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Leben und Tod des Königs Johann

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Vierte Scene

(Verwandelt sich in das Schlachtfeld.)

(Lerm; Gefecht; Faulconbridge mit Östreichs Kopf, tritt auf.)

Faulconbridge. Nun bey meinem Leben, dieser Tag wird entsezlich heiß; irgend ein feuriger Teufel brütet in der Luft, und schüttet Unheil herab. Hier lig du, Östreichs Kopf, – So hat König Richards Sohn sich seines Gelübds entlediget, und der unsterblichen Seele seines Vaters Östreichs Blut zum Todten-Opfer gebracht. (König Johann, Arthur und Hubert treten auf.)

König Johann. Hier Hubert, bring diesen Knaben in Verwahrung – Richard, ermuntre dich; meine Mutter wird in ihrem Gezelt bestürmt, und ist, wie ich besorge, gefangen.

Faulconbridge. Ich befreyte sie, Gnädigster Herr; ihre Hoheit ist in Sicherheit, besorget nichts. Aber zurük, mein König; noch ein wenig Arbeit wird diesen Tag zu einem glüklichen Ende bringen.

(Sie gehen ab.)

Fünfte Scene

(Lermen; Gefecht; Flucht; König Johann, Elinor, Arthur, Faulconbridge, Hubert und Lords treten wieder auf.)

König Johann.

So soll es seyn;

(zu seiner Mutter.)

Euer Gnaden soll unter einer starken Bedekung zurükbleiben;

(zu Arthur.)

Vetter, sieh nicht so traurig aus; deine Großmama hat dich lieb, und dein Oheim will deines Vaters Stelle bey dir vertreten.

Arthur.

O diß wird meine Mutter vor Schmerz sterben machen.

König Johann (zu Faulconbridge.) Vetter, auf, nach England; eile voran, und siehe, daß du noch vor unsrer Ankunft unsre reichen Äbte schüttelst; sez du ihre gefangnen Engel in Freyheit; der hungrige Krieg muß an den fetten Ribben des Friedens zehren. Vollziehe unsern Auftrag mit dem äussersten Nachdruk.

Faulconbridge.

Gloke, Buch und Kerze sollen mich nicht zurüktreiben, wo Gold und Silber mich einladen einen Besuch zu machen. Ich verlasse Eu.

Majestät; Großmutter, wenn mir anders einmal einfällt fromm zu seyn, will ich für eure Wohlfahrt beten; und hiemit küß' ich euch die Hand.

Elinor.

Lebe wohl, mein lieber Vetter.

König Johann.

Vetter, lebe wohl.

(Faulconbridge geht ab.)

Elinor.

Komm zu mir, kleiner Vettermann – auf ein paar Worte —

(Sie nimmt den Arthur auf die eine Seite des Theaters.)

König Johann (zu Hubert auf der andern Seite.) Komm hieher, Hubert. O mein lieber Hubert, wir sind dir sehr verbunden; in diesen Mauern von Fleisch ist eine Seele die dein Schuldner ist, und deine Liebe mit Wucher zu bezahlen gedenkt. Glaube mir, mein guter Freund, der freywillige Eid, womit du dich zu meinem Dienst verbunden hast, lebt in diesem Busen und wird theuer geachtet. Gieb mir deine Hand, ich wollte dir etwas sagen – aber ich will es auf eine gelegnere Zeit versparen. Beym Himmel, Hubert, ich bin recht beschämt, wenn ich denke, wie grosse Verbindlichkeiten ich dir habe.

Hubert.

Ich bin es, der Euer Majestät unendlich verpflichtet ist.

