Verteidigung

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2. Das von den Obrigkeiten gegen die Christen eingehaltene Verfahren verstößt gegen die Prozessordnung und die Rechtsprinzipien.

Wenn es gewiss ist, dass wir so große Verbrecher sind, warum werden wir von euch anders behandelt als unseresgleichen, die übrigen Verbrecher? Es müsste bei gleicher Schuldbarkeit doch auch die gleiche Behandlung eintreten. Mögen wir nun auch immer gehalten werden, wofür man will – wenn andere dafür gehalten werden, so bedienen sie sich der eigenen und bezahlten Verteidigungsrede, um ihre Unschuld zu beweisen; sie dürfen sich verantworten und für ihre Sache streiten, weil es ja durchaus nicht erlaubt ist, jemanden ohne Verteidigung und Verhör zu verurteilen. Den Christen allein erlaubt man nicht, die Aussagen zu machen, wodurch ihre Sache entlastet, die Wahrheit verteidigt und es dem Richter möglich gemacht wird, nicht ungerecht zu sein, sondern man wartet einzig auf das, was der allgemeine Hass für allein wesentlich hält, nämlich nicht auf die Untersuchung über das Verbrechen, sondern auf das Bekenntnis zu jenem Namen.

Wenn ihr hingegen über irgendeinen Verbrecher zu erkennen habt, mag er sich auch – um bei unsern Titulaturen zu bleiben – zu der Schuldbezeichnung: Mörder, Religionsverbrecher, Blutschänder oder Hochverräter bekannt haben, so begnügt ihr euch nicht damit und sprecht ohne weiteres das Urteil, sondern ihr forscht auch nach den damit zusammenhängenden Dingen, nach der Beschaffenheit der Tat, nach Zahl, Ort, Zeit, Mitwissern und Mitschuldigen. In Betreff unser findet nichts derart statt, obwohl man bei den gegen uns erhobenen falschen Anschuldigungen es gerade so gut herauspressen müsste, wieviel Kindsmorde ein jeder schon hinuntergeschlungen habe, wie viele Mal er zur Blutschande dunkel gemacht, wer als Koch und welche Hunde dabei gewesen seien. Welcher Ruhm wäre es für einen Präsidenten, einen ausfindig gemacht zu haben, der schon hundert Kinder gefressen hätte!

Im Gegenteil, wir finden, dass sogar das Nachforschen nach uns verboten ist. Als nämlich Plinius Secundus seine Provinz verwaltete und einige Christen verurteilt hatte, andere aber zu Falle gekommen waren, fragte er, durch ihre Menge in Verlegenheit gesetzt, beim Kaiser Trajan an, was er in Zukunft tun solle, indem er beifügte, dass er außer dem Eigensinn, nicht opfern zu wollen, in Betreff ihres Religionswesens weiter nichts habe in Erfahrung bringen können, als Versammlungen, die zur Zeit der Morgendämmerung gehalten würden zu dem Zwecke, Christus als Gott Lob zu singen und die gemeinsame Sittenzucht zu befestigen, zufolge welcher Mord, Ehebruch, Betrug, Verrat und sonstige Verbrechen verboten seien.

Da schrieb Trajan zurück, diese Art Leute sei nicht aufzusuchen, aber wenn sie angezeigt würden, zu bestrafen. Eine Entscheidung, die unvermeidlich verworren ausfallen musste! Er sagt, wie bei Unschuldigen, man solle nicht auf sie fahnden, und befiehlt, sie doch, gleich Schuldigen, zu bestrafen! Er schont und wütet, er vertuscht und straft! Warum, o Zensur, umgarnst du dich selbst? Wenn du verdammst, warum lässt du nicht auch fahnden? Wenn du nicht fahnden liest, warum sprichst du nicht auch frei? Zur Aufsuchung der Räuber wird in allen Provinzen eine Abteilung Soldaten beordert, gegen Majestätsverbrecher und Hochverräter wird jedermann zum Soldaten, bis auf die Helfer und Mitwisser wird die Nachsuchung ausgedehnt.

Den Christen allein darf man nicht aufsuchen, wohl aber denunzieren, als ob die Aufsuchung etwas anderes bezweckte, als vor Gericht zu stellen. Ihr verurteilt also den Denunzierten, den doch niemand aufgesucht wissen wollte. Die Strafe also, so muss ich denken, hat er nicht deswegen verdient, weil er schuldig ist, sondern weil er als ein solcher erfunden wurde, auf den man nicht fahnden darf.

