Grammatisches Kompendium

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4.3 LautentwicklungLautentwicklungen in der deutschen Sprachgeschichte

Die folgenden Termini bezeichnen LautwandelWandelLaut-Lautwandelvorgänge, die sich in der Geschichte der deutschen Sprache seit dem Althochdeutschen abgespielt haben und die nicht nur einzelne Wörter betrafen, sondern regelhaft gewirkt haben. In Anlehnung an Scherer (1890, S. 10–14) teilen wir die deutsche Sprachgeschichte samt ihren germanischen Vorstufen folgendermaßen ein:


150 v. Chr. – 150 n. Chr.
150–450
450–750
750–1050
1050–1350
1350–1650
seit 1650

Im AlthochdeutschAlthochdeutschen und beim Übergang zum MittelhochdeutschMittelhochdeutschen:

4.3/1 PrimärumlautUmlautPrimär-Primärumlaut

Ersetzung von [a] durch [E] vor [I], [i<] oder [j] in der unmittelbar folgenden SilbeSilbe.

Beispiele:

WortformWortformen wie ahdAlthochdeutsch. kraft (‘Kraft’, SingularSingular) – krefti (‘Kräfte’, PluralPlural), gast (‘Gast’) – gesti (‘Gäste’) und viele weitere zeigen, dass in AllomorphAllomorphen ein und desselben MorphemMorphems (▶ Nr. 5.1/4) die Kurzvokalkurz (Vokal)Vokalkurzkurz (Vokal)e [a] und [E] miteinander wechseln. Dabei erscheint [E] als UmlautUmlaut von [a] in einer WortformWortform immer dann, wenn in der unmittelbar folgenden SilbeSilbe der betreffenden WortformWortform einer der LautLaute [I], [i<] oder [j] steht. Wenn das [a] vor den LautverbindungenVerbindungLaut-Lautverbindung [xs], [xt], [rv] (geschrieben: <hs>, <ht>, <rw>) steht, findet trotz [I, i<, j] in der Folgesilbe kein UmlautUmlaut statt = [a] wird nicht umgelautet, z. B. [maxt] <maht> – [maxtI] <mahti> (‘Macht’, ‘Mächte’).

4.3/2 SekundärumlautUmlautSekundär-Sekundärumlaut

UmlautUmlaut von [a] zu [E], und zwar 1. auch vor den den PrimärumlautUmlautPrimär-Primärumlaut verhindernden KonsonantenverbindungenVerbindungKonsonanten-Konsonantenverbindung [xs], [xt], [rv] und 2. in dem Fall, dass [I, i<, j] erst in der zweitfolgenden SilbeSilbe stehen. Im weiteren Sinn: Ersetzung des langen VokalVokals [a<] durch [E<] und der dunkel (Vokal)dunklen Vokale = HinterzungenvokalVokalHinterzungen-Hinterzungenvokale durch die entsprechenden gerundet (Vokal)gerundeten hell (Vokal)hellen = vorderen VokalVokalvordererVokale = VorderzungenvokalVokalVorderzungen-Vorderzungenvokale vor [I, i<, j].

Beispiele:

SekundärumlautSekundärumlaut im engeren Sinn: 1. ahdAlthochdeutsch. mahtîg [maxt-] – mhdMittelhochdeutsch. mähtec [mECt-], 2. ahdAlthochdeutsch. faterlîh [fatEr-] – mhdMittelhochdeutsch. veterlich [fEt«r-]; SekundärumlautSekundärumlaut im weiteren Sinn: Ersetzung von [a<] durch [E<]: ahdAlthochdeutsch. mâri – mhdMittelhochdeutsch. mære ‘Erzählung’; von [U] durch [Y]: ahdAlthochdeutsch. turi – mhdMittelhochdeutsch. türe; von [u<] durch [y<]: ahdAlthochdeutsch. sûri – mhdMittelhochdeutsch. siure [sy<r«] ‘Säure’; von [o<] durch [O<]: ahdAlthochdeutsch. skôni – mhdMittelhochdeutsch. schœne; von [uío] durch [YíE]: ahdAlthochdeutsch. guoti – mhdMittelhochdeutsch. güete; von [oíu] durch [Oíu]: ahdAlthochdeutsch. (h)loufit – mhdMittelhochdeutsch. löufet ‘läuft’.