König Johann. Mein guter Freund, du hast noch keine Ursache das zu sagen – Aber du sollt bekommen – und so langsam die Zeit auch kriechen mag, so soll sie doch kommen, daß ich dir Gutes thun kan. Ich hatte dir was zu sagen – Aber, laß es gehen: Die Sonne ist am Himmel, und der stolze Tag, von den Freuden der Welt umgeben, ist zu üppig, zu voll von Lustbarkeiten, um mir Gehör zu geben. Wenn die mitternächtliche Gloke mit ihrer ehernen Zunge über die schlaftrunkne Geschöpfe der Nacht Eins erschallen liesse; wenn dieser Plaz wo wir stehn, ein Kirchhof wäre, und du vom Gefühl von tausend Beleidigungen besessen wärst; oder wenn der saure Geist der Melancholie dein Blut, das izt küzlend in deinen Adern auf- und ab rollt, so dik wie Leim gemacht hätte; oder wenn du sehen könntest ohne Augen, hören könntest ohne Ohren, und mir antworten ohne Zunge; wenn du, ohne Augen, ohne Ohren, ohne den beleidigenden Schall von Worten, durch blosse Gedanken mit mir reden könntest; denn wollt' ich, troz dem großaugichten wachtsamen Tag meine Gedanken in deinen Busen ausschütten – Aber so, will ich nicht – Und doch liebe ich dich sehr, und bey meiner Treue, ich denke, du liebest mich auch.

Hubert.

So sehr, daß ich, ich schwör es beym Himmel, alles unternehmen will, was Euer Majestät mir befehlen kan, wenn gleich der Tod mit der That verknüpft wäre.

König Johann. Weiß ich nicht, daß du es thun würdest? Guter Hubert, Hubert, Hubert, wirf dein Auge auf jenen Knaben; ich will dir was sagen, Freund; er ist eine rechte Schlange in meinem Wege, und wohin ich den Fuß sezen will, ligt er vor mir. Verstehst du mich? Du bist sein Hüter.

Hubert. Und ich will ihn so hüten, daß er Eu. Majestät nimmer in den Weg kommen soll.

König Johann.

Tod.

(leise.)

Hubert.

Gnädigster Herr.

König Johann.

Ein Grab.

Hubert.

Er soll nicht leben.

König Johann.

Genug, nun könnt' ich aufgeräumt seyn. Hubert, ich habe dich lieb.

Gut, ich will nicht sagen, was ich für dich thun will; Vergiß es nicht —

(indem er zu Elinor zurükgeht.)

Madame, lebet wohl, ich will Euer Majestät die bewußten Truppen zusenden.

Elinor.

Mein Segen geht mit euch.

König Johann (zu Arthur.) Izt nach England, Vetter; Hubert soll euer Mann seyn, und euch mit aller schuldigen Ehrerbietung zu Diensten stehen, auf, nach Calais, hinweg!

(Sie gehen ab.)

Sechste Scene

(Verwandelt sich in den Französischen Hof.)

(König Philipp, Ludwig, Pandolpho, und Gefolge treten auf.)

König Philipp.

So wird durch ein heulendes Ungewitter auf dem Meer eine ganze Armade von vereinbarten Segeln zerstreut und von einander verschlagen.9

Pandolph.

Nur guten Muth gefaßt, alles soll noch gut gehen.

König Philipp. Was kan gut gehen, wenn es uns so übel geht? Sind wir nicht geschlagen? Ist nicht Angiers verlohren? Arthur gefangen? Verschiedne von unsern besten Freunden erschlagen? Und unser blutiger Gegner, mit verächtlichem Troz nach England zurükgegangen?

Ludwig. Was er gewonnen hat, hat er befestiget: So kluge Entwürfe, mit einem solchen Feuer ausgeführt, eine so gute Ordnung, in einem so ungestümen Lauf ist ohne Exempel; wer hat jemals von einer Action wie diese ist, gelesen oder gehört?

König Philipp. Ich könnte es nach wohl ertragen, daß England dieses Lob erhielte, wenn ich nur wenigstens ein Beyspiel, für unsre Schande kennte. (Constantia zu den Vorigen.) Sehet, wer kommt hier? Das Grab einer Seele, das den unsterblichen Geist wider seinen Willen in der verhaßten Gefangenschaft eines gequälten Athems hält. Ich bitte dich, Lady, komm mit mir hinweg.

Constantia.

Seht, seht, das ist nun der Ausgang euers Friedens.

König Philipp.

Geduld, gute Lady; guten Muth, theure Constantia.

