Песнь о Нибелунгах / Das Nibelungenlied

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Abenteuer 7
Wie Gunther Brunhilden gewann


 
402 Ihr Schifflein unterdessen war auf dem Meer
Zur Burg heran gefloßen: da sah der König hehr
Oben in den Fenstern manche schöne Maid.
Daß er sie nicht erkannte, das war in Wahrheit ihm leid.
 
 
403 Er fragte Siegfrieden, den Gesellen sein:
"Hättet ihr wohl Kunde um diese Mägdelein,
Die dort hernieder schauen nach uns auf die Flut?
Wie ihr Herr auch heiße, so tragen sie hohen Muth."
 
 
404 Da sprach der kühne Siegfried: "Nun sollt ihr heimlich
spähn
Nach den Jungfrauen und sollt mir dann gestehn,
Welche ihr nehmen wolltet, wär euch die Wahl verliehn."
"Das will ich," sprach Gunther, dieser Ritter schnell
und kühn.
 
 
405 "So schau ich ihrer Eine in jenem Fenster an,
Im schneeweißen Kleide, die ist so wohlgethan:
Die wählen meine Augen, so schön ist sie von Leib.
Wenn ich gebieten dürfte, sie müste werden mein Weib."
 
 
406 "Dir hat recht erkoren deiner Augen Schein:
Es ist die edle Brunhild, das schöne Mägdelein,
Nach der das Herz dir ringet, der Sinn und auch der Muth."
All ihr Gebaren dauchte König Gunthern gut.
 
 
407 Da hieß die Königstochter von den Fenstern gehn
Die minniglichen Maide: sie sollten da nicht stehn
Zum Anblick für die Fremden; sie folgten unverwandt.
Was da die Frauen thaten, das ist uns auch wohl bekannt.
 
 
408 Sie zierten sich entgegen den unkunden Herrn,
Wie es immer thaten schöne Frauen gern.
Dann an die engen Fenster traten sie heran,
Wo sie die Helden sahen: das ward aus Neugier gethan.
 
 
409 Nur ihrer Viere waren, die kamen in das Land.
Siegfried der kühne ein Ross zog auf den Strand.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen an:
Große Ehre dauchte sich König Gunther gethan.
 
 
410 Er hielt ihm bei dem Zaume das zierliche Ross,
Das war gut und stattlich, stark dazu und groß,
Bis der König Gunther fest im Sattel saß.
Also dient’ ihm Siegfried, was er hernach doch ganz
vergaß.
 
 
411 Dann zog er auch das seine aus dem Schiff heran:
Er hatte solche Dienste gar selten sonst gethan,
Daß er am Steigreif Helden gestanden wär.
Das sahen durch die Fenster die schönen Frauen hehr.
 
 
412 Es war in gleicher Weise den Helden allbereit
Von schneeblanker Farbe das Ross und auch das Kleid,
Dem einen wie dem andern, und schön der Schilde Rand:
Die warfen hellen Schimmer an der edeln Recken Hand.
 
 
413 Ihre Sättel wohlgesteinet, die Brustriemen schmal:
So ritten sie herrlich vor Brunhildens Saal;
Daran hiengen Schellen von lichtem Golde roth.
Sie kamen zu dem Lande, wie ihr Hochsinn gebot,
 
 
414 Mit Speren neu geschliffen, mit wohlgeschaffnem
Schwert,
Das bis auf die Sporen gieng den Helden werth.
Die Wohlgemuthen führten es scharf genug und breit.
Das alles sah Brunhild, diese herrliche Maid.
 
 
415 Mit ihnen kam auch Dankwart und sein Bruder Hagen:
Diese beide trugen, wie wir hören sagen,
Von rabenschwarzer Farbe reichgewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde, gut, dazu auch lang und breit.
 
 
416 Von India dem Lande trugen sie Gestein,
Das warf an ihrem Kleide auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet das Schifflein bei der Flut;
So ritten nach der Veste diese Helden kühn und gut.
 
 
417 Sechsundachtzig Thürme sahn sie darin zumal,
Drei weite Pfalzen und einen schönen Saal
Von edelm Marmelsteine, so grün wie das Gras,
Darin die Königstochter mit ihrem Ingefinde saß.
 


 
418 Die Burg war erschloßen und weithin aufgethan,
Brunhildes Mannen liefen alsbald heran
Und empfiengen die Gäste in ihrer Herrin Land.
Die Rosse nahm man ihnen und die Schilde von der Hand.
 
 
419 Da sprach der Kämmrer Einer: "Gebt uns euer Schwert
Und die lichten Panzer." "Das wird euch nicht
gewährt,"
Sprach Hagen von Tronje, "wir wollens selber tragen."
Da begann ihm Siegfried von des Hofs Gebrauch
zu sagen:
 
 
420 "In dieser Burg ist Sitte, das will ich euch sagen,
Keine Waffen dürfen da die Gäste tragen:
Laßt sie von hinnen bringen, das ist wohlgethan."
Ihm folgte wider Willen Hagen, König Gunthers Mann.
 
