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Salvator

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XXI

Wie Herr Conrad von Valgeneuse erkannte, sein wahrer Beruf sei, Commissionär zu sein

Salvator unterbrach sich.



»Verzeihen Sie!« sagte er zu seinem Vetter, »Sie werden mich vielleicht ein wenig weitschweifig finden; doch ich dachte, mein Leben sei ein so wichtiges Ereigniß in Ihrer Existenz, daß Sie jede Einzelheit dieses äußersten Augenblicks interessieren müsse.«



»Und Sie haben Recht, mein Herr,« erwiderte Lorédan, ernst geworden. »Fahren Sie fort; ich höre Sie.«



»Die Stimme des Predigers gelangte zu mir, ehe ich seine Person sah; diese Stimme vibrirte, bald sanft, – immer eindringend. Einige Minuten hörte ich nichts Anderes, als Töne, ein musikalisches Geräusch, ein süße, harmonische Melodie; ich war schon soweit in der zukünftigen Welt, daß die Stimme dieser Welt, die ich als die Vergangenheit betrachtete, einige Zeit brauchte, um zu mir zu kommen. Bei den ersten Worten, die ich hörte, und von denen ich mir Rechenschaft gab, erkannte ich, der Priester predigte, nicht gegen den Selbstmord, sondern über den Selbstmord, – der Text war von sehr hoch genommen aus dem socialen Gesichtspunkte, – über die Pflichten des Menschen gegen seines Gleichen, über die Leere, – ich finde kein Wort und werde eins machen, über die

unausfüllbare

 Leere, die in seinem Thätigkeitskreise der Mensch zurückläßt, der vor dem von der Vorsehung bezeichneten Augenblicke stirbt. Er führte den Vers von Shakespeare an, wo Hamlet gegen den Selbstmord reagiert, der ihn bedrängt, zum Grabe hintreibt:



»Es fällt kein Sperling ohne Gottes Befehl.«

»Er griff an und stürzte nieder, eins nach dem andern, wie es ein geduldiger Sturmbock mit einer ersten, dann mit einer zweiten, dann mit einer dritten Mauer thut, – er griff an und stürzte nieder alle Motive, die den Menschen zum Selbstmorde hinziehen: den getäuschten Ehrgeiz, die verrathene Liebe, das verlorene Vermögen. Er erinnerte an die Glaubensjahrhunderte, vom 14. bis zum 18.; er suchte darin vergebens den Selbstmord, er fand ihn nicht. Der Selbstmord fing seiner Ansicht nach da an, wo die Kasten aufgehört hatten. Der getäuschte, der betrogene Mensch, der zu Grunde gerichtete Mensch, kurz der durch einen großen Schmerz gebrochene Mensch, dieser Mensch wurde Mönch; das war ein Mittel, sich zu erschießen, ein moralischer Selbstmord, wenn nicht ein physischer: er begrub sich in diesem großen gemeinschaftlichen Grabe, was man ein Kloster nannte; er betete und zuweilen ward er getröstet. Heut zu Tage bestand von Allem dem nichts mehr, da die Klöster aufgehoben, geschlossen, die Convente selten waren, und das Gebet zum Himmel aufgestiegen. – Es blieb die Arbeit: arbeiten, das war beten! Es lag eine ganze Offenbarung in diesen Worten; ich schlug die Augen zu demjenigen auf, welcher sie aussprach.



»Es war ein schöner Mönch von kaum fünfundzwanzig Jahren; ein Dominikaner, bleich, mager, mit großen schwarzen Augen, herrlichen Augen! – Er verband die zwei Mittel, die er bezeichnet hatte: das Gebet und die Arbeit; man fühlte, dieser Mann bete unablässig, arbeite immer.



»Ich schaute umher und fragte mich, welche Arbeit ich verrichten könne. Rousseau läßt seinen Emile das Schreinerhandwerk lehren; mich hatte man unglücklicher Weise kein Handwerk gelehrt. – Ich sah einen Mann von ungefähr dreißig Jahren: er war bekleidet mit einer schwarzen Sammetjacke und hielt seine Mütze in der Hand; er hatte an seinem Kleide ein messingenes Plättchen. Ich erkannte einen Commissionär. Dieser Commissionär lehnte sich an einen, Pfeiler an und hörte aufmerksam dem Prediger zu; ich ging zu ihm und lehnte mich an denselben Pfeiler. Ich war entschlossen, ihn nicht aus dem Gesichte zu verlieren, denn ich hatte Fragen an ihn zu machen. – Ich hörte die Predigt bis zu Ende; doch ehe sie beendigt, war ich schon entschieden, zu leben. Der Prediger stieg von der Kanzel herab und ging an mir vorüber.



