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Deutsche Humoristen, 4. und 5. Band (von 8)

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Der gute Rat
von
Christian Fürchtegott Gellert

 
Ein junger Mensch, der sich vermählen wollte
und dem man manchen Vorschlag tat,
bat einen Greis um einen guten Rat,
was für ein Weib er nehmen sollte?
„Freund,“ sprach der Greis, „das weiß ich nicht.
So gut man wählt, kann man sich doch betrügen.
Sucht ihr ein Weib bloß zum Vergnügen,
so wählet euch ein schön Gesicht;
doch liegt euch mehr an Renten und am Staate
als am verliebten Zeitvertreib:
so dien ich euch mit einem andern Rate,
bemüht euch um ein reiches Weib;
doch strebt ihr durch die Frau nach einem hohen Range,
nun, so vergeßt, daß bessre Mädchen sind,
wählt eines großen Mannes Kind,
und untersucht die Wahl nicht lange;
doch wollt ihr mehr für eure Seele wählen
als für die Sinne und den Leib:
so wagt’s, um euch nach Wunsche zu vermählen,
und wählt euch ein gelehrtes Weib.“
Hier schwieg der Alte lachend still.
„Ach,“ sprach der junge Mensch, „das will ich ja nicht wissen,
ich frage, welches Weib ich werde wählen müssen,
wenn ich zufrieden leben will?
Und wenn ich, ohne mich zu grämen – “
„O,“ fiel der Greis ihm ein, „da müßt ihr keine nehmen.“
 

Der sterbende Vater
von
Christian Fürchtegott Gellert

 
Ein Vater hinterließ zween Erben,
Christophen, der war klug, und Görgen, der war dumm.
Sein Ende kam, und kurz vor seinem Sterben
sah er sich ganz betrübt nach seinem Christoph um.
„Sohn,“ fing er an, „mich quält ein trauriger Gedanke,
du hast Verstand, wie wird dir’s künftig gehn?
Hör’ an, ich hab’ in meinem Schranke
ein Kästchen mit Juwelen stehn,
die sollen dein. Nimm sie, mein Sohn,
und gib dem Bruder nichts davon.“
 
 
Der Sohn erschrak und stutzte lange.
„Ach Vater,“ hub er an, „wenn ich so viel empfange,
wie kommt alsdann mein Bruder fort?“
„Er?“ fiel der Vater ihm ins Wort,
„für Görgen ist mir gar nicht bange,
der kommt gewiß durch seine Dummheit fort.“
 

Die Widersprecherin
von
Christian Fürchtegott Gellert

 
Ismene hatte noch, bei vielen andern Gaben,
auch diese, daß sie widersprach.
Man sagt es überhaupt den guten Weibern nach,
daß alle diese Tugend haben;
doch, wenn’s auch tausendmal der ganze Weltkreis spricht:
so halt ich’s doch für ein Gedicht,
und sag es öffentlich: Ich glaub es ewig nicht.
Ich bin ja auch mit mancher Frau bekannt,
ich hab es oft versucht, und manche schön genannt,
so häßlich sie auch war, bloß, weil ich haben wollte,
daß sie mir widersprechen sollte;
allein sie widersprach mir nicht.
Und also ist es falsch, daß jede widerspricht.
So kränkt man euch, ihr guten Schönen! —
Jetzt komm ich wieder zu Ismenen.
Ismenen sagte man’s nicht aus Verleumdung nach,
es war gewiß, sie widersprach.
Einst saß sie mit dem Mann bei Tische;
sie aßen unter anderm Fische,
mich deucht, es war ein grüner Hecht.
„Mein Engel,“ sprach der Mann, „mein Engel, ist mir recht,
so ist der Fisch nicht gar zu blau gesotten.“
„Das,“ rief sie, „hab ich wohl gedacht,
so gut man auch die Anstalt macht:
so finden Sie doch Grund, der armen Frau zu spotten.
Ich sag es Ihnen kurz, der Hecht ist gar zu blau.“
„Gut,“ sprach er, „meine liebe Frau,
wir wollen nicht darüber streiten,
was hat die Sache zu bedeuten?“
 
