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Amors Pfeil

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Amors Pfeil
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I

Die Szenerie ist eine berühmte Stadt in Schottland.

Die Hauptperson ist der beste Polizeibeamte, den wir zu der Zeit, als ich das Amt des Landvogts bekleidete, hatten.

Er war ein alter Mann und kurz vor seinem Ruhestand zu der Zeit, in der meine Erzählung spielt. Der Diebstahl eines unschätzbaren Bildes, welches sich der Entdeckung der anderen Polizeibeamten entzogen hatte, brachte den alten Benjamin Parley dazu, ein letztes Mal tätig zu werden. Geld war nicht der Beweggrund, der ihn hauptsächlich dazu trieb, obwohl die hohe Belohnung, die für die Wiederbeschaffung des Bildes angeboten wurde, verdoppelt worden war. »Wenn der Rest von euch den Dieb nicht fassen kann«, sagte er, »muss ich den Fall in die Hand nehmen – für die Ehre von Schottland.«

Nachdem er diese Entscheidung gefällt hatte, stellte sich Parley bei mir daheim vor. Ich gab ihm ein Empfehlungsschreiben für den Eigentümer des Bildes mit – der damals im Begriff stand, nach London um Hilfe zu ersuchen.

Man hat sicher von Lord Daltons berühmter Galerie gehört. Eine Madonna von Raphael war das Juwel der Sammlung. Eines Morgens entdeckten die Diener in der Frühe den leeren Rahmen, ohne eine Spur zu finden, wie der kühne Raub begangen worden war. Nachdem er unserem altgedienten Beamten gestattet hatte, seine eigenen Voruntersuchungen zu machen, war Mylord (ein Mann von seltener Begabung und einem bezeichnenden eigenwilligen Charakter) sofort beeindruckt von der überraschenden neuen Schlussfolgerung, zu der Parley gekommen war und auch von der waghalsigen Natur des Plans, den er erdacht hatte, um das Geheimnis des Diebstahls aufzuklären.

Lord Dalton zeigte auf einen Brief auf dem Bibliothekstisch, der an den Chief der Londoner Polizeikräfte gerichtet war.

»Ich werde dessen Versand um eine Woche verzögern«, sagte er. »Wenn Sie mir nach Ablauf der Zeit einen vielversprechenden ersten Bericht liefern, soll der Fall uneingeschränkt Ihren Händen überlassen werden.«

Am Ende der Woche schickte Parley den Bericht. Lord Dalton vernichtete zuerst den Brief an London und sprach dann mit Parley bezüglich der Belohnung.

»Als ein gut unterrichteter Polizeibeamter«, sprach er, »sind Sie sich ohne Zweifel bewusst, dass ich einer der reichsten Männer Schottlands bin. Haben Sie auch gehört, ich wäre ein geiziger Mann?«

»Ich habe genau das Gegenteil gehört, Mylord«, antwortete Parley vollkommen wahrheitsgetreu.

»Sehr gut. Sie werden geneigt sein, mir zu glauben, wenn ich Ihnen erzähle, dass der Geldwert meines Bildes (so hoch er auch ist) in meiner Einschätzung der geringste Teil seines Wertes ist. Der Landvogt sagte mir, Sie hätten eine Frau und zwei Töchter daheim und dass Sie im Begriff standen, pensioniert zu werden, als Sie Ihre Dienste anboten. Bei Ihrem Alter muss ich diesen Umstand in Betracht ziehen. Macht es Ihnen etwas aus, mir zu sagen, welches Einkommen Sie erwarten dürfen, wobei Sie Ihre anderen Geldmittel (falls Sie welche haben) zu Ihrer Pension hinzufügen?«

Parley beantwortete die Frage ohne Zögern und ohne Zurückhaltung. Er war kein Mann, den man leicht in Erstaunen versetzte; aber Lord Daltons nächste Worte verschlugen ihm buchstäblich die Sprache.