Constantia. Nein, ich biete allem Rath, aller Hoffnung Troz, ausser dem was allem Rath und aller Hoffnung ein Ende macht. Tod, Tod; o angenehmer liebenswürdiger Tod! du wohlriechender Gestank, du gesunde Fäulniß, steh auf aus deinem Lager einer ewigen Nacht, du Abscheu und Schreken des Glüks; und ich will deine ekelhaften Knochen küssen, und meine Augen in deine holen Augen-Löcher steken, und diese Finger mit den Würmern, die in dir hausen, umwinden, und diesen Mund mit deinem vermoderten Staub verstopfen, und ein scheusliches Gerippe werden, wie du. Komm, grinse mich an, und ich will denken du lächelst, und dich wie dein Weib umarmen; o du Liebling des Elends, komm, komm zu mir!

König Philipp.

O schöne Bekümmerniß, stille!

Constantia. Nein, nein, ich will nicht, so lang ich noch Athem habe zu schreyen; o, daß meine Zunge im Munde des Donners stäke, damit ich mit meinem Schmerz die ganze Welt erschüttern, und dieses entfleischte faule Gerippe vom Schlaf aufweken könnte, das die Anrufung einer schwachen weiblichen Stimme nicht hören will.

Pandolph.

Lady, ihr stoßt Unsinn aus, nicht Schmerz.

Constantia. Du versündigest dich, das du das glaubst; ich bin nicht unsinnig; dieses Haar das ich ausrauffe, ist mein; mein Nam ist Constantia, ich war Gottfrieds Weib; der junge Arthur ist mein Sohn, und er ist verlohren! Ich bin nicht unsinnig; wollte Gott, ich wär' es! denn alsdann könnt' ich vergessen, wer ich bin. O wenn ich es könnte, was für einen Schmerz würd' ich vergessen! Predige irgend eine Philosophie, die mich unsinnig mache, und du sollt canonisirt werden, Cardinal. Denn, weil ich nicht unsinnig bin, sondern meinen Schmerz fühle, so arbeitet mein vernünftiger Theil, wie ich mich von diesem Jammer befreyen möge, und lehrt mich, daß ich mich erstechen oder erhängen soll. Wenn ich unsinnig wäre, würd' ich meinen Sohn vergessen, oder in meinem Wahnwiz denken, das nächste Wikel-Kind sey mein Sohn; ich bin nicht unsinnig; zu gut, allzugut fühl ich die eigene Quaal jedes besondern Jammers.

 

König Philipp. Bindet diese fliegenden Loken auf; O was für Liebe seh ich in dieser schönen Menge ihrer Haare; wohin nur von ungefehr ein Silbertropfe gefallen ist, eben zu diesem Tropfen drängen sich zehntausend feurige Freunde in geselligem Schmerz zusammen, gleich wahren unzertrennlichen, getreuen Liebhabern, die mit einander im Unglük ausharren.

Constantia.

Nach England, wenn ihr wollt. —

König Philipp.

Bindet eure Haare auf Constantia. Ja, das will ich; und warum will ich es thun? Ich riß sie aus ihren Fesseln, und rief. O daß diese Hände meinem Sohne so die Freyheit geben könnten, wie sie diesen Haaren ihre Freyheit gegeben haben! Aber nun beneid' ich ihre Freyheit, und will sie wieder in ihre Fesseln schliessen, weil mein armes Kind ein Gefangner ist. Und Vater Cardinal, ich hab' euch sagen gehört, wir werden unsre Freunde im Himmel wieder kennen. Wenn das ist, so werd ich meinen Jungen nimmer wieder sehen. Denn seit der Geburt Cains, des ersten männlichen Kindes bis zu dem, der erst gestern seufzte, ist keine anmuthigere Creatur gebohren worden. Aber nun wird der Krebs des Kummers meine Rosenknospe fressen, und die angebohrne Schönheit von seinen Wangen jagen; er wird aus holen Augen wie ein Gespenst schauen, so düster und hager wie ein vom Fieber ausgezehrter Kranker, und so wird er sterben und wenn er so wieder aufersteht, und ich ihn in dem himmlischen Hofe wieder antreffe, so werd' ich ihn nicht kennen; und also werd ich meinen holdseligen Arthur nimmer, nimmer wieder sehen.

