Der Weg nach Freeling

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Kapitel 2

Samstag, 31. Dezember 2011

Gestern fand die Beerdigung ihres Vaters statt und die letzten Tage waren für Anne sehr traurig und schwierig. Sophie und Paul kümmerten sich um alles und nahmen Anne bei sich zuhause auf, damit sie sich nicht so einsam fühlte, denn nun hatte sie niemanden mehr.

An diesem Morgen am Frühstückstisch kam Paul eine Idee, er fragte seine Frau nach ihrer Meinung.

„Schatz, mir tut Anne so leid. Sie hat nun keinen einzigen Familienangehörigen mehr. Was hältst du davon, wenn wir sie fragen, ob sie heute an Silvester und vielleicht auch noch in den nächsten Tagen hier bei uns wohnen möchte, bis es ihr wieder etwas besser geht?“, fragte Paul seine Frau und sie sah ihm lächelnd ins Gesicht. Sie war froh, so einen Mann an ihrer Seite zu haben.

„Ich weiß, warum ich dich zum Ehemann genommen habe. Paul, das ist eine sehr gute Idee, das werden wir sie nachher gleich fragen, wenn sie aufgestanden ist.“

Die zwei merkten nicht, dass Anne schon in der Tür stand und hörte, was Sophie zu Paul sagte.

„Guten Morgen ihr zwei, was ist eine sehr gute Idee?“, fragte sie gleich nach, und die zwei fühlten sich ertappt.

„Oh, guten Morgen, du bist ja schon wach. Komm, setz dich zu uns und frühstücke mit uns“, sagte Sophie, schenkte Anne eine Tasse Kaffee ein und reichte sie ihr.

„Dankeschön. Also, wovon habt ihr gerade gesprochen?“ Paul sah zu Anne und zu seiner Frau und gab ihr dann die Antwort auf ihre Frage.

„Da ja heute Silvester ist und du für uns wie eine Tochter bist, würden wir dich gerne fragen, ob du heute und in den nächsten Tagen noch bei uns wohnen bleiben möchtest?“, fragte er vorsichtig und hoffte, sie würde zustimmen. Anne nahm einen Schluck von ihrem Kaffee und sah nachdenklich aus dem Fenster. Sie wusste, dass sie den zweien eine Antwort geben musste und sie waren in den letzten Tagen sehr für sie da gewesen, ohne die beiden wäre sie hilflos gewesen.

„Als erstes möchte ich mich bei euch herzlich bedanken für die liebevolle Unterstützung. Ihr seid immer für mich da und ich kann mich auf euch verlassen, und ja, wie soll ich sagen?“, meinte sie und atmete tief durch.

„Ich würde gerne noch ein, zwei Tage hier bei euch bleiben, denn ich glaube, zuhause in meiner kleinen Wohnung fällt mir die Decke auf den Kopf“, sagte sie, und Sophie und Paul waren sehr glücklich darüber.

„Du kannst solange hier bei uns bleiben wie du möchtest“, sagte Paul und Anne schenkte ihnen ein schwaches Lächeln. Sie hatte abgenommen, war blass im Gesicht und man merkte ihr an, dass es ihr ganz und gar nicht gut ging.

„Dankeschön. Ja, ich würde gerne noch bis Montag hier bei euch bleiben, denn ab Dienstag geht für mich wieder der Arbeitsalltrott weiter. Da muss ich dann sowieso wieder zurück in mein altes Leben finden“, sagte sie, und Sophie legte eine Hand auf die ihre.

„Sehr gerne, und wenn du noch ein paar Tage dran hängen möchtest, ist es für uns auch kein Problem. Du sollst wissen, du gehörst für uns zur Familie und du kannst solange bleiben wie du möchtest.“

„Das tut gut zu wissen, ich bin echt froh, euch zu haben.“ Nun war das Gespräch beendet und sie genossen das Frühstück.