Aber auch in dem Punkte behandelt ihr uns nicht nach den Formalitäten des Kriminalprozesses, dass ihr bei anderen Verbrechern, wenn sie leugnen, die Folter anwendet, um sie zum Geständnis zu bringen, bei den Christen allein aber dazu, damit sie leugnen. Und doch, läge ein Verbrechen vor, so würden wir ganz gewiss uns aufs Leugnen verlegen, ihr aber würdet bemüht sein, uns durch die Folter zum Geständnis zu bringen. Denn ihr könnt unmöglich der Ansicht sein, von dem peinlichen Verfahren zur Ermittlung der Verbrechen sei deshalb abzusehen, weil ihr der festen Überzeugung seid, dass sie infolge des Bekennens zu diesem Namen begangen werden, da ihr doch aus einem Mörder, der bekannt hat, obwohl ihr recht gut wisset, was ein Mord ist, trotzdem jeden Tag auch noch den Hergang des Verbrechens herauszubringen sucht. Um wieviel ungerechter handelt ihr nun, wenn ihr uns, bei denen ihr schon infolge des Bekennens zu jenem Namen das Vorhandensein von Verbrechen voraussetzt, durch die Folter zwingen wollt, von dem Bekenntnis abzulassen und so mit Verleugnung des Namens in gleicher Weise auch die Verbrechen abzuleugnen, die ihr wegen des bloßen Bekenntnisses zu jenem Namen schon als vorhanden voraussetztet.

Aber vielleicht, scheint mir, ist es nicht euer Wille, dass wir, die ihr für die schlechtesten Menschen haltet, umkommen. Denn so pflegt ihr zum Mörder zu sagen: "Leugne", vom Religionsverbrecher, er müsse zerfleischt werden, wenn er bei dem Bekenntnis verharrt. Wenn ihr an Verbrechern nicht in dieser Weise handelt, so gebt ihr uns damit die Erklärung, dass wir unschuldig sind. Denn wie bei ganz Unschuldigen wollt ihr nicht, dass wir in einem Bekenntnis verharren, welches ihr nicht aus gerechten Ursachen, sondern nur notgedrungen verurteilen zu müssen glaubt. Es ruft jemand aus: "Ich bin ein Christ!" Er sagt, was er ist. Du – willst hören, was er nicht ist. Ihr, die ihr als Vorsitzende bestellt seid, um die Wahrheit herauszubringen, von uns allein bemüht ihr euch Lügen zu hören. "Ich bin", sagt jener, "das, wovon du erforschen willst, ob ich es bin. Was folterst du mich ungerechter Weise? Ich bekenne und du folterst mich?! Was hättest du also getan, wenn ich geleugnet hätte?" Fürwahr! Wenn andere leugnen, so messet ihr ihnen nicht leicht Glauben bei; – uns glaubt ihr, wenn wir geleugnet haben, sogleich.

Es sollte euch bei diesem völlig ungerechten Verfahren der Verdacht aufsteigen, ob nicht im geheimen irgendeine Macht verborgen liege, die euch gegen alle Form, gegen das Wesen des Gerichtsverfahrens, ja gegen die Gesetze selbst zu handeln treibt. Wenn ich nicht irre, so befehlen die Gesetze, die Übeltäter ans Licht zu bringen, nicht sie versteckt zu halten, und schreiben vor, die Geständigen zu bestrafen, nicht aber sie freizusprechen. Dies bestimmen die Senatsbeschlüsse, dies die Verordnungen der Kaiser. Unser Staatswesen, dessen Diener ihr seid, ist eine zivilisierte Regierungsform, keine Tyrannenherrschaft. Denn bei den Tyrannen wurde die Folter auch als Strafe angewandt, bei uns ist ihre Anwendung auf das Verhör beschränkt.

