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Maaß für Maaß

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Achte Scene

(Der Herzog allein.)

Herzog. Wer das Schwerdt des Himmels tragen will, soll eben so heilig und unverwerflich seyn als er streng ist. Schaam über den, dessen tyrannische Hand die Verbrechen an andern bestraft, die er sich selbst nachsieht; dreyfache Schaam über Angelo, der andrer Laster ausreutet, und die seinigen wachsen läßt. O! was für Unrath kan in einem Menschen verborgen seyn, wenn er von aussen gleich ein Engel scheint! Wie leicht ist's dem Laster, unter dieser Gestalt, die Welt und die Zeit selbst zu betrügen, und mit schwachen Spinnenfaden die gewichtigsten Dinge, Reichthum, Macht und Ehre, an sich zu ziehen. Ich muß List gegen Laster gebrauchen. Diese Nacht soll seine ehmalige verlaßne und verschmähte Braut bey dem Angelo ligen, um durch einen unschuldigen Betrug die keusche Unschuld zu befreyen, und einen alten Eheverspruch gültig zu machen.

Vierter Aufzug

Erste Scene

(Eine Scheuer.)

(Mariane und ein kleiner Knabe treten singend auf.

Der Herzog als ein Franciscaner-Mönch kommt dazu.)

Mariane.

Hör auf zu singen, und begieb dich eilends hinweg. Hier kommt ein Mann des Trostes, dessen Zuspruch schon oft meinen murrenden Kummer gestillet hat —

(Zum Herzog.)

Ich bitte euch um Vergebung, mein ehrwürdiger Herr, und wünschte, daß ihr mich hier nicht so musicalisch angetroffen hättet; entschuldiget mich und glaubet mir, diese erzwungne Frölichkeit ist nur ein schwaches Lindrungsmittel meines Schmerzens.

Herzog. Es ist gut; obgleich die Musik oft eine so zaubrische Kraft hat, daß sie das Böse gut und das Gute böse machen kan. Ich bitte euch, hat niemand hier nach mir gefragt; es wird schon über die Zeit seyn, da ich versprochen habe, mit jemand an diesem Orte zusammen zu kommen.

Mariane.

Es hat niemand bey mir nach euch gefragt, ob ich gleich den ganzen Tag hier gesessen bin. (Isabella kommt.)

Herzog. Ich glaube euch in allen Sachen; – Die Zeit ist gekommen, eben izt – Ich muß euch um ein wenig Geduld bitten; ich werde euch sogleich wieder zurük rufen, um von einer Sache mit euch zu sprechen, die zu euerm Besten abgezielt ist.

Mariane.

Ich werde euern Befehl erwarten.

(Sie geht ab.)

Zweyte Scene

Herzog.

Willkommen, Isabella, ihr haltet euer Wort genau; was giebt es Neues von dem ehrlichen Stadthalter?

Isabella. Er hat einen Garten, der mit einer Mauer von Ziegelsteinen eingeschlossen ist, und an der West-Seite an einen Weinberg stößt; hier ist der Schlüssel, der das Thor in diesen Weinberg aufschließt; und hier ein andrer, der eine kleine Thür öffnet, die aus dem Weinberg in den Garten führt. Hier habe ich versprochen, in der finstern Mitternacht ihm einen Besuch zu geben.

Herzog.

Aber seyd ihr auch gewiß, den Weg zu finden?

Isabella. Er hat mir denselben mit einer so grossen Sorgfalt zu wiederholten malen gezeigt, daß ich ihn ganz genau angeben kan.

Herzog. Sind keine andre Verabredungen zwischen euch genommen worden, die das Frauenzimmer wissen muß, das eure Stelle vertreten wird?

Isabella. Keine andre, als daß die Zusammenkunft im Finstern geschehen soll; und daß ich ihm beygebracht, mein Aufenthalt könne nur sehr kurz seyn, indem ich mit einer Magd kommen werde, die, in der Meynung, daß ich eine heimliche Zusammenkunft mit meinem Bruder habe, auf mich warten solle.