 
So wie dem welschen Hahn, dem man was Rotes zeigt,
der Zorn den Augenblick in Nas’ und Lefzen steigt,
sie rot und blau durchströmt, lang auseinander treibet,
in beiden Augen blitzt, sich in den Flügeln sträubet,
in alle Federn dringt, und sie gen Himmel kehrt,
und zitternd, mit Geschrei und Poltern, aus ihm fährt:
so schießt Ismenen auch, da dies ihr Liebster spricht,
das Blut den Augenblick in ihr sonst blaß Gesicht;
die Adern liefen auf, die Augen wurden enger,
die Lippen dick und blau, und Kinn und Nase länger;
ihr Haar bewegte sich, stieg voller Zorn empor,
und stieß, indem es stieg, das Nachtzeug von dem Ohr.
Drauf fing sie zitternd an: „Ich, Mann! ich, deine Frau,
ich sag es noch einmal, der Hecht war gar zu blau.“
Sie nimmt das Glas und trinkt. O! laßt sie doch nicht trinken!
Ihr Liebster geht und sagt kein Wort;
kaum aber ist ihr Liebster fort,
so sieht man sie in Ohnmacht sinken.
Wie konnt es anders sein? Gleich auf den Zorn zu trinken!
Ein plötzliches Geschrei bewegt das ganze Haus;
man bricht der Frau die Daumen aus;
man streicht sie kräftig an, kein Balsam will sie stärken.
Man reibt ihr Schläf’ und Puls; kein Leben ist zu merken.
Man nimmt versengtes Haar und hält’s ihr vors Gesicht.
Umsonst! Umsonst! Sie riecht es nicht!
Nichts kann den Geist ihr wiedergeben.
Man ruft den Mann, er kommt und schreit:
„Du stirbst, mein Leben!
Du stirbst? Ich armer Mann! Ach, meine liebe Frau,
wer hieß mich dir doch widerstreben!
Ach der verdammte Fisch! Gott weiß, er war nicht blau.“
Den Augenblick bekam sie wieder Leben.
„Blau war er,“ rief sie aus, „willst du dich noch nicht geben?“
So tat der Geist des Widerspruchs
mehr Wirkung, als die Kraft des heftigsten Geruchs.
 

Das Muster der Ehen
von
Gotthold Ephraim Lessing

 
Ein rares Beispiel will ich singen,
wobei die Welt erstaunen wird.
Daß alle Ehen Zwietracht bringen,
glaubt jeder, aber jeder irrt.
 
 
Ich sah das Muster aller Ehen,
still, wie die stillste Sommernacht
O! daß sie keiner möge sehen,
der mich zum frechen Lügner macht!
 
 
Und gleichwohl war die Frau kein Engel,
und der Gemahl kein Heiliger;
es hatte jedes seine Mängel.
Denn niemand ist von allen leer.
 
 
Doch sollte mich ein Spötter fragen,
wie diese Wunder möglich sind?
Der lasse sich zur Antwort sagen:
Der Mann war taub, die Frau war blind.
 

Die drei Reiche der Natur
von
Gotthold Ephraim Lessing

 
Ich trink’, und trinkend fällt mir bei,
warum Naturreich dreifach sei.
Die Tier’ und Menschen trinken, lieben,
ein jegliches nach seinen Trieben:
Delphin und Adler, Floh und Hund
empfindet Lieb’ und netzt den Mund.
Was also trinkt und lieben kann,
wird in das erste Reich getan.
 
 
Die Pflanze macht das zweite Reich,
dem ersten nicht an Güte gleich:
sie liebet nicht, doch kann sie trinken,
wenn Wolken träufelnd niedersinken;
so trinkt die Zeder und der Klee,
der Weinstock und die Aloe.
Drum, was nicht liebt, doch trinken kann,
wird in das zweite Reich getan.
 