Beobachtet nur in Bezug auf sie eure eigene, gesetzliche Vorschrift, wonach sie nur bis zum Geständnis notwendig ist. Kommt das Geständnis ihr zuvor, so wird sie unterbleiben; dann ist die Sentenz am Platze. An dem Schuldigen muss die verdiente Strafe vollzogen, er darf derselben nicht entzogen werden. Überhaupt wünscht niemand dessen Freisprechung; es ist nicht einmal erlaubt, sie zu wünschen. Deshalb wird auch niemand zum Ableugnen gezwungen. Den Christen aber hält man für einen Menschen, der sämtlicher Verbrechen schuldig ist, für einen Feind der Götter, Kaiser, Gesetze, Sitten, ja der ganzen Natur und – man zwingt ihn zu leugnen, um ihn dann frei zu sprechen, ihn, den man nicht würde freisprechen können, außer wenn er geleugnet hat! Man setzt sich über die Gesetze hinweg. Man will, dass er seine Schuld leugne, um ihn schuldlos zu machen, und zwar gegen seinen Willen und sogar auch noch hinsichtlich der Vergangenheit! Woher kommt eine solche große Verkehrtheit, dass ihr nicht einmal das bedenket, einem, der freiwillig bekennt, sei eher zu glauben, als einem, der gezwungen leugnet, und nicht befürchtet, ob nicht etwa, wer gezwungen ableugnet, ohne Überzeugung ableugne, freigesprochen auf der Stelle nach eurer Gerichtssitzung sich über euren Hass lustig macht und wieder Christ ist?

Da ihr mit uns also in allen Stücken anders verfahrt als mit den übrigen Verbrechern und nur das eine anstrebt, dass wir jenes Namens verlustig werden – wir gehen desselben nämlich verlustig, wenn wir tun, was die Nichtchristen tun -, so könnt ihr daraus ersehen, dass kein Verbrechen zum Prozess steht, sondern es sich um einen Namen handelt, welcher verfolgt wird durch ein gewisses, ihm feindselig entgegenwirkendes Prinzip, das in erster Linie das bezweckt, dass die Leute nicht den Willen haben möchten, mit Gewissheit etwas zu erkennen, wovon sie mit Gewissheit erkennen, dass sie es nicht kennen.

Daher glauben sie auch in Betreff unser Dinge, die nicht bewiesen werden, wollen von einer Nachforschung nichts wissen, damit nicht bewiesen werde, dass die Dinge gar nicht existieren, welche sie für glaublich zu halten belieben, und so wird der jener feindseligen Macht so verhasste Name auf bloß angenommene, nicht bewiesene Anschuldigungen hin, auf das bloße Bekennen zu ihm verurteilt. Deshalb werden wir gefoltert, obwohl wir bekennen, bestraft, wenn wir verharren, und freigesprochen, wenn wir ableugnen, weil es ein "Krieg gegen den Namen" ist. Zum Schluss endlich, weshalb lässt ihr von der Schuldtafel ablesen, der N. N. sei ein Christ? Warum nicht auch, er sei ein Mörder, wenn der Christ ein Mörder ist? Warum nicht auch, er sei ein Blutschänder und das, was ihr sonst von uns noch glaubt? Bei uns allein schämt und scheut ihr euch, die Verbrechen mit ihrem Namen (im Schuldprotokoll) öffentlich bekannt zu machen. Wenn das Wort "Christ" kein Name für irgendein Verbrechen ist, so ist es höchst albern, wenn es "das Verbrechen des bloßen Namens" ist.

 

3. Von dem allgemeinen Hass gegen den Namen "Christ" vermögen sich die Heiden selbst keinen vernünftigen Grund anzugeben.

Was soll man dazu sagen, dass manche so mit geschlossenen Augen in den Hass gegen diesen Namen hineinrennen, dass sie, auch wenn sie jemand ein gutes Zeugnis geben, als Vorwurf beifügen, dass er ihn trägt? "Cajus Sejus ist ein braver Mann, nur dass er ein Christ ist." Ähnlich ein anderer: "Ich wundere mich, dass Lucius Titius, der doch ein verständiger Mann ist, auf einmal Christ geworden ist!" Niemandem kommt das Bedenken, ob nicht Cajus etwa gerade deshalb brav und Lucius deshalb klug ist, weil er ein Christ, oder deshalb Christ, weil er gut und klug ist. Man lobt, was man kennt, und tadelt, was man nicht kennt, und zieht gegen das, was man kennt, los mit dem, was man nicht kennt, da es doch gerechter wäre, ein Urteil über geheime Dinge auf Grund von offenkundigen zu fällen, als offenkundige Dinge im Voraus zu verdammen auf Grund von etwas Unbekanntem.