Herzog. Das ist wohl ausgesonnen. Aber ich habe Marianen noch kein Wort von der Sache entdekt. Ha! kommt heraus, wenn es euch beliebt!

Dritte Scene

(Mariane zu den Vorigen.)

Herzog (zu Isabella.) Ich bitte euch, macht Bekanntschaft mit diesem jungen Frauenzimmer; sie kommt, euch Gutes zu thun.

Isabella.

Ich wünsche, daß es zu ihrem eignen Besten ausschlage.

Herzog (zu Mariane.)

Seyd ihr überzeugt, daß ich euch hoch schäze?

Mariane. Mein gütiger Vater, ich bin vollkommen überzeugt, und habe Proben davon.

Herzog.

So nehmt dann diese eure Freundin bey der Hand, und höret die Geschichte, die sie euch zu erzählen hat; ich will hier auf eure Zurükkunft warten; aber beschleuniget euch; die Nacht bricht an.

(Mariane und Isabella gehen ab.)

Herzog (allein.) 7 O Macht und Grösse. Millionen falscher Augen sind auf dich geheftet; ganze Bände voll unächter und widersprechender Nachrichten verfälschen deine Thaten; und tausend halbkluge Wizlinge machen dich zum Vater ihrer müssigen Träume, und foltern dich in ihrer Einbildung – Willkommen! Wie versteht ihr euch mit einander?

Vierte Scene

(Mariane und Isabella kommen zurük.)

Isabella. Sie will die Verrichtung auf sich nehmen, wenn ihr nichts dawider einzuwenden habt, Vater.

Herzog.

Ich gebe nicht nur meine Einwilligung, sondern ich bitte euch darum.

Isabella. Wenn ihr euch wieder wegbegebet, so braucht ihr ihm nichts zu sagen, als mit leiser Stimme: ("Erinnert euch nun meines Bruders.")

Mariane.

Seyd unbekümmert —

Herzog.

Auch seyd ihr es nicht um euer selbst willen, meine liebe Tochter.

Ein gültiger Eheverspruch macht ihn zu euerm Gemahl, und es ist also keine Sünde euch so zusammen zu bringen, indem die Gerechtigkeit euers Anspruchs an ihn den Betrug unschuldig macht.

Kommt, laßt uns gehen; wir haben das wichtigste noch vor uns.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene

(Das Gefängniß.)

(Der Kerkermeister und Harlequin.)

Kerkermeister.

Hieher, Bursche, könnt ihr einem Mann den Kopf abschlagen?

Harlequin. Wenn der Mann ein Junggeselle ist, Herr, so kan ich's; wenn er aber ein Ehemann ist, so ist er seines Weibes Haupt; und ich kan unmöglich einem Weibsbild den Kopf abschlagen.8

Kerkermeister. Laßt eure Schäkereyen, Herr, und gebt mir eine gescheidte Antwort. Morgen früh sollen Claudio und Bernardin sterben; wir haben hier in diesem Gefängniß einen öffentlichen Scharfrichter, der einen Gehülfen nöthig hat; wenn ihr euch entschliessen wollt, dieser Gehülfe zu seyn, so wird es euch von euern Fesseln frey machen; wo nicht, so macht euch gefaßt eure volle Zeit im Gefängniß auszuhalten, und bey eurer Entlassung eine unbarmherzige Tracht Prügel mit auf den Weg zu bekommen; denn ihr wißt, daß ihr ein stadtkündiger H** Wirth gewesen seyd.

Harlequin. Herr, ich bin ein unehrlicher H** Wirth gewesen; doch, das ist nun vorbey, und man redt nicht gerne davon; ich bin es zufrieden, nun ein ehrlicher Henker zu werden; es wird mir ein Vergnügen seyn, einigen Unterricht von meinem Herrn Collegen zu erhalten.