 
Das Steinreich macht das dritte Reich;
und hier sind Sand und Demant gleich:
kein Stein fühlt Durst und zarte Triebe,
er wachset ohne Trunk und Liebe.
Drum, was nicht liebt noch trinken kann,
wird in das letzte Reich getan.
Denn ohne Lieb’ und ohne Wein,
sprich, Mensch, was bleibst du noch? – Ein Stein.
 

Lob der Faulheit
von
Gotthold Ephraim Lessing

 
Faulheit, jetzo will ich dir
auch ein kleines Loblied bringen. —
O .. wie .. sau .. er .. wird es mir,
dich .. nach Würden .. zu besingen!
Doch, ich will mein bestes tun,
nach der Arbeit ist gut ruhn.
 
 
Höchstes Gut! wer dich nur hat,
dessen ungestörtes Leben —
Ach! .. ich .. gähn’ .. ich .. werde matt ..
nun .. so .. magst du .. mir’s vergeben,
daß ich dich nicht singen kann;
du verhinderst mich ja dran.
 

Niklas
von
Gotthold Ephraim Lessing

 
Mein Esel sicherlich
muß klüger sein, als ich.
Ja, klüger muß er sein!
Er fand sich selbst in’ Stall hinein
und kam doch von der Tränke.
Man denke!
 

Die Geschichte von Goliath und David, in Reime bracht
von
Matthias Claudius

 
War einst ein Riese Goliath,
gar ein gefährlich Mann!
Er hatte Tressen auf dem Hut
mit einem Klunker dran
und einen Rock von drap d’argent
und alles so nach advenant.
 
 
An seinen Schnurrbart sah man nur
mit Gräsen und mit Graus,
und dabei sah er von Natur
pur wie der – aus.
Sein Sarras war, man glaubt es kaum,
so groß schier als ein Weberbaum.
 
 
Er hatte Knochen wie ein Gaul
und eine freche Stirn
und ein entsetzlich großes Maul
und nur ein kleines Hirn;
gab jedem einen Rippenstoß
und flunkerte und prahlte groß.
 
 
So kam er alle Tage her
und sprach Israel Hohn.
„Wer ist der Mann? Wer wagt’s mit mir?
Sei Vater oder Sohn,
er komme her, der Lumpenhund,
ich bax’n nieder auf den Grund.“
 
 
Da kam in seinem Schäferrock
ein Jüngling zart und fein;
er hatte nichts als seinen Stock
als Schleuder und den Stein
und sprach: „Du hast viel Stolz und Wehr,
ich komm im Namen Gottes her.“
 
 
Und damit schleudert’ er auf ihn
und traf die Stirne gar;
da fiel der große Esel hin,
so lang und dick er war.
Und David haut in guter Ruh
ihm nun den Kopf noch ab dazu. —
 
 
Trau nicht auf deinen Tressenhut
noch auf den Klunker dran!
Ein großes Maul es auch nicht tut:
das lern vom langen Mann;
und von dem kleinen lerne wohl,
wie man mit Ehren fechten soll.
 

Rheinweinlied
von
Matthias Claudius

 
Bekränzt mit Laub den lieben vollen Becher,
und trinkt ihn fröhlich leer,
in ganz Europia, ihr Herren Zecher,
ist solch ein Wein nicht mehr!
 
 
Er kommt nicht her aus Hungarn noch aus Polen,
noch wo man franzmännsch spricht:
da mag Sankt Veit, der Ritter, Wein sich holen,
wir holen ihn da nicht.
 
 
Ihn bringt das Vaterland aus seiner Fülle:
wie wär’ er sonst so gut?
Wie wär’ er sonst so edel, wäre stille
und doch voll Kraft und Mut?
 
 
Er wächst nicht überall im deutschen Reiche;
und viele Berge, hört,
sind wie die weiland Kreter faule Bäuche
und nicht der Stelle wert.
 
 
Thüringens Berge zum Exempel bringen
Gewächs, sieht aus wie Wein,
ist’s aber nicht: man kann dabei nicht singen,
dabei nicht fröhlich sein.
 