»»Wie heißen Sie, mein Vater?«« fragte ich.



»»Vor den Menschen oder vor Gott?««



»»Vor Gott.«



»»Bruder Dominique.««



»Und er ging weiter . . . Die Menge verlief sich. Ich folgte dem Commissionär; an der Ecke der Rue Saint-Roch hielt ich ihn an.



»»Verzeihen Sie, mein Freund,«« sagte ich zu ihm.



Er wandte sich um. »»Der Herr bedarf meiner?««



»»Ja, ich bedarf Ihrer,«« antwortete ich lächelnd.



»»Muß ich den Haken nehmen, oder ist es ein einfacher Gang?««



»»Es ist eine Auskunft.««



»»Ah! ich verstehe: der Herr ist fremd.««



»»Dem Leben, ja.««



»Er schaute mich mit Erstaunen an.



»»Ihr Gewerbe ist ein gutes Gewerbe?«« fragte ich ihn.



»»Ei! je nachdem Sie es verstehen!««



»»Ich frage Sie, ob Sie es lieben.««



»»Da ich es übe!««



»»Erlauben Sie mir, Ihnen zu bemerken, daß dies nicht immer ein Grund ist.««



»»Was wünschen Sie denn zu wissen?««



»»Findet man dabei seinen Lebensunterhalt?««



»»Man verdient dabei Tausende und Hunderte; im Ganzen nährt es aber seinen Mann.««



»»Thun Sie mir den Gefallen, mich zu unterrichten.««



»»Befragen Sie mich und ich werde antworten.««



»»Gut oder schlecht, in mittlerer Summe, wie viel trägt der Tag ein?««



»»Man darf in den guten Quartieren auf fünf bis sechs Franken rechnen.««



»»Zweitausend Franken also.««



»»Ungefähr.««



»»Wie viel geben Sie davon aus?««



»»Etwa die Hälfte.««



»»Somit ersparen Sie jährlich?««



»»Ein Tausend – Franken – Billet.««



»»Was sind die Unannehmlichkeiten Ihres Standes?««



»»Ich kenne keine.««



»»Man ist frei?««



»»Wie die Luft.««



»»Mir schien, dem Publikum gehörend . . . ««



»»Dem Publikum? Ei! mein Gott! wer gehört nicht dem Publikum? König Carl X. zu allererst, gehört er nicht dem Publikum? Ich bin, bei meiner Treue, freier als er!««



»»Wie so?««



»»Ein Afstrag dünkt mir zweideutig, ich schlage ihn aus; eine Last scheint mir zu schwer, ich schüttle den Kopf. Das Ganze besteht darin, daß man sich bekanntmacht, und ist man bekannt, so wählt man.««



»»Treiben Sie Ihr Gewerbe schon lange?««



»»Zehn Jahre.««



»»Und in zehn Jahren haben Sie nicht bedauert, daß Sie nicht ein anderes Gewerbe treiben?««



»»Nie.««



»Ich überlegte einen Augenblick.



»»Ist das Alles?«« fragte mich mein Mann.



»»Eine letzte Auskunft.««



»»Reden Sie.««



»»Welches Mittel muß man anwenden, wenn man Commissionär werden will?««



»Der Commissionär schaute mich fragend an.



»»Sollten Sie zufällig Commissionär werden wollen?««



»»Vielleicht.««



»»Oh! das ist nicht schwierig, und man braucht hierzu keine großen Protectionen.««



»»Nun?««



»»Ei! man geht aus die Polizei – Präfectur mit zwei Zeugen, die sich für Ihren sittlichen Charakter verbürgen, und man verlangt eine Nummer.««



»»Und das kostet?««



»»Die Mühe, sie zu verlangen.««



»»Ich danke, mein Freund.««



»Ich zog aus meiner Tasche ein Fünf-Franken-Stück und bot es ihm an.



»»Was ist das?«« sagte er zu mir.



»»Das ist der Lohn für die Mühe, die ich Ihnen gemacht habe.««



»»Das war keine Mühe, sondern ein Vergnügen; und man läßt sich ein Vergnügen nicht bezahlen.««



»»Also einen Händedruck und einen Dank.««



»»Das ist etwas Anderes.««



»Und er reichte mir seine plumpe Hand, die ich herzlich drückte.



»»Ah! bei Gott!«« sagte ich zu mir selbst, während ich mich entfernte, »»das ist seltsam: mir scheint, es ist das erste Mal, daß ich einem Menschen die Hand drücke!««



»Und ich schlug wieder den Weg nach meiner Mansarde ein.