Kerkermeister.

Holla, Abhorson! Wo ist Abhorson? (Abhorson kommt.)

Abhorson.

Ruft ihr mir, mein Herr?

Kerkermeister. Hier ist ein Kerl, der euch morgen bey Hinrichtung der Verurtheilten helfen will; wenn ihr es gut findet, so vergleicht euch mit ihm für ein Jahr, und behaltet ihn hier bey euch; wo nicht, so braucht ihn für diesesmal, und laßt ihn wieder seines Weges gehen. Er kan sich nicht beschweren, daß er mit euch in die gleiche Linie gestellt wird; er ist ein H** Wirth gewesen.

Abhorson.

Ein H** Wirth, mein Herr? Pfui, er wird unsre Kunst in einen bösen Ruf bringen.

Kerkermeister. Geht, geht, und macht euch keinen Scrupel; ihr wägt gleich viel; eine Feder würde die Wagschalen verrüken.

(Er geht ab.)

Harlequin (zu Abhorson.)

Ich bitte euch, mein Herr, mit eurer Erlaubniß, nennt ihr eure Beschäftigung eine Kunst?

Abhorson.

Ja, Herr, eine Kunst.

Harlequin. Mahlen, Herr, hab ich sagen gehört, ist eine Kunst, und da eure H**, welche sich sehr gut auf das Mahlen verstehen, Mitglieder meiner Zunft sind, so ist also bewiesen, daß meine Beschäftigung eine Kunst ist; aber was für eine Kunst – im Hängen seyn sollte, wenn ich gehenkt würde, kan ich mir nicht vorstellen – 9 (Der Kerkermeister kommt zurük.)

 

Kerkermeister.

Seyd ihr mit einander übereingekommen?

Harlequin.

Herr, ich bin entschlossen, sein Knecht zu seyn; denn es däucht mich, ein Henker zu seyn ist ein bußfertigeres Gewerbe als ein H** Wirth zu seyn; er bittet öfter um Verzeihung.

Kerkermeister.

Macht euern Blok und euer Beil zu rechte, bis morgen um vier Uhr.

Abhorson.

Komme mit, H**bube, ich will dir zeigen wie du dich zu deinem neuen Handwerk anschiken must; folge mir.

Harlequin. Ich bin sehr lehrbegierig, Herr; und ich hoffe, wenn ihr etwann Gelegenheit bekommen solltet, mich für euch selbst zu gebrauchen, ihr werdet mich eifrig finden; Eure Gewogenheit für mich verdient wahrhaftig keine geringere Dankbarkeit von meiner Seiten.

(Sie gehen ab.)

Kerkermeister. Ruft Claudio und Bernardin hieher; mit dem einen hab' ich Mitleiden; mit dem andren, der ein Mörder ist, nicht ein Jot, und wenn er mein Bruder wäre.

Sechste Scene

(Claudio kommt herein.)

Kerkermeister.

Siehe hier, Claudio, dein Todesurtheil; es ist izt Mitternacht, und bis morgen um acht Uhr must du unsterblich gemacht werden. Wo ist Bernardin?

Claudio. So stark vom Schlaf gefesselt als ob er unschuldig wäre, und nichts zu befürchten hätte. Er wird nicht aufzuweken seyn.

Kerkermeister. Und was würd' es ihm auch helfen; er ist ein verhärteter Bube – Gut, begebt euch wieder weg und bereitet euch.

(Claudio geht ab.)

Still! was für ein Getöse ist das? – der Himmel stärke euch! – Ich komme – Hoffentlich ist es Begnadigung, oder doch einiger Aufschub für den wakern Claudio – Willkommen, Vater. (Der Herzog kommt herein.)

Herzog. Die besten und heilsamsten Geister der Nacht steigen auf euch herab, wakrer Kerkermeister! Wer klopfte seit einiger Zeit hier an?