Anne half Sophie bei den Vorbereitungen für den Silvesterabend und für morgen hatte sie geplant, auf Jims Ranch zu fahren, um Reiten zu gehen.

**

Anne war natürlich auf der Ranch, um mal wieder so richtig ausreiten zu gehen, das gefiel ihr.

Doch auch tat es gut, dass sie noch ein paar Tage bei den Böhms zuhause verbringen konnte. Sie gaben ihr viel Kraft und starken Halt, sie weinte oft in Sophies Armen, sie gaben ihr das Gefühl, geliebt zu werden.

Doch nun war der Augenblick gekommen, wo Anne wieder zur Arbeit gehen musste und ihr altes Leben wieder seinen Lauf nahm.

Paul und Sophie saßen schon im Wohnzimmer, als Anne von ihrem Zimmer oben herunter kam.

„Guten Morgen, ihr zwei. Och, schaut doch bitte nicht so traurig, ich bin ja nicht aus der Welt, nur fünf Minuten mit dem Auto. Ihr könnt mich jederzeit besuchen und ich verspreche euch, ich werde euch alle paar Tage mal besuchen kommen“, versuchte sie liebevoll zu erklären.

Sophie lachte.

„Ja, wir wissen, dass du nicht weit weg wohnst, aber irgendwie haben wir uns schon daran gewöhnt, dich hier zu haben“.

„Ich mich auch, das kann ich euch sagen. Aber umso länger ich hier bleibe, umso schwerer fällt es mir in meinen alten Alltag zurück zu finden. Ich hoffe, ihr könnt das verstehen?“ Paul stand auf und legte eine Hand auf ihre Schulter.

„Sicher können wir dich verstehen, und das geht für uns auch in Ordnung“, sagte er. Anne stand nun ebenfalls auf und machte sich fertig, um zur Arbeit zu fahren.

Paul trug ihre zwei Taschen hinaus und packte sie in ihren Kofferraum.

„So, das müsste alles gewesen sein, naja, und falls du doch etwas vergessen haben solltest, hast du wenigstens einen guten Grund schnell wieder herzukommen“, meine er, und dann verabschiedeten sich die drei. Sophie und auch Anne mussten ein paar Tränen verdrücken. Anne sagte dann noch:

„Ich brauche keinen Grund um wieder zu kommen, ich werde alle paar Tage bei euch vorbei schauen. Was würde ich denn immer alleine machen?“, meinte sie liebevoll zu den Böhms.

„Wir sehen uns in ein paar Tagen“, sagte Anne, stieg ins Auto und fuhr weg.

Sie drehte das Radio ganz laut auf und versuchte so gut es ging lautstark mitzusingen. Irgendwie freute sie sich schon wieder darauf, arbeiten zu gehen, den alten Damen eine Dauerwelle zu machen oder den Teenies die Haare bunt zu färben.

„Es muss ja weiter gehen, auch wenn ich jetzt ganz alleine bin. Es ist keine Familie mehr da und meine zwei besten Freundinnen sind auch weg. Naja, shit happens, so ist wohl das Leben“, jammerte sie dahin und sah in den Rückspiegel, als ihr ein schwarzer Van sehr dicht auffuhrt.

„So ein Idiot, was will er denn? Der soll nicht so nah auffahren“, schimpfte sie vor sich hin und parkte zum Glück wenig später vor dem Frisörladen. Sie betrat das Geschäft und ihre Kolleginnen begrüßten sie herzlich.

„Guten Morgen Anne, sehr schön, dass du wieder hier bist. Wie geht es dir denn? Ist alles okay?“, fragte sie ihre Chefin.

„Morgen Annika. Danke der Nachfrage, es geht mir schon besser, es muss ja wieder weiter gehen“, gab sie ihr kurz zur Antwort, strich ihr über die Schulter, ging nach hinten in die Küche und setzte Kaffee auf. Anne fühlte sich wohl dabei, zurück an ihrem Arbeitsplatz zu sein und freute sich auf den heutigen Tag. Sie quatschte noch etwas mit ihren Kolleginnen und erkundigte sich über Neuigkeiten. Zum Glück hat sich in den letzten Tagen nicht so viel getan, und nun konnte sich Anne auf den Arbeitstag vorbereiten.