 
421 Man ließ den Gästen schenken und schaffen gute Ruh.
Manchen schnellen Recken sah man dem Hofe zu
Allenthalben eilen in fürstlichem Gewand;
Doch wurden nach den Kühnen ringsher die Blicke
gesandt.
 
 
422 Nun wurden auch Brunhilden gesagt die Mären,
Daß unbekannte Recken gekommen wären
In herrlichem Gewande gefloßen auf der Flut.
Da begann zu fragen diese Jungfrau schön und gut:
 
 
423 "Ihr sollt mich hören laßen," sprach das Mägdelein,
"Wer die unbekannten Recken mögen sein,
Die ich dort stehen sehe in meiner Burg so hehr,
Und wem zu Lieb die Helden wohl gefahren sind hieher."
 
 
424 Des Gesindes sprach da Einer: "Frau, ich muß gestehn,
Daß ich ihrer Keinen je zuvor gesehn;
Doch Einer steht darunter, der Siegfrieds Weise hat:
Den sollt ihr wohl empfangen, das ist in Treuen
mein Rath.
 
 
425 "Der andre der Gesellen, gar löblich dünkt er mich;
Wenn er die Macht besäße, zum König ziemt’ er sich
Ob weiten Fürstenlanden, sollt er die versehn.
Man sieht ihn bei den Andern so recht herrlich da stehn.
 
 
426 "Der dritte der Gesellen, der hat gar herben Sinn,
Doch schönen Wuchs nicht minder, reiche Königin.
Die Blicke sind gewaltig, deren so viel er thut:
Er trägt in seinem Sinne, wähn ich, grimmigen Muth.
 
 
427 "Der jüngste darunter, gar löblich dünkt er mich:
Man sieht den reichen Degen so recht minniglich
In jungfräulicher Sitte und edler Haltung stehn:
Wir müstens alle fürchten, wär ihm ein Leid hier
geschehn.
 
 
428 "So freundlich er gebahre, so wohlgethan sein Leib,
Er brächte doch zum Weinen manch waidliches Weib,
Wenn er zürnen sollte; sein Wuchs ist wohl so gut,
Er ist an allen Tugenden ein Degen kühn
und wohlgemuth."
 
 
429 Da sprach die Königstochter: "Nun bringt
mir mein Gewand:
Und ist der starke Siegfried gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen, es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht ihn nicht so heftig, daß ich würde sein Weib."
 
 
430 Brunhild die schöne trug bald erlesen Kleid.
Auch gab ihr Geleite manche schöne Maid,
Wohl hundert oder drüber, sie all in reicher Zier.
Die Gäste kam zu schauen manches edle Weib mit ihr.
 
 
431 Mit ihnen giengen Degen aus Isenland,
Brunhildens Recken, die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber; das war den Gästen leid.
Aufstanden von den Sitzen die kühnen Helden allbereit.
 
 
432 Als die Königstochter Siegfrieden sah,
Wohlgezogen sprach sie zu dem Gaste da:
"Seid willkommen, Siegfried, hier in diesem Land.
Was meint eure Reise? das macht mir, bitt ich, bekannt."
 
 
433 "Viel Dank muß ich euch sagen, Frau Brunhild,
Daß ihr mich geruht zu grüßen, Fürstentochter mild,
Vor diesem edeln Recken, der hier vor mir steht:
Denn der ist mein Lehnsherr; der Ehre Siegfried
wohl enträth.
 
 
434 "Er ist am Rheine König: was soll ich sagen mehr?
Dir nur zu Liebe fuhren wir hierher.
Er will dich gerne minnen, was ihm geschehen mag.
Nun bedenke dich bei Zeiten: mein Herr läßt
nimmermehr nach.
 
 
435 "Er ist geheißen Gunther, ein König reich und hehr.
Erwirbt er deine Minne, nicht mehr ist sein Begehr.
Deinthalb mit ihm that ich diese Fahrt;
Wenn er mein Herr nicht wäre, ich hätt es sicher gespart."
 
 
436 Sie sprach: "Wenn er dein Herr ist und du in seinem
Lehn,
Will er, die ich ertheile, meine Spiele dann bestehn
Und bleibt darin der Meister, so werd ich sein Weib;
Doch ists, daß ich gewinne, es geht euch allen
an den Leib."
 
 
437 Da sprach von Tronje Hagen: "So zeig uns, Königin,
Was ihr für Spiel’ ertheilet. Eh euch den Gewinn
Mein Herr Gunther ließe, so müst es übel sein:
Er mag wohl noch erwerben ein so schönes Mägdelein."
 
 
438 "Den Stein soll er werfen und springen darnach,
Den Sper mit mir schießen: drum sei euch nicht zu jach.
Ihr verliert hier mit der Ehre Leben leicht und Leib:
Drum mögt ihr euch bedenken," sprach das minnigliche
Weib.
 
