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8.Vollziehen statt überspringen

Joseph Beuys beschreibt dieses Vollziehen mit seinem erweiterten Kunstbegriff als Freiheit und soziale Verantwortung des Menschen im Projekt der sozialen Plastik. Im Gespräch mit Friedhelm Mennekes erklärt er, warum er sich von der traditionellen Beschäftigung mit der Christusfigur abgewandt hat: „Dieses Anknüpfen an das Traditionelle hat mich nicht befriedigt, ganz besonders nicht im Zusammenhang mit der Idee des Christlichen.“ Diese Versuche „bewirken nichts; sie sind traditionell gebunden, impotent, regressiv.“33 Joseph Beuys betont dagegen die Kraft, „eine stetig anwesende und sich verstörende Gegenwart“34, und ist überzeugt: „Der Mensch in dieser Zeit ist selbstverständlich nicht von Gott verlassen. Und diese schöne These ‚Gott ist tot‘ ist vom Gesichtspunkt materialistischer Weltanschauung und von dem, was der Materialismus über die Menschen hinübergewälzt hat, wohl richtig. Aber gerade in dieser absoluten Abgeschiedenheit – daß er eben tot ist – für diese einfachen instinktiven Kräfte oder Glaubenskräfte, die die Menschen früher hatten, und die erloschen sind, ist dennoch die Kraft nicht tot, sondern lebendiger als je zuvor. […] Nach dieser Zuspitzung des menschlichen Intellektes muß wieder eine Anknüpfung an das Spirituelle gefunden werden, aber jetzt nicht mehr aus tradierter Kraft, sondern aus eigener Kraft, d.h. aus der Kraft des Selbst, des Ich. Während das alte Christentum eine gemütsmäßige Seeleneigenschaft der Menschen war, um über die Glaubenskräfte Verbindung zu bekommen in der empfindenden Seele, ist durch die Abnabelung von dieser Tradition Großartiges geschehen, etwas Positives, ja etwas Christliches, als dem Menschen dadurch gesagt wird: Wenn du einfachhin so glaubst, bist du kein Christ. Du mußt versuchen, ‚exakt‘ zu ‚glauben‘; du mußt erst deinen Glauben verlieren, so wie Christus für einen Augenblick seinen Glauben verloren hat, als er am Kreuz war. Das heißt, der Mensch muß diesen Vorgang der Kreuzigung, der vollen Inkarnation in die Stoffeswelt durch den Materialismus hindurch selbst auch erleiden. Er muß selbst sterben, er muß völlig verlassen sein von Gott, wie Christus damals vom Vater in diesem Mysterium verlassen war. […] In der Tiefe der Nacht, in der Tiefe der Isolation, in der vollständigen Abgeschiedenheit von jedem Spirituellen vollzieht sich ein Mysterium im Menschen, welches in Gang gebracht wird durch die Wissenschaften und nicht durch die tradierten Institutionen des Christentums. [… Gott] ist tot insofern, als er nie mehr von selbst kommt und den Menschen da irgendwie unter die Arme greift. Das tut er nicht. Sondern das ist ja längst im Menschen drin. Der Mensch muß sich gewissermaßen selber mit seinem Gott aufraffen.“35

Theologie hat die Wahl, sich aufzulösen oder sich aufzuraffen, Gegensätze zu vollziehen mit voller Kraft und vollem Risiko, Wissenschaft als Exposure-Prozess zu gestalten, als Prozess des Sich-Aussetzens und der Annäherung an konkrete Lebenssituationen. Begrifflich und inhaltlich macht die Mischung aus traditionellem Restbestand und akuter Aktualisierung die Brisanz einer Exposure-Wissenschaft aus, macht sie „zum neuen unumgänglichen Denkereignis, das sowohl überraschende Assoziationen auslöst als auch konkretes zeitdiagnostisches Potenzial innehat.“36

Das Zweite Vatikanische Konzil verpflichtet die Theologie zum radikalen Hinsehen und Mitgehen in die Situationen der Freude und der Trauer der Menschen und setzt Glaubende wie die Theologie selbst damit offensiv und permanent dem Risiko der Transformation aus.37

Auf Gedeih und Verderb sind Kirche und Theologie den Höhen und Tiefen menschlichen Lebens ausgesetzt, wenn sie ihrem pastoralen und in aller Konsequenz ihrem wissenschaftlichen Auftrag nachkommen wollen. Für den theologischen Vordenker Karl Barth ist Theologie immer eine „eminent kritische38, „d.h. der von ihrem Gegenstand her widerfahrenden Krisis dauernd ausgesetzte, nie entlassene Wissenschaft.“39