Als die erste Kundin kam und sich Anne an ihre Arbeit machte, stieg ihre Laune erheblich. Nun wusste sie, dass es gut für sie war, wieder zurück an die Arbeit zu gehen. Unter Leuten sein, viel Geplauder und Getratsche mit den älteren Damen über Schauspieler und Sänger, das tat ihr gut.

Natürlich gab es ein großes Gesprächsthema: David und Viktoria Beckham. Nach drei Söhnen bekamen sie ihm letztem Jahr ihre lang ersehnte Tochter, Harper Seven. Sie sprachen darüber, wie zuckersüß die kleine Maus doch war, aber sie konnten nicht verstehen, wie man bloß auf so einen außergewöhnlichen Namen kam.

Eine Kundin sagte:

„Also, ich muss schon gestehen: Ich in meinem Alter tu mich oft schwer bei den ganzen Promi-Namen, denn die sind oft so schräg, dass ich sie nicht mal aussprechen kann“, meinte sie, und Anne lächelte ihr über den Spiegel zu.

„Ja, da kann ich Sie wirklich gut verstehen. Zum Beispiel bei Nicole Kidman, die hat ja auch letztes Jahr ein Mädchen zur Welt gebracht. Die süße Maus heißt Sunday Rose. Was haben die Namen wohl für eine Bedeutung? Aber genau das ist doch für Stars wichtig: Aufzufallen und anders zu sein“, sagte Anne zu ihrer Kundin, die nickte.

„Genau, Sie sagen es.“ Anne föhnte die Haare der Dame und stylte sie noch etwas. Nachdem sie fertig war, bedankte sie sich und fing bei der nächsten Dame an.

Der Tag verging sehr schnell und Anne fühlte sich so gut, dass sie beschloss, nach der Arbeit noch kurz bei den Böhms vorbei zu schauen.

Sie schloss das Geschäft ab und machte sich danach auf den Weg. Anne freute sich jetzt schon darauf, Sophie und Paul zu erzählen, wie toll ihr Tag bei der Arbeit war.

**

Kapitel 3

Samstag, 07. Januar 2012

Die letzten Tage waren für Anne wie im Fluge vergangen, sie fühlte sich gut und war froh, wieder ihrer Arbeit nach zu gehen.

Heute, an diesem kühlen Samstagmorgen, machte sich Anne etwas früher auf den Weg zur Arbeit, denn um sieben Uhr kam die erste Kundin. Ganz speziell freute sich Anne immer auf solche besonderen Aufgaben, denn heute musste sie eine Hochzeitsfrisur machen.

Eine Hochsteckfrisur mit weißen Rosenblüten in den Haaren, das wurde ihr bereits verraten, darum hatte sie gestern Abend noch im Internet nach tollen Beispielen geschmökert.

Im Laden angekommen, machte sie vorab alles fertig und ging dann noch mal kurz hinten raus um eine Zigarette zu rauchen.

Da sah sie ihn wieder: Den schwarzen Van. Sie schüttelte den Kopf und sprach mit sich selbst.

„Warum sehe ich jeden Tag diesen Van? Irgendwie kommt es mir schon vor, wie wenn ich von ihm verfolgt werden würde“, sagte sie zu sich, machte die Zigarette aus und ging wieder hinein.

 

Dadurch, dass die Tür aufging und Anne das Klingeln vernahm, wusste sie, dass sie sich nun auf ihre Arbeit konzentrieren musste. Anne begrüßte die Braut und deren Mutter und war schon ganz gespannt darauf, ihr eine tolle Hochzeitsfrisur zu machen. Anne zeigte ihr die Beispiele aus dem Internet und nach einigen Minuten des Überlegens und einer Absprache mit der Brautmutter entschied sie sich für eine wunderschöne Hochsteckfrisur.