 
Im Erzgebirge dürft ihr auch nicht suchen,
wenn ihr Wein finden wollt:
das bringt nur Silbererz und Kobaltkuchen
und etwas Lausegold.
 
 
Der Blocksberg ist der lange Herr Philister;
er macht nur Wind wie der:
drum tanzen auch der Kuckuck und sein Küster
auf ihm die Kreuz und Quer.
 
 
Am Rhein, am Rhein, da wachsen unsre Reben:
gesegnet sei der Rhein!
Da wachsen sie am Ufer hin und geben
uns ihren Labewein.
 
 
So trinkt ihn denn, und laßt uns allewege
uns freun und fröhlich sein!
Und wüßten wir, wo jemand traurig läge,
wir gäben ihm den Wein.
 

Der Kaiser und der Abt
von
Gottfried August Bürger

 
Ich will euch erzählen ein Märchen, gar schnurrig:
es war mal ein Kaiser, der Kaiser war knurrig;
auch war mal ein Abt, ein gar stattlicher Herr;
nur schade! sein Schäfer war klüger als er.
 
 
Dem Kaiser ward’s sauer in Hitz’ und in Kälte;
oft schlief er bepanzert im Kriegesgezelte,
oft hatt’ er kaum Wasser zu Schwarzbrot und Wurst,
und öfter noch litt er gar Hunger und Durst.
 
 
Das Pfäfflein, das wußte sich besser zu hegen
und weidlich am Tisch und im Bette zu pflegen.
Wie Vollmond glänzte sein feistes Gesicht
Drei Männer umspannten den Schmerbauch ihm nicht.
 
 
Drob suchte der Kaiser am Pfäfflein oft Hader.
Einst ritt er mit reisigem Kriegesgeschwader
in brennender Hitze des Sommers vorbei.
Das Pfäfflein spazierte vor seiner Abtei.
 
 
„Ha,“ dachte der Kaiser, „zur glücklichen Stunde!“
und grüßte das Pfäfflein mit höhnischem Munde.
„Knecht Gottes, wie geht’s dir? Mir däucht wohl ganz recht,
das Beten und Fasten bekomme nicht schlecht.
 
 
„Doch däucht mir daneben, Euch plage viel Weile.
Ihr dankt mir’s wohl, wenn ich Euch Arbeit erteile;
man rühmet, Ihr wäret der pfiffigste Mann,
Ihr höret das Gräschen fast wachsen, sagt man.
 
 
„So geb’ ich denn Euern zwei tüchtigen Backen
zur Kurzweil drei artige Nüsse zu knacken.
Drei Monden von nun an bestimm’ ich zur Zeit.
Dann will ich auf diese drei Fragen Bescheid:
 
 
„Zum ersten: Wann hoch ich im fürstlichen Rate
zu Throne mich zeige im Kaiserornate,
dann sollt Ihr mir sagen, ein treuer Wardein,
wieviel ich wohl wert bis zum Heller mag sein.
 
 
„Zum zweiten sollt Ihr mir berechnen und sagen,
wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen,
um keine Minute zu wenig und viel!
Ich weiß, der Bescheid darauf ist Euch nur Spiel.
 
 
„Zum dritten noch sollst du, o Preis der Prälaten,
aufs Härchen mir meine Gedanken erraten.
Die will ich dann treulich bekennen; allein
es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.
 
 
„Und könnt Ihr mir diese drei Fragen nicht lösen,
so seid Ihr die längste Zeit Abt hier gewesen;
so laß ich Euch führen zu Esel durchs Land,
verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand.“ —
 
 
Drauf trabte der Kaiser mit Lachen von hinnen.
Das Pfäfflein zerriß und zerspliß sich mit Sinnen.
Kein armer Verbrecher fühlt mehr Schwulität,
der vor hochnotpeinlichem Halsgericht steht.
 
 
Er schickte nach ein, zwei, drei, vier Un’vers’täten;
er fragte bei ein, zwei, drei, vier Fakultäten;
er zahlte Gebühren und Sportuln vollauf;
doch löste kein Doktor die Fragen ihm auf.
 