 
439 Siegfried der schnelle gieng zu dem König hin
Und bat ihn, frei zu reden mit der Königin
Ganz nach seinem Willen; angstlos soll er sein:
"Ich will dich wohl behüten vor ihr mit den Listen mein."
 
 
440 Da sprach der König Gunther: "Königstochter hehr,
Ertheilt mir, was ihr wollet, und wär es auch noch mehr,
Eurer Schönheit willen bestünd ich Alles gern.
Mein Haupt will ich verlieren, gewinnt ihr mich nicht
zum Herrn."
 
 
441 Als da seine Rede vernahm die Königin,
Bat sie, wie ihr ziemte, das Spiel nicht zu verziehn.
Sie ließ sich zum Streite bringen ihr Gewand,
Einen goldnen Panzer und einen guten Schildesrand.
 
 
442 Ein seiden Waffenhemde zog sich an die Maid,
Das ihr keine Waffe verletzen konnt im Streit,
Von Zeugen wohlgeschaffen aus Libya dem Land:
Lichtgewirkte Borten erglänzten rings an dem Rand.
 
 
443 Derweil hatt ihr Uebermuth den Gästen schwer gedräut.
Dankwart und Hagen die standen unerfreut.
Wie es dem Herrn ergienge, sorgte sehr ihr Muth.
Sie dachten: "Unsre Reise bekommt uns Recken
nicht gut."
 
 
444 Derweilen gieng Siegfried, der listige Mann,
Eh es wer bemerkte, an das Schiff heran,
Wo er die Tarnkappe verborgen liegen fand,
In die er hurtig schlüpfte: da war er Niemand bekannt.
 
 
445 Er eilte bald zurücke und fand hier Recken viel:
Die Königin ertheilte da ihr hohes Spiel.
Da gieng er hin verstohlen und daß ihn Niemand sah
Von Allen, die da waren, was durch Zauber geschah.
 
 
446 Es war ein Kreis gezogen, wo das Spiel geschehn
Vor kühnen Recken sollte, die es wollten sehn.
Wohl siebenhundert sah man Waffen tragen:
Wer das Spiel gewänne, das sollten sie nach Wahrheit sagen.
 
 
447 Da war gekommen Brunhild, die man gewaffnet fand,
Als ob sie streiten wolle um aller Könge Land.
Wohl trug sie auf der Seide viel Golddrähte fein;
Ihre minnigliche Farbe gab darunter holden Schein.
 
 
448 Nun kam ihr Gesinde, das trug herbei zuhand
Aus allrothem Golde einen Schildesrand
Mit hartem Stahlbeschlage, mächtig groß und breit,
Worunter spielen wollte diese minnigliche Maid.
 
 
449 An einer edeln Borte ward der Schild getragen,
Auf der Edelsteine, grasgrüne, lagen;
Die tauschten mannigfaltig Gefunkel mit dem Gold.
Er bedurfte großer Kühnheit, dem die Jungfrau
wurde hold.
 
 
450 Der Schild war untern Buckeln, so ward uns gesagt,
Von dreier Spannen Dicke; den trug hernach die Magd.
An Stahl und auch an Golde war er reich genug,
Den ihrer Kämmrer Einer mit Mühe selbvierter trug.
 
 
451 Als der starke Hagen den Schild hertragen sah,
In großem Unmuthe sprach der Tronjer da:
"Wie nun, König Gunther? An Leben gehts und Leib:
Die ihr begehrt zu minnen, die ist ein teuflisches Weib."
 
 
452 Hört noch von ihren Kleidern: deren hatte sie genug.
Von Azagauger Seide einen Wappenrock sie trug,
Der kostbar war und edel: daran warf hellen Schein
Von der Königstochter gar mancher herrliche Stein.
 
 
453 Da brachten sie der Frauen mächtig und breit
Einen scharfen Wurfspieß; den verschoß sie allezeit,
Stark und ungefüge, groß dazu und schwer.
An seinen beiden Seiten schnitt gar grimmig der Sper.
 
 
454 Von des Spießes Schwere höret Wunder sagen:
Wohl hundert Pfund Eisen war dazu verschlagen.
Ihn trugen mühsam Dreie von Brunhildens Heer:
Gunther der edle rang mit Sorgen da schwer.
 
 
455 Er dacht in seinem Sinne: "Was soll das sein hier?
Der Teufel aus der Hölle, wie schützt’ er sich vor ihr?
War ich mit meinem Leben wieder an dem Rhein,
Sie dürfte hier wohl lange meiner Minne ledig sein."
 
 
456 Er trug in seinen Sorgen, das wißet, Leid genug.
All seine Rüstung man ihm zur Stelle trug.
Gewappnet Stand der reiche König bald darin.
Vor Leid hätte Hagen schier gar verwandelt den Sinn.
 
