Assassin's Breed

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28.

Boris hatte keine Zeit verloren. Denn er wusste, dass die Angelegenheit drängte. Er war als umsichtig bekannt, versuchte die Zukunft zu antizipieren und hatte seinen Chef schon zahlreiche Male damit überrascht, ihn verblüfft, wie schnell die Organisation handlungsfähig war. Aber einen Einbruch beim BKA, wie hätte er den voraussehen und vorbereitende Maßnahmen treffen können? Aber er hatte. Natürlich hatte er keine Baupläne, Schlüssel oder Zugangscodes. Aber einen Informanten, den hatte er. Und er war, rückblickend betrachtet, gar nicht teuer gewesen. Gestern hätte Dimitri die Angelegenheit wahrscheinlich noch anders beurteilt. Was Boris durchaus hätte nachvollziehen können, denn wenn du jeden Monat 1000 Euro an jemanden zahlst und keinerlei Gegenleistung dafür bekommst, dann sieht das erst einmal nach einer schlechten Investition aus. Das war im Übrigen nicht die einzige Position dieser Art in ihrem Budget. Und viele dieser Positionen hatte er in der Vergangenheit gegenüber Dimitri verteidigen müssen. Was meist schwierig war, denn wenn man Geld für Vorsorge ausgibt, hat man erst einmal nichts davon. Jetzt etwas geben, um später vielleicht davon zu profitieren, fällt vielen schwer. Er hatte immer damit argumentiert, dass diese Positionen wie Versicherungen zu betrachten sind. Dargestellt, dass man jetzt ein wenig gibt, um später im Bedarfsfall den Schaden zu minimieren. Aber eine solche Argumentation bleibt natürlich immer hypothetisch. Es sei denn, du bekommst einen Präzedenzfall. Und den hatte Boris jetzt.

„Nein, Du suchst ihn noch heute auf und erklärst ihm, was wir erwarten. Und morgen Abend habe ich das Ergebnis. Als Erstes möchte ich nur wissen, wer sich um den Fall kümmert. Das ist doch wohl nicht zu viel verlangt“, sprach Boris in die Muschel seines Telefons. „Morgen Abend“, setzte er fort, nachdem er einige Sekunden schweigend zugehört hatte. „Mach ihm klar, dass wir es nicht dabei belassen, die Zahlungen einzustellen, wenn er nicht pünktlich liefert.“

Bevor sein Gesprächspartner noch weitere Erläuterungen geben konnte, um ein potenzielles Scheitern zu rechtfertigen, beendete Boris einfach das Gespräch. Solche Menschen konnte er nicht leiden. Die, anstatt zu überlegen, wie man erfolgversprechend vorgehen könnte, gleich tausend Gründe suchten und erläuterten, die zum Scheitern führen konnten. Was machte das denn für einen Unterschied? Am Ende zählte immer nur das Ergebnis. In allen Organisationen. Natürlich hatte ein Scheitern in ihrer Organisation meist besonders unangenehme Konsequenzen für die Verantwortlichen. Aber das wussten sie alle, im Voraus. Und außerdem hatten sie bei der Umsetzung ihrer Maßnahmen auch mehr Möglichkeiten, wurden nicht durch Gesetze oder Vorschriften unnötig eingeengt. Morgen Abend würde er mit den notwendigen Informationen beliefert, um sie am Morgen darauf dem Consultant liefern zu können. Er war mit sich zufrieden und auch Dimitri und der Consultant würden mit ihm zufrieden sein.

29.