Kerkermeister.

Niemand, seitdem die Nachtgloke geläutet worden.

Herzog.

Nicht Isabella?

Kerkermeister.

Nein.

Herzog.

So wird sie doch nicht lange mehr ausbleiben.

Kerkermeister.

Was für Hoffnung haben wir für den Claudio?

Herzog.

Es ist noch nicht alle verlohren.

Kerkermeister.

Der Statthalter ist ein harter Mann.

Herzog. Nicht so, nicht so; sein Leben lauft mit seiner strengen Gerechtigkeit in gleicher Linie: Mit der Enthaltung eines Heiligen bezwingt er den Trieb in ihm selbst, dessen Ausschweiffungen sein Amt an andern strafen muß. Ja, dann wenn er selbst ausübte, was er an andern straft, dann wär' er tyrannisch; aber so wie er ist, ist er gerecht – Nun kommen sie.

(Man hört an der Thüre klopfen. Der Kerkermeister geht hinaus.)

Dieser Kerkermeister ist ein wakrer Mann; es ist etwas seltnes an einem Mann von seinem Beruf, ein Menschenfreund zu seyn. Aber was giebts? Was für ein Getöse? Das muß ein hastiger Geist seyn, der so ungestüm an der Thüre pocht. (Der Kerkermeister kommt zurük.)

Kerkermeister. Er kan warten, bis der Wächter wieder kommt, der ihn hineinführen soll; er ist abgeruffen worden.

Herzog. Habt ihr noch keinen Gegenbefehl wegen des Claudio? Muß er morgen sterben?

Kerkermeister.

Keinen, ehrwürdiger Herr, keinen.

Herzog.

Es fängt schon an zu dämmern, Kerkermeister; ihr werdet, eh es Morgen seyn wird, mehr hören.

Kerkermeister. Wie glüklich wär's, wenn ihr etwas wißtet; aber ich fürchte, es kommt kein Gegenbefehl; wir haben kein solch Exempel; und zudem, so hat der Stadthalter, auf dem Thron der Gerechtigkeit selbst, und vor den Ohren des ganzen Volks das Gegentheil versichert.

Siebende Scene

(Ein Bote zu den Vorigen.)

Herzog.

Dieses ist einer von Sr. Gnaden Bedienten.

Kerkermeister.

Und hier kommt Claudios Begnadigung.

Bote. Mein Gnädiger Herr überschikt euch diesen schriftlichen Befehl, und durch mich diesen mündlichen Zusaz, daß ihr nicht von dem kleinsten Theil desselben abweichen sollt, weder was die Zeit, noch die andern Umstände betrift. Guten Morgen, denn ich denke, es ist beynahe Tag.

Kerkermeister.

Ich werde gehorchen.

(Der Bote geht.)

Herzog (für sich.) Diß ist seine Begnadigung; Angelo findet billig eine Sünde zu vergeben die er selbst begeht – Nun, mein Herr, was habt ihr Neues?

Kerkermeister. Was ich euch sagte; Angelo, der mich vermuthlich für nachläßig in meinem Dienst ansieht, erwekt mich durch dieses ungewöhnliche Betreiben; ich begreiffe nicht was es zu bedeuten hat; denn er hat es noch niemals so gemacht.

Herzog.

Ich bitte euch, laßt mich's hören.

Der Kerkermeister (lißt den Befehl.) "Alles was ihr auch diesem meinem Befehl widersprechendes hören möget, ungeachtet, lasset den Claudio morgen um vier Uhr hinrichten, und des Nachmittags den Bernardin; und zu meiner bessern Versicherung sorget dafür, daß mir der Kopf des Claudio um fünf Uhr zugeschikt werde. Laßt dieses gehörig vollzogen werden, und beobachtet hierinn eine noch grössere Sorgfalt als wir euch anbefohlen. Eure eigne Gefahr soll uns für die Ausübung eurer Pflicht Bürge seyn." Was sagt ihr hiezu, mein Herr?

