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Eine verhängnisvolle Erbschaft

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So lautete unsere Petition, soweit ich fähig bin, sie wiederzugeben.

Die Entscheidung lag in den Händen der Lordrichter. Sie entschieden gegen uns.

Während sie ein taubes Ohr für unsere Zeugen und Argumente hatten, erklärten diese erbarmungslosen Juristen, daß die individuelle Behauptung des Doktors von der Verrücktheit meines Mannes ausreichend für sie war. Sie meinten, daß für Roland in der Anstalt mit einem Taschengeld von sechshundert Pfund im Jahr genügend Komfort bereitgestellt wurde – und übergaben ihn für den Rest seines Lebens der Anstalt.

Soweit es mich betraf, wurde ich der Stellung als Rolands Frau infolge dieses niederträchtigen Urteils beraubt; kein Verrückter ist nämlich fähig, eine gesetzliche Ehe zu schließen. Soweit es meinen Mann betraf, wird das Ergebnis am besten in der Sprache einer bekannten Tageszeitung wiedergegeben sein, die einen Artikel zu diesem Fall veröffentlichte: »Es ist möglich« (sagte der Artikel – ich wünschte, ich könnte dem Mann, der ihn schrieb, persönlich danken!) »daß das Kanzleigericht einen Mann, der ein großes Vermögen hat, im besten Alter, aber ein wenig bekloppt ist, gefangennimmt und einen Affen aus ihm macht, und dann sich selbst unterstellt, daß für den Komfort und das Glück des Verrückten bei einem Aufwand von sechshundert Pfund im Jahr wirksam Vorsorge getroffen wurde.«

Roland war dennoch entschlossen, daß sie keinen Affen aus ihm machen sollten – und, wie Du Dir denken kannst, auch ich war es!

Aber uns blieb eine Alternative. Die Richter des Kanzleigerichts sind (innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs) die tyrannischsten Richter auf der Erdoberfläche. Unsere einzige Hoffnung lag in der Flucht. Der Preis unserer Freiheit, als Bürger von England, war Exil von unserem Geburtsland, und den völligen Verzicht auf Rolands Vermögen. Wir akzeptierten diese harten Bedingungen. Das gastfreundliche Amerika bot uns Schutz, jenseits der Reichweite von Irrenärzten und Lordrichtern. Zum gastlichen Amerika wandten sich unsere Herzen als unserem zweiten Heimatland. Die bedeutende Frage war: Wie würden wir dort hingelangen?

Wir hatten versucht, per Brief in Verbindung zu treten, und es war mißlungen. Unsere Briefe waren entdeckt worden und vom Anstaltsleiter beschlagnahmt worden. Glücklicherweise hatten wir die Vorkehrung getroffen, in einer Geheimschrift nach Rolands Erfindung zu schreiben, die er mir vor unserer Hochzeit beigebracht hatte. Obwohl unsere Briefe unleserlich waren, wurde unsere Absicht selbstverständlich vermutet; und ein Auge wurde Tag und Nacht auf meinen Mann geworfen.

Während unser erster Versuch, heimlich Verabredungen für unsere Flucht zu treffen, vereitelt worden war, setzten wir unsere Korrespondenz (immer noch in Geheimschrift) mittels Anzeigen in den Tageszeitungen fort. Dieser zweite Versuch war seinerseits entdeckt worden. Roland wurde es verboten, die Zeitungen zu abonnieren und den Leseraum der Anstalt zu betreten. Diese tyrannischen Verbote kamen zu spät. Unsere Pläne hatten wir uns schon mitgeteilt; wir verstanden einander, und wir hatten jetzt nur noch unsere Zeit abzuwarten. Wir hatten veranlasst, daß mein Bruder und einer seiner Freunde, auf dessen Diskretion wir uns gänzlich verlassen konnten, abwechselnd jeden Abend zu einer bestimmten Zeit an einem vereinbarten Treffpunkt, drei Meilen entfernt von der Anstalt Wache halten sollten. Der Flecken war sorgfältig ausgewählt worden. Er war auf der Bank eines einsamen Wasserlaufs und nahe dem Rand eines dichten Waldes. Ein wasserfester Rucksack, der Wäsche zum Wechseln enthielt, ein falscher Bart und eine Perücke und ein paar Brötchen und Büchsenfleisch war in einem hohlen Baum versteckt. Mein Bruder und sein Freund nahmen immer ihre Angelruten mit und gaben sich zu jedem Fremden, der zufällig in ihre Sichtweite kommen konnte, als wären sie mit der unschuldigen Beschäftigung des Angelns befasst. Einmal ritt der Anstaltsleiter selbst zu meinem Bruder, auf der entgegengesetzten Bank des Baches und fragte höflich, ob sie anbissen!

Vierzehn Tage lang lösten diese unsere stillen Verbündeten einander von der Wache ab – und kein Zeichen eines Flüchtigen erschien. Am fünfzehnten Abend, als die Dämmerung in die Nacht überging und als mein Bruder (der an der Reihe war) gerade entschieden hatte, den Ort zu verlassen, traf Roland ihn auf der Bank des Flußlaufs.

