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Das Leben und der Tod des Königs Lear

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Sechszehnter Auftritt

Gonerill.

Hörtet ihr das?

Albanien. Die grosse Liebe die ich zu euch trage, kan mich nicht so partheyisch machen, Gonerill —

Gonerill.

Ich bitte euch, seyd ruhig – Wie? Oswald; hO! Ihr, Sir, mehr Spizbube als Narr, folgt euerm Herrn.

Narr.

Nonkel Lear, Nonkel Lear! warte, nimm den Narren mit dir. Ein Fuchs, wenn jemand einen gefangen hat, und eine solche Tochter sollten beyde erdrosselt werden, wenn ich für meine Kappe einen Strik kauffen könnte; und hiemit zieht der Narr ab.

(Geht ab.)

Gonerill. Dieser Mann hat gute Anschläge! – Hundert Ritter? das wäre politisch, und sicher, ihn hundert Ritter halten zu lassen – Wahrhaftig! damit er wegen eines jeden Traums, einer jeden Grille, jeder kleinen Beschwerung oder Unzufriedenheit wegen, seinen Aberwiz durch ihre Macht schüzen, und unser Leben in seiner Willkühr haben könnte – Oswald, sag ich!

Albanien.

Eure Furcht kan zu weit gehen —

Gonerill. Es ist sicherer, als zuviel trauen. Laßt mich immer die Kränkungen die ich befürchte, aus dem Wege räumen, anstatt immer zu fürchten, daß ich gekränkt werde. Ich kenne sein Herz; ich habe meiner Schwester geschrieben, was für Reden er ausgestossen hat; wenn sie ihn mit seinen hundert Rittern unterhalten wird, nachdem ich ihr die Unschiklichkeit davon gezeigt haben werde. – (Der Haushofmeister kömmt.) Wie steht es, Oswald? Habt ihr den Brief an meine Schwester geschrieben?

Hofmeister.

Ja, Gnädige Frau.

Gonerill. Nehmet einige Leute mit euch, und ohne Verzug zu Pferde; berichtet sie umständlich von allen meinen Besorgnissen, und füget solche Gründe von euern eignen bey, die zu derselben Bestätigung dienen können. Eilet, und beschleuniget eure Rükkunft.

(Der Hofmeister geht ab.)

Nein, nein, Mylord, ob ich gleich diese milchigte Gelindigkeit eurer Gemüthsart nicht schelten will, so werdet ihr doch, mit Erlaubniß, mehr wegen Mangel an Klugheit getadelt, als wegen dieser harmlosen Mildigkeit gepriesen.

Albanien. Wie weit eure Augen ins Verborgne dringen mögen, kan ich nicht sagen; aber die Bestrebung nach etwas besserm, beraubt uns oft dessen was gut war.

Gonerill.

Nun dann —

Albanien.

Wohl, wohl, der Ausgang —

(Sie gehen ab.)

Siebenzehnter Auftritt

(Ein Vorhof an des Herzogs von Albaniens Palast.)

(Lear, Kent, Ritter und Narr treten wieder auf.)

Lear. Geht ihr voraus zu Gloster mit diesen Briefen. Sagt meiner Tochter von allem was ihr wißt, nichts weiter, als was sie euch aus dem Briefe fragen wird; wenn ihr nicht sehr eilfertig seyn werdet, so werde ich vor euch dort seyn.

Kent.

Ich will nicht schlafen, Mylord, bis ich eure Briefe abgegeben habe.

(Geht ab.)

Narr.

Wenn jemands Hirn in seinen Fußsolen wäre, wäre es nicht in Gefahr, Schwülen zu kriegen?

Lear.

Freylich, Junge.

Narr. So bitt' ich dich, sey nur gutes Muths, dein Wiz wird die Schuhe nie zu Pantoffeln machen müssen.

Lear.

Ha, ha, ha!