Andere brandmarken die, welche sie früher vor der Annahme dieses Namens als unstete, gemeine, gottlose Menschen kannten, durch denselben Namen, durch den sie sie loben; in blindem Hasse verfallen sie auf das Urteil: "Dieses Weib da! Wie ausgelassen, wie vergnügungssüchtig war sie! Dieser Jüngling da! Wie ausschweifend, wie verbuhlt war er! Sie sind Christen geworden." So wird ihrer Besserung der Name als eine Schuld zugerechnet. Manche verkaufen sich sogar diesem Hasse auf Kosten ihres eigenen Nutzens und lassen sich den Schaden gern gefallen, wenn sie das nur nicht im Hause haben, was sie hassen. Der Ehemann, der jetzt nicht mehr eifersüchtig zu sein braucht, verstößt seine nunmehr züchtig gewordene Gattin, der früher so geduldige Vater enterbt einen nunmehr gehorsamen Sohn, der früher so nachsichtige Herr verweist den nun treu gewordenen Sklaven von seinem Angesicht. Sobald sich jemand unter dieser Bezeichnung bessert, stößt er an. So hohen Wert hat kein Gut – es wird aufgewogen durch den Hass gegen die Christen.

Wenn es also nun der Hass gegen den Namen ist, welche Schuld können denn Namen haben, wessen können Worte angeklagt werden? Höchstens, dass der Klang eines Namens barbarisch sei oder Unglück verkündend laute, eine Verwünschung enthalte oder schamlos sei. Der Name Christ aber wird, was seine Etymologie angeht, von Salben hergeleitet. Und auch, wenn er von euch falsch Chrestianus ausgesprochen wird – denn selbst den Namen kennt ihr noch nicht einmal genau -, so schließt er den Begriff Milde und Güte in sich. Man hasst also an ganz schuldlosen Menschen auch noch einen ganz unschuldigen Namen, Aber, so erwidert ihr, die Genossenschaft wird gehasst, natürlich in dem Namen ihres Stifters. – Ist das denn etwas Neues, wenn eine Lehre ihren Anhängern eine vom Lehrer hergenommene Benennung beilegt? Nennen sich nicht die Philosophen nach ihren Häuptern Platoniker, Epikureer, Pythagoräer, oder sogar von ihren Versammlungs- und Standorten Stoiker und Akademiker? Nicht auch die Ärzte nach Erasistratus, die Grammatiker nach Aristarchus und sogar die Köche nach Apicius?

Und doch stößt sich niemand an dem Bekenntnis zu einem Namen, der sich mitsamt der Institution vom Urheber herschreibt. Allerdings, wenn jemand nachweist, dass der Stifter schlecht und die Genossenschaft schlecht ist, so weist er auch die Schlechtigkeit und Hassenswürdigkeit des Namens damit nach, infolge des schlechten Charakters der Schule und des Stifters. Und daher hätte es sich gehört, bevor man den Namen verabscheut, den Charakter der Schule an ihrem Urheber oder den Charakter ihres Urhebers an der Schule zu prüfen. Nun aber wird ohne Untersuchung und Erkenntnis beider der Name festgenommen, der Name bekämpft, und für die noch unbekannte Schule wie den noch unbekannten Stifter liegt schon in dem bloßen Worte zum Voraus eine Verurteilung, bloß weil sie so genannt, nicht weil sie überführt werden.

4. Ob das Bestehen der christlichen Religion gegen die Staatsgesetze sei. Der Wert oder Unwert menschlicher Gesetze hängt von ihrer Zweckmäßigkeit und Moralität ab.

Nachdem ich somit dies, um die Ungerechtigkeit des öffentlichen Hasses gegen uns zu brandmarken, gleichsam als Vorrede vorausgeschickt habe, will ich nunmehr für unsere Unschuld den Beweis antreten, und zwar werde ich nicht bloß widerlegen, was uns vorgeworfen wird, sondern es auch auf die zurückschleudern, welche es uns vorwerfen, damit die Leute auch daraus erkennen, dass bei den Christen sich nicht findet, was sich bei ihnen selbst, nicht ohne ihr Wissen, wirklich findet, und damit sie zugleich darüber erröten, dass sie als ganz schlechte Menschen anklagen, ich will nicht sagen die besten, sondern ihresgleichen, wie sie es haben wollen. Wir werden im Einzelnen auf das antworten, was wir im Geheimen verüben sollen, und was man als offen verübt bei uns findet, worin wir für Verbrecher, und worin wir für Toren, worin wir für strafbare und worin wir für lächerliche Menschen gehalten werden.