4.3/3 AbschwächungAbschwächung von unbetonten EndsilbenvokalEndsilbenSilbeEnd-- und MittelsilbenvokalSilbeMittel-Mittelsilbenvokalen

Ersetzung von »vollen« VokalenVokalvoll durch [«] (den Schwa-LautLautSchwa--Schwa-Laut = MurmelvokalVokalMurmel-Murmelvokal).

Beispiele:

geben: ahdAlthochdeutsch. geban [a] – mhdMittelhochdeutsch. geben [«], loben: ahdAlthochdeutsch. lobôn [o<] – mhdMittelhochdeutsch. loben, waren: ahdAlthochdeutsch. wârûn [u<] – mhdMittelhochdeutsch. wâren, Ende: ahdAlthochdeutsch. enti [i] – mhdMittelhochdeutsch. ende, lobte: ahdAlthochdeutsch. lobôta – mhdMittelhochdeutsch. lobete.

Im MittelhochdeutschMittelhochdeutschen:

4.3/4 AuslautverhärtungAuslautverhärtung

Ersetzung der stimmhaftKonsonantstimmhaften Explosivexplosiv/Explosive = Verschlusslaute (= MedienMedia) [b], [d], [g] durch die ihnen entsprechenden stimmlosstimmlosKonsonantstimmlosen Explosivexplosiv/Explosive = Verschlusslaute (= TenuisKonsonantTenuisTenues) [p], [t], [k] und der FrikativKonsonantfrikativ/Frikative = SpirantSpiranten = ReibelautKonsonantReibelaute [h], [v] (LenesLenisKonsonantLenis) durch die FortesFortisKonsonantFortis-Frikativfrikativ/FrikativKonsonantfrikativ/Frikative [x] und [f] im WortauslautAuslaut und vor stimmlosstimmlosen KonsonantKonsonantstimmlosen.

Beispiele:

Leib: lîb- [li<b] (z. B. in lîb-es) – lîp [li<p], Neid: nîd- [ni<d] – nît [ni<t], Tag: tag- [tag] – tac [tak]; sah: sah [sah] – sach [sax].

Beim Übergang vom MittelhochdeutschMittelhochdeutschen zum FrühneuhochdeutschFrühneuhochdeutschen/NeuhochdeutschNeuhochdeutschen:

4.3/5 NeuhochdeutschNeuhochdeutsche DiphthongierungDiphthongierung

Ersetzung der mhdMittelhochdeutschhoch (Vokal)Vokalhoch. hohen LangvokalVokallanglang (Vokal)e [i<], [y<], [u<] durch die DiphthongDiphthonge [aíe], [íO], [aío].

In den Wörtern der Beispiel-MerkhilfeMerkhilfeDiphthongierungDiphthongierungMerkhilfe mîn niuwez hûs [mi<n ny<v«s hu<s] und der nhd. Entsprechung mein neues Haus [maíen níO«s haíos] sind die betroffenen VokalVokale enthalten.

4.3/6 NeuhochdeutscheNeuhochdeutsch MonophthongierungMonophthongierung

Ersetzung der mhdMittelhochdeutsch. DiphthongDiphthonge [ií«], [uí], [yí«] durch die MonophthongMonophthonge [i<], [u<], [y<].

Beispiel-MerkhilfeMerkhilfeMonophthongierungMonophthongierungMerkhilfe:

mhdMittelhochdeutsch. liebe guote brüeder [lií«b« guít« bryí«d«r] – nhd. liebe gute Brüder [li<b« gu<t« büy<dŒ].

4.3/7 NeuhochdeutschNeuhochdeutsche DiphthongsenkungDiphthongsenkung

Ersetzung der mhdMittelhochdeutsch. DiphthongDiphthonge [eíi], [oííu], [Oíu] durch die DiphthongDiphthonge [aíe], [aío], [íO].

Beispiele:

mhdMittelhochdeutsch. bein [beíin] mit [eíi] etwa wie in englisch game – nhd. Bein [baíen]; mhdMittelhochdeutsch. boum [boíum] mit [oííu] etwa wie in engl. home – nhdNeuhochdeutsch. Baum [baíom]; mhdMittelhochdeutsch. böume [bOíum«] – nhd. Bäume [bíOm«].