Pandolph.

Ihr überlaßt euch euerm Schmerz zu sehr.

Constantia.

Das sagt mir einer, der niemals einen Sohn hatte —

König Philipp.

Ihr liebet euern Schmerz, wie ihr euer Kind liebt.

Constantia. Mein Schmerz füllt den Plaz meines abwesenden Kindes aus, ligt in meinem Bette, geht mit mir auf und ab, zeigt mir seine anmuthigen Blike, wiederholt seine Worte, erinnert mich an alle seine liebreizenden Eigenschaften; ich hab' also Ursache meinen Schmerz zu lieben. Gehabt ihr euch wohl; hättet ihr einen solchen Verlust erlidten wie ich, so könnte ich bessern Trost geben als ihr thut. Ich will diesen Prunk nicht auf meinem Kopf leiden,

(Sie reißt ihren Kopfzeug ab.)

da eine solche Unordnung in meinem Verstand ist. O Gott, mein Kind, mein Arthur, mein schöner Sohn! Mein Leben, meine Freude, meine Nahrung, mein Alles in der Welt! Mein Trost, die einzige Lindrung meines Kummers! Mein Sohn! Mein Sohn!

(Sie geht ab.)

König Philipp.

Ich besorge, es entsteht noch ein Unglük; ich will ihr folgen.

Siebende Scene

Ludwig. Es ist nichts in der Welt, das mir mehr Vergnügen geben kan; das Leben ist mir so ekelhaft als ein zweymal erzähltes Mährchen, das die schlaffen Ohren eines schläfrigen Menschen plagt. Eine bittre Schmach hat den angenehmen Geschmak der Welt verderbt, so daß sie izt nach lauter Schande und Bitterkeit schmekt.

Pandolph. Eh eine heftige Krankheit geheilt wird, unmittelbar vor dem Augenblik der wiederkehrenden Gesundheit, ist der Anstoß am heftigsten; scheidende Übel scheinen am schlimmsten, indem sie verschwinden. Was habt ihr denn durch den Verlust dieses Tages verlohren?

Ludwig.

Alle ruhmvollen, frohen, glüklichen Tage meines Lebens.

Pandolph. Glaubet mir, dann hättet ihr verlohren, wenn ihr diesen Tag gewonnen hättet. Nein, nein; wenn's das Glük am besten mit den Menschen meynt, so sieht es sie mit einem dräuenden Auge an. Es ist unglaublich, wie viel König Johann gerade dadurch verlohren hat, was er für klaren Gewinn rechnet. Schmerzt es euch nicht, daß Arthur sein Gefangner ist?

Ludwig.

So herzlich, als er sich freut daß er ihn hat.

Pandolph. Euer Verstand ist noch so jung als euer Blut. Nun höre mich aus einem prophetischen Geiste reden; der blosse Athem der Worte die ich reden werde, soll jeden Staub, jeden Strohhalm, jedes kleine Hinderniß aus dem Wege wehen, der deinen Fuß gerade zu Englands Thron führen wird; höre also! Johann hat sich Arthurs bemächtiget, und es ist unmöglich, daß, so lange warmes Leben in seinen jungen Adern spielt, Johann, der seinen Thron usurpirt, eine Stunde, ein Minute, ja nur einen Augenblik ruhig athmen könnte. Ein Scepter der mit einer unrechtmäßigen Hand geführt wird, muß so gewaltthätig erhalten werden, als er gewonnen worden; und wer auf einem schlüpfrigen Plaz steht, ist nicht so zärtlich, daß ihm etwas zu garstig seyn sollte, woran er sich halten kan. Damit Johann stehen könne, muß Arthur fallen; und so sey es, da es nicht anders seyn kan.

Ludwig.

Aber was kan ich durch Arthurs Fall gewinnen?

Pandolph.

Vermöge des Rechts eurer Gemalin Blanca, könnt ihr alsdann in alle Ansprüche Arthurs eintreten.

Ludwig.

Und Ansprüche, Leben und alles verliehren, wie Arthur.

