BGB-Schuldrecht Besonderer Teil

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6. Aliud

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Nach § 434 Abs. 3 steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache (aliud) oder eine zu geringe Menge liefert (zu der so genannten Minuslieferung s. Rn 32). Mit dieser (nur schwer verständlichen) Vorschrift wollten die Verfasser des SMG von 2001 gleichsam mit einem Streich die zuletzt unter dem alten Recht nahezu unverständlich gewordene aliud-Problematik im Wege der prinzipiellen Gleichstellung des aliud mit dem Sachmangel aus der Welt schaffen. Ganz gelungen ist dies freilich aus in der Natur der Sache liegenden Gründen nicht.

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Unter der Geltung des früheren Rechts (§ 480 aF und § 378 HGB aF) war es üblich geworden, bei der Behandlung des aliud zunächst zwischen dem Stück- und dem Gattungskauf und sodann innerhalb des Ersteren weiter zwischen dem sogenannten Identitäts- und dem Qualitätsaliud zu unterscheiden. Ein Identitätsaliud liegt beim Stückkauf vor, wenn statt der verkauften individuellen Sache eine andere geliefert wird, während ein Qualitätsaliud anzunehmen ist, wenn die gelieferte Sache zu einer anderen Gattung als vereinbart gehört, wenn z. B. die „goldene“ Uhr nur vergoldet ist oder wenn das verkaufte Meisterwerk lediglich eine billige Kopie darstellt[63]. Bei dem Gattungskauf erzwang die komplizierte frühere Regelung daneben noch die zusätzliche Unterscheidung zwischen der Schlechtlieferung (peius) und der Falschlieferung (aliud)[64]. Alle diese Unterscheidungen hatten sich jedoch als ausgesprochen schwierig, ja weithin unmöglich erwiesen. Deshalb ordnet jetzt § 434 Abs. 3 die prinzipielle Gleichstellung des aliud mit dem Sachmangel an.

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Beim Stückkauf gilt nach überwiegender Meinung die Gleichstellung der Falschlieferung mit einem Sachmangel durch § 434 Abs. 3 nicht nur für das Qualitätsaliud (Paradigma: Verkauf einer bloß vergoldeten Uhr als „goldene“), sondern auch für das Identitätsaliud, d. h. für die Lieferung einer ganz anderen Sache als vereinbart[65]. Zusätzliche Probleme ergeben sich dann freilich beim Verbrauchsgüterkauf aus dem unklaren Verhältnis des § 434 Abs. 3 zu § 241a Abs. 1 idF von 2014, nach dem durch die Lieferung unbestellter Sachen grundsätzlich überhaupt kein (Zahlungs-)Anspruch des Unternehmers gegen den Käufer begründet wird. Eine angemessene Lösung ist hier in der Mehrzahl der Fälle nur möglich, wenn man dem § 434 Abs. 3 im Rahmen eines schon bestehenden Kaufvertrages grundsätzlich den Vorrang vor § 241a zubilligt und ergänzend darauf abstellt, ob der Käufer das aliud, die „falsche“ Sache als Erfüllung angenommen hatte. Denn wenn der Käufer die Sache als nicht geschuldet zurückweist, liegt nichts anderes als ein gescheiterter Erfüllungsversuch seitens des Verkäufers vor, sodass der Käufer nach wie vor den (ursprünglichen) Erfüllungsanspruch hat (§ 433 Abs. 1 S. 1). Nimmt der Käufer dagegen die Sache irrtümlich als Erfüllung an, sodass die Gefahr auf ihn übergeht (§ 446), so ist es entsprechend dem Wortlaut des § 434 Abs. 3 für den Regelfall durchaus angemessen, i von einem Vorrang der Vorschriften über die Sachmängelhaftung auszugehen – mit der Folge vor allem, dass jetzt der Erfüllungsanspruch des Käufers als Nacherfüllungsanspruch im Sinne der §§ 437 Nr 1 und 439 der besonderen Verjährungsfrist des § 438 unterliegt. Nur wenn die gelieferte Sache ausnahmsweise wertvoller als geschuldet ist (sogenanntes melius), wenn z. B. die „vergoldete“ Uhr tatsächlich aus purem Gold ist, kann der Verkäufer immer noch kondizieren (§ 812 Abs. 1 S. 1), freilich mit Rücksicht auf § 434 Abs. 3 lediglich Zug um Zug gegen das Angebot der geschuldeten Sache.[66]

