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Beispiel (aus der Rechtsprechung):[43]

Schreibt der Arbeitgeber eine Stelle unter Verstoß gegen das AGG aus, weil ein Bewerber mit null bis zwei Jahren Berufserfahrung für ein junges dynamisches Team gesucht wurde, begründet dies die Vermutung i.S.v. § 22 AGG, dass der/die erfolglose Bewerber/in im Auswahlverfahren wegen eines Grundes i.S.v. § 1 AGG (hier wegen seines Alters) benachteiligt wurde.


155

Sofern der Betroffene Schadenersatz oder eine Entschädigung geltend macht, muss dies binnen einer Frist von zwei Monaten nach Kenntnis schriftlich erfolgen (§ 15 Abs. 4 AGG).

Für eine etwa beabsichtigte Klage gilt eine Frist von drei Monaten. Sie beginnt mit dem Tag der zunächst außergerichtlichen Geltendmachung. Nicht erforderlich ist, dass der Betroffene sich zuvor über die Angelegenheit beschwert hat (§ 13 AGG).

156

Etwaige Benachteiligungen sind in der Regel im Verhalten einzelner Mitarbeiter, auch Vorgesetzter in der jeweiligen Dienststelle angelegt. Da der Arbeitgeber seine Mitarbeiter vor Benachteiligungen i.S.d. AGG zu schützen hat, bieten sich ihm gegenüber Mitarbeitern, gleich in welcher Funktion, die gegen die Pflichten nach dem AGG verstoßen, auch arbeitsrechtliche Maßnahmen an. Insoweit kann ein individuelles Fehlverhalten zu einer Abmahnung oder gar Kündigung führen. Denkbar ist auch, dass betreffende Beschäftigte umgesetzt bzw. versetzt werden.

II.Abschluss des Arbeitsvertrages im öffentlichen Dienst

1.Allgemeines

157

Das Arbeitsverhältnis wird durch den Arbeitsvertrag begründet, § 611 a BGB (s. dazu B I 1 und 2). Aus ihm ergeben sich für die vertragschließenden Parteien eine Reihe gegenseitiger Rechte und Pflichten. Aufgrund seiner stark personenrechtlich ausgeprägten Wesensart hat der Arbeitnehmer die vereinbarten Dienste (Arbeitspflicht als Hauptpflicht des Arbeitnehmers) im Zweifel persönlich zu erbringen (§ 613 S. 1 BGB).

158

Die Regelform des Arbeitsverhältnisses ist das unbefristete, auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Arbeitsverhältnis. Es kann durch eine Kündigung oder einen Aufhebungsvertrag beendet werden. Sofern eine Kündigung ausgesprochen wird, kann der Arbeitnehmer die Kündigung anfechten, sofern die Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) vorliegen.

159

Daneben gibt es das befristete Arbeitsverhältnis, das nur für einen bestimmten Zeitraum abgeschlossen wird (s. dazu nachfolgend Kapitel C).

160

Der TVöD enthält zum Vertragsschluss in § 2 TVöD nur einige Besonderheiten. Regelungen zur Anbahnung und zum Abschluss ergeben sich aus den allgemeinen Vorschriften und wurden oben bereits erörtert. Hier geht es insbesondere um die Form des Arbeitsvertrages, die Nebenabreden und die Probezeit (§ 2 TVöD).

2.Form des Arbeitsvertrages

a)Schriftform

161

Für den Abschluss des Arbeitsvertrages gilt grds. Formfreiheit. § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz (NachwG), der die schriftliche Niederlegung der wesentlichen Vertragsbedingungen sowie die Unterzeichnung durch den Arbeitgeber vorsieht, kommt lediglich deklaratorische Wirkung zu.

162

Damit ist auch der mündlich geschlossene Arbeitsvertrag wirksam. Der betroffene Beschäftigte kann dann verlangen, dass die wesentlichen Inhalte des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixiert werden.

163

Im Interesse der Eindeutigkeit der für das Arbeitsverhältnis maßgeblichen Umstände verpflichtet § 2 Abs. 1 TVöD zur Einhaltung der Schriftform. Dementsprechend muss ein Arbeitsvertrag im Anwendungsbereich des TVöD schriftlich abgeschlossen werden. Doch hat dies nur deklaratorische Bedeutung, sodass auch der entgegen der Vorschrift mündlich abgeschlossene Vertrag wirksam bleibt. Der Beschäftigte kann aber die schriftliche Fixierung verlangen.