Das war die Art von Arbeit, die er liebte. Vor Ort schnüffeln, mit Menschen reden, Verdächtige und Zeugen befragen, rhetorische Fallen stellen und sich Tatorte und Umgebungen ansehen. Oder nach Tatorten suchen, so wie er es im Augenblick tat. Seit zwei Stunden streifte Hauptkommissar Strecker jetzt schon durch die Kölner Innenstadt, durch die nördliche Innenstadt um genau zu sein, durch die Gegend um den Ebertplatz. Wenn sich ein Rudel junger Menschen trifft, um eine Straftat zu begehen, ist es doch unwahrscheinlich, dass sie sich an einem Ort treffen, der nichts mit dem eigentlichen Zielort zu tun hatte. Sie konnten ja schlecht mit den Öffentlichen zum vorgesehenen Tatort fahren, riskieren aufzufallen oder von den Kameras in den Fahrzeugen aufgenommen zu werden. Nein, der Ort, den er suchte, musste hier ganz in der Nähe sein. Aber es ist schwierig etwas zu finden, wenn man eigentlich gar nicht weiß, wonach man sucht. Neben dem sich entwickelnden Frust, ob seiner Erfolglosigkeit, machte ihm auch die Kälte zunehmend zu schaffen. „Jetzt mal analytisch“, ermahnte er sich gedanklich selbst. „Wenn eine solche Horde junger Menschen aktiv wird, bleibt das doch nicht unbemerkt. Das wird hektisch, das wird laut, das muss doch jemandem auffallen. Dadurch fühlt sich doch irgendjemand gestört. Und vielleicht hat sich dieser Jemand beschwert.“

Strecker kramte mit klammen Fingern sein Handy aus der Manteltasche und wählte eine ihm mehr als vertraute Nummer.

„HK Garber“, kam aus dem Lautsprecher.

„Strecker hier“, antwortete er. „Ich wildere in Ihrem Revier und brauche Ihre Hilfe. Genau genommen suche ich den Ort an dem Marc Johann und seine Kumpanen aktiv geworden sind. Könnten Sie mal die Leitstelle anrufen und nachfragen, ob in der Nähe des Ebertplatzes, sagen wir mal im Radius von einem Kilometer und innerhalb einer Zeitspanne von vielleicht zwei Stunden nach dem beobachteten Treffen, irgendwelche Meldungen eingegangen sind? Notrufe, Beschwerden über Ruhestörungen, einfach alles. Bitte schicken Sie mir das Ergebnis auf mein Handy.“

„Gut“, antwortete die Hauptkommissarin. „Ich kümmere mich gleich darum. Brauchen Sie Unterstützung?“

„Danke, nein“, sagte er. „Ich werde hier nicht verloren gehen. Höchstens erfrieren, wenn es zu lange dauert.“

„Das ‚Café Schmitz‘ soll geheizt sein“, bemerkte Frau Garber. „Es sollte aber nicht lange dauern. Ich melde mich.“

„Danke. Ich warte. Voller Ungeduld“, antwortete er, beendete das Gespräch und spazierte, mit hochgezogenem Mantelkragen den Ring herunter, Richtung Café. „Wirklich schön warm“, dachte er, nachdem er das Café betreten hatte. Strecker fand einen freien Platz an einem Tisch mit Fensterblick, öffnete den Mantel und ließ sich in den bequemen Stuhl fallen. Während er auf seinen Kaffee, schwarz und ohne Zucker wartete, blickte er gedankenverloren aus dem Fenster. „Irgendwo dort draußen liegt der Anfang zu der Spur zu Marc Johann“, sinnierte er. „Jetzt fange ich auch schon an mit dem Smartphone zu spielen, meine Zeit mit dem Betrachten von unnützen Bildern und unnötigen Nachrichten zu vergeuden“, dachte er und legte das Handy, mit dem er fast unbemerkt zu hantieren begonnen hatte, neben die Kaffeetasse auf den Tisch.

Doch besser fühlte er sich nicht. Das Warten zerrte an seinen Nerven. Geduld war noch nie seine Stärke gewesen. In seinen Gedanken ging er immer wieder durch die Gegend rund um den Ebertplatz. Wozu braucht man eine Gruppe von Jugendlichen?

Er hatte keinen Schimmer. Keine diskrete Aktion, wie die Beschädigung eines geparkten Fahrzeugs. Kein Anschlag auf eine Person. Das hätte zu viel Aufmerksamkeit erregt. Was es auch war, es musste sich irgendwo innerhalb eines Gebäudes abgespielt haben.