4.3/8 NeuhochdeutschNeuhochdeutsche DehnungDehnungVokalDehnung in offenTonsilbeoffener TonsilbeSilbeTon-TonsilbeoffenSilbe

Ersetzung mhdMittelhochdeutsch. Kurzvokalkurz (Vokal)Vokalkurzkurz (Vokal)e durch die ihnen jeweils entsprechenden LangvokalVokallanglang (Vokal)e, wenn sie am Ende einer betontenbetontSilbeSilbebetonteSilbeoffene offenen Silbe (▶ Nr. 4.2/1) stehen.

Beispiele:

mhdMittelhochdeutsch. leben [lE|b«n] (der StrichStrichSilbengrenze kennzeichnet die SilbengrenzeSilbengrenzeSilbeSilbengrenze) – nhd. leben [le<|b«n]; mhdMittelhochdeutsch. tages [ta|g«s] – nhdNeuhochdeutsch. Tages [ta<|g«s]. Die DehnungDehnung unterbleibt in einigen UmgebungenUmgebung.

Hinweis: Der Terminus »Dehnung« ist mit anderer Bedeutung auch in der Orthographie gebräuchlich (»Kennzeichnung eines gedehnten = langen Vokals«, ▶ Nr. 9.3/11).

5 MorphologieMorphologie: Lehre vom Bau der Wörter
5.1 Allgemeines

In den vorangehenden Kapiteln wurden die beiden Seiten sprachlicher ZeichenZeichen getrennt voneinander betrachtet. In der Morphologie = MorphemikMorphemik wird das Zeichen wieder als Ganzes, als Kombination von AusdrucksAusdrucksseite- und InhaltsseiteInhaltsseite (▶ Nr. 1.1/1 bis 1.1/4), in den Blick genommen.

Im Folgenden wird zunächst das Minimalzeichen, das als Grundbegriff in der Morphologie eine ähnliche Rolle spielt wie BuchstabeBuchstabe und LautLaut in der GraphemikGraphemik bzw. PhonologiePhonologie (vgl. die Vorbemerkungen oben zu ▶ Nr. 3.2/1 und 4.1/1), analog zu den dort verwendeten Termini als MorphMorph, MorphemMorphem, AllomorphAllomorph bestimmt:

 

5.1/1 MinimalzeichenZeichenMinimal-Minimalzeichen

Zeichen, das nicht weiter in Zeichen zerlegt werden kann.

Beispiel:

Das Wort Geister ist im Gegensatz zum Wort Kleister kein Minimalzeichen, da es sich seinerseits in Zeichen zerlegen lässt: Geist (AusdrucksseiteAusdrucksseite: <geist> bzw. /gaíest/ – InhaltsseiteInhaltsseite: ‘Gespenst etc.’) und er <er> bzw. /«r/ – ‘Mehrzahl’). Dagegen ist das Wort Kleister ein Minimalzeichen: Zwar ist seine Ausdrucksseite in kleinere Abschnitte wie <klei> bzw. /klaíe/ und <ster> bzw. /st«r/ zerlegbar, doch haben diese keinen Zeichencharakter, da ihnen keine BedeutungBedeutungen zugeordnet sind. Eine andere Zerlegung der AusdrucksseiteAusdrucksseite von Kleister führt zwar zu Ausdrücken wie <kleist> bzw. /klaíest/ und <er> bzw. /«r/, denen Bedeutungen zugeordnet werden können; diese stehen aber in keinem Zusammenhang mit der Bedeutung des Ausgangswortes, Kleister. Eine solche bloß formale Zerlegung führt zu Gebilden, die gelegentlich PseudomorphemMorphemPseudo-Pseudomorpheme genannt werden.

5.1/2 MorpheMorph

MinimalzeichenMinimalzeichen, noch ohne Berücksichtigung ihrer Zugehörigkeit zu einer Klasse gleichwertiger MinimalzeichenMinimalzeichen = zu einem Morphem; kleinste Ausdrucks-Inhalts-Einheiten, in die sich Äußerungen zerlegen = segmentieren lassen.

5.1/3 MorphemMorphem

Klasse/Menge von Morphen, die denselben WertWert, das heißt: dieselbe BedeutungBedeutung bei identischer oder ähnlicher AusdrucksseiteAusdrucksseite, haben.