Herzog.

Wer ist dieser Bernardin, der Nachmittags hingerichtet werden soll?

Kerkermeister. Ein gebohrner Zigeuner, der aber hier zu Lande erzogen worden, und schon neun Jahre gefangen ligt.

Herzog.

Wie kam es, daß der abwesende Herzog ihn nicht entweder in Freyheit sezte, oder hinrichten ließ? Ich hörte, es sey allezeit sein Gebrauch gewesen, es so zu machen.

Kerkermeister.

Seine Freunde würkten immer einen Aufschub nach dem andern aus; und in der That, kam sein Verbrechen, bis izo in der Regierung des Freyherrn Angelo, zu keinem vollständigen Beweis.

Herzog.

Es ist also nun erwiesen?

Kerkermeister.

Vollkommen erwiesen, und von ihm selbst nicht geläugnet.

Herzog. Wie hat er sich im Gefängniß aufgeführt? Scheint er gerührt zu seyn?

Kerkermeister. Er ist ein Mann, der sich nicht mehr vor dem Tod fürchtet, als vor einem trunknen Schlaf; ohne Reue, ohne Kummer und ohne Furcht vor irgend etwas Vergangnem, Gegenwärtigen oder Zukünftigen, unempfindlich gegen die Unsterblichkeit, und auf eine viehische Art sterblich.

Herzog.

Es mangelt ihm an Unterricht.

Kerkermeister. Er nimmt keinen an; er hat im Gefängniß allezeit viel Freyheit gehabt; man könnte ihm erlauben, zu entwischen, ohne daß er es thun würde; er ist die meiste Zeit vom Tag, und oft ganze Tage hintereinander betrunken. Wir haben ihn oft aufgewekt, als ob wir ihn zur Hinrichtung führen wollten, und ihm alle Zurüstungen dazu gezeigt, ohne daß es ihn im mindesten bewegt hat.

Herzog. Hernach ein mehrers von ihm. Kerkermeister, Redlichkeit und Standhaftigkeit sind auf eure Stirne geschrieben; wenn ich nicht recht lese, so betrügt mich eine Kunst, in der ich einige Erfahrenheit habe. Ich will mich selbst auf diese gute Meynung hin wagen. Claudio, zu dessen Hinrichtung ihr hier einen Befehl habt, ist kein grösserer Sünder gegen das Gesez als Angelo, der ihn verurtheilt hat. Um euch hievon durch eine augenscheinliche Probe zu überzeugen, verlange ich nur vier Tage Zeit; für welche ich euch um eine eben so verbindliche als gefährliche Gefälligkeit ersuche.

Kerkermeister.

Und worinn besteht sie, ich bitte euch.

Herzog.

Den Tod des Claudio aufzuschieben.

Kerkermeister. Aber wie kan ichs, da mir die Stunde vorgeschrieben, und der ausdrükliche Befehl bey angedrohter Straffe gegeben ist, sein Haupt dem Angelo vor Augen zu bringen? Die Ueberschreitung des kleinsten Umstands könnte mir das Schiksal des Claudio zuziehen.

Herzog.

Bey meinem Ordens-Gelübde, ich steh euch für alles, wenn ihr meinem Rath Gehör geben wollt. Laßt diesen Bernardin morgen hingerichtet werden, und schiket dem Angelo seinen Kopf statt Claudios.

Kerkermeister.

Angelo hat beyde gesehen, und wird den Betrug entdeken.

Herzog. O! besorget das nicht, der Tod ist ein Meister im Verstellen, und ihr könnt ihm noch helfen, die Unkenntlichkeit vollkommen zu machen; scheert ihm den Kopf glatt und den Bart weg, und sagt, der arme Sünder hab' es vor seinem Ende so haben wollen; ihr wißt, daß es gewöhnlich ist. Wenn ihr irgend etwas anders davon haben werdet, als Dank und gutes Glük, so will ich, bey dem Heiligen, von dessen Familie ich bin, es mit meinem Leben von euch abwenden.

