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La San Felice

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»Wo er mit dem Chevalier San Felice in sehr gelehrter Weise das Erotica Biblion commentiert.«

»Was ist das das Erotica Biblion?«

»Ein sehr gelehrtes Buch über das Alterthum, welches der Graf Mirabeau während seiner Gefangenschaft im Castell If geschrieben.«

»Aber ein wie großer Gelehrter mein Sohn auch sein möge, so hat er doch noch nicht die Wünschelruthe des Zauberers Merlin entdeckt und kann nicht gleichzeitig in Calabrien und in der Favorita sein.«

»Dennoch aber ist es so.«

»Ach, mein lieber Cardinal, lassen Sie mich doch nicht lange schmachten, sondern geben Sie mir die Lösung des Räthels sogleich.«

»Der König will es.«

»Ihr Freund bittet Sie darum.«

»Wohlan, Sire, die Lösung des Räthels, welches aber, wohlverstanden, für Eure Majestät allein bestimmt ist –«

»Jawohl, für mich allein, das versteht sich.«

»Wohlan, die Lösung des Räthels ist, daß, wenn ich um eines großen Projektes willen eines Kronprinzen bedarf und der König in so hohem Grade sein eigener Feind ist, daß er ihn mir nicht geben will –«

»Nun, und?« fragte der König.

»Nun, dann fabricire ich mir selbst einen, antwortete der Cardinal.

»Ha!« rief der König, »das ist allerdings etwas Neues. Sie werden mir sagen, wie Sie dies anfangen, nicht wahr?«

»Sehr gern, Sire. Nur setzen Sie sich erst comfortabel, wie mein Freund Nelson sagt, in einen Sessel, denn die Geschichte ist ein ewig lang, das sage ich Ihnen im voraus, Sire!«

»Reden Sie, reden Sie, mein lieber Cardinal, sagte der König, indem er sich wirklich auf ein Sopha setzte und möglichst bequeme Stellung annahm. »Fürchten Sie nicht zu lange zu sprechen. Sie sprechen so gut, daß man niemals müde wird, Sie zu hören.«

Ruffo verneigte sich und begann seine Erzählung.

Fünftes Capitel.
Wie der Kronprinz gleichzeitig in Sicilien und in Calabrien sein konnte

»Sire,« begann Ruffo, »Sie erinnern sich wohl noch Ihrer königlichen Hoheiten der Damen Victorie und Adelaide, der Töchter Seiner Majestät des Königs Ludwig des Fünfzehnten?«

»Ja wohl, ganz genau. Die armen alten Prinzessinnen! In dem Augenblicke, wo die Neapel verließen, schickte ich ihnen noch zehn- oder zwölftausend Ducaten ließ und ihnen sagen, sie sollten sich in Manfredonia nach Triest einschiffen, oder wenn ihnen dies lieber wäre, uns hierher nach Palermo nachkommen.«

»Eure Majestät erinnert sich dann ohne Zweifel auch der sieben Leibgardisten, welche diese Damen bei sich hatten, und von welchen der eine, Herr von Bocchecian von dem Herrn Grafen von Narbonne ganz speziell empfohlen war?«

»Alles dessen entsinne ich mich noch recht wohl.«

»Der eine dieser Herren – ganz gewiß entsinnen Sie sich auch noch dieses Umstandes, Sire – hatte eine wunderbare Aehnlichkeit mit Seiner königlichen Hoheit dem Kronprinzen.«

»Ja wohl, und zwar in so hohem Grade, daß ich, als ich ihn das erste Mal sah, selbst dadurch getäuscht ward.«

»Wohlan, Sire, unter den Umständen, in welchen wir uns befanden, kam ich auf den Einfall, dieses Phänomen nützlich zu verwenden.«

Der König betrachtete Ruffo wie ein Mensch, der noch nicht weiß, was er hören wird, der aber zu dem Erzähler so großes Vertrauen besitzt, daß er schon bewundert.

Ruffo fuhr fort:

»Im Augenblicke der Abreise rief ich Cesare zu mir, und da ich zweifelte, daß der Prinz von Calabrien sich jemals dazu verstehen würde, in dem Kriege, welcher sich vorbereitet, eine Rolle zu spielen, so sagte ich zu Cesare, auf dessen Tapferkeit ich rechnen konnte, weil er ein Corse ist, ohne ihm mein Project mitzutheilen, daß ganz gewiß nicht zufällig und ohne große Absichten die Natur ihm eine so außerordentliche Aehnlichkeit mit dem Kronprinzen verliehen hätte.«

»Und was antwortete er?«, fragte der König.