XXII

Der Selbstmord

»Sobald ich mich nicht tödtete, hatte ich eine ganz andere Arbeit zu verrichten, als wenn ich mich getödtet hätte! Ich hatte vor Allem zu Mittag zu speisen, was unnöthig gewesen wäre, hätte ich bei meinem Plane beharrt; sodann hatte ich einen vollständigen Commissionärsanzug zu kaufen; endlich hatte ich mir ein

Subject

 zu verschaffen, wie man mit dem Amphitheaterausdruck sagt, ein Subject, das ich für mich ausgeben könnte . . . Tödtete ich mich nicht, so sollte man mich wenigstens für todt halten.



Ich hatte ein wenig Medicin studiert, und Anatomie in mehreren Hospitälern getrieben. Ich kannte die Amphitheaterdiener. Das Ganze war, daß ich mir einen jungen Mann ungefähr von meinem Alter verschaffte, ihn in mein Bett legte und durch einen Pistolenschuß entstellte; hier bot sich aber eine ernste Schwierigkeit: der Todtenarzt bemerkte leicht, der Pistolenschuß sei auf einen Leichnam gefeuert worden. – Ich ging nach dem Hotel-Dieu; ich hatte dem Amphitheaterdiener einen großen Dienst geleistet, indem ich seinen Bruder von der Conscription frei gemacht; dieser Mensch hätte sein Leben für mich gegeben; der Bruder war Fiacrekutscher, und er hegte auch eine tiefe Dankbarkeit für mich. Ich ließ den Amphitheaterdiener rufen.



»»Louis,«« sagte ich zu ihm, »»geschieht es selten, daß man hierher Leute bringt, die sich erschossen haben?««



»»Ei! Herr Conrad,«« erwiderte er, »»drei bis vier im Monat, nicht mehr.««



»»Es mag kosten, was es will, hörst Du wohl, Louis? ich muß den Ersten haben, der hereinkommt.««



»»Es mag kosten, was es will, Sie sollen ihn haben, Herr, und müßte ich darüber meinen Platz verlieren!««



»»Ich danke Dir, Louis.««



»»Und wo brauchen Sie ihn.««



»»Bei mir, im Faubourg Poissonnière 27, im vierten Stocke.««



»»Ich werde mich hierüber mit meinem Bruder verständigen.««



»»Ich kann auf Dich zählen, Louis?««



»»Da ich es Ihnen sage,«« erwiderte er, die Achseln zuckend. »»Nun, wenn es Nacht geworden ist, gehen Sie nicht mehr aus.««



»»Seien Sie unbesorgt, von diesem Abend an bleibe ich zu Hause.««



»Ich befürchtete, meine dreißig Franken dürften mich nicht weit führen. Ich wäre vielleicht Hungers gestorben, ehe es einem Unglücklichen einfiele, sich zu erschießen.

 



»Nach Hause zurückkehrend, trat ich bei einem Trödler ein, und ich fand eine Hose, eine Jacke und eine Weste von Sammt für fünfzehn Franken; ich kaufte diese Kleidungsstücke, ließ ein Päckchen daraus machen, und nahm es unter meinem Arme mit. Jagdschuhe und eine alte Jagdmütze sollten das Custume vervollständigen. Es blieben fünfzehn Franken; verzehrte ich sie vernünftig, so konnte ich fünf bis sechs Tage davon leben . . . Alles war indessen für den entscheidenden Augenblick bereit: der Brief, der meinen Tod verkündigte, war geschrieben und unterzeichnet.



»In der Nacht des dritten oder vierten Tags gab man das verabredete Signal, indem man einen Stein in mein Fenster warf, das auf die Straße ging. Ich eilte hinab und öffnete die Thüre: ein Fiacre hielt vor dem Hause; in diesem Fiacre war ein Leichnam, Louis und ich brachten ihn in mein Zimmer und legten ihn auf mein Bett; ich zog ihm eines von meinen Hemden an. Es war der Leichnam eines jungen Mannes; sein Gesicht war von einer so furchtbaren Wunde zerrissen, daß man seine Züge unmöglich erkennen konnte. Der Zufall, dieser erschreckliche Bundesgenoß, hatte mich vortrefflich bedient.



»Ich zog den Pfropf aus einem der Läuse meiner Pistole, ich brannte ihn aus, damit er das Ansehen bekäme, als hätte er gefeuert, und gab die Pistole dem Todten in die Hand. In den Zeilen, die ich hinterließ, war ich besorgt gewesen, zu sagen, die Pistole gehöre Lepage: Lepage sollte die Identität des Leichnams constatiren helfen durch die Erklärung, Herr Conrad von Valgeneuse habe die Waffe ein paar Tage vorher von ihm entlehnt.