5.1/4 AllomorphAllomorphe

Morphe, die demselben Morphem angehören.

das Morph, des Morphs, die Morphe

das Morphem, des Morphems, die Morpheme (Betonung auf -phe(m)-)

das Allomorph, des Allomorphs, die Allomorphe (Betonung auf -mor(ph)-)

Bei Morphen und Allomorphen wird meist nur die AusdrucksseiteAusdrucksseite in graphemischer oder phonemPhonemischer Form (also in spitzen KlammernKlammerspitzespitze Klammer bzw. zwischen SchrägstrichenSchrägstrich) notiert; von allographAllographischer und allophonAllophonischer Variation auf der Ausdrucksseite wird also abgesehen. Die InhaltsseiteInhaltsseite = BedeutungBedeutung wird in der Regel nicht angegeben. Für Morpheme wird meist die (graphemisch-orthographische) Ausdrucksseite eines der zugehörigen Morphe = des Allomorphs bzw. eines der Allomorphe in geschweiften KlammernKlammergeschweiftegeschweifte Klammern notiert ({…}, Beispiele s. u.) – häufig werden die geschweiften Klammern weggelassen, und man notiert die Ausdrucksseite in graphemisch-orthographischer Form, die durch Unterstreichung hervorgehoben wird (die UnterstreichungUnterstreichung wird im Druck, wie im vorliegenden Buch, durch KursivschriftSchriftKursiv-Kursivschrift wiedergegeben). Bei grammatisches MorphemgrammatischenMorphemgrammatisches und anderen Morphemgebundenesgebundenes Morphemgebundenen Morphemen (▶ Nr. 5.3/2 und Nr. 5.3/4) wird häufig der Kategorienname (also nicht die AusdrucksseiteAusdrucksseite eines der AllomorphAllomorphe) notiert, z. B. {Pl(ural)} für die Allomorphe <er, s, e …> bzw. /«r, s, « …/.Morphemgrenzen innerhalb von Wörtern werden durch BindestricheBindestrich markiert.

Beispiele, vor allem zu Nr. 5.1/4:

Das MorphemMorphem {Arbeit} hat ein phonisches AllomorphAllomorphphonischesAllomorph, dem ein graphisches AllomorphAllomorphgraphischesAllomorph entspricht: /arbaíet/, <Arbeit>. Das MorphemMorphem {Rad} hat vier phonische AllomorphAllomorphe: /ra<d/ (in Rades, Rade), /ra<t/ (in Rad, Radfahrer usw.), /rQ<d/ (in Räder), /rQ<t/ (in Rädchen), denen zwei graphische AllomorphAllomorphe, <Rad> und <Räd>, entsprechen.

5.2 Zur Beschreibung der AllomorphikAllomorphik im Deutschenphonologisch determiniertes/konditioniertes Allomorph

5.2/1 Phonologisch determinierte = phonologisch konditionierte AllomorpheAllomorphphonologisch determiniertes/konditioniertes

Phonemisch unterschiedene AllomorphAllomorphe eines MorphemMorphems, deren VorkommenVorkommen und Form von der lautlichen = phonologischen UmgebungUmgebung abhängig ist.

Beispiel:

Das MorphemMorphem {2.Person Plural} als VerbVerb-EndungEndungVerbEndung hat zwei phonische AllomorphAllomorphe, nämlich /«t/ und /t/ (entsprechend zwei graphische Allomorphe, <et> und <t>). Welches dieser AllomorphAllomorphe im konkreten Fall erscheint, hängt vom AuslautAuslautStammauslaut des VerbstammStammVerb-StammVerbstamms, an den es tritt, ab:

 Das AllomorphAllomorph /«t/ wird gewählt, wenn der VerbstammVerbstamm auf einen der alveolaralveolar/Alveolaren Explosivexplosiv/Explosive = VerschlusslautVerschlusslaute /t/ und /d/ (z. B. /raíet-«t/ <reit-et> bzw. /re<d-«t/ <red-et>) auslautet oder auf eine der Konsonantenverbindungen (nasalische DoppelkonsonanzDoppelkonsonanznasalischenasalische Doppelkonsonanz) /bn/ (/e<bn-«t/ <ebn-et>), /pn/ (/vapn-«t/ <wappn-et>); /tm/ (/vItm-«t/ <widm-et>, /a<tm-«t/ <atm-et>); /gn/ (/ze<gn-«t/ <segn-et>), /kn/ (/trkn-«t/ <trockn-et>); /fn/ (/¿fn-«t/ <öffn-et>, /xn/ (/tsaíexn-«t/ <zeichn-et>).