»Ich muß ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu sagen, daß er keinen Augenblick zögerte. »Ich bin,« sagte er, »nur ein Atom in dem Drama, welches sich jetzt abspielt; mein Leben aber und das meiner Cameraden stehen dem König zu Diensten. Was soll ich thun?« – »Nichts,« antwortete ich. »Sie brauchen blos thun zulassen.« – »Aber haben wir irgend einen Plan, dem wir folgen müssen?« – »Sie werden die königlichen Hoheiten nach Manfredonia begleiten. Sobald dieselben dort eingeschifft sind, folgen Sie der östlichen Küste Calabriens bis nach Brindisi. Wenn Ihnen auf diesem Wege nichts begegnet ist, so nehmen Sie in Brindisi ein Boot, eine Barke oder eine Tartane und setzen nach Sicilien über. Ist Ihnen dagegen etwas Außerordentliches und Unerwartetes vorgekommen, so benutzen Sie die Umstände als Mann von Geist und Muth. Ihr Glück und das Ihrer Cameraden, ein Glück, welches Sie selbst in Ihren ehrgeizigsten Träumen niemals erwartet haben – liegt in Ihren Händen!«

»Dann hatten Sie also einen Plan mit diesen Leuten?«

»Jawohl, versteht sich.«

»Aber warum, da Sie den Muth derselben kannten, warum unterrichteten Sie sie nicht von diesem Plan?«

»Weil sie ihrer Sieben waren und Einer davon mich verrathen konnte. Wer kann dafür stehen, daß unter sieben Menschen nicht ein Verräther sei?«

Der König stieß einen Seufzer aus.

»Mir aber,« sagte er dann, »brauchen Sie wohl diesen Plan nicht zu verhehlen?«

»Nein, und zwar um so weniger, antwortete Ruffo, »als derselbe gelungen ist, Sire?«

»Ich höre,« hob der König wieder an.

»Wohlan, Sire, unsere sieben jungen Leute folgten den ihnen erheilten Instructionen Punkt für Punkt. Nachdem die beiden Prinzessinnen sich eingeschifft, folgten sie der südlichen Küste von Calabrien, wo sie einer meiner Agenten erwartete, von welchem ich ebensowenig verrathen zu werden fürchtete, als von ihnen, denn er war ebenso wenig vollständig instruiert als sie selbst.«

»Sie wären geschaffen, um Premierminister, nicht eines kleinen Staates wie Neapel, sondern einer Großmacht wie Frankreich, England oder Rußland zu sein, mein lieber Ruffo. Fahren Sie fort, fahren Sie fort, ich höre Sie. Wer war denn dieser Agent und was war er beauftragt zu thun? Welch ein Meister in der Politik sind Sie doch, mein lieber Cardinal, und welch ein Unglück, daß Sie an mir keinen besseren Schüler haben!«

»Dieser Agent, welchen Eure Majestät vor einem Jahr ernannt haben, wohnt in Folge meiner Empfehlung in der Stadt Montejafi, welche von unseren Abenteurern auf ihrem Wege nothwendig berührt werden mußte. Ich schrieb ihm, daß Seine königliche Hoheit der Herzog von Calabrien, entschlossen, einen verzweifelten Streich zu versuchen, um das Königreich seines Vaters wieder zu erobern, sich soeben mit dem Herzog von Sachsen, seinem Connetable, und Oberstallmeister, nach Calabrien eingeschifft habe und daß ich ihn bäte, als treuer Unterthan die Sicherheit beider in dem Falle zu überwachen, wo er glaubte, ihr Project könne fehlschlagen, dagegen aber auch sie mit Allem, was in seiner Kraft stünde, für den Fall zu unterstützen, wo die mindeste Aussicht auf Gelingen vorhanden wäre. Zugleich forderte ich ihn auf, das Geheimniß dieser Expedition den Freunden mitzutheilen, deren er sicher wäre. Den Stahl und den Stein hatte ich und erwartete nun den Funken.