Als zwei Stunden vergangen waren und Anne den großen Spiegel zur Hand nahm, staunte die Kundin nur so über die prachtvolle Frisur.

„Wow, das haben Sie echt toll hinbekommen, gefällt mir sehr gut. Vielen Dank“, sagte sie zu Anne, der es nun ein noch größeres Lächeln auf die Lippen zauberte.

„Gern geschehen. Ich freue mich, wenn es Ihnen gefällt.“ Nach einigen Minuten, als die Kundin den Laden verließ, wollte Anne nach hinten gehen, um sich einen Kaffee zu machen, doch es kam nicht soweit.

Ein unglaublich attraktiver Mann betrat den Frisörladen, er war groß, schlank aber muskulös gebaut, hatte blondes, kurzes Haar und wunderschöne hellbraune Augen.

Er sah Anne an und schenkte ihr sein schönstes Lächeln.

„Guten Morgen. Tut mir leid, dass ich ohne Termin hier so reinplatze, aber ich wollte fragen … Können Sie mich vielleicht noch irgendwo dazwischen nehmen?“, fragte er freundlich und Anne verschlug es die Sprache.

„Morgen. Ähm… Ja, Moment, ich schaue sofort nach“, sagte sie etwas zögerlich und wendete sich zitternd dem Terminplaner zu. Anne sah, dass all ihre Kolleginnen keine Kapazitäten mehr frei hatten, aber sie selbst in der nächsten halben Stunde keine Termine hatte.

Anne sah auf und blickte in seine braunen Augen.

„Wenn es bei Ihnen kein Problem wäre, könnte ich Sie gleich noch dran nehmen“, erklärte sie ihm, und er nickte.

„Das würde mich freuen. Vielen Dank“, gab er ihr als Antwort, und Anne führte ihn zu einem freien Platz.

„Nehmen Sie doch bitte Platz. Möchten Sie einen Kaffee?“, fragte sie freundlich nach.

„Ja, gerne.“ Anne lächelte ihn schüchtern an und entschuldigte sich kurz. Sie verschwand in der kleinen Küche, um Kaffee für den unbekannten Hübschen zu machen.

Eine Kollegin kam kurz in die Küche und grinste sie frech an. Anne zuckte mit den Schultern.

„Was?“ Anne wurde rot.

„Na, was ist denn das für ein Prachtkerl? Der zieht dich ja schon fast mit den Augen aus, den darfst du nicht so einfach davon kommen lassen“, meinte ihre Kollegin Mia und stupste sie an.

„Tha, ja, ja. Du wieder, das ist typisch für dich“, meinte sie kurz angebunden, nahm die Tasse und ging zurück zu ihrer Kundschaft.

„Bitteschön. So, und was sollen wir nun bei Ihnen machen, welche Wünsche haben Sie?“, fragte sie höflich und er lächelte noch immer.

„Hm, wie soll ich sagen? Bei meiner Frisur habe ich nur den Wunsch, dass die Haare ein bisschen kürzer werden“, sagte er und deutete ihr mit den Fingern, wie viel sie in etwa weg schneiden sollte. Er sprach aber gleich darauf weiter.

„Und mein zweiter Wunsch ist es, Sie heute Abend zum Essen ausführen zu dürfen“, sagte er etwas leiser und wirkte auch ein bisschen schüchtern.

Ja klar, schüchtern ist der falsche Ausdruck, denn eine Fremde zu fragen und sie zu einem Essen einzuladen ist nicht gerade wirklich schüchtern.

Anne verschlug es erneut die Sprache und sie wusste nun wirklich nicht, was sie darauf antworten sollte.

Er merkte das und entschuldigte sich.

„Oh, es tut mir leid, ich wollte Sie nicht überfallen“, sagte er und stellte sich vor.