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Beim Gattungskauf hat § 434 Abs. 3 der Sache nach zur Folge, dass der Käufer ein Wahlrecht erwirbt: Er kann einmal die Falschlieferung zurückzuweisen, sodass es dann auch nicht zur Konkretisierung kommt (§§ 243 Abs. 1, 293, 294) und er den ursprünglichen Erfüllungsanspruch behält. Er kann aber auch die „falsche“ Lieferung als Erfüllung annehmen – in diesem Fall mit der Folge, dass sich seine Rechte fortan allein nach den §§ 434 Abs. 3, 437 und 439 f richten, sodass sein (fortbestehender) Erfüllungsanspruch (§ 433 Abs. 1 S. 1) jetzt dem Regime des Nacherfüllungsanspruchs untersteht und damit vor allem in der besonderen Frist des § 438 verjährt (§§ 437 Nr 1, 439). Diese Lösung versagt nur, wenn die gelieferte Sache ausnahmsweise höherwertig als geschuldet ist (sog. melius), weil der Käufer dann wohl niemals von seinen Gewährleistungsrechten Gebrauch machen wird. Deshalb bleibt hier (wiederum) nichts anderes übrig, als – diesmal zum Schutze des Verkäufers – diesem nach wie vor die Leistungskondiktion zuzubilligen (§ 812 Abs. 1 S. 1), freilich nur Zug um Zug gegen das Angebot einer der geschuldeten Gattung entsprechenden Ware[67].

7. Minderleistung

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Durch § 434 Abs. 3 wird neben der Falschlieferung (o. Rn 26 ff) auch die Zuwenig- oder Minderleistung, gelegentlich auch Mankolieferung genannt, dem Sachmangel gleichgestellt. § 434 Abs. 3 muss vor allem im Zusammenhang mit § 266 gesehen werden, nach dem der Verkäufer (an sich) nicht zu Teilleistungen berechtigt ist. Bei einer Minderleistung bleibt daher der Käufer berechtigt, unter Ablehnung der angebotenen Minderleistung auf der vollen geschuldeten Lieferung zu bestehen. Er kann aber auch die Teilleistung als solche annehmen und behält dann gleichfalls den (ursprünglichen) Erfüllungsanspruch hinsichtlich des Restes. Eine Anwendung des § 434 Abs. 3 kommt folglich nur in Betracht, wenn der Käufer (ausnahmsweise) die bloße Teilleistung nicht als solche erkennt und deshalb zunächst als volle Erfüllung annimmt (sog. verdeckte Minderleistung)[68]. Allein in diesem Ausnahmefall richten sich mithin seine Rechte nach den §§ 437 ff, wobei vor allem an den Nacherfüllungsanspruch hinsichtlich des Restes (§§ 437 Nr 1 und 439) sowie nach erfolgloser Fristsetzung an die Minderung zu denken ist (§§ 437 Nr 2, 323 und 441). Daneben kann er aber auch – entgegen der h.M. –, weil es sich zugleich um eine Teilleistung handelt, nach den §§ 281 Abs. 1 S. 2 und 323 Abs. 5 S. 1 vorgehen[69]. Nicht gesondert geregelt ist schließlich der seltene Fall der Zuviellieferung; hier dürfte sich die Lösung hinsichtlich der nicht geschuldeten Mehrleistung des Verkäufers unmittelbar aus § 812 Abs. 1 S. 1 ergeben[70].