»Ich ließ meine Kleider auf einem Stuhle, da ich so vorsichtig gewesen war, mich auszukleiden, ehe ich mich erschossen; alsdann, nachdem ich mein Commissionärs-Costume angezogen und die Thüre doppelt geschlossen hatte, ging ich mit Louis hinab . . . Ich ließ den Schlüssel mitten aus die Straße fallen, als ob ich ihn, nachdem ich mich eingeschlossen, zum Fenster hinausgeworfen hätte; die durch den Stein von Louis zerbrochene Scheibe sollte dazu dienen, diesen Glauben zu vervollständigen. Ich hatte einen Schlüssel von der Hausthüre: wir gingen hinaus, ohne vom Concierge gesehen oder gehört worden zu sein . . . Am andern Morgen um neun Uhr erschien ich aus der Polizei mit meinen zwei Bürgen Louis und seinem Bruder, und man übergab mir meine Medaille unter dem Namen Salvator . . . Seit diesem Tage, mein lieber Vetter, treibe ich das Gewerbe eines Commissionärs, an der Ecke der Rue aux Fers, bei der Schenke zur Goldenen Muschel.«



»Ich mache Ihnen mein Compliment hierzu, mein Herr,« erwiderte Lorédan; »doch ich sehe in alle dem weder die Auskunft, die Sie mir über das Testament des Marquis geben sollten, noch wie Sie mir die fünfhundert Franken wieder erstatten werden, die ich sehr unnöthig Herrn Jackal gegeben habe, um Sie beerdigen zu lassen.«



»Warten Sie doch, mein lieber Vetter,« fuhr Salvator fort. »Was Teufels! Sie halten mich nicht für verrückt genug, um Ihnen nur so das Geheimniß meiner Existenz preiszugeben, wenn ich Ihrer Discretion nicht sicher war.«



»Es scheint also, Sie gedenken mich bis zum Tage des jüngsten Gerichts zu bewachen oder von Ihren Leuten bewachen zu lassen?«



»Ah! Herr Graf, Sie irren sich ganz und gar, und dies ist nicht meine Absicht. Morgen früh um fünf Uhr werden Sie frei sein.«



»Und Sie wissen, was ich schon Ihren Begleitern gesagt habe: eine Stunde, nachdem ich wieder in Freiheit gesetzt wäre, würden Sie angezeigt und verhaftet.«



»Ja, das hätte sogar beinahe eine schlimme Wendung für Sie genommen! Wäre ich nicht auf der Thürschwelle gewesen, so liefen Sie Gefahr, nie mehr einen Menschen anzuzeigen und verhaften zu lassen; was übrigens ein ziemlich schlechtes Handwerk ist, mein lieber Vetter. Ich stehe Ihnen auch zum Voraus dafür, Sie werden überlegen, und haben Sie überlegt, nun wohl, so werden Sie diesen armen Salvator in Ruhe lassen an seinem Weichsteine der Rue aux Fers, damit er Sie in Ihrem Hotel der Rue du Bac in Ruhe läßt.«



»Kann man, da Sie jetzt im Zuge sind, vertrauliche Geständnisse zu machen, erfahren, welches Mittel Sie hätten, mich dort zu beunruhigen?«



»Ich will Ihnen das erzählen. Da es das Interessanteste meiner Erzählung ist, so habe ich es auf das Ende aufbewahrt.«



»Ich höre Sie.«



»Oh! diesmal bin ich Ihrer Aufmerksamkeit sicher! Fangen wir mit einer Moral an: ich habe immer bemerkt, mein lieber Vetter, es bringe Glück, das Gute zu thun.«



»Sie wollen sagen, mit einer Trivialität?«



»Trivialität, Moral, Sie werden das sogleich schätzen . . . Gestern nun, mein lieber Vetter, faßte ich den Entschluß, das Gute zu thun, und Ihnen Mina zu entführen, was ich zu meiner großen Freude glücklich vollbracht habe.«



Ein Lächeln unversöhnlichen Hasses und tiefer Rache trat aus die Lippen von Valgeneuse.