 
Schnell wuchsen bei herzlichem Zagen und Pochen
die Stunden zu Tagen, die Tage zu Wochen,
die Wochen zu Monden; schon kam der Termin!
Ihm ward’s vor den Augen bald gelb und bald grün.
 
 
Nun sucht’ er, ein bleicher, hohlwangiger Werther,
in Wäldern und Feldern die einsamsten Örter.
Da traf ihn auf selten betretener Bahn
Hans Bendix, sein Schäfer, am Felsenhang an.
 
 
„Herr Abt,“ sprach Hans Bendix, „was mögt Ihr Euch grämen?
Ihr schwindet ja wahrlich dahin wie ein Schemen.
Maria und Joseph! Wie hotzelt Ihr ein!
Mein Sixchen! Es muß Euch was angetan sein.“ —
 
 
„Ach, guter Hans Bendix, so muß sich’s wohl schicken.
Der Kaiser will gern mir am Zeuge was flicken
und hat mir drei Nüss’ auf die Zähne gepackt,
die schwerlich Beelzebub selber wohl knackt.
 
 
„Zum ersten: Wann hoch er im fürstlichen Rate
zu Throne sich zeiget im Kaiserornate,
dann soll ich ihm sagen, ein treuer Wardein,
wieviel er wohl wert bis zum Heller mag sein.
 
 
„Zum zweiten soll ich ihm berechnen und sagen,
wie bald er zu Rosse die Welt mag umjagen,
um keine Minute zu wenig und viel!
Er meint, der Bescheid darauf wäre nur Spiel.
 
 
„Zum dritten, ich ärmster von allen Prälaten,
soll ich ihm gar seine Gedanken erraten;
die will er mir treulich bekennen; allein
es soll auch kein Titelchen Wahres dran sein.
 
 
„Und kann ich ihm diese drei Fragen nicht lösen,
so bin ich die längste Zeit Abt hier gewesen;
so läßt er mich führen zu Esel durchs Land,
verkehrt, statt des Zaumes den Schwanz in der Hand.“ —
 
 
„Nichts weiter?“ erwidert Hans Bendix mit Lachen.
„Herr, gebt Euch zufrieden, das will ich schon machen.
Nur borgt mir Eur Käppchen; Eur Kreuzchen und Kleid;
so will ich schon geben den rechten Bescheid.
 
 
„Versteh’ ich gleich nichts von lateinischen Brocken,
so weiß ich den Hund doch vom Ofen zu locken.
Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt,
das hab’ ich von meiner Frau Mutter geerbt.“
 
 
Da sprang wie ein Böcklein der Abt vor Behagen.
Mit Käppchen und Kreuzchen, mit Mantel und Kragen
ward stattlich Hans Bendix zum Abte geschmückt
und hurtig zum Kaiser nach Hofe geschickt.
 
 
Hier thronte der Kaiser im fürstlichen Rate,
hoch prangt’ er mit Zepter und Kron’ im Ornate:
„Nun sagt mir, Herr Abt, als treuer Wardein,
wieviel ich itzt wert bis zum Heller mag sein.“ —
 
 
„Für dreißig Reichsgulden ward Christus verschachert;
drum geb’ ich, so sehr ihr auch pochet und prachert,
für Euch keinen Deut mehr als zwanzig und neun,
denn einen müßt Ihr doch wohl minder wert sein.“ —
 
 
„Hum,“ sagte der Kaiser, „der Grund läßt sich hören
und mag den durchlauchtigen Stolz wohl bekehren.
Nie hätt’ ich, bei meiner hochfürstlichen Ehr’!
geglaubet, daß so spottwohlfeil ich wär’.
 