Narr. Wirst sehen, deine andre Tochter wird freundlich gegen dich seyn; denn, wenn sie schon dieser hier so ähnlich sieht als ein Holzapfel einem Apfel, so weiß ich doch wol, was ich weiß —

Lear.

Was weist du denn, Junge?

Narr.

Sie wird dieser hier so ähnlich schmeken als ein Holzapfel einem Holzapfel. Kanst du sagen, warum einer seine Nase mitten im Gesichte stehen hat?

Lear.

Nein.

Narr. Warum? Damit er auf jeder Seite seiner Nase ein Auge habe, um das was er nicht riechen kan, zu sehen.

Lear (vor sich).

(Ich that ihr Unrecht) —

Narr.

Kanst du sagen, wie eine Auster ihre Schaale macht?

Lear.

Nein.

Narr. Ich auch nicht; aber ich kan sagen, warum eine Schneke ihr Haus trägt.

Lear.

Warum?

Narr. Warum? ihren Kopf darein zu ziehen, und nicht es an ihre Töchter zu verschenken, und ihre Hörner ohne Futteral zu lassen.

Lear.

Ich will meine Natur vergessen – ein so gütiger Vater! Sind meine Pferde fertig?

Narr.

Deine Esel sind gegangen, darnach zu sehen; die Ursache, warum das Sieben-Gestirn nicht mehr als sieben Sterne hat, ist eine artige Ursache.

Lear.

Weil es nicht acht sind.

Narr.

Das ist es, in der That – du würdest einen feinen Narren abgeben.

Lear.

Es mit Gewalt wieder zu nehmen! – Ungeheuer von Undankbarkeit!

Narr. Nonkel, wenn ihr mein Narr wäret, so würd' ich dich geprügelt haben, weil du vor der Zeit alt worden bist.

Lear.

Wie so?

Narr.

Du hättest nicht alt werden sollen, bis du klug gewesen wärest.

Lear.

O! laß mich nicht wahnwizig werden, nicht wahnwizig, gütiger Himmel! Erhalte mich gelassen, ich möchte nicht wahnwizig seyn.

(Ein Ritter kömmt.) Sind die Pferde fertig?

Ritter.

Ja, Mylord.

Lear.

Komm, Junge.

(Sie gehen ab.)

Zweyter Aufzug

Erster Auftritt

(Ein Schloß des Grafen von Gloster.)

(Edmund und Curan treten von verschiedenen Seiten auf.)

Edmund.

Glük zu, Curan!

Curan. Und euch, Sir. Ich bin bey euerm Vater gewesen, und habe ihm angesagt, daß der Herzog von Cornwall und Regan seine Gemahlin, heute bey ihm übernachten werden.

Edmund.

Wie kömmt das?

Curan. Das weiß ich nicht; ihr habt ohne Zweifel gehört was Neues vorgeht – ich meyne Neuigkeiten, die ins Ohr geflüstert werden; denn es sind noch Heimlichkeiten.

Edmund.

Ich weiß nichts; ich bitte euch, was ist es?

Curan. Habt ihr nichts von einem vermuthlichen Krieg zwischen den Herzogen von Cornwall und Albanien gehört?

Edmund.

Nicht ein Wort.

Curan.

So könnt ihr euch beizeiten anschiken. Lebet wohl, Sir.

(Gehen ab.)

Zweyter Auftritt

Edmund. Der Herzog auf die Nacht hier! desto besser! ja das Beste! Das webt sich selbst mit Gewalt in mein Geschäfte ein. Mein Vater hat Wachen ausgestellt, sich meines Bruders zu bemächtigen; und ich habe nur noch eine Kleinigkeit zu verrichten – Kürze und Glük! – Bruder, ein Wort, kommt herunter; Bruder, sag ich – (Edgar kömmt.) Mein Vater wacht – O Sir, flieht diesen Ort. Es ist verrathen worden, wo ihr verborgen seyd; ihr habt izt den Vortheil der Nacht – Habt ihr nichts wider den Herzog von Cornwall gesprochen? Er kömmt noch diese Nacht hieher, in gröster Eile, und Regan mit ihm; habt ihr nichts zum Besten seiner Parthey wider den Herzog von Albanien gesprochen? Besinnet euch!