Achtung

Von besonderer Bedeutung ist die Schriftform jedoch bei befristeten und Teilzeitarbeitsverhältnissen. Nach § 14 Abs. 4 TzBfG bedarf es bei befristeten Arbeitsverhältnissen der Schriftform nach § 126 Abs. 1 BGB, um auch ein befristetes Arbeitsverhältnis zu begründen. Das Formerfordernis bezieht sich allein auf die Befristungsabrede, nicht auf den Arbeitsvertrag als solchen. Wer demnach ein befristetes Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung der Schriftform abschließt, begründet ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Es handelt sich insoweit um eine Arbeitnehmerschutzvorschrift. Würde die Außerachtlassung der Schriftform zum Nichtbestehen des Arbeitsverhältnisses führen, würde der im Verhältnis zum Arbeitgeber schwächere Arbeitnehmer hierdurch benachteiligt werden. Gerade das aber wollte der Gesetzgeber vermeiden. Für die Vereinbarung der Teilzeit ist § 8 Abs. 5 zu beachten.

164

Beispiel

Entsprechend der Vorgaben des NachwG müssen die folgenden wesentlichen Vertragsumstände schriftlich festgehalten werden:

1 der Name und die Anschrift der Vertragsparteien,

2 der Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses,

3 bei befristeten Arbeitsverhältnissen: die vorhersehbare Dauer des Arbeitsverhältnisses,

4 der Arbeitsort oder, falls der Arbeitnehmer nicht nur an einem bestimmten Arbeitsort tätig sein soll, ein Hinweis darauf, dass der Arbeitnehmer an verschiedenen Orten beschäftigt werden kann,

5 eine kurze Charakterisierung oder Beschreibung der vom Arbeitnehmer zu leistenden Tätigkeit,

6 die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts und deren Fälligkeit,

7 die vereinbarte Arbeitszeit,

8 die Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs,

9 die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses,

10 ein in allgemeiner Form gehaltener Hinweis auf die Tarifverträge, Betriebs- oder Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden sind.

Achtung

Die Angaben nach Nr. 6–9 können unterbleiben, wenn diesbezüglich auf den Tarifvertrag hingewiesen wird (vgl. § 2 Abs. 3 NachwG).

165

Entsprechend sind die im öffentlichen Dienst genutzten Musterarbeitsverträge formuliert; so finden sich auf der Seite des Bundesministeriums des Inneren entsprechende Muster, die in § 2 des Vertrages auf den TVöD verweisen:

§ 2

Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), den besonderen Regelungen für die Verwaltung (TVöD – Besonderer Teil Verwaltung), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) und den diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung.

166

Grundsätzlich ist auch im öffentlichen Dienst von Vertragsfreiheit auszugehen. Damit steht es den Parteien des Arbeitsvertrages grds. frei. Vereinbarungen zu treffen, die vom Tarifvertrag (soweit rechtlich zulässig) abweichen. Tatsächlich finden solche Anpassungen etwa an die Wünsche des Arbeitnehmers in der Praxis kaum statt. Den Regelfall bildet also der Verweis auf den TVöD.

167

Da den öffentlichen Arbeitgebern bei der Masse der bestehenden und abzuschließenden Arbeitsverträge schon aus Praktikabilitätsgründen (Vereinfachung der arbeitsrechtlichen Abläufe) daran gelegen ist, den TVöD soweit wie möglich zur Grundlage der Arbeitsverhältnisse zu machen, ist der Verweis auf den Tarifvertrag auch deswegen notwendig, weil viele der Beschäftigten gewerkschaftlich nicht organisiert sind (nicht tarifgebundene Arbeitsvertragspartei), sodass der TVöD durch die entsprechende Klausel im individuellen Vertrag für anwendbar erklärt werden muss.

b)Rechtsmängel des Arbeitsvertrages

168

Ein Arbeitsvertrag auch im öffentlichen Dienst kann an denselben Rechtsmängeln leiden, wie auch alle übrigen Verträge. Dies kann zum einen zur Nichtigkeit des Vertrages führen, zum anderen kann der Vertrag auch anfechtbar sein.

169

Folgende Nichtigkeitsgründe kommen in Betracht:

 Geschäftsunfähigkeit nach § 105 BGB,

 beschränkte Geschäftsfähigkeit nach § 106 BGB,

 mangelnde Vertretungsmacht nach § 177 BGB,

 Formmangel nach § 126 BGB (soweit eine Form vorgeschrieben ist),

 Wucher nach § 138 Abs. 2 BGB,

 Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 2 BGB,

 Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB.

