und fördern dadurch die Innovation.[158] Durch die Bündelung von Mitteln sinken für die Kooperationspartner zudem die individuellen Kosten und Risiken des Forschungs- und Entwicklungsprojekts, was im Ergebnis günstigere Produkte für die Abnehmer bzw. Verbraucher ermöglicht.[159]

77

Da die Einzelfreistellung nach Art. 101 Abs. 3 AEUV bzw. § 2 Abs. 1 GWB in der Praxis gleichwohl mit Rechtsunsicherheit verbunden ist, hat die Europäische Kommission Forschungs- und Entwicklungskooperationen in einer eigenen Gruppenfreistellungsverordnung („F&E-GVO“) geregelt.[160] Danach sind Forschungs- und Entwicklungskooperationen zwischen Wettbewerbern bis zu einem gemeinsamen Marktanteil der Parteien von höchstens 25 % auf den von der Kooperation betroffenen Märkten unter bestimmten Voraussetzungen vom Kartellverbot freigestellt (Art. 2, 4 Abs. 2 F&E-GVO). Sind die Parteien keine Wettbewerber gilt die Freistellung während der Forschungs- und Entwicklungsphase zunächst marktanteilsunabhängig (Art. 4 Abs. 1 S. 1 F&E-GVO). Mit Abschluss der gemeinsamen Forschung und Entwicklung werden die Parteien jedoch zu (potentiellen) Wettbewerbern. Kooperieren die Parteien auch bei der Verwertung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse, also z.B. bei der Lizensierung der gemeinsam entwickelten Technologien oder der Herstellung bzw. dem Vertrieb der hierauf beruhenden Produkte (vgl. Art. 1 Abs. 1 lit. a, g und m F&E-GVO), gilt die Freistellung deshalb nicht unbeschränkt weiter. Auch für die gemeinsame Verwertung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse greift die Marktanteilsschwelle von 25 %, wobei Unternehmen, die erst durch den Abschluss der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu Wettbewerbern werden, ein Übergangszeitraum von sieben Jahren eingeräumt wird, in dem die Ergebnisse ohne Rücksicht auf die Marktanteilsschwelle gemeinsam verwertet werden können (Art. 4 Abs. 1–3 F&E-GVO).

78

Voraussetzung für die Freistellung nach der F&E-GVO ist insbesondere, dass die Parteien, abgesehen von etwaigen Einschränkungen während einer gemeinsamer Verwertung der Forschungs- und Entwicklungsergebnisse, uneingeschränkten Zugang zu den Endergebnissen sowohl zum Zwecke weiterer (auch eigenständiger) Forschung und Entwicklung als auch zum Zwecke der Verwertung erhalten (Art. 2 Abs. 4 F&E-GVO). Die gemeinsame Verwertung darf sich zudem nur auf (zumindest als Know-how geschützte) Ergebnisse beziehen, die zur Herstellung der aus der gemeinsamen Forschung und Entwicklung hervorgegangenen Produkte unerlässlich sind (vgl. Art. 3 Abs. 4 F&E-GVO). Hiermit soll verhindert werden, dass die gemeinsame Forschung und Entwicklung von den Parteien nur als Vorwand für eine umfassende Produktions- oder Vermarktungskooperation verwendet wird.[161]

79

Die Forschungs- und Entwicklungskooperation darf auch keine sog. Kernbeschränkungen, d.h. besonders schwerwiegende Wettbewerbsbeschränkungen, enthalten (vgl. Art. 5 F&E-GVO). Es muss den Parteien u.a. möglich sein, während der gemeinsamen Forschungs- und Entwicklungsarbeiten auf anderen Gebieten auch unabhängig voneinander Forschung und Entwicklung zu betreiben und nach Abschluss der gemeinsamen Forschung und Entwicklung außerdem in hiermit zusammenhängenden Bereichen (Art. 5 lit. a) F&E-GVO). Kernbeschränkungen lassen die gesamte Freistellung nach der F&E-GVO entfallen.

80

Darüber hinaus darf die Forschungs- und Entwicklungskooperation auch bestimmte weitere Formen von Wettbewerbsbeschränkungen nicht enthalten, sog. „graue“ Klauseln (Art. 6 F&E-GVO).[162] Diese führen zwar nicht zum Wegfall der Freistellung für die Forschungs- und Entwicklungskooperation, können aber für sich genommen gegen das Kartellverbot verstoßen.[163] Das gilt insbesondere für Nichtangriffsvereinbarungen in Bezug auf geistige Eigentumsrechte der Parteien (Art. 6 lit. a F&E-GVO).

6. Wettbewerbsverbote

81

In der deutschen und europäischen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die zur Durchführung eines kartellrechtsneutralen Hauptzwecks notwendigen Nebenabreden trotz der von ihnen möglicherweise ausgehenden Wettbewerbsbeschränkungen nicht unter das Kartellverbot in Art. 101 AEUV/§ 1 GWB fallen.[164] Insofern erfährt das Kartellverbot eine tatbestandliche Einschränkung.[165] Voraussetzung ist, dass die konkrete Nebenabrede mit der Durchführung einer den Wettbewerb selbst nicht beschränkenden Hauptvereinbarung unmittelbar verbunden und hierfür notwendig und angemessen ist.[166] Handelt es sich um eine Nebenabrede in diesem Sinne, teilt sie die kartellrechtliche Beurteilung der Hauptvereinbarung. Ist diese nicht vom Kartellverbot erfasst, gilt dies auch für die Nebenabrede.