»Der Stein hieß Cesare, dies weiß ich schon, aber wie hieß der Stahl?«

»Buonafede Gironda, Sire.«

»Wir dürfen keinen dieser Namen vergessen, Eminentissime, denn ich weiß, wenn ich einmal zu strafen habe, so werde ich auch zu belohnen haben.«

»Was ich vorausgesehen hatte, geschah. Die sieben jungen Leute passierten die Stadt Montejafi, den Hauptort des Districtes unseres Intendanten. Sie stiegen in einer gewöhnlichen Herberge ab, auf deren Balcon sie, nachdem sie gespeist, heraustraten, um frische Luft zu schöpfen. Der Präfect war schon von ihrer Anwesenheit unterrichtet, und die Zahl sieben ließ in ihm sofort den Gedanken erwachen, daß die sieben Leute möglicherweise der Herzog von Calabrien, der Herzog von Sachsen, der Connetable Colonna, der Oberstallmeister Boccheciampe und deren Gefolge sein könnten. Andererseits hatte sich ein gerade entgegengesetztes Gerücht in der Stadt verbreitet. Man sagte nämlich, die sieben jungen Leute seien Agenten der Jakobiner, welche die Provinz demokratisieren wollten. Da nun die Provinz keineswegs demokratisch gesinnt war, so machten vier- bis fünfhundert Menschen, die sich bereits auf dem Marktplatze versammelt, Miene, unseren Reisenden übel mitzuspielen, als der Präfect Buonafede Gironda, das heißt mein Vertrauter, zur Stelle kam. Dieser hörte die umlaufenden Gerüchte an und antwortete darauf, ihm, der ersten Autorität dieses Bezirkes, käme es zunächst zu, die Identität der Leute festzustellen, welche den Hauptort seines Districtes passierten. Demzufolge werde er sich zu den Fremden begeben und sie befragen. Die Bewohner von Montejafi würden folglich binnen zehn Minuten erfahren, woran sie sich zu halten hätten. Die jungen Leute hatten den Balcon verlassen und die Fenster wieder geschlossen, denn sie bemerkten sehr wohl, daß etwas Unbekanntes gegen sie im Werke sei ein Sturm, der sehr bald losbrechen werde, als man ihnen den Besuch des Intendanten oder Präfekten meldete. Diese Meldung verdoppelte ihre Unruhe, anstatt dieselbe zu beschwichtigen. Wie es scheint, war unter allen schwierigen Umständen Cesare derjenige, welcher das Wort führte. Er schickte sich daher schon an, den Präfekten nach der Ursache der schlimmen Absichten der Bewohner von Montejafi zu fragen, als der Präfekt eintrat und sich ihm gegenüber sah.

»Bei Cesares Anblick fühlte Buonafede sich in allen Muthmaßungen bestärkt. Es war augenscheinlich, daß die sieben Reisenden die waren, welche ich ihm empfohlen, und daß er sich dem Kronprinzen gegenüber sah.

»Er rief daher auch sofort:

»Der Kronprinz! Se. Hoh. der Herzog von Calabrien!«

Cesare stutzte. Der unerwartete und unglaubliche Umstand, den ich ihm vorhergesagt und welchen ich ihn aufgefordert zu benutzen, war ohne Zweifel der, in welchem er sich jetzt befand. Dieses unverhoffte, unerhörte Glück, welches er nicht in seinen Träumen zu denken gewagt, kam ihm entgegen und er brauchte es blos am Schopfe zu fassen und festzuhalten.

 

»Er sah seine Cameraden an, suchte in ihrem Blicke ein Zeichen der Zustimmung und ließ, durch dieses Zeichen ermutigt, seine Antwort darin bestehen, daß er den Präfecten einen Schritt entgegentrat und ihm mit würdevoller Miene die Hand zum Kusse reichte.«

»Aber wissen Sie, Eminentissime, daß Ihr Cesare ein sehr kühner Mensch ist?« fragte der König.