Edgar.

Ich kan euch versichern, kein Wort.

Edmund. Ich höre meinen Vater kommen. Verzeihet mir – aus Verstellung muß ich meinen Degen gegen euch ziehen. – Ziehet, stellet euch als ob ihr euch vertheidiget – Nun ist es genug, weichet – kommt meinem Vater zuvor —

(laut)

Licht, he! holla!

(leise)

Flieht, Bruder —

(laut)

Fakeln!

(leise)

lebet wohl!

(Edgar flieht.)

Ein wenig Blut würde die Meynung erweken, daß ich einen härtern Stand gehabt hätte,

(er verwundet sich am Arm.)

Ich habe Trunkenbolde gesehen, die nur zum Scherz mehr gethan haben als diß;

(laut)

Vater, Vater! Haltet ihn! Haltet ihn! Will mir niemand helfen?

Dritter Auftritt

(Gloster und Bediente mit Fakeln.)

Gloster.

Nun, Edmund, wo ist der Bösewicht?

Edmund.

Hier stund er im Finstern, sein blosses Schwerdt in der Hand, und murmelte verfluchte Zauberwörter um den Mond zu beschwören, seinem Vorhaben günstig zu seyn —

Gloster.

Aber wo ist er dann?

Edmund.

Sehen Sie, Mylord, ich blute.

Gloster.

Wo ist der Bösewicht, Edmund?

Edmund.

Dahinaus floh' er, Mylord, wie er sahe daß es unmöglich war —

Gloster.

Verfolgt ihn, fort, sezt ihm nach! – daß es unmöglich war – Was?

Edmund. Mich zu bereden, Euer Gnaden zu ermorden; sondern ich ihm entgegen hielt, daß die rächenden Götter alle ihre Donnerkeile auf Vatermörder schiessen, und mit wie vielen und grossen Pflichten ein Sohn seinem Vater verbunden sey – Kurz, Mylord, da er sah' wie sehr ich seinem unnatürlichen Vorhaben entgegenstund, fiel er mich in gröster Wuth an, da ich mich nichts weniger versah', und verwundete mich am Arm; wie er aber merkte, daß meine billig aufgebrachte Lebensgeister, kühn auf die Gerechtigkeit meiner Sache, sich seinem Angriff entgegensezten, oder vielleicht weil ihn der Lerm den ich machte, erschrekte, floh' er plözlich davon.

Gloster. Laßt ihn fliehen: in diesem Land kan er nicht bleiben, ohne gefangen zu werden, und nicht gefangen werden, ohne seinen Lohn zu bekommen. Der Herzog, mein Herr, mein würdiger Gebieter und Gönner, kommt diese Nacht; unter seinem Namen, will ich ausruffen lassen, daß derjenige, der ihn findet, und den meuchelmördrischen Buben zu seiner Straffe einliefert, unsern Dank, und wer ihn verbirgt, den Tod zum Lohn haben soll.

Edmund. Als ich ihn von seinem Vorhaben abmahnte, und ihn so entschlossen fand, es zu vollbringen, drohte ich ihm zulezt mit heftigen Ausdrüken ihn zu verrathen – Du unverständiger Bastard, antwortete er mir, meynst du wenn ich gegen dir stünde, irgend eine Meynung, die man von deiner Treue, Tugend oder Rechtschaffenheit gefaßt haben kan, würde deinen Worten Glauben verschaffen, wenn ich läugne, wie ich thun werde, und wenn du auch meine eigne Handschrift aufweisen würdest! Ich wollte machen, daß alles deinem Antrieb, deinen geheimen Absichten und verdammten Ränken beygemessen würde; und du müßtest einen Dummkopf aus der Welt machen, wenn sie nicht denken sollte, die Vortheile die du von meinem Tode hättest, seyen stark genug dich anzuspornen, ihn zu suchen.