Teil I Veräußerungsverträge › § 4 Mängelhaftung › III. Rechtsmangel

III. Rechtsmangel

1. Überblick

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Nach § 433 Abs. 1 S. 2 muss der Verkäufer dem Käufer die verkaufte Sache nicht nur frei von Sachmängeln (o. Rn 7 ff), sondern auch frei von Rechtsmängeln verschaffen. Für den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen gilt nach § 453 Abs. 1 Entsprechendes. Wann ein Rechtsmangel vorliegt, sagt § 435. Nach S. 1 des § 435 ist die verkaufte Sache frei von Rechtsmängeln, wenn Dritte in Bezug auf die Sache keine oder nur die im Kaufvertrag übernommenen Rechte gegen den Käufer geltend machen können. Der Verkäufer eines Grundstücks ist außerdem nach § 435 S. 2 verpflichtet, im Grundbuch eingetragene Rechte, die nicht bestehen, auf seine Kosten zur Löschung zu bringen, um einen gutgläubigen Erwerb dieser Rechte durch Dritte zum Nachteil des Käufers zu verhindern. Der Verkäufer haftet dagegen nicht für die Freiheit des Grundstücks von öffentlichen Abgaben und anderen öffentlichen Lasten, die nicht zur Eintragung ins Grundbuch geeignet sind, weil mit solchen Abgaben und Lasten (leider) jedermann rechnen muss (§ 436 Abs. 2). Besonderheiten gelten nach § 436 Abs. 1 lediglich für Erschließungsbeiträge und vergleichbare Anliegerbeiträge[71]. Keine Anwendung findet hier § 446, der nur für Sachmängel Bedeutung hat. Maßgebender Zeitpunkt für die Auslösung der Rechtsmängelhaftung ist vielmehr der des Rechtsübergangs, beim Stückkauf also der Zeitpunkt, in dem der Käufer Eigentum erwirbt, und sonst der des Übergangs des verkauften Rechts auf den Käufer, bei aufschiebend bedingtem Eigentumserwerb daher erst der Zeitpunkt des Bedingungseintritts[72]. Für die Auslösung der Rechtsmängelhaftung genügt es, wenn in diesem Zeitpunkt, d. h. bei Übergang des Rechts auf den Käufer, lediglich der Rechtsgrund erfüllt ist, der später zu dem Recht Dritter führt, das gegen den Käufer geltend gemacht werden kann. Ein Beispiel ist die spätere Beschlagnahme der Sache beim Käufer wegen eines vor Übereignung der Sache liegenden Verstoßes des Verkäufers gegen die Steuer- oder Zollgesetze, die folglich die Haftung des Verkäufers für Rechtsmängel auslöst[73].

 

2. Rechte Dritter

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Ein Rechtsmangel liegt nach § 435 S. 1 in erster Linie vor, wenn Dritte in Bezug auf die Sache Rechte gegen den Käufer geltend machen können, weil er dann nämlich mit der ihm verkauften und übereigneten Sache nicht nach Belieben verfahren kann. Den Maßstab für das Vorliegen eines Rechtsmangels bildet maW. die Befugnis des Eigentümers, mit der Sache nach Belieben zu verfahren und andere von jeder Einwirkung auf die Sache auszuschließen (§ 903); jede Beeinträchtigung des Eigentümers in einer dieser Befugnisse durch die Rechte eines Dritten stellt somit einen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 dar.[74] Anders verhält es sich nur, wenn der Käufer die fraglichen Rechte Dritter im Kaufvertrag „übernommen“ hat, d. h., wenn er sich mit der fraglichen Belastung einverstanden erklärt hatte. Beispiele sind die Übernahme von Grundpfandrechten bei Kauf eines Grundstücks unter Anrechnung auf den Kaufpreis sowie der vom Käufer eines Grundstücks akzeptierte Eintritt in Mietverträge über das Grundstück nach § 566 Abs. 1 (s. u. Rn 35).

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Bei Rechten Dritter, die im Sinne des § 435 S. 1 gegen den Käufer geltend gemacht werden können, ist in erster Linie an dingliche Rechte Dritter zu denken; Beispiele sind die Belastung des verkauften Grundstücks mit einem Nießbrauch oder mit Grundpfandrechten[75]. Gleich stehen Immaterialgüterrechte sowie Namens- und Persönlichkeitsrechte Dritter[76]. Hindert z. B. ein Dritter den Käufer unter Berufung auf ein Patent-, Urheber- oder Persönlichkeitsrecht an der Benutzung der gekauften Sache, so haftet der Verkäufer hierfür nach den §§ 435 und 437 ff[77]. Unter § 435 fallen weiter obligatorische Rechte, d. h. Ansprüche Dritter gegen den Verkäufer, sofern sie wie Miete und Pacht ausnahmsweise gegen den Käufer geltend gemacht werden können (§§ 566, 581 Abs. 2).[78]

35a

Dagegen handelt es sich nicht um einen Rechtsmangel im Sinne des § 435, wenn der Verkäufer einer Sache dem Käufer bereits das Eigentum an ihr nicht verschaffen kann, etwa, weil die Sache einem Dritten gestohlen worden ist (§§ 932, 935). Denn die Rechtsverschaffungspflicht des Verkäufers ergibt sich schon aus § 433 Abs. 1 S. 1 und nicht erst aus S. 2 der Vorschrift, sodass bei einer Verletzung dieser Vorschrift allein die allgemeinen Vorschriften über Leistungsstörungen eingreifen, in dem fraglichen Fall also vor allem § 311a Abs. 2[79]. Zu erwägen ist lediglich die entsprechende Anwendung des § 438 Abs. 1 Nr 1 auf diesen Fall, um den Käufer, dem der Verkäufer überhaupt kein Eigentum zu verschaffen vermag, in der Frage der Verjährung nicht gegenüber dem Käufer zu benachteiligen, der (immerhin) das Eigentum, wenn auch mit einem Rechtsmangel belastet, erlangt hat (vgl §§ 195, 199)[80].