Ohne einen Augenblick mit Worten zu verlieren, betraten die zwei den Wald und nahmen den Rucksack aus seinem Versteck in dem hohlen Baum. Nach zehn Minuten hatte mein Ehemann einen Satz Arbeitskleidung angezogen und wurde weiterhin mit der Perücke und dem Bart maskiert. Die zwei brachen, dem Flußlauf folgend, auf, wobei sie sich im Schatten des Waldes hielten, bis die Nacht eingebrochen war und die Dunkelheit sie verbarg. Die Nacht war wolkig; es gab keinen Mond. Nachdem sie zwei Meilen oder etwas mehr gegangen waren, änderten sie ihre Richtung und gingen auf die Hauptstraße nach Manchester zu, bis sie sie an einem Punkt dreißig Meilen von der Stadt entfernt betraten.

Auf ihrem Weg fort vom Wald beschrieb Roland die Art und Weise, in der er seine Flucht bewerkstelligt hatte.

Die Geschichte war einfach genug. Er hatte vorgetäuscht, an Nervenkrankheit zu leiden und gebeten, sein Essen in seinem Zimmer einzunehmen. Die ersten vierzehn Tage verabredeten sich zwei Männer, nacheinander auf ihn zu warten, Woche für Woche, die aber beide stärker als seinesgleichen waren. Der dritte dazu eingestellte Mann zu Beginn der dritten Woche war körperlich eine weniger gewaltige Person als seine Vorgänger. Als Roland das sah, entschied er bei Einbruch des Abends, einen weiteren Gewaltakt zu begehen. In schlichten Worten: er sprang auf den Aufseher, der in seinem Raum auf ihn wartete und knebelte und fesselte den Mann.

Nachdem dies getan war, legte er den unglücklichen Wärter mit dem Gesicht zur Wand auf sein eigenes Bett und bedeckte ihn mit seinem eigenen Mantel, so daß jeder, der den Raum betrat, vermuten würde, daß er sich zum Schlafen hingelegt hatte. Er hatte zuvor die Vorsichtsmaßnahme getroffen, die Laken von seinem Bett abzuziehen und hatte sie nun nur zusammenzuknoten und aus dem Fenster seines Zimmers zu fliehen, das im oberen Stock des Hauses lag. Die Sonne ging unter und die Insassen der Anstalt waren beim Tee. Nachdem er knapp einer Entdeckung von einem der Arbeiter, die im Erdgeschoß tätig waren, entwichen war, war er über die Gartenmauer geklettert und hatte sich auf die andere Seite fallen lassen – als freier Mann!

Auf der Hauptstraße nach Manchester angekommen, trennten sich mein Mann und mein Bruder.

Roland, der ein ausgezeichneter Fußgänger war, brach nach Manchester zu Fuß auf. Er hatte Essen in seinem Rucksack und nahm sich vor, ungefähr zwölf oder fünfzehn Meilen auf der Straße zu laufen, bevor er in einer Stadt oder einem Dorf haltmachte. Mein Bruder,der körperlich nicht imstande war, ihn zu begleiten, kehrte zu dem Ort zurück, in dem ich damals wohnte, um mir die gute Neuigkeit zu erzählen.

Am nächsten Morgen reiste ich mit dem ersten Zug nach Manchester und nahm Unterkunft in einem Vorort der Stadt, der meinem Ehemann ebenso gut wie mir bekannt war. Ein steifer, dunstiger Platz war in der unmittelbaren Nachbarschaft gelegen; und wir hatten vereinbart, daß, wer immer von uns als erstes in Manchester eintreffen sollte, um den Platz spazierte, zwischen elf und eins nachmittags und zwischen sechs und sieben abends. Am Abend hielt ich die Vereinbarung ein. Ein staubiger, fußkranker Mann in schäbigen Kleidern mit einem scheußlichen Bart und einem Rucksack auf dem Rücken traf mich bei meinem ersten Rundgang. Er lächelte, als ich ihn ansah. Ah! Ich erkannte dieses Lächeln trotz aller Maskierungen.Trotz des Kanzleigerichts und der Lordrichter, lag ich wieder in den Armen meines Mannes.

Still lebten wir in unserem Schlupfwinkel einen Monat lang . Während dieser Zeit ließen (wie ich aus Briefen meines Bruders erfuhr) der Anstaltsleiter und die Personen, die mit Roland zu tun hatten, nichts, was mit Geld und Gerissenheit getan werden konnte, unversucht. Aber welche Gerissenheit kann einen Mann aufspüren, der nachts verkleidet flieht,der weder Eisenbahn noch Kutsche getraut hat und der Zuflucht in einer riesigen Stadt sucht, in der er keine Freunde hat? Am Ende unseres Monats in Manchester reisten wir nordwärts, überquerten den Kanal nach Irland und verbrachten angenehme zwei Wochen in Dublin. Als wir dies wieder verließen, machten wir uns auf den Weg nach Cork und Queenstown und gingen an letztgenanntem Ort (in einer Menge von Schiffspassagieren) an Bord eines Dampfschiffes nach Amerika.