170

In der Praxis des öffentlichen Dienstes spielen diese Mängel nur eine sehr untergeordnete Rolle. Vor dem Hintergrund, dass sich die öffentlichen Arbeitgeber schon aufgrund ihrer besonderen Rolle an die tariflichen Regelungen des TVöD und der Begleittarifverträge und insbesondere an die ausgehandelten Tariflöhne halten, spielen Fragen wie Lohnwucher (deutliche Unterbezahlung), aber auch Sittenwidrigkeit keine große Rolle.

171

Entsprechende Mängel führen zur Nichtigkeit des Vertrages. Soweit nur bestimmte Inhalte des Vertrages aufgrund etwa von Sittenwidrigkeit abtrennbar sind, ist aus Arbeitnehmerschutzgründen die Teilnichtigkeit des Vertrages im Hinblick auf die problematischen Teile anzunehmen (§ 139 BGB).

172

Arbeitsverträge können, wie andere Rechtsgeschäfte ebenfalls, angefochten werden soweit ein Anfechtungsgrund (§§ 119, 120, 123 BGB) besteht.

173

Anfechtungsgründe können sein:

 Inhaltsirrtum (§ 119 Abs. 1 1. Alt. BGB),

 Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1 2. Alt. BGB),

 Übermittlungsirrtum (§ 120 BGB),

 Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB),

 arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 1. Alt. BGB) und Drohung (§ 123 Abs. 1 2. Alt. BGB).

174

Im Kontext des Arbeitsvertrages kann die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung von besonderer Bedeutung sein. In Betracht kommen hier die Fälle, in denen der Bewerber um einen Arbeitsplatz über seine Qualifikationen täuscht. Eine Rolle kann diesbezüglich auch die wahrheitswidrige Beantwortung von Fragen des Arbeitgebers im Bewerbungsgespräch spielen.

175

Zu beachten ist dabei allerdings, dass es sich um zulässige Fragen handeln muss. Eine Täuschung berechtigt den Arbeitgeber nicht zur Anfechtung, wenn eine unzulässige Frage wahrheitswidrig beantwortet wurde.

Beispiele

Sind sie schwanger?

Beabsichtigen Sie in nächster Zeit zu heiraten und eine Familie zu gründen?

176

Eine Anfechtung wird hingegen möglich sein, wenn die Frage zulässig ist und auch in den Fällen, in denen nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Offenbarungspflicht des Bewerbers bestand:

Beispiele

Bei der Bewerbung eines Kraftfahrers muss nicht ausdrücklich gefragt werden, ob er einen Führerschein hat. Ist ihm etwa der Führerschein während der Fahrt zum Bewerbungsgespräch entzogen worden, so muss er dies offenbaren. Tut er dies nicht, begeht er eine arglistige Täuschung durch Unterlassen.

Ein sich für eine Tätigkeit im Operationssaal eines Krankenhauses bewerbender Mediziner verschweigt seine HIV-Erkrankung.

177

Erklärt nach § 143 BGB der Anfechtungsberechtigte die Anfechtung unverzüglich gem. § 121 BGB in den Fällen der §§ 119 und 120 BGB, ist das Rechtsgeschäft als Rechtsfolge als von Anfang an nichtig anzusehen.

178

Liegt eine arglistige Täuschung bzw. eine widerrechtliche Drohung nach § 123 BGB vor, muss gem. § 124 Abs. 1 BGB die Anfechtung binnen Jahresfrist erklärt werden, damit die Nichtigkeit eintritt (§ 142 Abs. 1 BGB).

179

Der Grundsatz der Nichtigkeit von Anfang an ist im Arbeitsrecht aber insoweit eingeschränkt, als dass er in den Fällen, in denen das Arbeitsverhältnis bereits in Vollzug gesetzt wurde, nicht greift. Die bereits erbrachte Arbeitsleistung kann nicht rückabgewickelt werden. In solchen Fällen wird das Arbeitsverhältnis mit Wirkung für die Zukunft (nicht für die Vergangenheit) aufgelöst.

Achtung

Mit der wirksamen Anfechtung wird das Arbeitsverhältnis beendet, ohne dass es auf Fragen des Kündigungsschutzes ankommt. Die Anfechtung ist der Kündigung nicht gleich zu setzen. Dabei ist es jedoch möglich, im Kontext desselben Sachverhaltes eine Anfechtung auszusprechen und vorsorglich zu kündigen.

c)Inhaltskontrolle bei Standardarbeitsverträgen: Allgemeine Geschäftsbedingungen

180

Die im öffentlichen Dienst verwendeten Standardmusterarbeitsverträge unterliegen der Inhaltskontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 BGB). Daher sind nach § 305c BGB überraschende und mehrdeutige Klauseln nicht Vertragsbestandteil. Aufgrund der geltungserhaltenden Reduktion bleiben die übrigen Vertragsbestandteile jedoch grds. wirksam.