3. Öffentlich-rechtliche Beschränkungen

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Zusätzliche Fragen wirft die sachgerechte Behandlung öffentlich-rechtlicher Beschränkungen auf, denen der Käufer unterworfen ist. Sie werden zum Teil unter § 435 als Rechtsmangel subsumiert, zum Teil aber auch als Sachmangel behandelt (oben Rn 18), während wieder andere vom Käufer – als vorgegebene Beschränkungen des Eigentums – hingenommen werden müssen (§ 436 Abs. 1, s. Rn 38). Die genaue Abgrenzung ist schwierig. Unter § 435 werden als Rechtsmangel allein solche öffentlich-rechtlichen Beschränkungen eingeordnet, die ihre Grundlage nicht in der Beschaffenheit der Sache haben (dazu Rn 37), sondern auf ihrer spezifischen „Vorgeschichte“ beruhen, in erster Linie, wenn sich daraus ein Recht der öffentlichen Hand zur Beschränkung oder Entziehung des Eigentums ergibt. Denn in derartigen Fällen ist der Käufer wegen der mangelnden Erkennbarkeit der fraglichen Beschränkungen besonders schutzbedürftig[81]. Beispiele sind die Beschlagnahme der verkauften Sache nach den Straf-, Steuer- oder Zollgesetzen, z. B. als Diebes- oder Schmuggelgut[82] sowie der Ausweis des verkauften Grundstücks als Straßenland, sodass seine Enteignung zu befürchten ist[83]. Es genügt bereits, wenn z. B. ein Kraftfahrzeug in einer Fahndungsliste als gestohlen ausgeschrieben wird.[84] Keine Rolle spielt auch, ob der Verkäufer überhaupt in der Lage ist, die öffentlich-rechtlichen Beschränkungen zu beseitigen.[85]

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Anders behandelt werden dagegen öffentlich-rechtliche Benutzungs- und Baubeschränkungen, die auf der Beschaffenheit der Sache beruhen und deshalb für Dritte (einschließlich des Käufers) grundsätzlich erkennbar sind. Sie führen teils zur Annahme eines Sachmangels; teils sind sie unbeachtlich (§ 436 Abs. 1). Ein Sachmangel wird z. B. im Falle einer Baubeschränkung angenommen, wenn ein Grundstück als „Bauland“ verkauft wurde, weil ihm dann gerade diejenige Beschaffenheit fehlt, die es nach dem Vertrag haben soll (§ 434 Abs. 1 S. 1)[86]. Ebenso zu beurteilen sind die nur beschränkte Nutzbarkeit von Räumen in einem Gewerbegebiet[87] sowie die fehlende Bauererlaubnis für einen Anbau, den der Verkäufer eigenmächtig errichtet hatte[88].

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In den verbleibenden Fällen ist dagegen für den Regelfall davon auszugehen, dass der Käufer einer Sache die gesetzlichen Schranken des Eigentums ebenso wie jeder andere hinnehmen muss, zumal er sich darüber ohne weiteres selbst zu informieren vermag (s. § 436). Das gilt vor allem für nachbarrechtliche Beschränkungen, für die der Verkäufer daher im Regelfall nicht nach § 435 einzustehen braucht[89].

39-

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Lösungsskizze

I. Kupferstiche-Fall 4

1. Die gelieferten unechten Stiche

Weil die gelieferten Stiche tatsächlich nicht von Albrecht Dürer stammen, weisen sie nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf; sie waren deshalb im Augenblick des Gefahrübergangs, d. h. bei Lieferung, mit einem Sachmangel behaftet (§§ 434 Abs. 1 S. 1, 446). Folglich stehen K gegen V die Rechte aus § 437 zu, wobei hier allein der Schadensersatzanspruch statt der Leistung interessiert (s. § 252). Die Voraussetzungen richten sich nach den §§ 437 Nr 3, 311a Abs. 2 und 276, da der Mangel schon bei Vertragsabschluss vorlag. Grundsätzlich haftet daher V für die mangelnde Echtheit der Stiche nur, wenn er diese bei Vertragsabschluss kannte oder kennen musste (§§ 311a Abs. 2 S. 2, 276 Abs. 1). Soweit er jedoch die Garantie für die Echtheit eines Stiches übernommen hat, trifft ihn auf jeden Fall eine Haftung (§ 276 Abs. 1 S. 1).