 

Gloster. O! unerhörter verhärtetet Bösewicht! – Er wollte seinen Brief ableugnen? – Nein, ich hab ihn nicht gezeugt. – Höre, des Herzogs Trompeten! Ich weiß nicht warum er kömmt – Alle Häven will ich sperren – Der Lasterbube soll nicht entrinnen – Das muß mir der Herzog bewilligen; auch will ich sein Bildniß allenthalben umherschiken, damit das ganze Königreich die nöthige Kenntniß von ihm habe; und von allen meinen Ländereyen, will ich dich, mein getreuer und natürlicher Sohn, erbfähig zu machen wissen.

Vierter Auftritt

(Cornwall, Regan und Gefolge.)

Cornwall. Wie geht's, mein edler Freund? Seit ich hier angelangt bin, welches doch nur eben izt ist, hab ich seltsame Neuigkeiten gehört.

Regan.

Wenn sie wahr sind, so fällt alle Rache zu kurz, die den Übelthäter verfolgen kan; wie befindet ihr euch, Mylord?

Gloster.

O, Madam, mein altes Herz ist gebrochen, in Stüken zerschlagen!

Regan. Wie? Meines Vaters Taufpathe;6 der, dem mein Vater den Namen gab, euer Edgar?

Gloster.

O Lady, Lady, die Schaam möchte es verbergen können!

Regan.

War er etwann ein Gespiel von den lüderlichen Rittern, die meinen Vater bedienen?

Gloster.

Ich weiß es nicht, Gnädige Frau; es ist zu arg, zu arg!

Edmund.

Ja, Gnädige Frau, er war von dieser Cameradschaft.

Regan. Kein Wunder also, wenn er so schlimme Dinge vornahm; sie sind es, die ihn zur Ermordung des alten Mannes aufgemuntert haben, um seine Einkünfte mit ihm verprassen zu können. Ich habe eben diesen Abend von meiner Schwester genaue Nachrichten von ihnen erhalten, und mit solchen Umständen, daß wenn sie kommen, sich in meinem Haus aufzuhalten, ich nicht daheim seyn werde.

Cornwall. Noch ich, das versichre ich dich, Regan. Ich höre, Edmund, daß ihr euerm Vater eine grosse Probe von kindlicher Liebe gegeben habt.

Edmund.

Es war meine Pflicht, Mylord.

Gloster. Er entdekte seine boshaften Anschläge, und bekam diesen Stoß von ihm, wie ihr sehet, da er sich bemühete ihn abzuhalten.

Cornwall.

Wird er verfolgt?

Gloster.

Ja, mein gütiger Lord.

Cornwall. Wenn er ertappt wird, so soll jedermann seinetwegen ausser Furcht gesezt werden: Bedient euch hierinn aller meiner Gewalt nach euerm eignen Gefallen. Was euch betrift, Edmund, dessen Tugend und kindliche Treue sich in dieser Probe selbst empfiehlt, Ihr sollt der Unsrige seyn; Gemüther von so vollkommner Zuverlässigkeit haben wir am meisten nöthig; wir bemächtigen uns hiemit Eurer Dienste.

Edmund.

Aufs wenigste, werde ich Euer Gnaden getreulich dienen.

Gloster.

Ich danke Euer Gnaden.

Cornwall.

Ihr wißt nicht, warum wir euch diesen Besuch machen —

Regan. Bey so ungewohnter Zeit, und in der finstersten Nacht; – Umstände, edler Gloster, von einigem Gewicht, worinn wir euers Raths bedürfen, veranlasen uns. Unser Vater, unsre Schwester, haben beyde über Zwistigkeiten geschrieben, die ich am füglichsten aus euerm Hause beantworten zu können glaubte; die verschiedenen Boten erwarten von hier, abgefertiget zu werden. Ihr, unser guter alter Freund, helfet zu unsrer Beruhigung, und ertheilet euern nöthigen Rath zu unsern Angelegenheiten, welche augenblikliche Besorgung erfodern.