Beispiel: Überraschende Klausel

In einem Arbeitsvertrag sind unter Punkt 5 mit der Überschrift „Erholungsurlaub“ Haftungsklauseln enthalten.

181

Nach § 307 BGB findet darüber hinaus eine Inhaltskontrolle dahingehend statt, dass die einzelnen Vertragsbedingungen nicht zu einer unangemessenen Benachteiligung führen dürfen. Einzelfälle schließen sich mit und ohne Wertungsmöglichkeit in §§ 308 und 309 BGB an.

182

Haben die Vertragspartner allerdings eine von dem Mustervertrag abweichende Individualabrede i.S.v. § 305b BGB getroffen, so hat diese Vorrang.

Beispiel

Die Parteien vereinbaren eine von § 6 TVöD abweichende Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich.

d)Förmliche Verpflichtung

183

In Verbindung mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages wird der Beschäftigte nach dem Gesetz über die förmliche Verpflichtung nichtbeamteter Personen – Verpflichtungsgesetz – zu bestimmten Verhaltensweisen verpflichtet. Die Folgewirkung der Verpflichtung besteht in der strafrechtlichen Gleichstellung der Arbeitnehmer mit beamteten Personen und betrifft die sogenannten Amtsdelikte des Strafgesetzbuches (StGB).

Beispiele

 § 201 Abs. 3 StGB Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes,

 § 203 Abs. 2, 4, 5 StGB Verletzung von Privatgeheimnissen,

 § 331 StGB Vorteilsnahme, § 332 StGB Bestechlichkeit,

 § 353 b StGB Verletzung des Dienstgeheimnisses und seiner besonderen Geheimhaltungspflicht

e)Mehrere Arbeitsverhältnisse mit demselben Arbeitgeber

184

Nach § 2 Abs. 2 TVöD/TV-L dürfen mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber nur begründet werden, wenn die jeweils übertragenen Tätigkeiten nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Anderenfalls gelten sie als ein Arbeitsverhältnis.

185

Dieser Regelung liegt der Gedanke zugrunde, Arbeitsverträge mit geringfügig Beschäftigten i.S.d. § 8 SGB IV, die vom Anwendungsbereich des TVöD/TV-L ausgenommen sind, zu beschränken.

186

Werden demnach formal mehrere Arbeitsverhältnisse zu demselben Arbeitgeber begründet, gelten sie als ein Arbeitsverhältnis, wenn sie in einem unmittelbaren Sachzusammenhang zueinander stehen. Ein solcher Fall liegt z.B. vor, wenn eine Schreibkraft zwei Teilzeitbeschäftigungen mit demselben Arbeitgeber (Bund) bei unterschiedlichen Dienststellen abschließen würde. Zwei Arbeitsverhältnisse liegen hingegen vor, wenn beide Arbeitsverhältnisse unterschiedliche Inhalte im Verhältnis zueinander hätten. Das wäre der Fall, wenn eine der beiden Beschäftigungen Tätigkeiten einer Schreibkraft beinhalten, während die zweite Teilzeitbeschäftigung bspw. als Küchenhilfskraft ausgeführt würde. In diesem Fall lägen i.S.d. § 2 Abs. 2 TVöD/TV-L voneinander unabhängige Arbeitsverhältnisse mit unterschiedlichen Inhalten vor. Folglich würde jedes anspruchsrechtlich für sich behandelt.

3.Nebenabreden

187

Anders als im Fall des Arbeitsvertrages erfordern etwaig beabsichtigte Nebenabreden die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung.

188

Diesbezüglich sieht § 2 Abs. 3 S. 1 TVöD ausdrücklich vor, dass Nebenabreden nur wirksam sind, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Aus dem Wortlaut ergibt sich die konstitutive Wirkung dieser Tarifnorm. Daher bedarf es zur Rechtswirksamkeit von Nebenabreden der Schriftform. Mangelt es hieran, sind diese gem. § 125 S. 1 BGB nichtig. Denn bei der tarifvertraglich festgelegten Schriftform handelt es sich um eine nach § 126 Abs. 1 BGB durch Gesetz vorgeschriebene Form. Nur mündlich gegebene Zusagen können zwar durchaus eingehalten werden, ein Anspruch auf Erfüllung ergibt sich hieraus jedoch nicht. Nebenabreden können hierbei sowohl zugunsten des Arbeitnehmers als auch zugunsten des Arbeitgebers sein. Das Motiv hierfür ergibt sich aus dem jeweiligen Einzelfall. Aus der Vereinbarung etwaiger Nebenabreden können dem Beschäftigten besondere zusätzliche Verpflichtungen und Vergünstigungen auferlegt bzw. zugestanden werden.