9.Der Verlust der Unschuld

Entscheidet sich die Theologie für Exposure, gibt es keine Rückkehroder Rückzugsmöglichkeit in gewohnte Leben und Bequemlichkeiten. Radikal, d.h. ohne Distanz und Distanzierbarkeit setzt die Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils Kirche und Theologie den Krisen des Lebens aus, wenn sie mit ihrem Einleitungssatz das enge Verhältnis des Lebens aller Menschen und des Lebens der Jünger Christi beschreibt. Die damit angesagte Pastoral verlangt eine Theologie, die sich Lebenssituationen so weit aussetzt, dass sie sich selbst, ihre Wissenschaftlichkeit riskiert. Ihre Wissenschaftlichkeit riskieren, heißt, dass sich die Theologie aus den engen, ihr vom Wissenschaftssystem zugestandenen Kategorien von Wissenschaft löst und sich ihrer eigenen wissenschaftlichen Freiheit und Selbstbestimmung gewahr wird, dass der Mut, selbstbewusst aus der Nichtnotwendigkeit Gottes und damit auch der eigenen Nichtnotwendigkeit heraus Wissenschaft zu betreiben als Stachel, Anspruch und permanente Irritation in einem zweck- und ergebnisorientiertem Umfeld, die Angst, im Wissenschaftsbetrieb nicht anerkannt zu sein, überwiegt und sich Theologie im eigenen wissenschaftlichen Treiben durch die Kriterien anderer Wissenschaften nicht einengen und blockieren lässt. Theologie ist Wissenschaft im permanenten Risiko der Krise, der Transformation, der Negierung, ohne Sicherheit, ob und welches Ergebnis erzielt wird. Theologie kann damit nicht objektiv forschen und urteilen, sondern gewinnt aus dem Verlust der Distanz, aus der Schwächung der Position der allein wissenden Expertin, wird zur Mitspielerin, die selbst transformiert. Eine solche Wissenschaft hat den Elfenbeinturm verlassen und kann durchgewalkt von Lebenspraxis wissenschaftliche Kraft entwickeln, neu denken. Voraussetzung ist, dass sie ihre Unantastbarkeit aufgibt und ihre Unschuld verliert. Der Gegensatz von Theorie und Praxis schwindet und damit auch die Rechtfertigungen elitärer Wissenschaftlichkeit, die sich darauf berufen. Grenzziehungen zwischen Realität und wissenschaftlicher Reflexion, Wissen und Nicht-Wissen, ExpertInnen und Nicht-ExpertInnen werden unscharf, Hierarchien geraten ins Wanken.

Die Philosophin Gesa Ziemer zeigt diese Prozesse für die Entwicklung einer praktischen Ästhetik auf. „Theoria wird gemeinhin als das rein gedankliche Betrachten, das An- oder Zuschauen, die Schau auf etwas definiert. Gewöhnlich wird der Terminus Theorie in den Gegensatz zur Praxis gestellt […]. Vor allem aber liegt dieser Definition eine klare Trennung zwischen Zuschauenden und den zu betrachtenden Gegenständen zugrunde, welche die Distanz herstellt, die für die Theorie notwendig zu sein scheint. Die Zuschauenden (theoros) widmen sich der Anschauung und erstellen aus eben dieser Schau durch abstrahierende Betrachtungsweisen Systeme wissenschaftlich begründbarer Aussagen, die uns bestimmte Phänomene erklären […]. Derjenige, der den Gegenstand betrachtet, soll Wissen generieren und dieses über seine Gegenstände ausbreiten. Der Zuschauer nimmt mit kühler Distanz die Position des Betrachtenden ein, die ihn dazu ermächtigt, das Systematische, dem Einzelfall selten gerecht werdende, dafür Universale zu erkennen und es in begriffliche Sprache zu verwandeln.“40