Kerkermeister.

Verzeihet mir, mein guter Vater, es ist wider meinen Eid.

Herzog.

Habt ihr dem Herzog geschworen, oder seinem Stadthalter?

Kerkermeister.

Dem Herzog, und allen die seine Stelle vertreten würden.

Herzog. Wollt ihr glauben, daß ihr euch nicht vergehet, wenn der Herzog diese Handlung billiget?

Kerkermeister.

Wie kan er das, da er abwesend ist?

Herzog. Er kan es, weil er es würklich thut; da ich sehe daß ihr so furchtsam seyd, daß weder mein Habit, noch meine Redlichkeit, noch meine Ueberredung euch bewegen können, so will ich weiter gehen, als ich im Sinn hatte, um alle Furcht in euch auszureuten. Sehet, mein Herr, hier ist des Herzogs Hand und Sigel; ihr kennt ohne Zweifel seine Hand, und das Signet wird euch auch nicht fremde seyn.

Kerkermeister.

Ich erkenne beydes.

Herzog. Der Inhalt dieses Briefs ist die Wiederkunft des Herzogs. Ihr sollt ihn hernach bey Musse ganz durchlesen, ihr werdet finden, daß er binnen diesen zween Tagen hier seyn wird. Diß ist ein Umstand, den Angelo nicht weiß, denn diesen heutigen Tag erhält er Briefe von seltsamem Inhalt; vielleicht von des Herzogs Tod; vielleicht daß er in ein Kloster gegangen sey; aber, zum Glük, nichts von dem was hier geschrieben ist. Seht, der Morgen bricht schon an. Hänget der Verwundrung nicht nach, wie diese Dinge zugehen; alle Schwierigkeiten sind nur leicht, wenn man sie kennt. Ruft euern Nachrichter, und weg mit Bernardins Kopf; ich will sogleich seine Beichte hören, und ihm dann an einen bessern Ort Anweisung geben. Ich sehe daß ihr noch erstaunt seyd, aber dieses hier muß euch schlechterdings zum Entschluß bringen. Kommt mit mir, es ist schon beynahe heitrer Tag.

Achte Scene

(Harlequin tritt auf.)

Harlequin. Ich bin hier so bekannt als ob ich daheim wäre; einer möchte denken, es wäre Frau Overdons eignes Haus, soviel von ihren alten Kundsleuten trift man hier an. Fürs erste ist hier der junge Herr Rasch, wegen einer Kleinigkeit von braunem Pfeffer und altem Ingwer, hundert und sieben und neunzig Pfund, aus denen er fünf Mark baares Geld gemacht hat: Meiner Six, der Ingwer muß damals nicht viel Abgang gefunden haben; die alten Weiber müssen alle todt gewesen seyn. Hernach ist hier ein gewisser Herr Caper, auf Ansuchen Meister Three-Pile, des Krämers, wegen etlicher Stüke Pfersichblüthfarbnen Atlas, welche Herr Caper umsonst gekauft haben möchte. Ferner der junge Schwindel, der junge Herr Kupfersporn, und Monsieur Hungerdarm der Klopffechter, und der junge Herr Lüderlich, der den braven Pudding erschlug, und Hr. Schüzen, der grosse Wanderer, und der wilde Halbkanne, der den Pott' erstochen hat, und ich denke, noch vierzig andre, lauter grosse Männer in unsrer Profession, die izt hier sind, und sehen mögen, wie sie wieder heraus kommen. (Abhorson kommt herein.)

Abhorson.

Fort, Kerl, Bring den Bernardin hieher.

Harlequin.

Monsieur Bernardin, ihr sollt aufwachen und euch hängen lassen;

Monsieur Bernardin!

Abhorson.