Gloster. Ich bin zu Dero Diensten, Madame; Euer Gnaden sind höchlich willkommen.

(Sie gehen ab.)

Fünfter Auftritt

(Kent und der Haushofmeister der Lady Gonerill treten von verschiedenen Seiten auf.)

Hofmeister.

Einen guten Abend, Freund; bist du hier vom Hause?

Kent.

Ja.

Hofmeister.

Wo können wir unsre Pferde abstellen?

Kent.

Im Koth.

Hofmeister.

Sey so gut und sag mir's, wenn du mich liebst.

Kent.

Ich liebe dich nicht.

Hofmeister.

So frag ich auch nichts nach dir.

Kent. Wenn ich dich kreuzweise gebunden in Lipsbury hätte, ich wollte dich lehren nach mir zu fragen.

Hofmeister.

Warum begegnest du mir so, der ich dich nicht einmal kenne?

Kent.

Ich kenne dich, Bursche.

Hofmeister.

Wofür kennst du mich dann?

Kent. Für einen Schlingel, einen Schurken, einen Tellerleker, einen niederträchtigen, hochmüthigen, holen, bettlermässigen, drey- rokichten, schmuzigen, lumpichten Schurken, einen weißleberichten, maußköpfigen Schurken, einen Huren-Sohn von einem glasaugichten, überdienstfertigen, abgefeimten Galgenschwengel; einen, der eine Kupplerin seyn würde, um jemanden einen Dienst zu thun, und der nichts anders ist als eine Composition von einem Spizbuben, einem Bettler, einer Memme und einem Hurenwirth, und der Sohn und Erbe einer Bastard-Hündin; einen den ich prügeln will, bis du wie ein kleiner Junge weinst, wofern du nur eine einzige Sylbe von diesem deinem Titel läugnest.

Hofmeister. Wie? was für ein ungeheurer Kerl bist du, einen Menschen so zu schimpfen, den du nicht kennst, und der dich nicht kennt?

Kent. Und was für ein ausgeschämter Raker bist du, zu läugnen, daß du mich kennst? Ist es schon zwey Tage, seitdem ich dir ein Bein unterschlug, und dich vor dem König prügelte? Zieht vom Leder, ihr Schurke; wenn es schon Nacht ist, so scheint doch der Mond; ich will machen, daß er durch euch hindurch scheinen soll; ihr Hurensohn von einem rakermässigen Bartkrazer, zieht.

Hofmeister.

Fort, ich habe nichts mit dir zu thun.

Kent. Zieht, ihr Halunke! Ihr kommt mit Briefen wider den König, und nehmt des Püppchens (Vanitas) Parthey wider die Majestät ihres Vaters; zieht, ihr Lumpenhund, oder ich will eure Beine dermassen rösten – zieht, sage ich, hieher, Schurke —

Hofmeister.

Hülfe! ho! Mörder! Mörder! Hülfe!

Kent. Wehr dich, du Sclave! Steh, Galgenschwengel, steh, du mausköpfichter Sclave, wehre dich.

(Er prügelt ihn.)

Hofmeister.

Hülfe, ho! Mörder! Mörder! —

Sechster Auftritt

(Edmund, Cornwall, Regan, Gloster und Bediente.)

Edmund.

Was giebts hier? Was habt ihr mit einander? – Hinweg —

Kent. Mit euch, Herr Bube, wenn es euch beliebt; kommt, ich will euch trillen; hieher, junger Herr!

Gloster.

Waffen? Schwerdter? Was sind das für Händel hier?