Pandolph. Wie grün und jung ihr in dieser alten Welt noch seyd! König Johann thut das wichtigste für euch; die Umstände conspiriren mit euch, und der, so in Vergiessung des rechtmäßigen Bluts seine Sicherheit sucht, wird nichts als eine blutige und unsichre Sicherheit finden. Diese Übelthat wird die Herzen seines ganzen Volks erkälten, und ihren Eifer für ihn so sehr gefrieren machen, daß sie den schlechtesten Anlas, seiner Regierung ein Ende zu machen, mit Freuden ergreiffen werden. Es wird keine natürliche Ausdünstung in der Luft seyn, kein Mißgriff der Natur, kein Wetter-Tag, kein gemeiner Sturmwind, keine gewöhnliche Naturbegebenheit, denen sie nicht eine übernatürliche Ursache geben, die sie nicht Meteore, Wunderzeichen, Mißgeburten und Vorbedeutungen, kurz, Zungen des Himmels nennen werden, die überlaut wider Johann um Rache schreyen.

Ludwig. Es ist aber möglich, daß er dem jungen Arthur das Leben läßt, und sich begnügt, ihn in einer ewigen Gefangenschaft zu halten.

Pandolph. O Prinz, wenn er von eurer Annäherung hören wird, und Arthur nicht schon fort ist, so stirbt er denselben Augenblik: Und dann werden die Herzen aller seiner Unterthanen sich wider ihn empören, sich nach Veränderung sehnen, und von dieser blutigen That Anlas zu Aufruhr und Krieg nehmen. Mich däucht, ich sehe diesen Lermen schon vor meinen Füssen; und o! was kan für euch glüklichers gebrütet werden, als was ich gesagt habe! – Der Bastard Faulconbridge ist nun in England, brandschäzet die Kirche, und übet unchristliche Gewaltthätigkeit aus. Wenn nur zwölf bewehrte Franzosen dort wären, sie würden wie ein Zusammenruf seyn, und in einem Augenblik zehntausend Engländer an ihrer Seite sehen; oder wie ein kleiner Schneeball, der sich herabwälzt und ein Berg wird. Edler Dauphin, folge mir zum Könige; es ist erstaunlich, was für Folgen aus ihrem Mißverständniß gezogen werden können. Izt, da ihre Seelen von Unwillen bis oben an gefüllet sind, izt England zu; ich will an dem Könige treiben.

Ludwig.

Grosse Beweggründe zeugen grosse Thaten; wir wollen gehen; wenn ihr Ja sagt, wird der König gewiß nicht Nein sagen.

(Sie gehen ab.)

Vierter Aufzug

Erste Scene

(Verwandelt sich in England.)

(Ein Gefängniß.)

(Hubert und zween Nachrichter treten auf.)

Hubert.

Macht mir diese Eisen glühend, und, du dort, bleibe hinter den Tapeten stehen; und wenn ich mit dem Fuß stampfe, so rausch hervor und binde den Knaben, den du bey mir finden wirst, fest an den Lehnstuhl: Gieb wol Acht; hinweg und wache.

Nachrichter Ich hoffe, euer Befehl werde die That verantworten.

Hubert.

Unnöthige Bedenklichkeiten! Fürchtet nichts, habt Sorge – Junger Herr, kommt hervor, ich hab' euch was zu sagen. (Arthur tritt auf.)

Arthur.

Guten Morgen, Hubert.

Hubert.

Guten Morgen, kleiner Prinz.

Arthur.

Mit einem grossen Anspruch ein so kleiner Prinz als einer seyn mag.

Ihr seyd traurig.

Hubert.

In der That, ich bin schon lustiger gewesen!

Arthur. Der Himmel sey mir gnädig! Mich däucht, niemand sollte traurig seyn als ich; doch erinnre ich mich, wie ich noch in Frankreich war, an junge Leute, die aus lauter Muthwillen so traurig waren, wie die Nacht. So wahr ich ein Christ bin, wär ich nur aus dem Gefängniß und hütete Schaafe, ich wollte so frölich seyn als der Tag lang ist. Und das wollt' ich auch hier seyn, wenn ich nicht von meinem Oheim noch mehr böses besorgte. Ist es mein Fehler, daß ich Gottfrieds Sohn worden bin? In der That, es ist nicht; und wollte Gott ich wäre euer Sohn, so würdet ihr mich lieben, Hubert.