Ein „Ping“ seines Handys riss ihn aus seinen Überlegungen. Er griff sich das Telefon, öffnete die Nachricht und hatte die Lösung. Strecker erhob sich, knöpfte den Mantel zu, warf drei Münzen auf den Tisch, verstaute das Handy in der Manteltasche und stürmte grußlos aus dem Café. Er war sich sicher, musste das aber noch verifizieren, nicht für seine Überzeugung, sondern für die Kollegen. Bis in die Sudermannstraße waren es nur zwei Minuten. Genauso wie es auch nur zwei Minuten vom Ebertplatz zur Sudermannstraße waren. Dann stand er auch schon vor dem „Queens“, einem Lokal mit wechselhafter Geschichte, mit wechselnden Besitzern und wechselnden Angeboten. Aktuell war das Angebot auf den anspruchsvollen Gentleman ausgerichtet und die Besitzer waren, wenn man den einschlägigen Gerüchten glaubte, Mitglieder der russischen Mafia. Und ohne noch mit dem Bewohner aus dem gegenüberliegenden Mietshaus, der ungewöhnlichen Lärm am Tatabend gemeldet hatte, sprechen zu müssen, waren nun zwei Dinge klar. Erstens: Der Club war wegen Renovierung geschlossen. Wahrscheinlich war er durch einen Überfall beschädigt worden. Zweitens: Der Überfall war nicht angezeigt worden. Folglich gehörte der Club jemandem, der an Ermittlungen der Polizei nicht interessiert war. Vielleicht auch deshalb, weil er etwas mit dem Verschwinden von Marc Johann zu tun hatte. Vielleicht, weil der Junge dabei helfen sollte, die anderen am Überfall Beteiligten zu finden. Was auch den Einbruch bei den Johanns erklären dürfte. Das Puzzle fügte sich zusammen. Ein Teil jedoch würde aber künftig mit Sicherheit nicht mehr dazugehören. Sofern seine Theorie richtig war, musste man davon ausgehen, dass sie Marc Johann nicht mehr lebendig auffinden würden. Und seine Mutter war wahrscheinlich ein weiteres, auf ewig fehlendes Puzzleteil.

30.

„Das hätte nicht passieren dürfen“, dachte Hauptkommissar Faber, während er sich selbst im Spiegel betrachtete. Müde Augen, wirres Haar und ein zerknittertes Gesicht zeigten ein deutliches Resultat der letzten Nacht. Einer weiteren Nacht, in der er kaum Schlaf gefunden hatte, weil er dem Schlaf keine Chance gegeben hatte, weil er zu sehr mit Grübeln beschäftigt war. Über Monate hatte er gegen die Gefühle angekämpft, versucht vernünftig zu sein, sich einzureden, dass es besser war, vernünftig zu sein und geglaubt, dass er auf einem guten Weg war. Er hatte versucht, sich auf seine Familie zu konzentrieren, wollte ein Teil der Familie sein. Oder es, um ehrlich zu sein, wieder werden. Denn für einige Wochen war er raus gewesen. Nicht einmal mehr Teil der bereits zur Routine gewordenen Abläufe. Denn er war bei ihr gewesen. Häufig an diversen Orten im Ruhrgebiet, in Cafés, Restaurants und zumeist in Hotelzimmern. Die restliche Zeit in Gedanken, gefangen in einem quälenden Sehnen, nach dem nächsten Treffen gierend. Das begann bereits in dem Moment, in dem er sie verließ, sich von ihr entfernte und es steigerte sich, bis zu dem Tag, an dem das nächste Treffen anstand, bis er sich in seinen Wagen setzte und das Sehnen durch Vorfreude abgeschwächt wurde. Die Tage dazwischen waren eine stetige Qual für ihn, ein nicht enden wollendes Schauspiel, in dem er in der Rolle des Familienvaters gefangen war.