Indessen, da der von uns vertretenen Wahrheit, weil sie allen Anklagen zu begegnen weiß, zuletzt die Autorität der Gesetze entgegen gehalten und entweder gesagt wird, nach Erlass der Gesetze dürfe keine Verhandlung weiter statthaben, oder dem notwendigen Gehorsam müsse selbst wider Willen vor der Wahrheit der Vorzug eingeräumt werden, so will ich zuerst in Betreff der Gesetze mit euch, als ihren Schutzherrn, in den Streit eintreten, Erstens, wenn ihr nach dem Recht die Entscheidung fällt und sagt: "Es ist euch nicht erlaubt zu existieren", und wenn ihr dies ohne jede weitere Untersuchung, die doch menschenwürdiger wäre, einfach als Präjudiz aufstellt, so proklamiert ihr die Gewalt und eine ungerechte Tyrannenherrschaft, wie von einer Zwingburg herunter, wenn ihr das "Erlaubtsein" (unsere Existenzberechtigung) deshalb verneint, weil ihr es nicht wollt, nicht weil es (moralisch) nicht gestattet werden darf. Gesetzt aber, ihr wolltet es deshalb nicht gestatten, weil es nicht erlaubt werden dürfe, so unterliegt der Grundsatz keinem Zweifel, dass nur das nicht erlaubt werden darf, was schlecht ist, und eben dadurch ist der Schluss auf die Erlaubtheit dessen, was gut ist, gestattet. Wenn ich finde, dass gut ist, was das Gesetz verboten hat, so kann es – infolge des obigen Schlusses – mich unmöglich daran hindern, woran es mich von Rechtswegen hindern würde, wenn es etwas Schlechtes wäre. Wenn dein Gesetz geirrt hat, so ist es, meine ich, von einem Menschen verfasst; es ist ja doch nicht vom Himmel gefallen.

Wundert ihr euch etwa, dass ein Mensch bei Erlass eines Gesetzes sich habe irren können, oder dass er, wieder zur richtigen Einsicht gekommen, es verworfen habe? Hat nicht die Verbesserung der Gesetze sogar des Lykurg, welche die Lazedämonier vornahmen, ihrem Urheber solchen Schmerz verursacht, dass er in freiwilliger Verbannung sich selbst zum Tothungern verurteilte? Durchwühlt und fällt ihr denn nicht, da neue Erfahrungen täglich die Dunkelheiten des Altertums erleuchten, jenen ganzen alten und wuchernden Wald von Gesetzen mit den neuen Äxten kaiserlicher Reskripte und Edikte? Hat nicht kürzlich der charakterfeste Kaiser Severus die nichtsnutzigen Papischen Gesetze, welche früher Kinder zu haben gebieten, als die Julischen Gesetze zu heiraten vorschreiben, nach so langer Geltung aufgehoben?

Doch es war ja früher Gesetz, dass die Verurteilten von ihren Gläubigern in Stücke geschnitten wurden, und dennoch wurde später mit allgemeiner Zustimmung diese Grausamkeit abgeschafft und die Todesstrafe in eine Strafe der Infamie verwandelt. Der angewandte Zwangsverkauf der Güter wollte lieber einem Menschen das Blut ins Gesicht treiben, als es vergießen. Wie viele Gesetze, die ihr verbessern müsstet, sind auch jetzt noch unbemerkt vorhanden! Gesetzen nämlich dient weder die Zahl ihrer Jahre, noch die hohe Stellung ihrer Urheber zur Empfehlung, sondern allein die Billigkeit. Daher werden sie, sobald sie als ungerecht erkannt sind, mit Recht verurteilt, obwohl sie selbst verurteilen. – Wie wir sie für ungerecht erklären können?! – Sogar für einfältig, wenn sie nämlich einen bloßen Namen bestrafen; sofern aber Taten, so frage ich, warum bestrafen sie denn an uns auf Grund des bloßen Namens Taten, die sie an anderen nur dann ahnden, wenn sie als wirklich begangen erwiesen sind, nicht wenn sie auf Grund eines Namens als erwiesen angesehen werden? Bin ich ein Blutschänder, warum untersucht man es nicht? Bin ich ein Kindsmörder, warum foltert man mich nicht? Habe ich gegen die Götter oder gegen die Kaiser etwas verbrochen, warum hört man mich nicht an, obwohl ich mich zu verteidigen imstande bin?