»Warten Sie doch, Sire! Der Intendant verlangte, indem er sich emporrichtete, dem Herzoge von Sachsen, dem Connetable Colonna und dem Oberstallmeister Boccheciampe vorgestellt zu werden. Er selbst gab dem vermeinten Kronprinzen die Namen an, welche er seinen Begleitern beilegen sollte, so wie die Titel, die er ihnen zu geben hatte. Das Geheul und Geschrei der Volksmenge auf dem Platze ließ jedoch keine Zeit zu einer vollständigen Präsentation. Drei oder vier Steine zertrümmerten die Fensterscheiben und fielen zu den Füßen des Prinzen und des Präfekten nieder, welcher dies Fenster öffnete, Cesare bei der Hand nahm, ihn dem Volke zeigte, welches ganz verblüfft war, das gute Einvernehmen zu sehen, welches zwischen dem königlichen Intendanten und dem Abgesandten der Jakobiner herrschte. Mit einer Stimme, welche den Tumult übertäubte, rief der Präfekt: »Es lebe der König Ferdinand! Es lebe unser Kronprinz Franz!«

»Sie können sich, Sire, die Wirkung denken, welche diese Erscheinung und dieser Ruf auf die Menge ausübten. Mehrere Bewohner von Montejafi, welche in Neapel gewesen und dort den Herzog von Calabrien gesehen hatten, erkannten ihn, oder glaubten ihm zu erkennen. Ein unermeßlicher Ruf von: »Es lebe der König! Es lebe der Kronprinz!« antwortete dem Rufe des Präfecten.

»Cesare grüßte und verneigte sich mit fürstlichem Anstande. Mitten unter dem fortdauernden wüthenden Beifallsgeschrei riefen zwei oder drei Stimmen: »In die Kathedrale! in die Kathedrale!« Nichts erfreut das Volk mehr als ein Te Deum. Deshalb schrie auch die ganze Menge wie aus einem einzigen Munde: »In die Kathedrale! In die Kathedrale!« Zehn Boten eilten gleichzeitig fort, um dem Erzbischof zu melden, daß er sich bereithalten solle, ein Te Deum zu singen.

»Endlich begab unter einem unermeßlichen Zulaufe des Volkes der falsche Prinz, auf den Armen der Menge getragen und von dem allgemeinen Enthusiasmus begleitet, sich in die Kirche. Sie begreifen, Sire, daß, wenn auch noch einiges Mißtrauen bestanden hatte, dieses vollständig verschwand, sobald einmal das Te Deum gesungen war. Wer konnte an dem Kronprinzen zweifeln, wenn Gott selbst ihn anerkannt und gesegnet hatte?

»Eine so frohe Nachricht verbreitete sich mit Blitzesschnelle in der ganzen Umgegend. An allen Orten, wo sie hindrang, ernannte man Deputationen, welche am nächstfolgenden Tage nach Montejafi kamen, um dem vermeinten Prinzen ihre Huldigungen darzubringen. Cesare empfing sie mit einer gewohnten Würde, meldete ihnen, daß er im Namen des Königs käme, um das Königreich wieder zu erobern, und daß er dem Muthe und der Loyalität Derer vertraue, welche einst seine Unterthanen sein sollten.«

»Na,« sagte der König, »Alles dieses verräth einen durchaus nicht gewöhnlichen Menschen, und ich sehe, daß ich, indem ich ihm die Lieutenantsuniform angezogen, nicht zu viel für ihn gethan habe.«

»Warten Sie, Sire, entgegnete Ruffo, »denn das Beste kommt noch. Im Laufe des Tages verbreitete sich in Montejafi das Gerücht, daß die Prinzessinnen von Frankreich, welche sich nach Triest begeben wollten, von widrigen Winden zurückgetrieben, in dem Hafen von Brindisi eingelaufen seien. Nun galt es einen großen Schlag zu riskieren, welcher den ungläubigsten Zweiflern den Mund schließen müßte. Dieser Schlag bestand darin, daß man den Prinzessinnen einen Besuch machte, ihnen freimüthig die Situation anvertraute und sich von ihnen anerkennen ließe. Sicherlich waren sie dem Anführer ihrer Leibgarde zu sehr gewogen und den sicilischen Majestäten zu sehr ergeben, als daß sie auch nur einen Augenblick lang hätten zögern sollen, ihr Gewissen mit einer Lüge zu belasten, welche dem Interesse der Sache förderlich sein konnte.