 
„Nun aber sollst du mir berechnen und sagen,
wie bald ich zu Rosse die Welt mag umjagen,
um keine Minute zu wenig und viel!
Ist dir der Bescheid darauf auch nur ein Spiel?“ —
 
 
„Herr, wenn mit der Sonn’ Ihr früh sattelt und reitet
und stets sie in einerlei Tempo begleitet,
so setz’ ich mein Kreuz und mein Käppchen daran,
in zweimal zwölf Stunden ist alles getan.“ —
 
 
„Ha,“ lachte der Kaiser, „vortrefflicher Haber!
Ihr füttert die Pferde mit Wenn und mit Aber.
Der Mann, der das Wenn und das Aber erdacht,
hat sicher aus Häckerling Gold schon gemacht.
 
 
„Nun aber zum dritten, nun nimm dich zusammen!
sonst muß ich dich dennoch zum Esel verdammen:
was denk’ ich, das falsch ist? Das bringe heraus!
Nur bleib’ mir mit Wenn und mit Aber zu Haus!“ —
 
 
„Ihr denket, ich sei der Herr Abt von Sankt Gallen.“ —
„Ganz recht! und das kann von der Wahrheit nicht fallen.“ —
„Sein Diener, Herr Kaiser! Euch trüget Eu’r Sinn;
denn wißt, daß ich Bendix, sein Schäfer, nur bin!“ —
 
 
„Was Henker! Du bist nicht der Abt von Sankt Gallen?“
Rief hurtig, als wär’ er vom Himmel gefallen,
der Kaiser mit frohem Erstaunen darein;
„Wohlan denn, so sollst du von nun an es sein!
 
 
„Ich will dich belehnen mit Ring und mit Stabe.
Dein Vorfahr besteige den Esel und trabe!
Und lerne fortan erst quid juris verstehn!
Denn wenn man will ernten, so muß man auch sä’n.“ —
 
 
„Mit Gunsten, Herr Kaiser! Das laßt nur hübsch bleiben!
Ich kann ja nicht lesen, noch rechnen und schreiben;
auch weiß ich kein sterbendes Wörtchen Latein.
Was Hänschen versäumt, holt Hans nicht mehr ein.“ —
 
 
„Ach, guter Hans Bendix, das ist ja recht schade!
Erbitte demnach dir ein’ andere Gnade!
Sehr hat mich ergötzet dein lustiger Schwank;
drum soll dich auch wieder ergötzen mein Dank.“ —
 
 
„Herr Kaiser, groß hab’ ich soeben nichts nötig;
doch seid Ihr im Ernst mir zu Gnaden erbötig,
so will ich mir bitten zum ehrlichen Lohn
für meinen hochwürdigen Herren Pardon.“
 
 
„Ha bravo! Du trägst, wie ich merke, Geselle,
das Herz wie den Kopf auf der richtigsten Stelle;
drum sei der Pardon ihm in Gnaden gewährt
und obenein dir ein Panisbrief beschert:
 
 
„Wir lassen dem Abt von Sankt Gallen entbieten:
Hans Bendix soll ihm nicht die Schafe mehr hüten.
Der Abt soll sein pflegen, nach unserm Gebot,
umsonst bis an seinen sanftseligen Tod.“
 

Reigen
von
Johann Heinrich Voß

 
Sagt mir an, was schmunzelt ihr?
Schiebt ihr’s auf das Kirmesbier,
daß ich so vor Freude krähe
und auf einem Bein mich drehe?
Schurken um und um!
 
 
Kommt die schmucke Binderin
euch denn gar nicht in den Sinn,
die mich wirft mit Haselnüssen
und dann schreit: „Ich will nicht küssen!“
Nun so schert euch zum …!
 
 
Diesen Strauß und diesen Ring
schenkte mir das kleine Ding!
Seht, sie horcht! Komm her, mein Engel!
Tanz einmal mit deinem Bengel!
Dudeldidel dum!
 
 
Fiedler, fiedelt nicht so lahm;
wir sind Braut und Bräutigam!
Fiedelt frisch; ich mach’ es richtig!
Und bestreicht den Bogen tüchtig
mit Kalfonium!
 
 
Polisch muß hübsch lustig gehn,
daß die Röcke hinten wehn!
Wart’, ich werd’ euch ’mal kuranzen!
Meint ihr, Trödler: Bären tanzen
hier am Seil herum?
 