Die Frage der Wissenschaftlichkeit der Theologie konzentriert sich im verletzbarsten Punkt der Theologie – der Praktischen Theologie. Diese Achillesferse birgt zugleich ihre größte Stärke: die Angreifbarkeit, die Verwundbarkeit der Theorie durch die Lebenswelten der Menschen von heute.41 Die Fähigkeit, sich betreffen zu lassen, sich irritieren zu lassen, abduktive Wissenschaft zu sein, weist den Weg für die Theologie insgesamt und die Praktische Theologie im Speziellen, sich als Wissenschaft neu zu erfinden, Praxis und Theorie in ein selbstbewusstes und kontinuierliches Spiel miteinander zu bringen. Analog zur praktischen Ästhetik in der Kunsttheorie verlässt aber auch die Praktische Theologie als Exposure-Wissenschaft den Platz der Zuschauerin. Es bleibt nicht beim theoretischen Schauen auf Situationen, der Blick der Praktischen Theologie wird reflektiert, verändert zurückgeworfen, in ein Wechselspiel hineingezogen. Das Verhältnis zwischen WissenschaftlerInnen und Forschungsgegenstand definiert sich nicht mehr in einer klaren Hierarchie, sondern in der Frage nach der Art und Weise des Involviertseins, des Verhältnisses zwischen ForschungspartnerInnen. Theologische Exposure-Forschung setzt sich der Ungewissheit und Heimatlosigkeit aus, kann sich aussetzen in der Denkbarkeit und Sagbarkeit Gottes, im Wissen um sein Wort als Ereignis der Begegnung voll von Beziehung. In diesem risikoreichen Gegensatzraum, im Moment der Differenz, des Schon und Noch-Nicht kann Theologie im Denken des Glaubens und dessen Geglaubten aus sich herausgehen, sich selbst bestimmen, eigene Wege gehen. Theologie erfindet sich in diesem Exposure-Prozess als Spiel- und Transformationsraum, der aus Annäherung und Unschärfe heraus lebt – im Vollziehen von Gegensätzen, die existentiell aufeinander verwiesen sind.

Bisher ist Theologie in diesem Sinne weitgehend Brachland, eine Leerstelle, die der Leere der wissenschaftlichen Landschaft in diesem Kontext eine weitere hinzufügt. „Als Hindernis für die [dafür notwendige] Denkbarkeit Gottes hatte sich sowohl der traditionelle Gottesgedanke als auch das neuzeitliche Selbstverständnis des Denkens als Sicherstellen herausgestellt. Gott wurde diesem Denken als Rückversicherung des eigenen Sicherstellens zunächst notwendig (Descartes), im Prozeß des sich als Sicherstellen immer mehr durchschauenden Denkens aber zum Ungedanken (Nietzsche). Der für die Rückversicherung des Denkens notwendige Gottesbegriff erwies sich in der Konsequenz des sicherstellenden Denkens als undenkbar (Fichte). Die Einstellung, die das sicherstellende Ich sowohl sich selbst als auch allem anderen gegenüber bezogen hat, mußte Gott gegenüber entweder zu einem Zusammenbruch des Denkens oder aber zu einem Zerbrechen des vorausgesetzten Gottesgedanken, wenn nicht sogar zu beidem, führen. […] Der Theologie fällt in dieser Situation die Aufgabe zu, sowohl dem vorausgesetzten Gottesgedanken als auch dem Denken gegenüber zu einer Kritik zu verhelfen, die Gott in neuer Weise denkbar werden läßt. […] In unserem Zusammenhang ist die Glaubensgewißheit aber vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie das Ich in eine andere Einstellung als die der Sicherstellung bringt. […] Sicherstellung ist die methodische Konsequenz des Zweifels und die existentielle Folge des Mißtrauens. […] Wo aber Vertrauen von Vertrauen getragen wird, bedarf es der Sicherstellung nicht. […] Demgemäß kommt der Theologie in einer durch sicherstellendes Denken bestimmten geschichtlichen Konstellation die Aufgabe zu, dem denkenden Ich inmitten seiner Sicherstellungen zugleich eine Entsicherung zuzumuten, die das Denken verantworten kann und die Gott als den zu denken erlaubt, der er ist. [… Es] bedarf […] einer genaueren Besinnung auf die entsichernde Gewißheit des Glaubens.“42

 