Hubert (vor sich.) Wenn ich mit ihm rede, so wird er durch sein unschuldiges Geschwäze mein erstorbnes Mitleiden aufweken. Ich will also eilen, und meinen Auftrag vollziehen.

Arthur. Seyd ihr krank, Hubert! Ihr seht heute so blaß aus; gewißlich, ich wollt' ihr wäret ein wenig krank, damit ich die ganze Nacht neben euch sizen und mit euch wachen könnte. Ach! ich liebe euch mehr, als ihr mich lieb habt.

Hubert.

Seine Reden dringen mir ins Herz.

(Er zeigt ihm ein Papier.)

Ließ hier, junger Arthur —

(Bey Seite.)

Wie nun, närrisches Wasser, must du mein gefrohrnes Mitleiden aufthauen! Ich muß es kurz machen, oder mein Entschluß vertröpfelt in weibischen Thränen aus meinen Augen – Könnt' ihr's nicht lesen? Ist es nicht schön geschrieben?

Arthur. Nur zu schön Hubert, zu einer so häßlichen Absicht. So müßt ihr meine beyden Augen mit Eisen ausbrennen.

Hubert.

Ich muß, junger Herr.

Arthur.

Und ihr wollt es?

Hubert.

Und ich will.

Arthur. Habt ihr das Herz dazu? wenn euch nur der Kopf weh that, so band ich euch mein Schnupftuch um die Stirne; (mein bestes das ich hatte, eine Princeßin hatt' es mir gestikt;) und ich fordert' es niemals wieder von euch; und des Nachts hielt' ich euch mit meiner Hand den Kopf, und wachte bey euch die ganze Nacht durch, und fragte alle Minuten: was fehlt euch? oder, wo thut's euch weh? oder, was kan ich euch zu liebe thun? Manches armen Manns Sohn würde still gelegen seyn, und nicht ein einziges freundliches Wort zu euch gesagt haben, und ihr hattet einen Prinzen zum Krankenwärter – Doch nein, ihr könnt denken, meine Liebe zu euch sey nur verstellt und eigennüzig gewesen. Thut es, wenn ihr wollt; wenn es dem Himmel so gefällt, daß ihr übel mit mir umgehen sollt, nun dann, so müßt ihr – wollt ihr mir die Augen ausreissen, die euch niemals nur einen sauern Blik gaben, und es auch niemals thun sollen?

Hubert. Ich habe geschworen, daß ich es thun wolle, und ich muß sie mit glühenden Eisen ausbrennen.

Arthur. Ach, niemand, als in dieser eisernen Zeit, würde das thun. Das Eisen selbst, obgleich feuerroth von Hize, würde, wenn es an diese Augen käme, meine Thränen trinken, und in ihrem unschuldigen Wasser seine feurige Wuth löschen. Seyd ihr härter als Eisen? O! wenn ein Engel zu mir gekommen wäre und hätte mir gesagt, Hubert werde mir die Augen ausstossen, ich hätt' es ihm nicht geglaubt; keiner andern Zunge würd' ichs glauben, als deiner eignen.

Hubert (stampft auf den Boden, und die Männer kommen herein.)

Hervor, thut wie ich euch befehle.

Arthur (erschroken.) O Hubert, rette mich! Meine Augen sind schon aus, nur von den grimmigen Bliken dieser blutigen Männer.

Hubert.

Gebt mir das Eisen sag ich, und bindet ihn hieher.

Arthur. O Gott, wozu habt ihr nöthig so ungestüm-rauh zu seyn? Ich will mich nicht sträuben, ich will wie ein Stein still halten. Um des Himmels willen, Hubert, laßt mich nicht binden! Nein, höre mich, Hubert, treibe diese Männer weg, und ich will ruhig still sizen wie ein Lamm. Ich will mich nicht regen, nicht wimpern, kein Wort reden, und das Eisen nicht zornig ansehen: Schiket nur diese Männer fort, und ich will euch vergeben, was ihr mir auch für Marter anthun möget.