2. Die nicht gelieferten echten, aber beschädigten Stiche

Die Beschädigung der Stiche nach Vertragsabschluss stellte eine Pflichtverletzung dar, für die der V dem K haftet, da die Gefahr noch nicht auf K übergegangen war (§§ 280, 276, 278, 446). Weil K Schadensersatz statt der Leistung verlangt, sind die §§ 281 und 283 einschlägig. Dies bedeutet, dass der K für den jetzt nicht mehr reparablen Stich sofort Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann, da es sich bei der Beschädigung um eine erhebliche Pflichtverletzung handelt (§§ 283 S. 2, 281 Abs. 1 S. 3, 276, 278). Hinsichtlich des anderen, noch reparablen Stiches kann K dagegen nur Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er zuvor dem V vergeblich eine angemessene Frist zur Leistung gesetzt hat (§ 281 Abs. 1 S. 1), sofern hier nicht einer der Ausnahmefälle des § 281 Abs. 2 vorliegen sollte.

 

II. Winterweizen-Fall 5

Die Parteien hatten einen Gattungskauf abgeschlossen. Die Lieferung von Sommerweizen statt wie vereinbart Winterweizen stellte eine Falschlieferung (aliud) dar, die unter § 434 Abs. 3 fällt. K hätte also den gelieferten Sommerweizen zurückweisen und auf der Lieferung von Winterweizen bestehen können. Tatsächlich hat er jedoch – in Verkennung der Sachlage – den gelieferten Sommerweizen als Erfüllung akzeptiert, so dass sich der Vertrag jetzt auf diese Sache beschränkt hat (§ 243 Abs. 2). Die Rechte des Käufers beurteilen sich folglich nach § 434 Abs. 3 (s. Rn 30; str). Da eine Nacherfüllung nicht mehr möglich ist (§ 275 Abs. 1), dürfte von den §§ 437 Nr 3 und 311a Abs. 2 auszugehen sein, sodass es darauf ankommt, ob V das aliud erkennen konnte, sofern man nicht hier nach den Umständen des Falles eine Garantie des V für die ordnungsgemäße Lieferung entnehmen will (§ 276 Abs. 1 S. 1).

III. Tierseuche-Fall 6

Die Ansteckung der anderen Tiere des K durch das gelieferte, kranke Schaf bildet einen „klassischen“ Mangelfolgeschaden, für den sich die Haftung des V jetzt nach § 280 Abs. 1 richtet (s. u. § 5 Rn 26). V ist folglich zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er die Pflichtverletzung zu vertreten hat, etwa, weil er eine den Umständen nach gebotene Untersuchung des gelieferten Schafes unterlassen hatte (§ 276 Abs. 1). Ergänzend können Deliktsansprüche eingreifen (§§ 823 Abs. 1, 276 Abs. 1; s. u. § 5 Rn 48 ff).

Anmerkungen

[1]

H. Honsell, in: Gedächtnisschrift f. Kinkel, 1985, S. 53.

[2]

S. z. B. Emmerich, in: Festschrift f. Jahr, 1993, S. 267 (276 ff m. Nachw.).

[3]

S. dazu die Begr. z. SMG, BT-Dr. 14/6040, S. 208 ff.

[4]

Zuletzt RGZ 97, S. 351 (Sologeigen-Fall); Fabricius, JuS 1964, S. 1; Haymann, in: RG-Praxis Bd. III, 1929, S. 317; Knöpfle, JuS 1988, S. 757.

[5]

Grdlg. RGZ 99, S. 147 (Haakjöringsköd-Fall); 161, S. 330 (332 ff) (Venusberg-Fall); BGHZ 54, S. 51 (53 f) = NJW 1969, S. 1171; BGHZ 98, S. 100 (104) = NJW 1986, S. 2824 = JuS 1987, S. 65 Nr 3; v. Caemmerer, in: Festschrift f. M. Wolf, 1952, S. 3; Flume, Eigenschaftsirrtum und Kauf, 1948.

[6]

Ebenso BGH, NJW 2006, S. 2694 = JuS 2007, S. 82 Nr 8.