 

Natürlich blieb seiner Frau seine Veränderung nicht verborgen. War er, beruflich bedingt schon immer oft abwesend, die vielen Dienstreisen ließen seine Abwesenheit für seine erotischen Ausflüge leicht erklärbar machen, so war er jetzt sogar nicht präsent, wenn er zu Hause war. Es waren nur Kleinigkeiten, Antworten und Gesten die Sekundenbruchteile zu spät kamen, Termine, die er vergaß. Selbst ein Heimspiel seines geliebten FC hätte er vielleicht sogar verpasst, wenn ihn sein Sohn nicht daran erinnert hätte. Natürlich fiel auch ihm auf, dass es anders war, dass er anders war. Er zwang sich zu funktionieren. Wie immer, wie vorher, musste sich aber eingestehen, dass ihm dies nicht gut gelang. Also versuchte er Nebelkerzen zu zünden, Ablenkungsmanöver zu gestalten, ihren Blick auf vermeintliche berufliche Probleme zu lenken, ihr von den aktuellen Fällen zu erzählen. In der Hoffnung, dass sie keinen Verdacht schöpfte. Ob das gelang, wusste er nicht. Sie fragte ihn nicht, sie kommentierte nichts, sie beklagte sich nur. Leise, aber beständig. Die Situation wurde unerträglich für ihn, ruinierte sein Leben, beeinträchtigte ihn auch im Beruf. Auch im Dienst war er abgelenkt, unkonzentriert, machte Fehler, reagierte unbeherrscht, unberechenbar. Für einen Bruch, für eine Flucht hatte er keinen Mut. Ein weiter so, war aber auch nicht möglich. Also beendete er die Affäre, er litt wie ein Hund, war aber auch stolz auf sich, dass er es gewagt hatte, dass er es versuchte. Und mit der Zeit wurde es einfacher. Die Erinnerung verblasste, das Sehnen ließ nach, der Alltag gelang ihm nach und nach besser. Er wurde nicht glücklich, aber die Ruhelosigkeit ließ nach, er konnte wieder leben, denken. Der Kopf steuerte, nicht mehr der Unterleib. Bis gestern. Die Besprechung hatte er noch einigermaßen überstanden. Er war vorbereitet, gefasst, konzentriert, hatte sich selbst hypnotisiert, versucht, seine Gefühle zu kontrollieren. Und er war stolz. Weil es ihm gelungen war. Erst gegen Ende der Besprechung fing er an zu wanken, konnte die Besprechung aber beenden, bevor seine Rüstung barst, konnte fliehen, in der Hoffnung es wäre überstanden. Natürlich mussten sie weiter zusammenarbeiten, aber weitere Treffen waren nicht zwingend nötig. Und falls doch, er glaubte, dass er widerstehen konnte. Bis zu dem Moment in der Kaffeeküche. Da war er unvorbereitet, wie damals in Karlsruhe. Es brauchte kein Wort, nur einen Blick und die Flamme brannte wieder. Er wusste, dass er alle belogen hatte, seine Frau, seinen Sohn und sich selbst. Es würde wieder von vorne anfangen. Das wusste er. Alles, was er noch nicht wusste, wo genau vorne war, an welcher Stelle es wieder anfangen würde.

31.

Das war genau der Auftrag, den er sich nicht gewünscht hatte. Nichts passte. Aber auch gar nichts. Weder die Art des Auftrags, noch der Ort. Die Neigung, den Auftrag abzulehnen, nur diesen einen, nur dieses eine Mal, war groß. Warum schon wieder in Köln? Und dann noch ein Mord. In aller Öffentlichkeit. Die Polizei würde sofort erkennen, dass es seine Handschrift war, dass es sein Werk war, falls er den Auftrag annahm und er ausgeführt würde. Aber wem sollte er den Auftrag geben? Ein Mitglied hatte er in Köln verloren. Und der Neue? Der war noch nicht so weit. Der hatte gerade mal eine Scheibe eingeworfen. Der kam also nicht infrage. Also muss ich einen Ortsfremden auswählen. Das bedingt Reisen, braucht einen längeren Vorlauf, erhöht das Risiko. Er hatte ein schlechtes Gefühl. Aber der Preis war gut. Ein Mord war am teuersten, ein Mord auf eine bestimmte, auf eine bestellte Art und Weise, erhöhte den Preis sogar noch. Und wenn es dann noch öffentlich passieren sollte, war das extrem teuer für den Kunden. Für ihn war es demgemäß extrem lukrativ. Trotzdem hatte er ein ungutes Gefühl, nachdem er den Auftrag angenommen, die Bestätigung und die Modalitäten für die Anzahlung versandt hatte.