„Mein Name ist Samuel, aber alle nennen mich Sam“, sagte er und reichte ihr die Hand, die Anne nach einigen Sekunden nahm und merkte, wie nervös sie wurde.

„Hallo Sam, ich bin Anne. Ähm, ja, kein Problem, ich bin es nur nicht gewohnt, von einer fremden Person zum Essen eingeladen zu werden“, erwiderte sie mit grinsendem Gesicht. Er sah kurz zur Seite, da er merkte, dass ihre Kolleginnen flüsterten, und musste lächeln.

„Oje, das wird heute wohl Gesprächsthema Nummer Eins sein bei Ihren Kolleginnen. Ich muss sagen, für gewöhnlich bin ich nicht so direkt und offen, und bitte gleich um ein gemeinsames Abendessen“, versuchte er zu erklären und redete weiter.

„Aber ich habe Sie gesehen und irgendwie geschah etwas in dem Moment. Ich würde Sie sehr gerne näher kennenlernen“, sagte er offen und ehrlich zu ihr, und Anne sah verlegen zu Boden.

„Das freut mich“, sagte sie schüchtern und sie merkte, wie ihr innerlich heiß wurde.

„Heißt das, Sie nehmen meine Einladung zu einem gemütlichen Abendessen an?“, fragte er nun nochmal, und sie nickte.

„Ja, sehr gerne, aber nur unter einer Voraussetzung“, sagte Anne. Sam wartete gespannt, was das denn wäre.

„Bitte, können wir uns nicht duzen?“ Sam schmunzelte.

„Oh, das wäre mir sehr recht“, meinte er kurz und bündig. Er drehte sich um und Anne machte sich nun daran, seine Haare zu schneiden.

„Von wo kommst du denn? Ich habe dich hier bei uns noch nie gesehen“, fragte sie ihn, und er wollte ihr sofort darauf antworten.

„Ich komme eigentlich auch von hier, bin in Luxemburg geboren und meine Familie wohnt immer noch da. Aber ich war jetzt für ein Jahr in Österreich auf Saison, wollte mal etwas anderes probieren und es war sehr lustig und interessant“, erklärte er ihr. Anne nickte. Nun dachte sie an Zoe und Lina und daran, dass es viele Menschen gab die es in fremde Länder verschlug. Sam merkte, dass Anne gerade in Gedanken schwelgte und sprach weiter.

„Na, an was denkst du denn gerade?“, fragte er nach. Anne sah ihn an.

„Oh, tut mir leid. Als du mir gerade erzählt hast, dass du für ein Jahr in Österreich warst, musste ich an meine zwei besten Freundinnen denken. Die sind auch erst vor kurzem ausgewandert, leider nicht nur nach Österreich, sondern an das andere Ende der Welt, nach Australien“, erzählte sie ihm. Sam lächelte sie an.

„Oje, die zwei fehlen dir, oder? Du siehst traurig aus, wenn du über sie sprichst“, meinte er.

„Ja, da hast du recht, sie fehlen mir total. Also irgendwie kommt es mir so vor, wie wenn wir uns schon ewig kennen“, sagte sie, und er sah sie etwas verwirrt an.

„Wie kommst du denn darauf?“, meinte er mit einem schrägen Lächeln.

„Ach, vergiss es, keine Ahnung.“ Anne föhnte und stylte ihm noch seine Haare und sagte in den letzten Minuten nichts mehr.

Als er aufstand und mit ihr zur Kasse ging, sagte er:

„Heute Abend um acht Uhr, in der Pizzeria Bella Napoli? Soll ich dich von zuhause abholen?“, fragte er sie freundlich. Doch Anne fand, es wäre anfangs noch besser, wenn er nicht wüsste, wo sie wohnte und antwortete ihm rasch.

„Nein danke, du brauchst mich nicht abholen, ich komme selber zur Pizzeria“, meinte sie und fuhr fort.

„Also sehen wir uns später um acht Uhr.“ Er nahm ihre Hand und küsste sie. Anne spürte, wie ihr heiß wurde und lächelte ihn an.

