Sprachliche Mittel im Unterricht der romanischen Sprachen

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2.3 Unterschiede im Erst- und Fremdspracherwerb am Beispiel der liaison

Dass das Kleinkind Zugang zu seiner Erstsprache zunächst durch Zuhören und über die Prosodie findet, hat die Spracherwerbsforschung längst gezeigt. Mit ca. sechs Monaten fängt ein Baby an, die Informationen zu verarbeiten, die ihm sein Ansprechpartner durch die prosodischen Merkmale liefert. Die Hör- und Sprechmuster werden erst im Bereich der Prosodie und dann im Bereich der Laute gebildet. Der Definition von Hörmustern Slembeks (1997, 225f.) zufolge, – „Hörmuster sind kultur- und gruppengebunden, sie haben kognitive, soziale und emotionale Komponenten“ – , sprechen wir von Aussprachemustern, die als „gestes sociaux“ (Hagège 1996, 22) zum Kulturgut einer Sprachgemeinschaft gehören.2 Diese unmittelbare Anknüpfung an die allerersten sozialen und emotionellen Erfahrungen des Menschen bei der Herausbildung der prosodischen und lautlichen Hörmuster könnte vermutlich der Grund sein, warum erwachsene Lerner sich oft schwer tun, eine neue Aussprache zu lernen.

Das Phänomen der liaison ist ein Charakteristikum der französischen Phonetik, das bei Nichtbeachtung vor allem der obligatorischen liaisons die Kommunikation gravierend stören kann. Am Beispiel des liaison-Erwerbs soll nun aufgezeigt werden, inwiefern Ergebnisse der Spracherwerbsforschung die didaktischen Überlegungen zur Aussprachekompetenz anregen können.

Die liaison verursacht bei der Muttersprachlerin bzw. dem Muttersprachler (L1-Lernende) sowie bei Fremdsprachenlernenden (L2-Lernende) des Französischen eine Ambiguität auf der Bedeutungsebene. Nach Wauquier (2009) verfügen die beiden Lerngruppen allerdings über unterschiedliche Strategien im Umgang mit diesen Schwierigkeiten. Es lassen sich danach zwei Erklärungsmodelle, ein phonologisches und ein lexikalisches, aufstellen.

Schauen wir uns zuerst die L1-Lernenden an:

Die bzw. der L1-Lernende, ein kleines Kind, hört z.B. das Wort éléphant normalerweise nur im Kontext, also tu veux ton éléphant?, un petit éléphant, au zoo il y a des éléphants, oh le bel éléphant! und verfügt somit zuerst nicht über die alleinige Referenzform éléphant. Die Wortgrenze ist für L1-Lernende/Hörende nicht eindeutig zu erkennen, das Kind hört seine Umgebungssprache in Wortgruppen, in den sog. mots phonétiques, in groupes rythmiques. Zur Erinnerung: Diese bestehen aus mehreren Silben und bilden Sinneinheiten, die bestimmten Regeln folgen und nur einen Akzent tragen, und zwar auf der letzten Silbe.

Spracherwerbforscher haben gezeigt, dass Kinder im frühen Alter die liaison sowohl perzeptiv als auch produktiv in verschiedenen Phasen erwerben, bis sie kompetent damit umgehen können. Die ersten liaison-Fehler tauchen mitten in der morpho-syntaktischen Erwerbsphase auf, wenn die Kinder schon über einen beträchtlichen Wortschatz verfügen.

Les enfants francophones L1 semblent acquérir la liaison à un moment précis du développement phonologique en interface avec l’acquisition de la syntaxe et de la morphologie, par généralisation grammaticale sur le contexte obligatoire et non pas par contexte, puisqu’une fois que la généralisation est faite vers 4 ans, les erreurs sur les contextes obligatoires disparaissent (Wauquier 2009, 9).

Dies erklärt warum die L1-Lernenden Fehler in der Wortgrenze machen und „regarde le néléphant“ sagen.

Die anfänglichen Fehler liegen in den obligatorischen liaisons, meistens in dem Kontext Artikel + Nomen mit oder ohne Adjektive. Beispiele (Wauquier 2009, 10) hierfür sind:

 Gebrauch des falschen Konsonanten: [lenan] für „les ânes“ [lezan], [lenelefɑ̃] für [lezelefɑ̃].

 Übergeneralisierung der Auswahl des Possessivpronomens „ma“ und Fehler bei der Segmentierung: [ʒəvԑamanekɔl] für [ʒәvԑamɔnekɔl]. „Je vais à mon école“.

 Gebrauch des falschen Konsonanten, diesmal wegen einer harmonie consonantique: un momard [ɛ̃momaʁ] für [ɛ̃ˀomaʁ] un homard, un féféphant anstelle von un éléphant.

Die Konsonanten, die die meisten Fehler verursachen, sind [n] und [z], weil sie im obligatorischen Kontext sehr häufig zu finden sind.

Im Alter von ungefähr vier Jahren haben die Kinder diese Schwierigkeiten überwunden und sind in der Lage den Status des liaison-Konsonanten (consonne de liaison) in der Produktion wie in der Perzeption richtig zu beurteilen. Erst im Alter von sieben bis acht Jahren treten Fehler im Bereich der liaisons facultatives auf, in einem Alter, in dem sich die pragmatische Kompetenz entwickelt (Wauquier 2009, 8). In diesem Fall sind die begangenen Fehler denen Erwachsener ähnlich.

Ces ‚types de fautes‘ qu’on observe alors manifestent la même variation libre que celle qui s’observe chez l’adulte. On peut supposer qu’elles reflètent les mêmes conditionnements sociolinguistiques, externes à la représentation de l’objet phonologique en soi. Les enfants à partir de cet âge-là peuvent choisir de faire ou de ne pas faire ces liaisons, de les enchaîner ou pas.