Cornwall. Haltet Frieden, so lieb euch euer Leben ist; der ist des Todes, der noch einmal schlägt; was ist die Sache?

Regan.

Es sind die Abgeschikten von unsrer Schwester, und vom König.

Cornwall.

Was ist euer Zwist? redet.

Hofmeister.

Ich kan kaum Athem holen, Mylord.

Kent. Kein Wunder, da ihr eure Dapferkeit so angespornt habt; ihr hasenfüssiger Schurke! Die Natur sagt sich von allem Antheil an dir los; ein Schneider machte dich.

Cornwall.

Du bist ein seltsamer Bursche – ein Schneider einen Menschen machen!

Kent. Ich, Mylord, ein Schneider, ein Steinmez, oder ein Mahler, könnten ihn nicht so schlecht gemacht haben, wenn er auch nur zwo Stunden in der Arbeit gewesen wäre.

Cornwall.

Aber sagt, worüber euer Zank entstanden?

Hofmeister. Der alte Jauner, Mylord, dessen Leben ich aus Achtung für seinen grauen Bart gesparet habe, —

Kent.

Du Hurensohn von einem Zet; du unnöthiger Buchstabe! Mylord, wenn ihr mir Erlaubniß geben wollt, so will ich diesen ungereiterten Galgenschwengel in einem Mörsel stossen, und die Mauer eines Secrets mit ihm anstreichen. Meinen grauen Bart sparen – du Bachstelze!

Cornwall.

Halt ein, Flegel! du viehischer Schurke – kennst du keine Ehrfurcht?

Kent.

Ja, Sir, aber Zorn hat ein Privilegium.

Cornwall.

Warum bist du zornig?

Kent. Daß solch ein Sclave wie dieser, ein Schwerdt tragen soll, der keinen ehrlichen Blutstropfen im Leib hat; solche lächelnde Schurken wie dieser, beissen oft, gleich den Razen, die heiligen Knoten entzwey, die zu verflochten sind um aufgelöst zu werden; schmeicheln jeder Leidenschaft die ihre Herren dahinreißt, schütten Öl in die Flamme, und Eis in ihren Kaltsinn; verneinen, bejahen, und drehen ihren Eisvogels-Schnabel nach jedem veränderlichen Lüftchen ihrer Gebieter; als Leute, die gleich den Hunden nichts wissen, als andern nachzulauffen. Daß die Pest ein solch epileptisches Gesicht! – Ihr lächelt zu meinen Reden als ob ich ein Narr sey! Ihr Gänse, hätte ich euch auf der Ebne von Salisbury, ich wollte euch schnatternd bis heim nach Camelot7 treiben.

Cornwall.

Bist du aberwizig, alter Bursche?

Gloster.

Wie kamet ihr aus? Sagt uns das.

Kent. Es ist keine solche Antipathie in der Natur, als die meinige gegen einen solchen Schlingel.

Cornwall.

Warum nennst du ihn einen Schlingel? was ist sein Vergehen?

Kent.

Ich kan seine Figur nicht leiden.

Cornwall.

Vielleicht die meinige, oder dieser oder dessen hier nicht besser.

Kent. Herr, meine Art ist aufrichtig zu seyn: Ich habe zu meiner Zeit bessere Gesichter gesehen, als auf irgend einer Schulter stehen, die ich diesen Augenblik vor mir habe.

Cornwall. Diß ist einer von den Burschen, die, wenn sie etwann einmal wegen einer Brüskerie gelobt worden, eine verdrießliche Grobheit affectieren, und sich von allen Gesezen des eingeführten Wohlstands los machen – "Er kan nicht schmeicheln, er – ein ehrlicher Mann muß aufrichtig seyn, er muß die Wahrheit reden; wollen sie sich's gefallen lassen, gut; wo nicht, so ist er aufrichtig." Diese Art von Spizbuben kenn ich, die unter dieser Aufrichtigkeit oft mehr Arglist und schlimmere Absichten verbergen, als zwanzig solcher seidenen untertauchenden Hofschranzen, die so subtil in Ausdehnung ihrer Pflichten sind.