„Bis später, ich freue mich auf den Abend mit dir.“

Der sexy Typ verließ den Frisörladen, und Annes Kolleginnen begannen zu tratschen und zu lachen.

Annes Tag verlief schnell und die Nervosität stieg an, je näher der Abend heran rückte.

**

Anne stand nun schon eine gefühlte Ewigkeit vor ihrem Kleiderschrank und wusste einfach nicht, was sie anziehen sollte.

„Verdammt, ich habe nichts Passendes zum Anziehen“, jammerte sie vor sich hin und setzte sich verzweifelt aufs Bett.

„Tja, wer rechnet auch damit einfach mal so von einem hübschen Mann zum Essen eingeladen zu werden?“ Sie sah in den großen Schrankspiegel und sprach mit ihrem Spiegelbild.

Anne stand auf und nahm einen schwarzen Rock und eine helltürkise Bluse aus dem Schrank. Sie zog beides an und begutachtete sich im Spiegel, drehte sich ein paarmal im Kreis und musste lachen.

„Ha, ich habe das richtige Outfit gefunden, das lasse ich jetzt an“, sagte sie und ging schnurstracks in das Badezimmer, um sich hübsch zu machen.

Kurze Zeit später saß sie im Auto und machte sich auf den Weg zur Pizzeria. Anne drehte das Radio etwas lauter und sang zu dem Hit von Michel Telo – Ai Se Eu Te Pego mit, das tat ihr gut und so ließ ihre Anspannung etwas nach.

Sie merkte nach einigen Fahrminuten, dass dieser schwarze Van schon wieder hinter ihr fuhr. Anne wusste nicht, was das sollte und wollte dem Fahrer deutlich machen, dass ihr das langsam zu blöd wurde. Sie stieg einmal fest auf die Bremse und der Van kam näher. Einige Sekunden später stieg sie nochmal heftig auf die Bremse, und nun blendete der schwarze Van auf.

Anne reichte es, und sie begann zu hupen. Somit erreichte sie, dass das Auto bei der nächsten Kreuzung abbog.

„Vollidiot“, schimpfte sie. Sie parkte vor der Pizzeria, sah nochmal in den kleinen Spiegel und puderte sich erneut die Nase.

„Na dann schauen wir mal, was uns der Abend so bringt“, sagte sie, stieg aus und betrat wenig später die Pizzeria.

Anne hielt Ausschau nach Sam, doch sie konnte ihn noch nirgends entdecken. Sie sah auf die Uhr und merkte, dass es zehn Minuten vor acht Uhr war.

Der Kellner kam auf sie zu.

„Guten Abend. Für wie viele Personen brauchen sie einen Tisch?“, fragte er freundlich und Anne lächelte ihn an.

„Für zwei.“ Er führte sie in ein ruhiges Eckchen, wo ein Tisch für zwei Personen stand, und sie setzte sich. Anne bestellte sich ein Gläschen Wein und hoffte, dass Sam bald hereinkommen würde.

Irgendwie hatte sie plötzlich ein komisches Gefühl. Was war. wenn er sie nur verascht hatte und er nun zuhause saß und sich über sie lustig machte?

Doch als der Kellner ihr den Wein brachte und sie einen Schluck davon nahm, ging die Tür auf, und da stand er. Ihre Blicke trafen sich, und beiden zauberte es ein Lächeln ins Gesicht. Er ging auf den Tisch zu und Anne stand auf. Er legte eine Hand auf ihre Taille und gab ihr links rechts ein Begrüßungsküssen.

„Hallo Anne, oje, ich bin zu spät, es tut mir leid. Eine hübsche Dame sollte man auf keinen Fall warten lassen“, sagte er liebevoll und mit so einer anziehenden Stimme, dass Anne etwas heiß wurde.