 
457 Da sprach Hagens Bruder, der kühne Dankwart:
"Mich reut in der Seele her zu Hof die Fahrt.
Nun hießen wir einst Recken! wie verlieren wir den Leib!
Soll uns in diesem Lande nun verderben ein Weib?
 
 
458 "Des muß mich sehr verdrießen, daß ich kam
in dieses Land.
Hätte mein Bruder Hagen sein Schwert an der Hand
Und auch ich das meine, so sollten sachte gehn
Mit ihrem Uebermuthe Die in Brunhildens Lehn.
 
 
459 Sie sollten sich bescheiden, das glaubet mir nur.
Hätt ich den Frieden tausendmal bestärkt mit einem
Schwur,
Bevor ich sterben sähe den lieben Herren mein,
Das Leben müste laßen dieses schöne Mägdelein."
 
 
460 "Wir möchten ungefangen wohl räumen dieses Land,"
Sprach sein Bruder Hagen, "hätten wir das Gewand,
Des wir zum Streit bedürfen, und die Schwerter gut,
So sollte sich wohl sänften der schönen Fraue
Uebermuth."
 
 
461 Wohl hörte, was er sagte, die Fraue wohlgethan;
Ueber die Achsel sah sie ihn lächelnd an.
"Nun er so kühn sich dünket, so bringt doch ihr Gewand,
Ihre scharfen Waffen gebt den Helden an die Hand.
 
 
462 "Es kümmert mich so wenig, ob sie gewaffnet sind,
Als ob sie bloß da stünden," so sprach das Königskind.
"Ich fürchte Niemands Stärke, den ich noch je gekannt:
Ich mag auch wohl genesen im Streit vor des Königs
Hand."
 
 
463 Als man die Waffen brachte, wie die Maid gebot,
Dankwart der kühne ward vor Freuden roth.
"Nun spielt, was ihr wollet," sprach der Degen werth,
"Gunther ist unbezwungen: wir haben wieder unser
Schwert."
 
 
464 Brunhildens Stärke zeigte sich nicht klein:
Man trug ihr zu dem Kreise einen schweren Stein,
Groß und ungefüge, rund dabei und breit.
Ihn trugen kaum zwölfe dieser Degen kühn im Streit.
 
 
465 Den warf sie allerwegen, wie sie den Sper verschoß.
Darüber war die Sorge der Burgunden groß.
"Wen will der König werben?" sprach da Hagen laut:
"Wär sie in der Hölle doch des übeln Teufels Braut!"
 
 
466 An ihre weißen Arme sie die Ärmel wand,
Sie schickte sich und faßte den Schild an die Hand,
Sie schwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe
Beginn.
Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens
grimmem Sinn.
 
 
467 Und wär ihm da Siegfried zu Hülfe nicht gekommen,
So hätte sie dem König das Leben wohl benommen.
Er trat hinzu verstohlen und rührte seine Hand;
Gunther seine Künste mit großen Sorgen befand.
 
 
468 "Wer wars, der mich berührte?" dachte der kühne Mann,
Und wie er um sich blickte, da traf er Niemand an.
Er sprach: "Ich bin es, Siegfried, der Geselle dein:
Du sollst ganz ohne Sorge vor der Königin sein."
 
 
469 (Er sprach:) "Gieb aus den Händen den Schild,
laß mich ihn tragen
Und behalt im Sinne, was du mich hörest sagen:
Du habe die Gebärde, ich will das Werk begehn."
Als er ihn erkannte, da war ihm Liebes geschehn.
 
 
470 "Verhehl auch meine Künste, das ist uns beiden gut:
So mag die Königstochter den hohen Uebermuth
Nicht an dir vollbringen, wie sie gesonnen ist:
Nun sieh doch, welcher Kühnheit sie wider dich
sich vermißt."
 
 
471 Da schoß mit ganzen Kräften die herrliche Maid
Den Sper nach einem neuen Schild, mächtig und breit;
Den trug an der Linken Sieglindens Kind.
Das Feuer sprang vom Stahle, als ob es wehte der Wind.
 
 
472 Des starken Spießes Schneide den Schild ganz durchdrang,
Daß das Feuer lohend aus den Ringen sprang.
Von dem Schuße fielen die kraftvollen Degen:
War nicht die Tarnkappe, sie wären beide da erlegen.
 
 
473 Siegfried dem kühnen vom Munde brach das Blut.
Bald sprang er auf die Füße: da nahm der Degen gut
Den Sper, den sie geschoßen ihm hatte durch den Rand:
Den warf ihr jetzt zurücke Siegfried mit kraftvoller Hand.
 
 
474 Er dacht: "Ich will nicht schießen das Mägdlein
wonniglich."
Des Spießes Schneide kehrt’ er hinter den Rücken sich;
Mit der Sperstange schoß er auf ihr Gewand,
Daß es laut erhallte von seiner kraftreichen Hand.
 