 Bei allen anderen Gestaltungen des AuslautAuslauts des VerbstammVerbstamms wird das AllomorphAllomorph /t/ gewählt (z. B. /blaíep-t/ <bleib-t>, /baíes-t/ <beiß-t>, /raíetís-t/ <reiz-t>, /lErm-t/ <lärm-t>, /lErn-t/ <lern-t>, /haío-t/ <hau-t> usw.).

Die Wahl der zwei AllomorphAllomorphe des MorphemMorphems {2.Person Plural} (und des homonymenhomonym/Homonym Morphems {Imperativ Plural}) ist also lautlich = phonologisch determiniertes/konditioniertes Allomorphphonologisch vom AuslautAuslaut des VerbstammVerbstamms bestimmt = determiniert = konditioniert.morphologisch determiniertes/konditioniertes Allomorph

5.2/2 Morphologisch determinierte = morphologisch konditionierte AllomorphAllomorphmorphologisch determiniertes/konditioniertese

Phonemisch unterschiedene AllomorphAllomorphe eines MorphemMorphems, deren Vorkommen und Form von der Gegenwart eines anderen MorphemMorphems bzw. dessen AllomorphAllomorph gesteuert wird.

Beispiel:

Das MorphemMorphem {Hut} hat zwei phonische AllomorphAllomorphe, /hu<t/, /hy<t/ (entsprechend zwei graphische AllomorphAllomorphe, <Hut>, <Hüt>). /hy<t/ (<Hüt>) wird gewählt, wenn dem MorphemMorphem {Hut} das MorphemMorphem {PluralPlural} (hier in Gestalt des AllomorphAllomorphs /«/) folgt: /hy<t-«/ (entsprechend <Hüt-e>). /hy<t/ erscheint auch, wenn das MorphemMorphem {DiminutivumDiminutivum} mit seinen AllomorphAllomorphen /x«n/ oder /laíen/ folgt: /hy<t-x«n/, /hy<t-laíen/ (<Hüt-chen>, <Hüt-lein>). In allen anderen UmgebungUmgebungen erscheint {Hut} in Gestalt des AllomorphAllomorphs /hu<t/.

Die Wahl von /hu<t/ oder /hy<t/ hängt also von der morphologischen UmgebungUmgebung ab; die Wahl ist nicht phonologisch determiniert, wie auch daran deutlich wird, dass sowohl /hu<t/ als auch /hy<t/ vor phonologisch identischem /«/ stehen können: /hu<t-«/, /hy<t-«/ (im ersten Fall ist /«/ AllomorphAllomorph des MorphemMorphems {DativDativ SingularSingular}, im zweiten AllomorphAllomorph des MorphemMorphems {PluralPlural}).

5.2/3 MorphophonemMorphophonemPhonemMorpho-

Klasse derjenigen PhonemePhonem, die innerhalb der AllomorphAllomorphe eines MorphemMorphems miteinander wechseln.

Morphophoneme werden mit dem in Großbuchstaben geschriebenen Symbol eines der beteiligten PhonemePhonem notiert. Zusätzlich setzen wir diese Symbole bzw. AllomorphAllomorphe, in denen sie vorkommen, zwischen doppelte SchrägstricheSchrägstrich (z. B.: //D//, //rInD// <Rind>).

Die wichtigsten Fälle morphophonemischen WechselsWechselmorphophonemischermorphophonemischer Wechsel sind: AuslautverhärtungAuslautverhärtung, UmlautUmlautLautUm-, e/i-Wechsel (= »BrechungBrechung« = »HebungHebunge/i-WechselWechsele/i--«), AblautAblautLautAb-:

5.2/4 AuslautverhärtungAuslautverhärtung

Morphophonemischer WechselWechselmorphophonemischermorphophonemischer Wechsel zwischen stimmhaftstimmhaften und stimmlosstimmlosen Explosivexplosiv/Explosiven = VerschlusslautVerschlusslauten bzw. zwischen stimmhaftstimmhaften und stimmlosstimmlosen Frikativfrikativ/Frikativen = SpirantSpiranten = ReibelautReibelauten; auch: Erscheinen des stimmlosstimmlosen PhonemPhonems eines MorphophonemMorphophonems im AuslautAuslaut von AllomorphAllomorphen eines MorphemMorphems.