„Hi Sam, ach, macht doch nichts, ich hab mir in der Zwischenzeit schon mal ein Gläschen Wein bestellt“, gab sie ihm zur Antwort. Die zwei setzten sich, und der Kellner brachte die Speisekarten und nahm die Getränkebestellung entgegen.

„Ich hoffe, du hattest noch einen angenehmen Arbeitstag und deine Kolleginnen waren nicht zu neugierig“, meinte er und sah ihr tief in die Augen. Anne war so hibbelig, dass sie den Blick zuerst abwenden musste, bevor sie ihm eine Antwort geben konnte. Denn sie wollte nicht stottern, sonst könnte er merken, wie nervös sie war.

„Nein, war noch recht okay. Klar, dass sie etwas getratscht haben, kommt ja nicht jeden Tag vor, dass ich von einem gutaussehenden Mann zum Essen eingeladen werde“, erklärte sie ihm, und es war ihr danach doch etwas peinlich, das nun gesagt zu haben.

Der Abend war lustig und sie sprachen über vieles. Über Annes Freundinnen in Australien, darüber dass ihr Vater vor einigen Tagen verstorben war und auch über seinen Österreichaufenthalt.

Die Stunden vergingen schnell, doch als es ein Uhr morgens war und der Kellner den beiden sagte, er würde jetzt schließen, machten sie sich auf den Weg nach draußen.

Sie standen vor Annes Auto und wussten nicht, wie sie sich am besten voneinander verabschieden sollten. Sam ging einen Schritt auf sie zu und nahm ihre Hände.

„Es war ein wundervoller Abend mit dir, ich bin glücklich, dich heute besser kennen gelernt zu haben“, sagte er etwas zurückhaltend, und Anne schenkte ihm ein Lächeln.

„Ich fand es auch schön, hat mich sehr gefreut“, meinte sie, und beide sahen sich an. Sam hob ihr Kinn etwas an und gab ihr einen vorsichtigen zärtlichen Kuss auf den Mund.

„Mich würde es noch mehr freuen, wenn wir uns bald wiedersehen würden“, sagte er zu ihr und hielt den Blick intensiv auf ihre Augen gerichtet. Anne war ganz schön hibbelig und musste sich zusammenreißen, dass sie nicht zu stottern begann.

„Sehr gerne“, meinte sie kurz angebunden, und Sam holte sein Handy aus der Hosentasche.

„Bekomm ich denn deine Nummer, damit wir uns mal schreiben können?“, fragte er schüchtern, und Anne verfiel ihm erneut. Sie sagte ihm ihre Nummer und dann küssten sie sich noch mal kurz zur Verabschiedung.

Er ging ein paar Meter weiter weg zu seinem Auto. Als Anne seinen Wagen sah, musste sie sich ein Lachen verkneifen. Sam sah das und rief ihr zu:

 

„Ja ja, ich hab nicht so einen tollen Neuwagen wie du, aber er fährt schon noch. Und nein, er fällt nicht auseinander, noch nicht“, sagte er und sprach weiter.

„Ich melde mich bei dir in den nächsten Tagen, komm gut heim.“

Sam stieg in sein Auto und fuhr geräuschvoll davon. Anne lachte lauthals.

„Ach herrje, dieser Schrottwagen wird bald keinen Meter mehr fahren, der ist doch mindestens schon zwanzig Jahre alt“, meinte sie belustigt, stieg ebenfalls in ihren Wagen und machte sich auf den Heimweg.

Als Anne nicht mal eine Stunde später zu Bett ging, piepste ihr Telefon. Sie öffnete die Nachricht und las:

Hallo. Ja, ich schon wieder. :-) Wollte mich nur noch mal für den tollen Abend bedanken.

Bin jetzt zu Bett gegangen und dachte mir, ich schreibe dir noch schnell, damit du auch meine Nummer hast.

Gute Nacht, freue mich auf unser Wiedersehen. Liebe Grüße, Sam.

Anne kuschelte sich in ihre Decke und schlief mit einem Lächeln im Gesicht ein.

**