Hubert.

Geht, bleibt vor aussen, laßt mich allein mit ihm.

Nachrichter.

Es ist mir lieber, weit von einer solchen That zu seyn.

(Sie gehen ab.)

Arthur. Ach, so hab ich meinen Freund weggetrieben; er hat einen erschreklichen Blik, aber ein mitleidiges Herz; laßt ihn wieder herein kommen, damit sein Mitleiden das eurige aufweke.

Hubert.

Komm, Junge, bereite dich.

Arthur.

Ist denn kein Mittel?

Hubert.

Keines, als deine Augen zu verliehren.

Arthur. O Himmel! daß doch nur ein Stäubchen, ein Splitterchen, eine Müke, ein irrendes Haar in den eurigen wäre; wenn ihr fühltet, was für Ungemach die kleinsten Dinge in diesem kostbaren Sinn anrichten, euer grausames Vorhaben müßt' euch entsezlich vorkommen.

 

Hubert.

Ist diß dein Versprechen; komm her, schweig und rühre dich nicht —

Arthur. Hubert, du willt mir nicht erlauben, daß ich um meine Augen jammere; ach, heisse mich nicht schweigen, Hubert, heisse mich's nicht; oder schneide mir die Zunge aus, wenn du willt, und laß mich nur meine Augen behalten. Sieh, bey meiner Treu, das Eisen ist kalt, und würde mir kein Leid thun.

Hubert.

Ich kan es wieder heiß machen, Junge.

Arthur. Nein, in rechtem Ernst, das Feuer ist vor Schmerz todt, daß es, zum Trost der Menschen erschaffen, zu einer solchen Grausamkeit gebraucht werden soll. Seht nur selbst, diese brennenden Kohlen haben keine Kraft mehr; der Athem des Himmels hat sie ausgelöscht, und mit reuiger Asche überstreut.

Hubert.

Aber ich kan sie mit meinem Athem wieder anblasen.

Arthur. Und wenn ihr's thut, Hubert, so werdet ihr sie nur erröthen, und über euer Verfahren vor Schaam glühen machen; ja, vielleicht werden sie euch in die Augen funkeln, wie ein Hund, der zum Angreiffen genöthigt wird, nach seinem Meister schnappt, der ihn anhezt. Alle Dinge, die ihr gebrauchen könnt mir übels zu thun, versagen ihren Dienst; ihr allein habt nicht einmal so viel Erbarmen mit mir, als Feuer und Eisen, Geschöpfe, die doch zu den unbarmherzigsten Verrichtungen gebraucht werden.

Hubert. Wohlan dann, sieh und lebe; ich will deine Augen nicht anrühren, wenn mir gleich dein Oheim alle seine Schäze geben wollte. Und doch hab' ich geschworen; und ich war entschlossen, mit diesem Eisen hier sie auszubrennen.

Arthur. O! nun seht ihr wieder wie Hubert aus. Alle diese Weile war't ihr verlarvt.

Hubert. Stille, nichts weiter. Adieu; euer Oheim darf nichts anders wissen, als daß ihr todt seyd. Ich will diese hündische Auflaurer mit falschen Nachrichten anfüllen; und du, holdseliges Kind, schlaffe ruhig, und sicher, daß Hubert, um die ganze Welt, dir nichts Leides thun wollte.

Arthur.

O Himmel! ich danke euch, Hubert.

Hubert. Stille, nichts weiter; geh' sachte mit mir hinein; ich seze mich keiner kleinen Gefahr um deinetwillen aus.

(Sie ziehen ab.)

9{ed. – *Dieses Gleichniß, das an sich selbst an diesem Ort nicht zur Sache paßt, ist, wie viele andere Stellen in diesem Stüke, eine Anspielung auf die spanische Invasion im Jahr 1588, und die damalige Zeit-Umständ; indem dieses Schauspiel längstens einen oder zween Winter darnach zum erstenmal aufgeführt wurde. Warburton.}