Beispiel:

Das MorphemMorphem {Rind} hat zwei phonische AllomorphAllomorphe, /rInd/ (z. B. in (dem) Rind-e) und /rInt/ (z. B. in Rind, Rind-lein). Ihr VorkommenVorkommen richtet sich nach der phonologischen und morphologischen UmgebungUmgebung: Folgt auf {Rind} im selben Wort ein vokalisch anlautendes AllomorphAllomorph einer EndungEndung und steht das letzte PhonemPhonem von {Rind} somit hinter der SilbengrenzeSilbengrenzeSilbeSilbengrenze, wird das AllomorphAllomorph mit /d/ gewählt (/rIn|d-«/ mit der Silbengrenze zwischen /rIn/ und /d«/; der senkrechte StrichStrichsenkrechtersenkrechter Strich zeigt die Silbengrenze an); folgt kein solches AllomorphAllomorph, wird das AllomorphAllomorph mit /t/ gewählt (/rInt|/ oder /rInt|-laíen/). Die PhonemPhoneme /d/ und /t/ wechseln in diesen AllomorphAllomorphen also miteinander = sie alternieren; sie können in Bezug auf das Morphem {Rind} (und viele andere) zum MorphophonemMorphophonem //D// zusammengefasst werden. //D// wird definiert als Klasse der PhonemPhoneme /d/ und /t/. Die AllomorphAllomorphe /rInd/ und /rInt/ werden unter morphophonemischen Gesichtspunkten zusammengefasst als //rInD//, wobei mit Kleinbuchstaben diejenigen Elemente symbolisiert werden, die in allen AllomorphAllomorphen gleich bleiben, hier: /r/, /I/ und /n/ (dabei hat /r/ weiterhin die freies Allophonfreien AllophonAllophone [ü], [Ò] und [r]; von der Allophonik wird ja im Bereich der Allomorphik abgesehen, ▶ Nr. 5.1/4). Mit Großbuchstaben werden die Elemente zusammenfassend symbolisiert, die als PhonemPhoneme in Allomorphen eines Morphems miteinander wechseln, hier also //D//.

Unter »AuslautverhärtungAuslautverhärtung« versteht man, strikt gesprochen, die Tatsache, dass (um beim Beispiel //D// zu bleiben) im AuslautAuslaut eines AllomorphAllomorphs das sog. »hartehart (Explosiv)explosiv/Explosivhart« PhonemPhonem /t/ erscheint. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass aus dem »nicht-harten« = »weichenweich (Explosiv)weich (Explosiv)explosiv/Explosivweich« = stimmhaftstimmhaften PhonemPhonem /d/ im AuslautAuslaut das hart (Explosiv)»harte« = stimmlosstimmlose PhonemPhonem /t/ »wird«.

Zum Phänomen der AuslautverhärtungAuslautverhärtung gehören im Bereich der Explosivexplosiv/Explosive = VerschlusslautVerschlusslaute die folgenden Morphophoneme:Morphophonem

 //D// = /d/ und /t/ (z. B. {Rind}, vgl. oben),

 //G// = /g/, /k/ und /x/ (z. B. {König}: AllomorphAllomorphe /kO<nIg/ (König-e), /kO<nIk/ (könig-lich), /kO<nIx/ ([kO<nIC]) (König), morphophonemisch: //kO<nIG//),

 //B// = /b/ und /p/ (z. B. {Dieb}: AllomorphAllomorphe /di<b/ (Dieb-es), /di<p/ (Dieb), morphophonemisch: //di<B//).

Außerdem aus dem Bereich der Frikativfrikativ/Frikative = SpirantSpiranten = ReibelautReibelaute:

 //V// = /v/ und /f/ (z. B. {brav}: AllomorphAllomorphe /bra<v/ (brav-es), /bra<f/ (brav), morphophonemisch: //bra<V//; {doof}: Allomorphe /do<v/ (doof-es), /do<f/ (doof), morphophonemisch //do<V//),

 //Z// = /z/ und /s/ (z. B. {Eis}: AllomorphAllomorphe /aíez/ (eis-ig), /aíes/ (Eis), morphophonemisch: //aíeZ//).

Zur AuslautverhärtungAuslautverhärtung in der deutschen Sprachgeschichte ▶ Nr. 4.3/4. – Zur Auslautverhärtung in der OrthographieOrthographie ▶ Abschnitt 9.3.1.2.