 
475 Das Feuer stob vom Panzer, als trieb’ es der Wind.
Es hatte wohl geschoßen der Sieglinde Kind:
Sie vermochte mit den Kräften dem Schuße nicht zu stehn;
Das war von König Gunthern in Wahrheit nimmer
geschehn.
 
 
476 Brunhild die schöne bald auf die Füße sprang:
"Gunther, edler Ritter, des Schußes habe Dank!"
Sie wähnt’, er hätt es selber mit seiner Kraft gethan
Nein, zu Boden warf sie ein viel stärkerer Mann.
 
 
477 Da gieng sie hin geschwinde, zornig war ihr Muth,
Den Stein hoch erhub sie, die edle Jungfrau gut;
Sie schwang ihn mit Kräften weithin von der Hand,
Dann sprang sie nach dem Wurfe, daß laut erklang
ihr Gewand.
 
 
478 Der Stein fiel zu Boden von ihr zwölf Klafter weit:
Den Wurf überholte im Sprung die edle Maid.
Hin gieng der schnelle Siegfried, wo der Stein nun lag:
Gunther must ihn wägen, des Wurfs der Verholne pflag.
 
 
479 Siegfried war kräftig, kühn und auch lang;
Den Stein warf er ferner, dazu er weiter sprang.
Ein großes Wunder war es und künstlich genug,
Daß er in dem Sprunge den König Gunther noch trug.
 
 
480 Der Sprung war ergangen, am Boden lag der Stein:
Gunther wars, der Degen, den man sah allein.
Brunhild die schöne ward vor Zorne roth;
Gewendet hatte Siegfried dem König Gunther den Tod.
 
 
481 Zu ihrem Ingesinde sprach die Königin da,
Als sie gesund den Helden an des Kreises Ende sah:
"Ihr, meine Freund und Mannen, tretet gleich heran:
Ihr sollt dem König Gunther alle werden unterthan."
 
 
482 Da legten die Kühnen die Waffen von der Hand
Und boten sich zu Füßen von Burgundenland
Gunther dem reichen, so mancher kühne Mann:
Sie wähnten, die Spiele hätt er mit eigner Kraft gethan.
 
 
483 Er grüßte sie gar minniglich; wohl trug er höfschen Sinn.
Da nahm ihn bei der Rechten die schöne Königin:
Sie erlaubt’ ihm, zu gebieten in ihrem ganzen Land.
Des freute sich da Hagen, der Degen kühn und gewandt.
 
 
484 Sie bat den edeln Ritter mit ihr zurück zu gehn
Zu dem weiten Saale, wo mancher Mann zu sehn,
Und mans aus Furcht dem Degen nun desto beßer bot.
Siegfrieds Kräfte hatten sie erledigt aller Noth.
 
 
485 Siegfried der schnelle war wohl schlau genug,
Daß er die Tarnkappe aufzubewahren trug.
Dann gieng er zu dem Saale, wo manche Fraue saß:
Er sprach zu dem König, gar listiglich that er das:
 
 
486 "Was säumt ihr, Herr König, und beginnt die Spiele nicht,
Die euch aufzugeben die Königin verspricht?
Laßt uns doch bald erschauen, wie es damit bestellt."
Als wüst er nichts von allem, so that der listige Held.
 
 
487 Da sprach die Königstochter: "Wie konnte das geschehn,
Daß ihr nicht die Spiele, Herr Siegfried, habt gesehn,
Worin hier Sieg errungen hat König Gunthers Hand?"
Zur Antwort gab ihr Hagen aus der Burgunden Land.
 
 
488 Er sprach: "Da habt ihr, Königin, uns betrübt den Muth:
Da war bei dem Schiffe Siegfried der Degen gut,
Als der Vogt vom Rheine das Spiel euch abgewann;
Drum ist es ihm unkundig," sprach da Gunthers
Unterthan,
 
 
489 "Nun wohl mir dieser Märe," sprach Siegfried der Held,
"Daß hier eure Hochfahrt also ward gefällt,
Und Jemand lebt, der euer Meister möge sein.
Nun sollt ihr, edle Jungfrau, uns hinnen folgen
an den Rhein."
 
 
490 Da sprach die Wohlgethane: "Das mag noch nicht
geschehn.
Erst frag ich meine Vettern und Die in meinem Lehn.
Ich darf ja nicht so leichthin räumen dieß mein Land:
Meine höchsten Freunde die werden erst noch besandt."
 
 
491 Da ließ sie ihre Boten nach allen Seiten gehn:
Sie besandte ihre Freunde und Die in ihrem Lehn,
Daß sie zum Isensteine kämen unverwandt;
Einem jeden ließ sie geben reiches, herrliches Gewand.
 
 
492 Da ritten alle Tage Beides, spat und fruh,
Der Veste Brunhildens die Recken scharweis zu.
"Nun ja doch," sprach da Hagen, "was haben
wir gethan!
Wir erwarten uns zum Schaden hier Die Brunhild
unterthan."
 