Kein Gesetz verwehrt, zu untersuchen, was es zu begehen verbietet, weil einerseits kein Richter gerechter Weise straft, wenn er noch nicht erkannt hat, dass etwas Unerlaubtes begangen worden sei, und andererseits kein Bürger dem Gesetze getreulich gehorcht, wenn er nicht weiß, von welcher Art das ist, was das Gesetz ahndet. Kein Gesetz schuldet sich allein das Bewusstsein von seiner Gerechtigkeit, sondern denen, von welchen es Gehorsam erwartet. Übrigens, ein Gesetz ist verdächtig, wenn es sich nicht prüfen lassen will; nichtswürdig aber ist es, wenn es, der Gerechtigkeit nicht würdig befunden, tyrannisiert.

5. Prüfung der Gesetze gegen die Christen. Der Umstand, dass nur schlechte Kaiser Gesetze gegen die Christen erließen, erweckt eine ungünstige Meinung über deren Wert.

Um über den Ursprung solcher Gesetze etwas beizubringen, so gab es ein altes Dekret, kein Kaiser solle einen Gott einführen außer mit Billigung des Senates. Das hat M. Aemilius erfahren mit seinem Gotte Alburnus. Es gereicht unserer Sache auch der Umstand, dass bei euch die Gottheit von menschlichem Gutdünken abhängt, zum Vorteil. Wenn der Gott dem Menschen nicht zusagt, so wird er kein Gott. Bald wird der Mensch Gott gnädig sein müssen. Tiberius also, zu dessen Zeit der Christenname in der Welt aufkam, berichtete über die ihm aus dem palästinensischen Syrien überbrachten Tatsachen, durch welche daselbst die Wahrheit in Betreff dieser in Frage stehenden Gottheit geoffenbart worden war, an den Senat und gab als erster seine Stimme zu Gunsten derselben ab.

Der Senat verwarf sie, weil er sie nicht selbst geprüft hatte; der Kaiser blieb aber bei seiner Meinung und drohte den Anklägern der Christen mit Nachteilen. Befragt eure Archive, dort werdet ihr finden, dass zuerst Nero das kaiserliche Schwert gegen diese Genossenschaft, als sie in Rom auftrat, wüten ließ. Dass ein solcher Mensch mit unserer Verdammung den Anfang machte, ist sogar ein Ruhm für uns. Denn wer ihn kennt, wird zu ermessen imstande sein, dass das, was ein Nero verdammt hat, gewiss nur ein sehr großes Gut sein konnte. Auch Domitian, an Grausamkeit ein halber Nero, versuchte es; aber weil er doch wenigstens noch ein Mensch war, so unterdrückte er schnell das Beginnen und rief sogar die von ihm Verbannten zurück. Solche Menschen waren unsere Verfolger, immer waren es Ungerechte, Ruchlose, Wollüstlinge. Ihr selbst seid gewohnt, sie zu verdammen, und ihr pflegt die von ihnen Verurteilten zu begnadigen. Hingegen zeigt uns aus der langen Reihe ihrer Nachfolger bis auf den heutigen Tag, unter den Kaisern, die in göttlichen und menschlichen Dingen weise waren, auch nur einen einzigen Christenverfolger!

Wir aber können sogar unter ihnen einen Beschützer aufweisen, wenn man die Briefe des so würdevollen Kaisers Marc Aurel nachsähe, worin derselbe bezeugt, dass jener bekannte Wassermangel in Germanien durch einen Regen, der vielleicht durch das Gebet der Christen erlangt war, beendigt wurde. Befreite er gleich diese Klasse von Leuten nicht öffentlich von der Strafe, so annullierte er sie doch öffentlich auf andere Weise, indem er auch für die Angeber eine Strafe hinzufügte, und zwar eine schlimmere. Was sind das also für Gesetze, welche bloß die Gottlosen, die Ungerechten, die Schandmenschen, die Toren und Wahnsinnigen gegen uns in Vollzug setzen, welche ein Trajan aber zum Teil umging, indem er das Aufsuchen der Christen verbot, welchen ein Vespasian, obwohl Bezwinger der Juden, ein Hadrian, obwohl sonst ein beflissener Nachspürer aller Dinge, ein Pius, ein Verus keinen Nachdruck gab! Schlechte Menschen wären doch sicher eher von den besten, ihren natürlichen Widersachern, als von gleich-gesinnten Genossen zur Ausrottung verurteilt worden.

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