 

5.2/5 UmlautUmlaut

Morphophonemischer WechselWechselmorphophonemischermorphophonemischer Wechsel:


/a/ /E/
/a</ /E</
// /¿/
/o</ /O</
/U/ /Y/
/u</ /y</
/aío/ /íO/;

auch: Erscheinen des jeweils zweitgenannten PhonemPhonems in AllomorphAllomorphen eines MorphemMorphems.

Beispiel:

Das Morphem {Hut} hat zwei AllomorphAllomorphe: /hu<t/ und /hy<t/ (▶ Nr. 5.2/2). Ihr VorkommenVorkommen richtet sich nach der morphologischen UmgebungUmgebung: Vor den MorphemMorphemen {PluralPlural} und {DiminutivumDiminutivum} erscheint /hy<t/ mit dem UmlautUmlaut /y</, sonst /hu<t/ mit nicht umgelautetem /u</. Wenn man /u</ und /y</ als MorphophonemMorphophonem //U<// zusammenfasst, ergibt sich in morphophonemischer Schreibweise: //hU<t//.

Das in der Zusammenstellung oben jeweils an zweiter Stelle genannte Glied eines Paares wird selbst auch UmlautUmlaut genannt. Die jeweils an erster Stelle genannten VokalVokale sind umlautfähigumlautfähige VokaleVokalumlautfähig. Der Vorgang des Wechsels vom BasisvokalVokalBasis-Basisvokal zu seinem Umlaut wird auch UmlautungUmlautung genannt.

Umlaut tritt auch in der 2. und 3.Pers. Sg. Präs. Ind. Akt. einiger starkerVerbstarkesstarkVerb Verben auf, z. B. rätst, rät (zu rat(en)), lädst, lädt (zu lad(en)), ▶ Nr. 6.2/16.

Zum UmlautUmlaut in der deutschen Sprachgeschichte ▶ Nr. 4.3/1 und 4.3/2. Zur UmlautungUmlautung bei /E/ und /íO/ in der OrthographieOrthographie ▶ Abschnitt 9.3.1.2.

5.2/6 e/i-WechselWechsele/i-- (= »BrechungBrechung« = »HebungHebunge/i-Wechsel«)

Morphophonemischer WechselWechselmorphophonemischermorphophonemischer Wechsel:


/E/ /I/
/e</ /I/
/e</ /i</
/E</ /i</.

e/i-Wechsele/i-Wechsel (gelegentlich auch »BrechungBrechung« oder »HebungHebung« genannt) tritt bei der Bildung von Formen einiger starkenstarkVerb Verben auf, und zwar erscheinen AllomorphAllomorphe mit /I/ bzw. /i</ in der 2. und 3.Pers.Person Sg. Präs.Präsens Ind.Indikativ Akt.Aktiv und im ImperativImperativ SingularSingular; AllomorphAllomorphe mit /E, e<, E</ erscheinen im InfinitivInfinitiv und weiteren Formen solcher VerbVerben (▶ Nr. 6.2/16). Beispiele: helfen – hilfst (/E/ – /I/), treten – tritt (/e</ – /I/), geben – gib (/e</ – /i</), gebären – gebierst (/E</ – /i</).

5.2/7 AblautAblaut

Morphophonemischer WechselWechselmorphophonemischermorphophonemischer Wechsel zwischen VokalVokalen, besonders bei AllomorphAllomorphen von starkVerb(starken) VerbVerben.

Beispiel:

In AllomorphAllomorphen des VerbVerbmorphems {sing(en)} stehen die VokalVokale /I/, /a/ und /U/ zueinander im Verhältnis des AblautAblauts. Die drei durch AblautAblaut der VokalVokale miteinander verbundenen AllomorphAllomorphe sind: /zIN/, /zaN/, /zUN/ (<sing, sang, sung>).

VerbVerben, deren AllomorphAllomorphe durch AblautAblaut miteinander verbunden sind, heißen starkVerbstarkVerbstarke VerbVerbVerbstarkesen. Sie unterscheiden sich von den schwachVerbschwachen VerbVerbVerbschwachesschwachVerben auch dadurch, dass sie ihre PräteritumPräteritalformen = Imperfektformen und ihre Partizip PerfektPartizip-Perfekt-Formen = Partizip-IIPartizip II-Formen nicht mit t bilden: (wir) sang-en, ge-sung-en im Gegensatz zu (wir) lach-t-en, ge-lach-t (▶ Nr. 6.2/16).