 
493 "Wenn sie mit ihren Kräften kommen in dieß Land,
Der Königin Gedanken die sind uns unbekannt:
Wie, wenn sie uns zürnte? so wären wir verloren,
Und wär das edle Mägdlein uns zu großen Sorgen
geboren!"
 
 
494 Da sprach der starke Siegfried: "Dem will ich widerstehn.
Was euch da Sorge schaffet, das laß ich nicht geschehn.
Ich will euch Hülfe bringen her in dieses Land
Durch auserwählte Degen: die sind euch noch
unbekannt.
 
 
495 "Ihr sollt nach mir nicht fragen, ich will von hinnen
fahren;
Gott möge eure Ehre derweil wohl bewahren.
Ich komme bald zurücke und bring euch tausend Mann
Der allerbesten Degen, deren Jemand Kunde gewann."
 
 
496 "So bleibt nur nicht zu lange," der König sprach da so,
"Wir sind eurer Hülfe nicht unbillig froh."
Er sprach: "Ich komme wieder gewiss in wenig Tagen.
Ihr hättet mich versendet, sollt ihr der Königin sagen."
 

Abenteuer 8
Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr


 
497 Von dannen gieng da Siegfried zum Hafen
an den Strand
In seiner Tarnkappe, wo er ein Schifflein fand.
Darin stand verborgen König Siegmunds Kind:
Er führt’ es bald von dannen, als ob es wehte der Wind.
 
 
498 Den Steuermann sah Niemand, wie schnell
das Schifflein floß
Von Siegfriedens Kräften, die waren also groß.
Da wähnten sie, es trieb es ein eigner starker Wind:
Nein, es führt’ es Siegfried, der schönen Sieglinde Kind.
 
 
499 Nach des Tags Verlaufe und in der einen Nacht
Kam er zu einem Lande von gewaltger Macht:
Es war wohl hundert Rasten und noch darüber lang,
Das Land der Nibelungen, wo er den großen Schatz
errang.
 
 
500 Der Held fuhr alleine nach einem Werder breit:
Sein Schiff band er feste, der Ritter allbereit.
Er fand auf einem Berge eine Burg gelegen
Und suchte Herberge, wie die Wegemüden pflegen.
 
 
501 Da kam er vor die Pforte, die ihm verschloßen stand:
Sie bewachten ihre Ehre, wie Sitte noch im Land.
Ans Thor begann zu klopfen der unbekannte Mann:
Das wurde wohl behütet; da traf er innerhalben an
 
 
502 Einen Ungefügen, der da der Wache pflag,
Bei dem zu allen Zeiten sein Gewaffen lag.
Der sprach: "Wer pocht so heftig da draußen
an das Thor?"
Da wandelte die Stimme der kühne Siegfried davor
 
 
503 Und sprach: "Ich bin ein Recke: thut mir auf alsbald,
Sonst erzürn ich Etlichen hier außen mit Gewalt,
Der gern in Ruhe läge und hätte sein Gemach."
Das verdroß den Pförtner, als da Siegfried also sprach.
 
 
504 Der kühne Riese hatte die Rüstung angethan,
Den Helm aufs Haupt gehoben, der gewaltge Mann:
Den Schild alsbald ergriffen und schwang nun
auf das Thor.
Wie lief er Siegfrieden da so grimmig an davor!
 
 
505 Wie er zu wecken wage so manchen kühnen Mann?
Da wurden schnelle Schläge von seiner Hand gethan.
Der edle Fremdling schirmte sich vor manchem Schlag;
Da hieb ihm der Pförtner in Stücke seines Schilds
Beschlag
 
 
506 Mit einer Eisenstange: so litt der Degen Noth.
Schier begann zu fürchten der Held den grimmen Tod,
Als der Thürhüter so mächtig auf ihn schlug.
Dafür war ihm gewogen sein Herre Siegfried genug.
 
 
507 Sie stritten so gewaltig, die Burg gab Widerhall:
Man hörte fern das Tosen in König Niblungs Saal.
Doch zwang er den Pförtner zuletzt, daß er ihn band;
Kund ward diese Märe in allem Nibelungenland.
 
 
508 Das Streiten hatte ferne gehört durch den Berg
Alberich der kühne, ein wildes Gezwerg.
Er waffnete sich balde und lief hin, wo er fand
Diesen edeln Fremdling, als er den Riesen eben band.
 
 
509 Alberich war muthig, dazu auch stark genug.
Helm und Panzerringe er am Leibe trug
Und eine schwere Geisel von Gold an seiner Hand.
Da lief er hin geschwinde, wo er Siegfrieden fand.
 
 
510 Sieben schwere Knöpfe hiengen vorn daran,
Womit er vor der Linken den Schild dem kühnen Mann
So bitterlich zergerbte, in Splitter gieng er fast.
In Sorgen um sein Leben gerieth der herrliche Gast.
 