32.

„Die Kölner Polizei hat die Nachbarschaft rund um das ‚Queens‘ erneut befragt. Es gibt zwar keine eindeutigen Angaben, jedoch meinen die meisten, sich daran zu erinnern, dass der Club unmittelbar nach dem fraglichen Datum geschlossen wurde. Das beweist zwar nichts, aber ich bin mir sicher, dass der Club das Ziel der Truppe war. Und genauso sicher bin ich mir, dass der Club der russischen Mafia gehört. Dafür gibt es zwar auch keine Beweise, aber eigentlich auch keine Zweifel“, erläuterte Hauptkommissar Strecker auf der morgendlichen Konferenz der Ermittler des BKA.

„Dann lassen wir den Club durchsuchen“, schlug Kommissar Marten vor.

„Das bringt nichts. Dort werden wir keine Spuren mehr finden. Die sind im wahrsten Sinne des Wortes gestrichen worden. Und auf Zeugenaussagen brauchen wir dort auch nicht zu hoffen. Erstens sagen die sowieso nichts und zweitens sind alle Zeugen mittlerweile wahrscheinlich weg. Jenseits des Ural, wenn sie Glück gehabt haben. Nein, das sollten wir schön für uns behalten. Dass wir das wissen und die Mafia das noch nicht weiß, ist das einzige Kapital, das wir aus meinem Ausflug herausschlagen können. Vorausgesetzt, die Kölner Kollegen waren bei ihren aktuellen Befragungen hinreichend diskret. Sonst bleibt uns nicht einmal das“, konterte Strecker.

„Was schlagen Sie stattdessen vor?“, fragte Hauptkommissar Faber.

„Wir müssen sie beobachten“, sagte Hauptkommissar Strecker. „Die Spitze. Eigentlich alle, zumindest den Botschafter.“

„Den Botschafter?“, unterbrach Kommissar Schmiede.

„So nennen sie den Chef, den für die deutschen Aktivitäten Verantwortlichen. Sein Name, zumindest der Name unter dem er in der Öffentlichkeit agiert, ist Dimitri Petrovic, wohnhaft in Köln, in einer Villa im Hahnwald und beruflich Geschäftsführer einer Im- und Exportfirma, sowie einer Firma, die Immobiliengeschäfte betreibt. Die Mafia ist sicher auch hinter unserer Bande her. Einen derartigen Angriff können sie nicht unbeantwortet lassen. Vielleicht ist die Mafia ja schneller und erfolgreicher als wir. Und führt uns so auf die Spur der Bande.“

„Viel ist das nicht. Und teuer“, erwiderte Faber. „Dieser sogenannte ‚Botschafter‘ wird sich ja kaum selbst die Finger schmutzig machen. Und wir können ja nicht alle beschatten, die bei ihm ein- und ausgehen. Aber mehr haben wir im Moment nicht. Und bis dahin stellen wir dem Konsul zwei Aufpasser vor die Tür. Rund um die Uhr. Marten, bitte veranlassen Sie das. Und schärfen Sie den Kollegen ein, dass sie nicht auffallen dürfen. Sonst ist dieser Strohhalm auch nichts mehr wert. Und was machen wir im Hinblick auf die Suche nach dem Jungen und seiner Mutter?“, fragte Faber in die Runde.