Holla, ho, Bernardin.

Bernardin (hinter der Scene.) Daß ihr die Kränke kriegt, ihr Hunde! Was für einen Lerm macht ihr da? Wer seyd ihr?

Harlequin. Herr, euer guter Freund, der Henker; ihr sollt so gut seyn, Herr, und aufstehen und euch erdrosseln lassen.

Bernardin (hinter der Scene.)

Geh zum T** du Schurke, geh, sag ich; ich bin schläfrig.

Abhorson.

Sag ihm, er müsse aufstehen, und das nur gleich.

Harlequin. Ich bitte euch, Monsieur Bernardin, wacht nur auf, bis ihr gehenkt seyd, und schlaft denn wieder so lang ihr wollt.

Abhorson.

Geh zu ihm hinein, und schaff ihn heraus.

Harlequin. Er kommt, Herr, er kommt; ich höre das Stroh rascheln. (Bernardin zu den Vorigen.)

Abhorson.

Ligt das Beil auf dem Blok, Kerl?

Harlequin.

Ja, Herr.

Bernardin.

Wie gehts, Abhorson? Was habt ihr Neues?

 

Abhorson. In gutem Ernst, Herr, ich wollte ihr würdet hurtig euer Gebet verrichten; denn, seht hier, der Befehl für eure Execution ist da.

Bernardin. Ihr Schurke, ich habe die ganze Nacht durch gesoffen, es ist mir izt ungelegen.

Harlequin.

O, desto besser, Herr; einer der die ganze Nacht trinkt, und des Morgens bey Zeiten gehenkt wird, kan den ganzen nächsten Tag desto ruhiger schlafen. (Der Herzog zu den Vorigen.)

Abhorson. Seht, Herr, hier kommt euer geistlicher Vater; meynt ihr noch, daß es nur Spaß sey?

Herzog. Mein Herr, da ich gehört habe, wir schnell ihr die Welt verlassen sollt, so komm ich aus Christlicher Liebe bewogen, euch vorzubereiten, zu trösten, und mit euch zu beten.

Bernardin. Frater, ich nicht; Ich habe die ganze Nacht stark getrunken, und ich will mehr Zeit zu meiner Vorbereitung haben, oder sie sollen mir das Hirn mit Knitteln ausschlagen; ich werde mich nimmermehr dazu verstehen, heute zu sterben, das ist ausgemacht.

Herzog. O, mein Herr, ihr müßt; und also bitte ich euch, bedenket die Reise wohl, die ihr zu machen habt.

Bernardin. Ich schwör euch aber, daß mich kein Mensch in der Welt überreden soll, heute zu sterben.

Herzog.

Aber ihr hört ja —

Bernardin.

Nicht ein Wort; wenn ihr mir etwas zu sagen habt, so kommt in mein Gefängniß, denn heute soll mich niemand anders wo hin bringen.

(Er geht ab.)

7Diese Rede, die augenscheinlicher Weise keinen begreiflichen Zusammenhang mit dem Inhalt dieser Scene hat, gehört, nach des Dr. Warbürtons Meynung, zum Schluß der Scene zwischen Lucio und dem Herzog in dem vorigen Aufzug; und ist, wie er glaubt, von den Schauspielern, die es nicht so genau zu nehmen pflegen, hieher versezt worden, damit der Herzog in der Abwesenheit der beyden Damen keine lange Weile habe.
8Der Spaß ligt hier in einem Wortspiel, das sich nicht übersezen läßt.
9Hier ist, nach Herrn Warbürtons Anmerkung, eine ziemliche Lüke im Original, welche auch die zwey Reden, die noch übrig sind, ganz unverständlich macht. Es verlohnt sich der Mühe nicht, diese Scene ergänzen zu wollen, da sie selbst nach Warbürtons darauf übelangewandter Arbeit ein abgeschmaktes Gewebe von albernen Wortspielen bleibt.