 
511 Den Schild er ganz zerbrochen seiner Hand entschwang:
Da stieß er in die Scheide eine Waffe, die war lang.
Seinen Kammerwärter wollt er nicht schlagen todt:
Er schonte seiner Leute, wie ihm die Treue gebot.
 


 
512 Mit den starken Händen Albrichen lief er an,
Und erfaßte bei dem Barte den altgreisen Mann.
Den zuckt’ er ungefüge: der Zwerg schrie auf vor Schmerz.
Des jungen Helden Züchtigung gieng Alberichen
ans Herz.
 
 
513 Laut rief der Kühne: "Nun laßt mir das Leben:
Und hätt ich einem Helden mich nicht schon ergeben,
Dem ich schwören muste, ich war ihm unterthan,
Ich dient euch, bis ich stürbe," so sprach der listige Mann.
 
 
514 Er band auch Alberichen wie den Riesen eh:
Siegfriedens Kräfte thaten ihm gar weh.
Der Zwerg begann zu fragen: "Wie seid ihr genannt?"
Er sprach: "Ich heiße Siegfried: ich wähnt,
ich wäre euch bekannt."
 
 
515 "So wohl mir diese Kunde," sprach da Alberich,
"An euern Heldenwerken spürt ich nun sicherlich,
Daß ihrs wohl verdientet, des Landes Herr zu sein.
Ich thu, was ihr gebietet, laßt ihr nur mich gedeihn."
 
 
516 Da sprach der Degen Siegfried: "So macht euch
auf geschwind
Und bringt mir her der Besten, die in der Veste sind,
Tausend Nibelungen; die will ich vor mir sehn.
So laß ich euch kein Leides an euerm Leben geschehn."
 
 
517 Albrichen und den Riesen löst’ er von dem Band.
Hin lief der Zwerg geschwinde, wo er die Recken fand.
Sorglich erweckt’ er Die in Niblungs Lehn
Und sprach: "Wohlauf, ihr Helden, ihr sollt
zu Siegfrieden gehn."
 
 
518 Sie sprangen von den Betten und waren gleich bereit:
Tausend schnelle Ritter standen im Eisenkleid.
Er brachte sie zur Stelle, wo er Siegfried fand:
Der grüßte schön die Degen und gab Manchem
die Hand.
 
 
519 Viel Kerzen ließ man zünden; man schenkt’ ihm lautern
Trank.
Daß sie so bald gekommen, des sagt’ er Allen Dank.
Er sprach: "Ihr sollt von hinnen mir folgen über Flut."
Dazu fand er willig diese Helden kühn und gut.
 
 
520 Wohl dreißig hundert Recken kamen ungezählt:
Von denen wurden tausend der besten auserwählt,
Man brachte ihre Helme und ander Rüstgewand,
Da er sie führen wollte hin zu Brunhildens Land.
 
 
521 Er sprach: "Ihr guten Ritter, Eins laßt euch sagen:
Ihr sollt reiche Kleider dort am Hofe tragen,
Denn uns wird da schauen manch minnigliches Weib:
Darum sollt ihr zieren mit guten Kleidern den Leib."
 
 
522 Nun möchten mich die Thoren vielleicht der Lüge zeihn:
Wie konnten so viel Ritter wohl beisammen sein?
Wo nähmen sie die Speise? Wo nähmen sie Gewand?
Und besäß er dreißig Lande, er brächt es nimmer
zu Stand.
 
 
523 Ihr habt doch wol vernommen, Siegfried war gar reich.
Sein war der Nibelungenhort, dazu das Königreich.
Drum gab er seinen Degen völliglich genug;
Es ward ja doch nicht minder, wie viel man
von dem Schatze trug.
 
 
524 Eines frühen Morgens begannen sie die Fahrt:
Was schneller Mannen hatte da Siegfried sich geschart!
Sie führten gute Rosse und herrlich Gewand:
Sie kamen stolz gezogen hin zu Brunhildens Land.
 
 
525 Da stand in den Zinnen manch minnigliches Kind.
Da sprach die Königstochter: "Weiß Jemand,
wer die sind,
Die ich dort fließen sehe so fern auf der See?
Sie führen reiche Segel, die sind noch weißer
als der Schnee."
 
 
526 Da sprach der Vogt vom Rheine: "Es ist mein Heergeleit,
Das ich auf der Reise verließ von hier nicht weit:
Ich habe sie besendet: nun sind sie, Frau, gekommen."
Der herrlichen Gäste ward mit Züchten wahrgenommen.
 
 
527 Da sah man Siegfrieden im Schiffe stehn voran
In herrlichem Gewande mit manchem andern Mann.
Da sprach die Königstochter: "Herr König, wollt
mir sagen:
Soll ich die Gäste grüßen oder ihnen Gruß versagen?"
 