10. Entsicherung inmitten von Sicherstellungen

Verharrt Theologie nicht in der Leerstelle, beharrt sie nicht auf dem gesicherten Raum, wird sie Teil des Tosens, des Zerreibens, des Chaos, des Sterbens und Gebärens, des Schöpfens, wird Teil und Motor des Werdens. Wie praktische Ästhetik nach Ziemer, so denkt auch Theologie „nicht nur über Verletzbarkeit nach, sondern produziert diese selber im Aufbrechen angestammter Verfahren mit und verabschiedet sich damit zwangsläufig aus dem erhöhten Status einer allwissenden Disziplin zugunsten einer Öffnung gegenüber Alltagserfahrungen und künstlerischen Interventionen. Auch das theoretische Selbstverständnis basiert also auf dem Sensorium der Verletzbarkeit. […] Verletzbarkeit […] anzuerkennen und als Moment gesellschaftlicher Organisation zu stärken, ist das Ziel dieser Reflexion. Die Verletzbarkeit des Körpers […] zeigt uns, wie gefährdet die eigene vermeintlich gesicherte Position ist und welchen Wert es haben kann, diese entgegen allumgreifender Sicherheitsdispositive stark zu machen. Die Bezugsgröße der Verletzbarkeit vergegenwärtigt uns eine ästhetische, künstlerische und nicht zuletzt auch zutiefst ethische Haltung, die das Andere und Fremde als solches sichtbar macht, es als Differentes stehen lässt und auf Augenhöhe positioniert.“43

Diese Leerstelle ist der wunde Punkt, die entscheidende Frage für die Theologie, die Kirche, den Menschen. Eberhard Jüngel macht eindringlich deutlich, „daß ein total sichergestellter Mensch aufhörte, Mensch zu sein. […] Ein total sichergestellter Mensch wäre ein bloßes Stück Welt, ein roboterhafter Doppelgänger des Menschen, eine schauerliche Karikatur des Menschen. Denn – und das ist unser positives theologisches Argument, nun auch positiv ausgesprochen – der Mensch ist darin Mensch, daß er sich auf einen anderen als er selbst zu verlassen vermag. Dazu gehört aber, daß er sich selbst zu verlassen vermag. Menschsein heißt: sich verlassen zu können.“44

Theologie in diesem existentiell notwendigen Sinne heißt, die Leerstelle, das Tote zu verlassen, aufzuhören, abgesicherte Leerstellen in die Leere der Undenkbarkeit Gottes hinein zu produzieren, sondern sich im Denken des Glaubens selbst zu entsichern, um sich mitnehmen zu lassen in das Leben und um mitnehmen zu können in die Begegnung des Wortes Gottes. „Nur dem aus sich herausgesetzten Ich ist Gott gegenwärtig.“45 Das gilt analog für die Theologie. Um diese ausgesetzte und aus sich herausgesetzte Wissenschaft zu werden, braucht sie riskante Denkgesprächsräume statt universitär gesicherter Lehrstühle, deren Gestalterinnen sich in Form und Inhalt der Räume der Fermentierung verpflichten. Die Praktische Theologie braucht durchlässige Wissenschaftsräume, die durch die Gegensätzlichkeit von Theorie und Praxis hindurchgehen, sich nicht auf der einen oder anderen Seite gegen die jeweils andere positionieren, sich nicht abgrenzen und isolieren, sondern es zu ihrem Profil machen, selbstverständlich überkonfessionell, interreligiös, interkulturell, interaktiv mit allen theologischen Disziplinen, anderen Wissenschaften, mit den Menschen Aporien nicht zu überspringen, sondern sie zu vollziehen, und darin dem Druck, schnelle und einfache Antworten und Ordnungen zu liefern, widerstehen. Theologie kann Nachdenklichkeit kultivieren als das Denken eigener Wege – öffentlich, in der Gesellschaft, in der universitären Betriebsamkeit, nachdenklich, gar schweigend sich der Schonungslosigkeit des Kreuzes aussetzen, dem Tod und von daher die Wahrheit des Evangeliums suchen, eine Wahrheit auf Bewährung, ratlos mit offenem Ausgang, vielleicht ohne Ergebnis, ohne Trost.

11. Plädoyer für eine priesterlich-sakramentale Theologie

Der gegenwärtigen Praktischen Theologie fehlt in weiten Teilen die Theologie als Wissenschaft des Wortes Gottes, eine priesterlich-sakramentale Theologie, nicht die Theologie der Priester, eine priesterlichkatholische Theologie, die sich schonungslos dem ganzen Leben aller Menschen aussetzt – in all seinen Dimensionen: sozial, spirituell, intellektuell, rituell, sinnlich-emotional und damit bewusst und entschieden durch die Gegensätzlichkeit von Gott und Mensch, Zufall und Kontingenz, Denken und Sein durchlebt.