»Da Cesare einmal so weit gegangen war, so beschloß er die Sache bis aufs Aeußerste zu treiben. Noch denselben Abend verließ man Brindisi, indem man erklärte, der Kronprinz wolle seinen erlauchten Cousinen, den Prinzessinnen von Frankreich, einen Besuch abstatten. Am nächstfolgenden Morgen war die ganze Stadt Brindisi von der Ankunft des Prinzen unterrichtet, und die Behörden fanden sich glückwünschend in dem Palast des Don Francesco Errico ein, welchem er die Ehre erzeigt hatte, bei ihm abzusteigen.

»Gegen Mittag, mitten unter einem unermeßlichen Volkszulauf, machten unsere sieben jungen Männer sich auf den Weg nach dem Hafen. Der vermeinte Kronprinz schritt voran und die Uebrigen erwiesen ihm alle Ehren, welche seinem Range gebührten. Die Prinzessinnen befanden sich an Bord ihrer Felucke und hatten nicht ans Land steigen wollen.

»Als sie ihre sieben Leibgardisten erblickten, gaben sie große Freude zu erkennen, und Cesare, welcher sie im Geheimen zu sprechen gewünscht, ging zu ihnen hinunter, während seine sechs Cameraden bei Herrn von Chatillon, ihrem alten Bekannten, auf dem Deck zurückblieben.

»Die alten Prinzessinnen hatten die Anwesenheit des Kronprinzen in Calabrien erfahren, aber sie waren weit entfernt zu ahnen, daß dieser Kronprinz niemand Anderer sei als ihr Cesare. Dieser erzählte ihnen die Ereignisse, so wie dieselben geschehen waren, und fragte sie dann, ob er den betretenen Weg weiter verfolgen solle oder nicht.

»Die Meinung der Prinzessinnen ging dahin, daß man den günstigen Zufall, welchen das Schicksal herbeigeführt, benutzen müsse, und auf die Bemerkung Cesares, der König würde es vielleicht übelnehmen, daß er sich für den Kronprinzen, und der Kronprinz, daß er sich für ihn ausgegeben, machten sie sich anheischig, die Sache mit dem König und dem Herzog von Calabrien zu arrangieren.

»Cesare verlangte nun, außer sich vor Freuden, von den alten Prinzessinnen einen Beweis von Achtung, welcher in den Augen des Publicums ihre Verwandtschaft bestätigen könnte. Die königlichen Hoheiten waren damit einverstanden, stiegen mit ihm auf das Deck hinauf, reichten ihm die Hand zum Kusse und gaben ihrem erlauchten Gast das Geleite bis an die Treppe ihrer Felucke. Hier hatte Cesare die Ehre, sie beide zu umarmen.«

»Aber wissen Sie, Eminentissime, Ihr Cesare ist der bravste der Braven!« sagte der König.

»Ja, Sire, und der Beweis davon ist, daß seine Cameraden, weil sie nicht wagten das Abenteuer weiter zu verfolgen, ihn und Boccheciampe verlassen und sich nach Corfu eingeschifft haben.«

»So daß –«

»So daß Cesare und Boccheciampe, das heißt der Prinz Franz und sein Oberstallmeister, sich mit drei- oder vierhundert Mann in Tarent befinden und die ganze Provinz Bari sich im Namen des Königs und des Kronprinzen erhoben hat.«

»Das sind ja herrliche Nachrichten, Eminentissime! Wäre es nicht möglich, Nutzen davon zu ziehen?«

»Jawohl, Sire, deßwegen bin ich ja eben hier.«

»Und Sie sind willkommen wie stets. Ein so großer Philosoph ich auch bin, so wäre es mir doch lieb, wenn ich die Franzosen wieder aus Neapel verjagen und auf dem Platze des Mercato Vecchio einige Patrioten hängenlassen könnte. Was müßte man thun, mein lieber Cardinal, um dazu zu gelangen? Hörst Du, Jupiter, wir werden Jakobiner hängen lassen – Ha, das wird lustig!«

»Sie wünschen zu wissen, Sire, was man thun müßte, um dazu zu gelangen?« fragte Ruffo.