[7]

Ausf G. Müller, WM 2017, 929, 981 ff m. Nachw.

[8]

S. BGHZ 132, S. 320 (324 ff) = NJW 1996, S. 2025 (2026) = JuS 1996, S. 1028 Nr 4 m. Nachw.

[9]

B. Grunewald, § 7 Rn 8.

[10]

Z. B. Beckmann, in: Eckpfeiler, Rn N 37; Looschelders II, Tz 38 f (S. 12); Medicus/Lorenz II, Tz 24 (S. 27); G. Müller, WM 2017, 981 ff m. Nachw.

[11]

BGH, NJW 2011, S. 1217 (1218, Tz 12 f).

[12]

BGH, NJW 2013, S. 1671 Tz 10 f (Cyanamidbelastung des Grundwassers).

[13]

Looschelders II, Tz 39.

[14]

S. Rn 17 sowie BGH, NJW 2016, S. 2874 Rn 14 ff.

[15]

Vgl BGHZ 52, 51 = NJW 1969, 1171; BGH, LM Nr 28 zu § 459 BGB = NJW 1972, 1462; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2009, S. 134; s. u. Rn 19.

[16]

Begr. z. SMG, S. 212 f; BGHZ 181, S. 170 (174, Tz 9) = NJW 2009, S. 2807; NJW 2013, S. 1074 Tz 16 ff; NJW 2016, 3015 Rn 18 ff; NJW 2017, 2817 Rn 23; NJW 2018, 150 Rn 18 f; Looschelders II, Tz 44 ff (S. 15); Medicus/Lorenz II, Tz 77 ff (S. 29 f).

[17]

BGHZ 207, 349 (354 ff Rn 15 ff) = NJW 2016, 1815; sehr str.

[18]

S. insbesondere BGH NJW 2016, 3015 Rn 18 ff.

[19]

BGHZ 181, S. 170 (174, Tz 9) = NJW 2009, S. 2807; BGH NJW 2013, S. 2107 Tz 22; 2016, 3015 Rn 18, 31 ff; NJW 2017, 2817 Rn 13; 2018, 146 Rn 18; 2018, 150 Rn 16.

[20]

S. Art. 2 Abs. 2 lit a der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.

[21]

BGH, NJW 2013, S. 1074 Tz 16, 18; NJW 2016, 3015 Rn 31 ff.

[22]

BGH, NJW 2013, S. 2749.

[23]

BGH, NJW 2008, S. 1517 f, Tz 12 ff; NJW 2013, S. 2107 Tz 22; NJW 2016, 3015 (3018 Rn 31 ff).

[24]

BGH, NJW 2008, S. 53 (54, Tz 17).

[25]

BGH, NJW 2008, S. 1517 (1518, Tz 16).

[26]

Zur Abgrenzung von den Rechtsmängeln s. u. Rn 34 ff.

[27]

BGHZ 67, S. 134 (136) = NJW 1976, S. 1888; s. u. Rn 36 ff sowie I. Koller, JuS 1984, S. 106.

[28]

BGH, LM Nr 33 zu § 912 BGB = NJW 1981, S. 1362.

[29]

BGHZ 114, S. 260 (262) = NJW 1991, S. 2138; BGH, LM Nr 85 zu § 459 BGB = NJW 1987, S. 2511 m. Anm. Knöpfle, JuS 1988, S. 767.

[30]

BGH, NJW 2013, S. 2182 Tz 9; ausf. Woitkewitsch, MDR 2017, 733.

[31]

BGH, LM Nr 72 zu § 133 (C) BGB = NJW 1991, S. 912.

[32]

BGH, LM Nr 49 zu § 276 (Ci) BGB = NJW 1993, S. 1323 (1324).

[33]

S. dazu Andreae, NJW 2007, 3457; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 11. Aufl. (2012); Staudinger/Beckmann, 2014, § 434 Rn 190–234; Palandt/Weidenkaff, § 434 Rn 70 ff.

[34]

OLG Stuttgart, NJW-RR 2010, S. 412.

[35]

KG, NJW-RR 2010, S. 706.

[36]

BGH, NJW-RR 2010, S. 1289 Tz 24 f.

[37]

BGHZ 132, S. 55 (60 ff) = NJW 1996, S. 1337 = JuS 1996, S. 748 Nr 10; BGHZ 136, S. 94 (97 ff) = NJW 1997, S. 2590; BGH, NJW 2007, S. 2111 (2112, Tz 3); s. im Einzelnen M. Schmidt, NJW 2005, S. 329.