82

Hauptanwendungsfall dieser sog. „Immanenztheorie, wonach Wettbewerbsbeschränkungen, die einer an sich kartellrechtsneutralen Hauptvereinbarung immanent sind, nicht in den Anwendungsbereich des Kartellverbots fallen, sind Wettbewerbsverbote in Unternehmenskauf- bzw. Gesellschaftsverträgen sowie in Austauschverträgen.[167] Obwohl es sich bei Letzteren grundsätzlich um Vertikalverträge handelt, gehen von Wettbewerbsverboten in erster Linie horizontale Wettbewerbsbeschränkungen aus.[168] Wettbewerbsverbote können insbesondere zur Gebiets- und Kundenaufteilung zwischen Wettbewerbern verwendet werden und somit bezweckte Wettbewerbsbeschränkungen darstellen.[169]

83

In der Verwaltungspraxis der Europäischen Kommission werden Wettbewerbsverbote, die dem Veräußerer im Zusammenhang mit Unternehmenskaufverträgen auferlegt werden, als mit der Durchführung des Unternehmenskaufvertrags unmittelbar verbunden und für diese notwendig angesehen, wenn sie sicherstellen, dass der Erwerber den vollständigen Wert des erworbenen Unternehmens erhält.[170] Daher sollen Wettbewerbsverbote von grundsätzlich bis zu drei Jahren zulässig sein, sofern mit dem Unternehmen auch Know-how übertragen wird.[171] Ohne Übertragung von Know-how soll sich der zulässige Zeitraum auf höchstens zwei Jahre beschränken.[172] Voraussetzung ist jeweils, dass das Wettbewerbsverbot auch in sachlicher und räumlicher Hinsicht sowie in Bezug auf die betroffenen Personen nicht über das zur Übertragung des Unternehmenswerts erforderliche Maß hinausgeht.[173]

84

Die Verwaltungsgrundsätze der Europäischen Kommission binden zwar weder die Gerichte noch andere Kartellbehörden. Sie können aber als Auslegungshilfe angesehen werden und decken sich im Wesentlichen mit der Rechtsprechung.[174] Auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Wettbewerbsverbote für eine Dauer von zwei bis drei Jahren zulässig sein, um „das übernommene Geschäft mit seinen Kundenbeziehungen in eigener Hand zu konsolidieren“.[175]

85

Wettbewerbsverbote, die den Gründern bzw. Gesellschaftern eines (ansonsten kartellrechtsneutralen) Gemeinschaftsunternehmens im Verhältnis zu diesem auferlegt werden, werden grundsätzlich für die Dauer des Gemeinschaftsunternehmens als zulässig angesehen, soweit sie sich auf das sachlich und räumlich notwendige Maß beschränken, das erforderlich ist, um das Gemeinschaftsunternehmen vor einer Aushöhlung durch eine eigene, vom Gemeinschaftsunternehmen unabhängige wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschafter zu schützen.[176] In der Regel besteht die Gefahr einer Aushöhlung des Gemeinschaftsunternehmens in hinreichendem Maße nur bei Gesellschaftern, die das Gemeinschaftsunternehmen (allein oder gemeinsam) kontrollieren, also das Marktverhalten des Gemeinschaftsunternehmens bestimmen können, so dass ein Wettbewerbsverbot grundsätzlich nur für kontrollierende Gesellschafter als gerechtfertigt angesehen wird.[177] Bei Ausscheiden eines kontrollierenden Gesellschafters aus dem Gemeinschaftsunternehmen kann auf die Grundsätze zu Wettbewerbsverboten im Zusammenhang mit Unternehmenskaufverträgen rekurriert werden, weshalb ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot von zwei bis drei Jahren für einen ausscheidenden Gesellschafter gerechtfertigt sein kann.[178]

86

Auch in an sich kartellrechtsneutralen Austauschverträgen sind Wettbewerbsverbote grundsätzlich als zulässig anzusehen, wenn und soweit sie als notwendige Nebenabrede sachlich, zeitlich und räumlich erforderlich sind, um den Vertragszweck zu verwirklichen.[179] Beispielsweise kann eine nachvertraglich auf ein Jahr beschränkte Kundenschutzklausel in einem Subunternehmervertrag gerechtfertigt sein, um zu verhindern, dass der Subunternehmer Kunden des Hauptunternehmers, mit denen er im Rahmen der Vertragsabwicklung zwangsläufig in Kontakt tritt, (unmittelbar) abwirbt.[180] In einem Franchisevertrag kann ein sachlich und räumlich beschränktes Wettbewerbsverbot während des Vertrages und einer angemessenen Zeit danach erforderlich sein, um das dem Franchisenehmer vom Franchisegeber zur Durchführung des Vertrags zugänglich gemachte Know-how zu schützen.[181] In Gewerbemietverträgen wird ein auf die Vertragsdauer beschränktes Wettbewerbsverbot zulasten des Vermieters für das betroffene Objekt als grundsätzlich zulässig angesehen, um den Mietvertrag nicht durch „Konkurrenz im selben Haus“ auszuhöhlen.[182]