»Ja, ich wünsche es zu wissen.«

»Wohlan, Sire, dann lassen Sie mich beenden, was ich begonnen habe. Weiter gibt es nichts zu thun.«

»Nun, so beenden Sie, Eminentissime; beenden Sie.«

»Aber allein, Sire.«

»Wieso allein?«

»Ja, das heißt ohne Mitwirkung eines Mack, eines Pallavicini, eines Maliterno, eines Romana.«

»Wie, Du willst Neapel allein wieder erobern?«

»Ja, allein, mit Cesare als Lieutenant und meinen guten Calabresen als Armee. Ich bin unter ihnen geboren. Sie kennen mich. Mein Name oder vielmehr der meiner Väter wird in den abgelegensten Hütten verehrt. Sagen Sie blos ja, ertheilen Sie mir die nothwendigen Vollmachten und ehe drei Monate vergehen, stehe ich mit sechzigtausend Mann vor den Thoren von Neapel.

»Und wie willst Du deine sechzigtausend Mann zusammenbringen?«

»Dadurch, daß ich den heiligen Krieg predige; dadurch, daß ich mit der linken Hand das Crucifix und mit der rechten das Schwert schwinge; dadurch, daß ich drohe und segne. Das was Fra Diavolo, Mammone und Promio in den Abruzzen, in der Campagna und der Terra di Lavoro thun, werde ich mit Gottes Hilfe in Calabrien und in der Basilicata thun.«

»Aber die Waffen?«

»Werden uns nicht fehlen; sollten wir auch keine andern haben, als die der Jakobiner, welche man absenden wird, um uns zu bekämpfen. Besitzt übrigens nicht jeder Calabrese eine Flinte?«

»Aber das Geld?«

»In den Cassen der Provinzen werde ich dessen finden. Ich bedarf zu allen diesen Dingen weiter nichts als Ihre Zustimmung, Sire.«

»Meine Zustimmung? Es lebe der heilige Januarius! Doch nein, ich irre mich, der heilige Januarius ist ein Abtrünniger. Meine Zustimmung hast Du. Wann rückst Du ins Feld?«

»Heute noch, Sire. Kennen Sie aber meine Bedingungen?«

»Allein, ohne Waffen und ohne Geld; war es nicht so?«

»Ja, Sire. Finden Sie, daß ich zu viel verlange?«

»Nein, durchaus nicht.«

»Aber allein, mit jeder Vollmacht bekleidet, werde ich Ihr Generalvicar, Ihr Alterego sein.«

»Dies Alles wirst Du sein, und noch heute erkläre ich im versammelten Staatsrathe, daß dies mein Wille ist.«

»Dann ist aber Alles verloren.«

»Wie, dann wäre Alles verloren?«

»Ohne Zweifel. Im Cabinetsrathe habe ich nur Feinde. Die Königin liebt mich nicht, Acton haßt mich, Mylord Nelson verwünscht mich, der Fürst von Castelcicala verabscheut mich. Wenn auch die anderen Minister mich unterstützen wollten, so hätte ich doch immer gleich von vornherein eine Majorität gegen mich. Nein, Sire, so geht das nicht.«

»Aber wie denn sonst?«

»Nur ohne Staatsrath, ohne andern Willen als den des Königs, ohne andern Beistand als den Gottes. Habe ich wohl Jemandes bedurft, um auszuführen, was ich bis jetzt ausgeführt? Eben so wenig als ich Jemandes bedürfen werde, um zu thun, was mir noch übrigbleibt. Sprechen wir daher kein Wort von unserem Plan. Ich reise ohne alles Aufsehen mit meinem Secretär und meinem Caplan nach Messina, ich setze über die Meerenge und dann erst erkläre ich den Calabresen, was ich in Calabrien thun will. Der Staatsrath wird dann ohne Sie, Sire, oder mit Ihnen zusammentreten, aber es wird zu spät sein. Ich werde mich nicht an den Staatsrath kehren. Ich marschiere auf Cosenza, ich befehle Cesare, sich mit mir zu vereinigen, und in drei Monaten stehe ich, wie ich Ihnen bereits gesagt, Sire, unter den Mauern von Neapel.«

»Wenn Du dies thut, Fabrizio, so ernenne ich Dich auf Lebenszeit zum Premierminister und nehme meinem Dummkopf von Franz den Titel eines Herzogs von Calabrien ab, um ihn Dir zu geben.«