Diese Theologie entsteht im Ausgesetztsein und im Aussetzen, aus dem Rückzug, aus dem Warten, dem Aushalten, dem Vollzug, dem Schweigen, der Nicht-Produktivität, dem Leben, dem Durchleiden und Durchfreuen, Worten, Zeichen, Gestalten, Ausdrucksformen des Lebens im Angesicht des Todes durch das Kreuz hindurch, im Vergessen des Vorher und im immer wieder Anfangen. Als priesterlich ist diese Theologie zu bezeichnen, weil sie sich bewusst im Zwischen, im Gegensatz positioniert, sakramental, weil sie dieses Zwischen hält und füllt mit Sprachereignissen, mit Worten und Zeichen, die über sich hinaus in den Raum des Nichtnotwendigen weisen, das Mehr-als-Notwendige denk- und fühlbar werden lassen. Eine solche Praktische Theologie hat nichts gemein mit einer Theologie der Herrschaft, die sich einer auf der Herrschaft von Priestern fußenden Kirche und ihren engen Denkräumen verpflichtet sieht, sie ist der Gegenentwurf einer Theologie und einer Kirche, die sich entsichert in das volle Leben hinein verschwendet, ein Mehr-als-notwendig des Denkens und des Seins.

Wem fehlt diese priesterlich-sakramentale Theologie? Mir würde sie fehlen, mir fehlt die Freiheit der Theologie, quer und leidenschaftlich zu denken in Begegnungen, im Ereignis des Wortes voll von Beziehung. Mir fehlen, würden die weiten Denk- und Seinsräume fehlen, die Experimentiermöglichkeiten Praktischer Theologie, über das Bestehende hinaus zu denken, zu lehren, forschend zu lernen, zu leben.

Literatur

Barth, K., Einführung in die Evangelische Theologie, Zürich 62006.

Deleuze, G./Guattari, F., Kapitalismus und Schizophrenie. Tausend Plateaus, Berlin 31997.

Henrich, D., Theorieformen moderner Kunsttheorie, in: Ders./Iser, W. (Hg.), Theorien der Kunst, Frankfurt a.M. 1993, 11-32.

Hoyer, B., Seelsorge auf dem Land. Räume verletzbarer Theologie, Stuttgart 2011.

Jüngel, E., Bemerkungen zur Katholizität evangelischer Theologie, (Greifswalder Universitätsreden 130), Greifswald 2007.

- Gott als Geheimnis der Welt, Tübingen 72001.

Mennekes, F., Joseph Beuys: Christus DENKEN, Stuttgart 1996.

Rahner, K., Grundkurs des Glaubens, Einführung in den Begriff des Christentums, Freiburg 1976.

Rendtorff, T., Theologie der Moderne. Über Religion im Prozeß der Aufklärung, Gütersloh 1991.

Smend, R., Bibel und Wissenschaft: Historische Aufsätze, Tübingen 2004.

Ziemer, G., Verletzbare Orte. Entwurf einer praktischen Ästhetik, Potsdam 2005; online unter http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2006/737/ (11.08.2009).

Webseiten

http://www.ekd.de/theologiestudium/startseite_theologiestudium.html (12.09.2014).

http://www.katholische-theologie.info/Theologie/tabid/67/Default.aspx (12.09.2014).

http://www.ku.de/unsere-ku/portraet/ (12.09.2014).

http://www.ku.de/fileadmin/20/Stiftungsverfassung.pdf (12.09.2014).

1Jüngel, Katholizität, 17.

2http://www.katholische-theologie.info/ […] (siehe Webseitenangabe am Ende des Beitrags).

3http://www.ekd.de/theologiestudium/ […] (siehe Webseitenangabe am Ende des Beitrags).

4http://www.ku.de/unsere-ku/portraet/ (12.09.2014).

5Stiftungsverfassung der KU Eichstätt-Ingolstadt §2 Abs. 2; http://www.ku.de/fileadmin/20/Stiftungsverfassung.pdf (12.09.2014).

6Jüngel, Katholizität, 17.

7Ebd., 18.

8Ebd., 19.

9Rahner, Grundkurs, 32.

10Jüngel, Geheimnis, 1f.

11Ebd., 5f.

12Ebd., 6f.

13Vgl. ebd., 7.

14Ebd., 13.

15Ebd., 15.

16Ebd., 19.

17Ebd.

18Ebd., 25f.

19Ebd., 27.

20Ebd.

21Ebd., 28.

22Ebd.

23Ebd., 44.

24Ebd., 57.

25Ebd., 30.

26Ebd., 29f.

27Ebd., 80.

28Ebd., 81.

29Ebd., 219.

30Ebd., 220.

31Ebd., 221.

32Ebd., 224.

33Mennekes, Joseph Beuys, 27.

34Ebd., 29.

35Ebd., 33.

36Deleuze/Guattari, Kapitalismus, 30.

37Vgl. Hoyer, Seelsorge, 50ff.