[38]

BGH, NJW 2005, S. 1422.

[39]

BGH, NJW 2006, S. 2694 = JuS 2007, S. 82 Nr 8; NJW 2010, S. 1588 Tz 10; 2016, 3015 (3019 Rn 45 f).

[40]

BGH NJW 2016, 3015 (3018 Rn 31 ff).

[41]

BGH NJW 2015, 1669 Rn 39 ff.

[42]

BGHZ 170, S. 86 (90 f, Tz 14 f) = NJW 2007, S. 1346.

[43]

Ebenso Beckmann, Eckpfeiler, Rn N 39 f; Grunewald, § 7 Rn 12; Looschelders II, Tz 47 (S. 16); Medicus/Lorenz II, Tz 81; anders z. B. Palandt/Weidenkaff, § 434 Rn 20 ff; weiter offenbar auch BGH NJW-RR 2012, 1078 = NZM 2012, 469 Rn 16; NJW 2017, 2817 Rn 16.

[44]

Ebenso MK/H.P.Westermann, § 434 Rn 18 ff.

[45]

BGH NJW 2017, 2817 Rn 18 f.

[46]

OLG München NJW 1995, 2566.

[47]

BGHZ 180, S. 205 (207 ff) = NJW 2009, S. 2120.

[48]

BGHZ 181, S. 170 (175) = NJW 2009, S. 2807.

[49]

Looschelders II, Tz 47; Medicus/Lorenz II, Tz 82.

[50]

BGH, NJW 2013, S. 1671 Tz 13.

[51]

Str., anders z. B. Looschelders II, Tz 48: Hypothetischer Parteiwille.

[52]

BGHZ 181, S. 170 (176, Tz 14) = NJW 2009, S. 2807; BGH, NJW 2007, S. 1351 (1353, Tz 21); 2009, S. 2056 Tz 9; ebenso zu dem vergleichbaren Art 35 Abs. 2 lit a CISG BGHZ 193, S. 370 (377 f, Tz 20) = NJW 2013, S. 304.

[53]

Wegen der Einzelheiten s. Tröger, JuS 2003, S. 503 (507 ff).

[54]

S. schon o. Rn 16; BGH, NJW 2009, S. 2056 Tz 11; OLG Hamm, NJW-RR 2010, S. 566.

[55]

OLG Karlsruhe, NJW-RR 2008, S. 137; OLG Hamm, NJW-RR 2009, S. 485 (486); OLG Schleswig, NJW-RR 2009, S. 1065.

[56]

BGH, WM 2017, 1369 Rn 15.

[57]

BGHZ 181, S. 170 (176, Tz 14) = NJW 2009, S. 2807; BGH NJW 2006, S. 434 (435, Tz 19); 2008, S. 53 (54, Tz 19); NJW 2009, S. 1588 Tz 13.

[58]

BGH NJW 2016, 3015 (3018 Rn 42).

[59]

BGH NJW 2009, S. 1588 Tz 15; NJW 2016, 3015.

[60]

BGH NJW 2008, S. 53 (54, Tz 18 ff); 2008, S. 1517 (1518, Tz 17 f).

[61]

S. o § 3 Rn 29; Beckmann, in: Eckpfeiler, 2014, Rn N 49; Medicus/Lorenz II, Tz 91.

[62]

S. die Begr. z. SMG, S. 315 f.

[63]

S. zu diesen vieldiskutierten Fällen z. B. BGHZ 63, S. 369 (371) = NJW 1975, S. 970 = JuS 1975, S. 592 Nr 5; BGH, LM Nr 29 zu § 119 BGB = NJW 1988, S. 2597 = JuS 1989, S. 59 Nr 5 „Leibl-Bild“ m. Nachw.

[64]

S. Emmerich, JuS 1997, S. 98 (102).

[65]

Emmerich/Doehner, in: Festschrift f. Kramer, 2004, S. 485 (489 ff m. Nachw.); Oetker/Maultzsch, § 2 Rn 159 (S. 87); Lettl, JuS 2002, S. 866; Looschelders II, Tz 71 (S. 24); Medicus/Lorenz II, Tz 96; Schulze, NJW 2003, S. 1022.

[66]

Wegen der Einzelheiten s. Emmerich/Doehner, in: Festschrift f. Kramer, 2004, S. 485 (489 ff).