189

Um Nebenabreden i.S.d. § 2 Abs. 3 TVöD handelt es sich jedoch nur in den Fällen, in denen die tarifvertragliche Regelung den Inhalt der getroffenen Absprache nicht ohnehin schon in ihren Inhaltsbereich, wenn auch nicht unmittelbar wörtlich, einbezieht. Vor der Vereinbarung von Nebenabreden ist daher zunächst zu prüfen, ob sich aus den allgemeinen bzw. tarifvertraglich vereinbarten Pflichten/Rechten nicht bereits die angestrebte Regelung ableiten lässt. Es folgt also eine Negativprüfung, wonach nur Sachverhalte, die nicht zu den beiderseitigen Hauptpflichten gehören, Gegenstand einer Nebenabrede sein können.

Achtung

Was dem Tarifvertrag zu entnehmen ist, kann nicht Inhalt einer Nebenabrede sein. Es gilt ohnehin, schon nur deswegen, weil der TVöD über den Arbeitsvertrag zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses gemacht wurde.

190

Nebenabreden dürfen nicht gegen unabdingbare gesetzliche bzw. tarifvertragliche Normen verstoßen. Demnach können sie nur dort vereinbart werden, wo Handlungsspielraum besteht oder eine entsprechende Öffnungsklausel individuelle Vereinbarungen zulässt. Darüber hinaus können sie aber auch auf Verbesserungen gegenüber gesetzlichen bzw. tarifvertraglichen Normen ausgerichtet sein (Günstigkeitsprinzip).

Beispiele

 Verzicht auf Probezeit (§ 2 Abs. 4 S. 1 TVöD/TV-L),

 Einordnung in die Stufen nach § 16 Abs. 3 TVöD-Bund, sofern es um die Anerkennung von Tätigkeiten bei anderen Arbeitgebern geht,

 Gewährung außertariflicher Leistungen,

 Vereinbarung einer individuell gewünschten von der dienstplanmäßig vorgegebenen Vereinbarung abweichende individuelle Arbeitszeitgestaltung.

4.Probezeit

191

Für die Probezeit gelten zunächst die arbeitsrechtlichen Grundsätze und hier insbesondere § 622 Abs. 3 BGB, der die Kündigungsfrist in der Probezeit zum Gegenstand hat. Geht es um die Beschäftigung im öffentlichen Dienst, so ist darüber hinausgehend § 2 Abs. 4 TVöD einschlägig.

a)Allgemeines

192

Sinn der Probezeit gem. § 2 Abs. 4 TVöD ist es zum einen, dem Arbeitgeber die Möglichkeit an die Hand zu geben, zu überprüfen, ob der Arbeitnehmer für die Tätigkeit geeignet ist, und zum anderen, den neu eingestellten Beschäftigten mit seinem Arbeitsgebiet und den Verhältnissen in der Dienststelle allgemein vertraut zu machen. Er soll sich während dieser Zeit hinreichend Kenntnisse über die Gesamtbelange seines Arbeitsplatzes einschließlich dessen Umfeldes verschaffen und den Nachweis über seine persönliche Eignung im Sinne der vom Arbeitgeber mit der Einstellung des ausgewählten Bewerbers verfolgten Absichten erbringen.

193

Neben dem aus den Bewerbungsunterlagen sowie der persönlichen Vorstellung im Rahmen des Einstellungsverfahrens gewonnenen Eindruck, stellt die Probezeit für den Arbeitgeber praktisch ein weiteres „Mosaiksteinchen" zur Erlangung eines hinreichend abgerundeten Bildes über den neu gewonnenen Arbeitnehmer dar. Das gilt sowohl hinsichtlich seiner arbeitsbezogenen Kenntnisse und Fertigkeiten, als auch persönlicher Eigenschaften und ggfs. Eigenheiten. Sicherlich wird man erst im Laufe einer längeren als der relativ kurz bemessenen Probezeit ein im Wesentlichen vollständiges Bild über den neuen Mitarbeiter gewinnen können. Sind jedoch bereits während der Probezeit Defizite des Arbeitnehmers erkennbar, soll der Arbeitgeber sich schnell und leicht vom Arbeitnehmer trennen können.