»Setzen Sie meinen Raphael wieder innerhalb eines Monats von heute an in den Rahmen ein«, sagte Seine Lordschaft, »und ich werde Ihr Einkommen verdreifachen und es nach Ihrem Ableben Ihrer Witwe und Ihren Kindern zukommen lassen.«

In weniger als drei Wochen von diesem Tage an spazierte Benjamin Parley (der soeben aus Brüssel gekommen war) in die Gemäldegalerie und setzte den Raphael mit seinen eigenen Händen wieder in den Rahmen ein. Er weigerte sich, zu sagen, wie er das Bild wiederbeschafft hatte. Aber er verkündete, wobei er sich den Anschein gab, sich selbst Vorwürfe zu machen, welcher völlig darin fehlschlug, Lord Dalton zu täuschen, die unglückliche Flucht des Gefangenen bei der Reise nach Schottland. Später ging hinter vorgehaltener Hand das Gerücht um, dass dieser selbige Gefangene ein Landstreicher sei, der mit der Familie des Lords verwandt war, und dass Parley seinen Erfolg zuallererst seinem verständigen Mut zu verdanken habe, es zu wagen, den Verwandten eines Edelmannes zu verdächtigen. Ich weiß nicht, was andere Leute erlebt haben. Ich für meinen Teil habe festgestellt, dass in Gerüchten ab und zu ein Körnchen Wahrheit steckt.

II

Während ich die Umstände erwähnte, die den großzügigen Adligen und den befähigten Polizeibeamten miteinander bekannt machten, habe ich an gewisse darauffolgende Ereignisse gedacht, deren Bedeutung man noch schätzen müssen wird. Es sollte sich herausstellen, dass der Tag, an dem Benjamin Parley seine prächtige Belohnung erhielt, der verhängnisvolle Tag seines Lebens sein sollte.

Er hatte ursprünglich geplant, sich in das Dorf in Pentshire, in dem er geboren worden war, zurückzuziehen. Da er nun im Besitz eines Einkommens war, das ihn befähigte, den ehrgeizigen Bestrebungen seiner Frau und seiner Töchter nachzugeben, beschloss man, dass er seinen Wohnsitz in einen der Vororte von London verlagern sollte. Mrs. Parley und ihre zwei Töchter, die sich nun in einer »vornehmen Villa« etabliert hatten, nahmen die Stellung von »Ladies« an und der alte Benjamin war keine halbe Stunde Spaziergang von seinen Kollegen in der Polizeistation entfernt, falls ihn die Freizeit zu übermannen drohte. »Aber ohne die Großzügigkeit Mylords«, bemerkte seine Frau, »hätte er niemals das Geld dafür gehabt. Wenn wir nach Pentshire gegangen wären, hätte er aller Wahrscheinlichkeit nach unsere Stadt nie wieder gesehen.«

Um einem einen Eindruck von dem ausgezeichneten Charakter und von der hohen Wertschätzung zu geben, in welchen dieser arme Kerl verdientermaßen gehalten wurde, mag ich erwähnen, dass sein Ruhestand mit der Darlegung eines Zeugnisses begangen wurde. Es nahm die kuriose Form einer quittierten Rechnung an, die die Ausgaben repräsentierte, welche sich darauf beliefen, sein neues Haus zu möblieren. Ich führte den Vorsitz bei diesem Treffen. Der Landadel, die Anwälte und die Händler waren in großer Zahl anwesend; alle gleichermaßen begierig darauf, einem Mann ihren Respekt zu zollen, der in einer Position, die von Versuchungen heimgesucht wurde, von Anfang bis Ende ein Beispiel von unbestechlicher Unbescholtenheit abgegeben hatte.

Einige Familienangelegenheiten nötigten mich zu dieser Zeit, mich beurlauben zu lassen. Zwei Monate lang wurden meine Aufgaben von meinem Stellvertreter durchgeführt.

Als ich bei meiner Rückkehr die Briefe und Karten durchsah, welche meinen Schreibtisch bedeckten, fand ich ein Stück Papier mit einigen mit Bleistift geschriebenen Zeilen, welches von Parleys Frau unterzeichnet war. »Wenn Sie kurz Zeit erübrigen können, Sir, bitte seien Sie so gut und lassen Sie mich Ihnen ein Wort sagen – in Ihrem Haus.«

Die Handschrift zeigte eindeutige Zeichen der Aufregung; und die letzten drei Worte waren unterstrichen. Lastete ein Geheimnis auf der guten Frau? Und war es ihrem Ehemann und ihren Kindern nicht gestattet, in ihr Vertrauen gezogen zu werden?