[67]

S. o. Rn 30 und Emmerich/Doehner, in: Festschrift f. Kramer, S. 485 (494 f); Looschelders II, Tz 74 (S. 23).

[68]

Looschelders II, Tz 76; Oetker/Maultsch, § 2 Rn 174 (S. 92).

[69]

S. u. § 5 Rn 20; ebenso Medicus/Lorenz II, Tz 101 f.

[70]

Beckmann, in: Eckpfeiler, 2014, Rn N 56; Looschelders II, Tz 77 (S. 26).

[71]

S. dazu ausführlich die Begr. z. SMG, S. 219; Medicus/Lorenz II, Tz 119; Pahlow, JuS 2006, S. 289 (291 f).

[72]

S. u. § 6 Rn 15 sowie Beckmann, in: Eckpfeiler, 2014, Rn N 62; B. Grunewald, § 7 Rn 60 ff (S. 133 f); Looschelders II, Tz 81; Pahlow, JuS 2006, S. 289 (290 f); anders offenbar BGH NJW 2017, 1666 Rn 16 ff.

[73]

BGH, NJW 2004, S. 1802.

[74]

BGH NJW 2017, 1666 Rn 16.

[75]

Vgl für eine Dienstbarkeit BGH, LM Nr 15 zu § 434 BGB = NJW 2000, S. 803.

[76]

BGHZ 110, S. 196 (199 f) = NJW 1990, S. 1106 = JuS 1990, S. 666 Nr 3 „Boris Becker-Fall“; BGH, LM Nr 16 zu § 434 BGB = NJW-RR 2001, S. 268 (Patentrecht); Pahlow, JuS 2006, S. 289 (290).

[77]

Instruktiv ist der Boris Becker-Fall (s. vorige Fn), in dem es, vereinfacht, darum ging, dass der Käufer von T-Shirts mit dem Aufdruck „Boris Becker Superstar“ von Boris Becker an der Weiterveräußerung gehindert wurde, weil er nicht seine Erlaubnis zu diesem Eingriff in sein Namens- und Persönlichkeitsrecht gegeben hatte (§§ 12, 823 Abs. 1, 1004).

[78]

BGH, LM Nr 14 zu § 433 BGB = NJW 1998, S. 533 = JuS 1998, S. 368 Nr 8; LM Nr 163 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 2001, S. 2875 = JuS 2001, S. 1022 Nr 6; NJW 2017, 1666 Rn 17.

[79]

S. o. § 3 Rn 4 f; BGHZ 174, S. 61 (68, Tz 27 ff) = NJW 2007, S. 3777 (3779); Beckmann, in: Eckpfeiler, Rn N 63; Grunewald, § 7 Rn 54 (S. 130 f); Looschelders II, Tz 79 (S. 25); Medicus/Lorenz II, Tz 117; anders Pahlow, JuS 2006, 289 (292 f); für das CISG auch BGH, NJW 2006, S. 1343 f.

[80]

Offen gelassen in BGHZ 174, S. 61 (68, Tz 28) = NJW 2007, S. 3777 (3779).

[81]

Vgl BGH, LM Nr 142 zu § 459 BGB = NJW 2001, S. 65 = JuS 2001, S. 298 Nr 9; LM Nr 163 zu § 276 (Fa) BGB = NJW 2001, S. 2875 = JuS 2001, S. 1022 Nr 6; NJW 2017, 1666 Rn 17.

[82]

BGHZ 113, S. 106 (112 ff) = NJW 1991, S. 915 = JuS 1991, S. 511 Nr 5; BGH, NJW 2004, S. 1802 = WM 2004, S. 2448; NJW 2006, S. 1343.

[83]

BGH, LM Nr 7 zu § 434 BGB = NJW 1983, S. 275; Landsberg, JuS 1982, S. 335.

[84]

BGH NJW 2017, 1666 Rn 22 ff; NJW 2017, 3292 = WM 2017, 1225 Rn 10, 13.

[85]

Pahlow, JuS 2006, 289 (291).

[86]

S. o. Rn 18 f; BGHZ 67, S. 134 (135 ff) = NJW 1976, S. 1888; BGHZ 96, S. 385 (387 f) = NJW 1986, S. 1605.

[87]

BGH, LM Nr 142 zu § 459 BGB = NJW 2000, S. 803 = JuS 2001, S. 298 Nr 9.

[88]

BGH, NJW 2011, S. 142 Tz 5, 7.

[89]

S. BGH, LM Nr 33 zu § 912 BGB = NJW 1981, S. 1362.