„Die können wir einstellen“, antwortete Strecker.

„Einstellen?“, erwiderte Hauptkommissar Faber ungläubig.

„Ja einstellen, die sind tot und wenn sie es noch nicht sind, werden sie es bald sein. Zumindest bevor wir sie finden werden“, retournierte Strecker.

„Das akzeptiere ich nicht. Nur weil Sie meinen, die Mafia zu kennen, weil Sie resignieren, werde ich die Hoffnung nicht aufgeben. Nicht so lange wir keine verlässlichen Beweise haben. Bis dahin werden wir alles tun, um die Vermissten zu finden. Ist das klar? Im Gegenteil: Ich werde die Einrichtung einer SOKO beim Kriminalrat beantragen. Wenn wir die Entführten finden wollen, brauchen wir mehr Personal. Viel mehr Personal. Strecker und Marten, Sie kommen nach der Besprechung mit in mein Büro. Wir besprechen die Einzelheiten. Haben wir sonst noch etwas?“, fragte Faber in die Runde, begleitete die Frage aber durch einen intensiven, eindeutigen Blick in Richtung Hauptkommissar Strecker. Der verstand und schwieg.

„Nein. Nichts“, erwiderte Dr. Brick. „Wir suchen im Darknet weiter nach passenden Informationen, haben aber bisher noch nicht einen Shop gefunden, der auch nur einer näheren Überprüfung wert wäre. Wir beteiligen uns an Spielen und den zugehörigen Chats und versuchen auf diese Art und Weise Kontakt zu der Gemeinschaft zu bekommen. Ob wir auf diesem Weg je weiterkommen, kann ich nicht abschätzen. Es gibt Tausende von Spielen die prinzipiell infrage kommen und zu jedem mehrere Kommunikationskanäle bzw. Gruppen von Spielern. Wir haben zwar Programme geschrieben, die relevante Adressen automatisch durchsuchen und vermeintliche Treffer selektieren. Da wir aber im Prinzip gar nicht wissen, wonach wir eigentlich suchen, mussten wir das Netz mit den Suchmustern, also den Begriffen, die wir suchen, recht grobmaschig knüpfen. Dementsprechend bekommen wir also auch recht viele der vermeintlichen Treffer. Und die müssen wir uns alle ansehen. Und abschätzen, ob wir sie weiterverfolgen oder nicht. Die Weiterverfolgung ist meist ziemlich zeitaufwendig, bei Chats von Spielen können wir uns nur in die Spiele schalten, am Chat teilnehmen und hoffen, dass sich die Verdächtigen wieder zuschalten. Das dauert zumeist Stunden, pro Spiel. Wir müssen ja auch mitspielen oder zumindest so tun. Sonst fallen wir auf und verbrennen unsere Avatare, also die künstlichen Namen unter denen wir an den Spielen teilnehmen.

Und was die verdächtigen Webshops angeht: Da müssen wir schnell sein, denn die Shops ziehen schnell um, auf neue Webadressen. Dann sind sie für uns verloren. Und auch die Beschäftigung mit den Shops ist zeitaufwendig. Zumeist verwenden sie für ihre Produkte Codenamen. Das macht die Analyse des Angebotes schwieriger. Und wenn wir danach immer noch der Ansicht sind, dass es ein Kandidat sein könnte, müssen wir Testkäufe simulieren. Das bedingt natürlich wieder die Schöpfung und Nutzung von fiktiven Nutzern mit deren Identitäten sie agieren. Und das alles müssen wir ja auch noch im Blick behalten. Also müssen wir es dokumentieren und so weiter und so weiter. Vermutlich brauchen wir Unterstützung von Kommissar Zufall. Sonst wird das nichts.“

„Scheiße“, resümierte Faber. „Entschuldigung, Ingrid“, schob er halbherzig hinterher. „Aber auch damit machen wir weiter. Wir haben ja sonst nichts. Ingrid, meine Herren, an die Arbeit. Strecker, Marten, bitte kommen Sie mit.“

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