 
528 Er sprach: "Ihr sollt entgegen ihnen vor den Pallas gehn,
Ob ihr sie gerne sehet, daß sie das wohl verstehn."
Da that die Königstochter, wie ihr der König rieth;
Siegfrieden mit dem Gruße sie von den Andern
unterschied.
 
 
529 Herberge gab man ihnen und wahrt’ ihr Gewand.
Da waren so viel Gäste gekommen in das Land,
Daß sie sich allenthalben drängten mit den Scharen:
Da wollten heim die Kühnen zu den Burgunden fahren.
 
 
530 Da sprach die Königstochter: "Dem blieb ich immer
hold,
Der zu vertheilen wüste mein Silber und mein Gold
Meinen Gästen und des Königs, des ich so viel gewann."
Zur Antwort gab ihr Dankwart, des kühnen Geiselher
Mann:
 
 
531 "Viel edle Königstochter, laßt mich der Schlüßel pflegen;
Ich will es so vertheilen," sprach der kühne Degen,
"Wenn ich mir Schand erwerbe, die treffe mich allein."
Daß er milde wäre, das leuchtete da wohl ein.
 
 
532 Als sich Hagens Bruder der Schlüßel unterwand,
So manche reiche Gabe bot des Helden Hand:
Wer Einer Mark begehrte, dem ward so viel gegeben,
Daß die Armen alle da in Freuden mochten leben.
 
 
533 Wohl mit hundert Pfunden gab er ohne Wahl.
Da gieng in reichem Kleide Mancher aus dem Saal,
Der nie zuvor im Leben so hehr Gewand noch trug.
Die Königin erfuhr es: da war es ihr leid genug.
 
 
534 Sie sprach zu dem König: "Des hätt ich gerne Rath,
Daß nichts mir soll verbleiben von meinem Kleiderstaat
Vor euerm Kämmerlinge: er verschwendet all mein Gold.
Wer dem noch widerstände, dem wollt ich immer
bleiben hold.
 
 
535 "Er giebt so reiche Gaben: der Degen wähnet eben,
Ich habe nach dem Tode gesandt: ich will noch leben
Und kann wol selbst verschwenden meines Vaters Gut."
Nie hatt einer Königin Kämmerer so milden Muth.
 
 
536 Da sprach von Tronje Hagen: "Frau, euch sei bekannt:
Der König vom Rheine hat Gold und Gewand
Zu geben solche Fülle, daß es nicht Noth ihm thut,
Von hier hinweg zu führen einen Theil von Brunhilds
Gut."
 
 
537 "Nein, wenn ihr mich liebet," sprach sie zu den Herrn,
"Zwanzig Reiseschreine füllt ich mir gern
Mit Gold und mit Seide: das soll meine Hand
Vertheilen, so wir kommen heim in der Burgunden
Land."
 
 
538 Da lud man ihr die Kisten mit edelm Gestein.
Der Frauen Kämmerlinge musten zugegen sein:
Sie wollt es nicht vertrauen Geiselhers Unterthan.
Gunther und Hagen darob zu lachen begann.
 
 
539 Da sprach die Königstochter: "Wem laß ich nun
mein Land?
Das soll hier erst bestimmen mein und eure Hand."
Da sprach der edle König: "So rufet wen herbei,
Der euch dazu gefalle, daß er zum Vogt geordnet sei."
 
 
540 Ihrer nächsten Freunde Einen die Jungfrau bei sich sah;
Es war ihr Mutterbruder, zu dem begann sie da:
"Nun laßt euch sein befohlen die Burgen und das Land,
Bis seine Amtleute der König Gunther gesandt."
 
 
541 Aus dem Gesinde wählte sie zweitausend Mann,
Die mit ihr fahren sollten gen Burgund hindann
Mit jenen tausend Recken aus Nibelungenland.
Sie schickten sich zur Reise: man sah sie reiten nach
dem Strand.
 
 
542 Sie führte mit von dannen sechsundachtzig Fraun,
Dazu wol hundert Mägdelein, die waren schön zu schaun.
Sie säumten sich nicht länger, sie eilten nun hindann:
Die sie zu Hause ließen, wie Manche hub zu weinen an!
 
 
543 In höfischen Züchten räumte die Frau ihr Land,
Die nächsten Freunde küssend, die sie bei sich fand.
Mit gutem Urlaube kamen sie aufs Meer;
Ihres Vaters Lande sah die Jungfrau nimmermehr.
 
 
544 Auf ihrer Fahrt ertönte vielfaches Freudenspiel;
Aller Kurzweile hatten sie da viel.
Auch hob sich zu der Reise der rechte Wasserwind.
Sie fuhren ab vom Lande: das beweinte mancher
Mutter Kind.
 
 
545 Doch wollte sie den König nicht minnen auf der Fahrt:
Ihre Kurzweil wurde bis in sein Haus gespart
Zu Worms in der Veste zu einem Hofgelag,
Dahin mit ihren Helden sie fröhlich kamen hernach.