Kent.

Mylord, in vollem Ernst, und nach der lautersten Wahrheit, unter der Nachsicht euers grossen Aspects, dessen Einfluß, gleich der Crone von stralendem Feuer auf der wallenden Stirne des Phöbus —

Cornwall.

Was willt du mit diesem Galimathias?

Kent. Eine Sprache fahren lassen, die ihr so übel empfehlet: Ich weiß, Mylord, daß ich kein Schmeichler bin; der, der euch in einer ganz platten Sprache betrogen hat, ist ein platter Spizbube, welches ich nicht seyn will, wenn ich mir gleich dadurch euern Unwillen zuziehen sollte.

Cornwall (zum Hofmeister).

Was habt ihr ihm denn zu Leide gethan?

Hofmeister. Nicht das mindeste, Mylord. Es gefiel dem König seinem Herrn, unlängst mich wegen eines Mißverstands zu schlagen; sogleich nahm er sich der Sache an, um dem Unwillen seines Herrn zu schmeicheln, unterschlug mir ein Bein, verspottete und beschimpfte mich, da ich zu Boden lag, und wurde von dem König gelobt, daß er einen Mann anfiel, der aus Respect sich nicht zu wehren begehrte; und von dieser dapfern That aufgemuntert, zog er hier wieder gegen mich.

Kent. Es ist keiner von diesen Schlingeln und Memmen, der nicht den Ajax zu seinem Muster mache.

Cornwall. Schafft Fuß-Stöke herbey. Du starrköpfiger alter Schurke, du ehrwürdiger Großsprecher, wir wollen dich lehren —

Kent. Herr, ich bin zu alt zum lernen; fodert eure Fuß-Stöke nicht für mich; ich diene dem König; ihr würdet wenig Ehrerbietung und eine zu verwegne Bosheit gegen die höchste Person meines Herrn verrathen, wenn ihr seinen Abgeordneten in den Stok legen würdet.

 

Cornwall. Fuß-Stöke herbey! So wahr ich Leben und Ehre habe, er soll darinn sizen bis Mittag.

Regan.

Bis Mittag! Bis Nacht, Mylord, und alle übrige Nächte dazu.

Kent. Wie, Madame, wenn ich euers Vaters Hund wäre, ihr könntet mir nicht so begegnen!

Regan.

Sir, weil ihr meines Vaters Spizbube seyd, so will ich.

Cornwall. Das ist ein Bursche von eben der Gattung, wovon unsre Schwester spricht. Kommt, bringt die Fuß-Stöke.

Gloster. Euer Gnaden lassen sich erbitten, es nicht zu thun. Sein Vergehen ist groß, und der gute König, sein Herr, wird ihn deswegen bestraffen; die Straffe, die ihr vorhabet, ist von einer Art, daß nur die schlechteste und niedrigste Art von Elenden, wegen Mausereyen und dergleichen pöbelhaften Unfugen, damit bestraft werden. Der König muß es übel nehmen, daß er in seinem Abgeschikten so schlecht geachtet würde —

Cornwall.

Ich will das verantworten.

Regan. Meine Schwester kan es noch weit übler nehmen, daß ihr Edelmann wegen Ausrichtung ihrer Befehle so mißhandelt werden soll – Legt seine Beine hinein.

(Kent wird in den Stok gelegt.)

Kommt, Mylord, wir wollen gehen.

(Regan und Cornwall gehen ab.)

6Hier vergißt der Poet mit einer ihm sehr gewöhnlichen Distraction, daß seine Personen Heiden sind.
7Diß war der Ort, wo, nach den Romanzen, König Arthur sein Hoflager im Westen hatte; und es scheint also dieses eine Anspielung auf irgend eine sprüchwörtliche Redensart in den alten Ritterbüchern zu seyn.