38Barth, Einführung,16.

39Smend, Bibel, 221; vgl. Rendtorff, Theologie, 111ff.

40Ziemer, Verletzbare Orte, 20; vgl. Henrich, Kunsttheorie, 11.

41Vgl. Hoyer, Seelsorge.

42Jüngel, Geheimnis, 227ff.

43Ziemer, Verletzte Orte, 11f.

44Jüngel, Geheimnis, 242.

45Ebd., 246.

Zurück- und nicht Zurechtbiegen
Über die Notwendigkeit der Ausbildung eines reflexiven theologischen Habitus

Renate Wieser, Graz

1.Der Verlust alter Selbstverständlichkeiten

Plural wie die Theologie in ihren diskursiven und nicht diskursiven Praktiken ist, immer nur in partikulär-situativer Perspektivität für den Einzelnen, die Einzelne überschaubar, hat die Diagnose von theologischen „Defiziten“, wie sie die Ausgangsfrage des Symposions nahelegt, wohl hauptsächlich mit den je eigenen Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsgrenzen des/der diagnostizierenden TheologIn zu tun. Im Folgenden darum in aller Vorläufigkeit eine impressionistisch-provisorische Annäherung: eine Hypothese in zwei Ausfaltungen, verbunden durch ein Beispiel, unterbrochen von drei „Wort-Wolken“.

Woran mangelt also der Theologie, einer „Offenbarungswissenschaft“, welche der überlieferten Glaubensüberzeugung unterstellt, „dass sich der freie Gott in die Geschichte hinein ausgesagt hat – und zwar in einer menschlich verstehbaren Weise“1? Fragen wie diese werden in Zeiten gestellt, in denen Habitualisierungen und Normativitäten in ihrem historisch-sozialen Konstruktionscharakter offenbar werden, bisherige Deutungsmuster nichts mehr er/klären, in Zeiten, in denen das, was bisher galt und funktionierte, nicht mehr gilt und schon gar nicht mehr funktioniert. Lapidar schreibt dazu der deutsche Theologe und Publizist Ulrich Ruh in seinem 2012 erschienenen Artikel über eine „herausgeforderte Theologie“: „Kaum etwas von dem, was sie treibt, ist heute einfach selbstverständlich“.2

 

Der Verlust alter Selbstverständlichkeiten ist nun allerdings ein idealer Zeitpunkt für die Theologie, zur Trendsetterin zu werden – nämlich dem Trend zu folgen, den der britische Medienhistoriker Peter Burke in seiner Auseinandersetzung mit einer „Sozialgeschichte des Wissens“ aktuell für die Wissenschaft allgemein diagnostiziert: dem Trend der Reflexivität.3 Und damit ist dann auch das benannt, was die Theologie im Moment am dringlichsten bräuchte: die Reflexion ihres eigenen Denkens und Handelns.

Mit Pierre Bourdieu geht es bei diesem Rückbezug (re-flectere = zurückbiegen) der Wissenschaft auf sich selbst primär um „das in die wissenschaftlichen Werkzeuge und Operationen eingegangene soziale und intellektuelle Unbewusste“4; eine solche Reflexion des „wissenschaftstheoretisch Unbewussten“5 einer Disziplin wird von ihm als kollektives Unternehmen verstanden, sie ist „nichts, was dem Wissenschaftler individuell aufzubürden wäre.“6 Weit jenseits einer rein narzisstischen Selbstbespiegelung dient die Ausbildung und Ausübung eines reflexiven wissenschaftlichen Habitus der Erhöhung der Reichweite und Zuverlässigkeit des wissenschaftlichen Wissens.

In den Blick zu nehmen ist dabei – im Sinne Bourdieus – die soziale Organisation „der wissenschaftlichen Produktion und Zirkulation und insbesondere der Formen der Kommunikation und des Austauschs, mit deren Hilfe die logische und empirische Kontrolle ausgeübt wird.“7 Denn die soziale Organisation hat Auswirkungen auf die mentalen wie objektiven Mechanismen8 der „Institution Theologie“ und bedarf von daher der Reflexion der Gründe und Voraussetzungen ihrer Entstehung, ihres Wandels im Laufe der Geschichte, ihrer Funktionen und Ziele, ihrer Möglichkeiten und Konsequenzen. All das könnte der Theologie über ihre „unbewussten Anteile“ an der Konstruktion ihres jeweiligen Forschungsgegenstandes Aufschluss geben und damit die „Gegenstandsangemessenheit“ ihres Wissens schärfen.

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