»Gestern nun,« fuhr Salvator fort, »als ich auf die Post ging, um die Pferde zu bestellen, mit denen die zwei lieben Kinder abgereist sind, kam ich am Hotel der öffentlichen Verkäufe, ich glaube in der Rue des Jeuneurs, vorüber; man lud im Hofe die Meubles, welche im Aufstreiche verkauft werden sollten . . . «



»Aber was des Teufels erzählen Sie mir denn da, Herr Salvator,« sagte Lorédan, »und welches Interesse soll ich an den Meubles nehmen, die man in der Rue des Jeuneurs ablud?«



»Hätten Sie nur die Geduld, eine halbe Minute zu warten, mein lieber Vetter, so würden Sie mir nicht etwas Unfreundliches gesagt haben, und Sie hätten, dessen bin ich sicher, einen Anfang von Interesse entstehen gefühlt.«



»Weiter also!« rief Lorédan, indem er nachlässig sein rechtes Bein über seinem linken Beine kreuzte.



»Nun wohl, eines von diesen Meubles machte, daß ich einen Schrei der Ueberraschung ausstieß. . . . Errathen Sie, was ich mitten unter all dem Trödel erkannt hatte?«



»Wie Teufels soll ich das errathen?«



»Sie haben Recht, das ist unmöglich . . . Nun wohl, ich erkannte den kleinen Schrank von Rosenholz, der meinem Vater gehört hatte, und den mein Vater so sehr liebte, weil er ihn von seiner Mutter hatte, welche ihn, wie ich Ihnen gesagt zu haben glaube, von ihrer Großmutter bekommen.«



»Ah! ich wünsche Ihnen Glück! Ich sehe die Sache von hier aus: Sie haben um fünfzig Franken den kleinen Schrank von Rosenholz gekauft, und zu dieser Stunde bildet er die Zierde des Salon von Herrn Salvator.«



»Um sechzig, mein lieber Vetter; ich habe ihn um sechzig gekauft; und, offenherzig gesprochen, er war es wohl werth!«



»Wegen der Erinnerungen, die er bei Ihnen zurückrief?«



»Einmal . . . sodann wegen der Papiere, die er enthielt.«



»Ah! er enthielt Papiere?«



»Ja, und zwar sehr kostbare!«



»Und diese Papiere waren sorgfältig vor den verschiedenen Liebhabern, durch deren Hände der kleine Schrank gegangen, aufbewahrt worden? . . . Wahrhaftig, mein lieber Salvator, der Himmel thut Wunder für Sie!«



»Ja, mein Herr,« sprach Salvator ernst, »und ich danke dem Himmel in aller Demuth.«



Alsdann seinen gewöhnlichen Ton wieder annehmend:



»Obschon das Wunder weniger groß ist, als es von Anfang scheint: wie Sie selbst beurtheilen werden.«



»Ich höre.«



»Ich sehe es wohl . . . Ich trug also das Meuble nach Hause.«



»Sie trugen es?«



»Oh! mein Gott, ja, auf meiner Hake . . . bin ich nicht Commissionär?« sagte Salvator mit einem Lächeln.



»Das ist wahr,« erwiderte Lorédan, indem er sich auf die Lippen biß.



»Nun wohl, sobald der Schrank bei mir war, – dieser Schrank, den ich sosehr liebte! – Sie begreifen, da erfaßte mich die Lust, ihn in seinen Einzelheiten zu untersuchen. Ich öffnete die Schubladen eine nach der andern, ich ließ alle Schlösser spielen, sondierte alle Tiefen; während ich nun diese letzte Arbeit vornahm, bemerkte ich, daß die mittlere Schublade, diejenige, welche als Kasse diente, einen doppelten Boden hatte.«



Die Augen von Lorédan waren auf Salvator wie zwei Karfunkel geheftet.



»Nicht wahr, das ist interessant?« fuhr Salvator fort. »Nun, ich will Sie nicht schmachten lassen. Dieser doppelte Boden war verborgen: ich errieth das Geheimniß und öffnete ihn.«



»Und was war darin?«



»Ein Papier, ein einziges.«



»Und dieses Papier war?«



»Das, welches wir so lange gesucht haben, mein lieber Vetter!«



»Das Testament?« rief Lorédan.



»Das Testament!«



»Das Testament des Marquis?«



»Das Testament des Marquis, welches seinem Pathen Conrad die Gesammtheit seines beweglichen und unbeweglichen Vermögens unter der Bedingung vermacht, daß er den Titel, den Namen und das Wappen des Hauptes der Familie der Valgeneuse annimmt.«



»Hier ist es, mein Vetter,« sagte Salvator, indem er ein Papier aus seiner Tasche zog.



Durch eine unwillkürliche Bewegung streckte Lorédan rasch die Hand aus, um es zu nehmen.



»Oh! nein, mein lieber Vetter,« sprach Salvator, das Papier wieder an sich ziehend. »Diese Urkunde, Sie begreifen wohl, muß in den Händen von demjenigen b