»Wenn ich dies thue, Sire, so werden Sie es machen, wie es alle Könige zu machen pflegen, für welche man sich opfert. Sie werden sich beeilen zu vergessen. Es gibt so große Dienste, daß man sie nur durch Undankbarkeit bezahlen kann, und der, welchen ich Ihnen geleistet haben werde, wird zu dieser Zahl gehören. Mein Ziel geht aber weiter als der Reichthum und höher als die Ehre. Ich dürfte nach Ruhm, Sire. Ich will in der Geschichte gleichzeitig als Monk und als Richelieu dastehen.«

»Und ich werde Dir aus allen Kräften dazu behilflich sein, obschon ich nicht recht weiß, wer diese beiden von Dir genannten Männer sind oder vielmehr waren. Wann sagt Du, daß Du abreisen kannst?«

»Noch heute, wenn Sie damit einverstanden sind, Sire.«

»Wie? Wenn ich damit einverstanden bin? Wie kannst Du überhaupt daran zweifeln? Ich treibe Dich ja selbst dazu; ich treibe Dich mit Händen und Füßen! Aber Du gedenkt doch nicht Dich ganz ohne Geld auf den Weg zu machen?«

»Ich bitte um ungefähr tausend Ducaten, Sire.«

»Und ich muß deren etwa zwei- oder dreitausend in meinem Secretär haben.«

»Mehr brauche ich nicht.«

»Warte doch. Mein neuer Finanzminister, der Fürst Luzzi, hat mir gestern gemeldet, daß der Marquis Francesco Taccone mit fünfhunderttausend Ducaten in Messina angelangt ist, die er bei Backer gegen Bankbillets erhoben. Die Backers empfehle ich Ihnen überhaupt, Eminentissime. Wem wir in Neapel eingezogen und Sie Premierminister sind, werden wir diese wackern Leute zu unseren Finanzministern machen.«

 

»Ja, Sire; kommen wir aber jetzt auf unsere fünfhunderttausend Ducaten zurück.«

»Nun, so warte. Ich werde Dir den Befehl ausfertigen, sie bei Taccone zu erheben. Es soll das deine Kriegscasse sein.«

Der Cardinal fing an zu lachen.

»Warum lachst Du?« fragte der König.

»Ich lache, weil Sie nicht wissen, Sire, daß fünfhunderttausend Ducaten, welche von Neapel nach Sicilien reisen, allemal unterwegs verlorengehen.«

»Das ist möglich, wenigstens aber wird Danero, der General Danero, Gouverneur der Festung Messina, Dir die Waffen und die Munition zur Verfügung stellen, deren Du für den kleinen Trupp bedarfst, mit welchem Du Dich in Marsch setzen willst.«

»Ich werde diese Waffen und diese Munition eben so wenig erhalten, als der Schatzmeister Taccone mir die fünfhunderttausend Ducaten zustellen wird. Doch es kommt weiter nichts darauf an, Sire. Geben Sie mir die beiden Ordres. Gibt Taccone mir das Geld und Danero die Waffen, dann um so besser. Geben sie mir die nicht, nun dann werde ich sie zu entbehren wissen.«

Der König ergriff zwei Blätter Papier, schrieb die beiden Ordres und unterzeichnete sie.

Mittlerweile zog der Cardinal ein drittes Papier aus der Tasche, schlug es auseinander und hielt es dem König unter die Augen.

»Was ist das?« fragte der König.

»Es ist mein Diplom als Generalvicar und Alterego.«

»Du hast es wohl selbst abgefaßt?«

»Ja, um Zeit zu sparen, Sire.«

»Und da ich Dich nicht aufhalten will – Indem der König dies sagte, setzte er die Feder unter die letzte Zeile.

Der Cardinal hielt ihm die Hand.

»Lesen Sie erst, Sire,« sagte er.

»Ich werde nachher lesen,« antwortete der König und unterzeichnete.

Diejenigen unserer Leser, welche sich vielleicht scheuen, mit der Lectüre eines der merkwürdigsten diplomatischen Actenstücke, welches aber bis jetzt völlig unbekannt gewesen, ihre Zeit zu verlieren, können das nächstfolgende Capitel überschlagen. Diejenigen aber, welche in einem historischen Buche noch mehr suchen als einfache Zerstreuung oder frivole Unterhaltung, werden, wie wir überzeugt sind, es uns Dank wissen, daß wir dieses Document aus den geheimen Schubfächern Ferdinands, worin es seit sechzig Jahren vergraben gelegen, hervorgezogen und es zum ersten Male ans Licht gestellt haben.