 
Heißa lustig! Nun kommt her!
Unten, oben, kreuz und quer,
laß uns Arm in Arm verschränken
und an unsern Brauttanz denken!
Heißa! Rund herum!
 
 
Ha! wie schön das Hackbrett summt,
und der alte Brummbaß brummt!
Ha! wie drehn sich rings ohn’ Ende
Hüt’ und Hauben, Tür und Wände!
Dudeldidel, dudeldidel dum!
Dudeldidel dum dum dum!
 

Amor als Landschaftsmaler
von
Johann Wolfgang von Goethe

 
Saß ich früh auf einer Felsenspitze,
sah mit starren Augen in den Nebel;
wie ein grau grundiertes Tuch gespannet,
deckt er alles in die Breit und Höhe.
 
 
Stellt’ ein Knabe sich mir an die Seite,
sagte: „Lieber Freund, wie magst du starrend
auf das leere Tuch gelassen schauen?
Hast du denn zum Malen und zum Bilden
alle Luft auf ewig wohl verloren?“
 
 
Sah ich an das Kind und dachte heimlich:
Will das Bübchen doch den Meister machen!
 
 
„Willst du immer trüb’ und müßig bleiben,“
sprach der Knabe, „kann nichts Kluges werden:
sieh, ich will dir gleich ein Bildchen malen,
dich ein hübsches Bildchen malen lehren.“
 
 
Und er richtete den Zeigefinger,
der so rötlich war wie eine Rose,
nach dem weiten ausgespannten Teppich,
fing mit seinem Finger an zu zeichnen:
oben malt’ er eine schöne Sonne,
die mir in die Augen mächtig glänzte,
und den Saum der Wolken macht’ er golden,
ließ die Strahlen durch die Wolken dringen;
malte dann die zarten leichten Wipfel
frisch erquickter Bäume, zog die Hügel,
einen nach dem andern, frei dahinter;
unten ließ er’s nicht an Wasser fehlen,
zeichnete den Fluß so ganz natürlich,
daß er schien im Sonnenstrahl zu glitzern,
daß er schien am hohen Rand zu rauschen.
 
 
Ach, da standen Blumen an dem Flusse,
und da waren Farben auf der Wiese,
Gold und Schmelz und Purpur und ein Grünes,
alles wie Smaragd und wie Karfunkel!
Hell und rein lasiert’ er drauf den Himmel
und die blauen Berge fern und ferner,
daß ich ganz entzückt und neu geboren
bald den Maler, bald das Bild beschaute.
 
 
„Hab’ ich doch,“ so sagt’ er, „dir bewiesen,
daß ich dieses Handwerk gut verstehe;
doch es ist das Schwerste noch zurücke.“
 
 
Zeichnete darnach mit spitzem Finger
und mit großer Sorgfalt an dem Wäldchen,
grad’ ans Ende, wo die Sonne kräftig
von dem hellen Boden wiederglänzte,
zeichnete das allerliebste Mädchen,
wohlgebildet, zierlich angekleidet,
frische Wangen unter braunen Haaren,
und die Wangen waren von der Farbe,
wie das Fingerchen, das sie gebildet.
 
 
„O du Knabe!“ rief ich, „welch ein Meister
hat in seine Schule dich genommen,
daß du so geschwind und so natürlich
alles klug beginnst und gut vollendest?“
 
 
Da ich noch so rede, sieh, da rühret
sich ein Windchen, und bewegt den Gipfel,
kräuselt alle Wellen auf dem Flusse,
füllt den Schleier des vollkommnen Mädchens,
und was mich Erstaunten mehr erstaunte,
fängt das Mädchen an den Fuß zu rühren,
geht zu kommen, nähert sich dem Orte,
wo ich mit dem losen Lehrer sitze.
 
 
Da nun alles, alles sich bewegte,
Bäume, Fluß und Blumen und der Schleier,
und der zarte Fuß der Allerschönsten;
glaubt ihr wohl, ich sei auf meinem Felsen,
wie ein Felsen, still und fest geblieben?