Wie sieht es bei L2-Lernenden aus? Auch sie haben oft Verständnisschwierigkeiten beim Zuhören und beim Sprechen, die auf die liaison zurückzuführen sind. Den L2-Lernenden geht es in dem Fall nicht anders als den L1-Lernenden.

Nur wenige Studien haben sich mit Problemen der liaison bei L2-Lernenden beschäftigt. Aus diesem Grund spricht Wauquier ganz vorsichtig von Tendenzen. Dennoch würde jemand, der mit L2-Lernenden des Französischen zu tun hat, diese Tendenzen mit großer Wahrscheinlichkeit intuitiv bestätigen. Wauquier stellt fest, dass L2-Lernende auch bei hoher sprachlicher Kompetenz z.T. immer noch Fehler bei den liaisons machen. Eine Studie mit anglophonen Lernenden im dritten Lernjahr hat gezeigt, dass im obligatorischen Kontext 20 % der liaisons fehlerhaft waren. Entweder wurden sie ganz ausgelassen oder mit dem falschen Konsonanten verwendet. Oft entspricht dieser falsche Konsonant dem Buchstaben in der geschriebenen Form: z.B. un grand ami wird [ɛ̃ɡʁɑ̃dami] statt [ɛ̃ɡʁɑ̃tami]. Die nicht obligatorischen liaisons werden in der Mehrzahl einfach nicht getätigt. Zu erwähnen ist, dass in den genannten Studien die Erstsprachen der Lernenden germanische Sprachen sind (Englisch, Schwedisch und Niederländisch), Sprachen, in denen die lexikalischen und syllabischen Grenzen viel eindeutiger als im Französischen sind.

La situation provoquée par la liaison, qui crée une resyllabation masquant la frontière des mots, est peu répandue dans cette famille de langues (Wauquier 2009, 13).

Außerdem beeinflusst die Orthographie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Aussprache der L2-Lernenden. Während die L1-Lernenden allmählich durch ihre Spracherfahrung die Referenzform in ihren Wortschatz aufnehmen, verfügen die L2-Lernenden bereits über diese Form – das Wort éléphant hat sie bzw. er mit großer Wahrscheinlichkeit im Unterricht als Vokabel explizit gelernt.

Pour retrouver les mots dans le signal, les apprenants en L1 ne peuvent donc s’appuyer ni sur une information lexicale finie préstockée, ni sur un système phonologique achevé, et doivent opérer un tri et une segmentation efficace et organisée du matériau sonore qui les environne sur la seule base de leur expérience sensorielle. Pour les apprenants en L2, la situation est sans doute différente dans le sens où l’apprentissage explicite d’un lexique permettant la communication immédiate est réalisé dès l’entrée dans la L2 (Wauquier 2009, 7).

Im Französischen entsprechen die Wortgrenzen selten den Silbengrenzen. Insofern hört die bzw. der L2-Lernende ein langes mehrsilbiges Wort, das ihm auf der Inhaltsebene Schwierigkeiten bereiten kann. Da Erstspracherwerb und Fremdspracherwerb sich naturgemäß stark in Quantität und Qualität des Inputs sowie in der Lernmotivation unterscheiden (für L1-Lernende ist es lebenswichtig zu kommunizieren und somit das Gehörte zu verstehen und sich verständlich zu äußern), sollten im didaktischen Arrangement die lexikalischen Einheiten nicht nur in ihren Referenzformen, sondern auch im Kontext dargeboten und zudem geübt werden. Die Lehrkräfte sollten gerade im Anfangsunterricht keine Angst vor Überforderung der Lerner durch die akustische Konfrontation mit der chaîne parlée haben, in der liaison, élision, enchaînements vocaliques und consonantiques authentisch gesprochen werden. Vielmehr sollte kontinuierlich und von der ersten Unterrichtsstunde an möglichst in rhythmischen Wortgruppen gehört und gesprochen werden und daraus sollten gezielte Ausspracheübungen (Hören und Sprechen) abgeleitet werden. Phonetische Merkmale der französischen Sprache, die im Unterricht (wenn überhaupt) traditionell erst später thematisiert werden, sollten von Anfang an gehört, geübt, gesprochen und kommunikativ angewendet werden.

3. Phonetik und Phonologie als Bezugswissenschaft

Nachdem wir verschiedene Dimensionen der Aussprachekompetenz skizziert haben, geht es im folgenden Abschnitt darum, grundsätzliche Charakteristika der französischen Phonetik herauszuarbeiten, die für die Entwicklung der Aussprachekompetenz von deutschen Lernenden von Bedeutung sind.

Die Phonologie als funktionelle Lautwissenschaft liefert das Phoneminventar einer Sprache. Das Französische umfasst 15 Vokale (12 orale und drei nasale), 3 Halbvokale und 18 Konsonanten. Das Phonem als abstrakte Einheit, die selbst keine Bedeutung hat, wird als die kleinste bedeutungsunterscheidende Einheit einer Sprache definiert. Die tatsächliche Realisierung der Phoneme kann, ohne einen Einfluss auf die Bedeutung zu haben, variieren. Als Beispiel kann die Realisierung des Phonems /ʁ/ angeführt werden: Im Französischen wird das Phonem /ʁ/ meist uvular gesprochen; eine regionale Variante, die sogenannte freie Variante, bildet der mit der Zungenspitze erzeugte Vibrant [r] (Stein 1998, 17–18). Auch gibt es kombinatorische Varianten, die von der Lautumgebung abhängig sind. Hier kann die Aussprache von /k/ angeführt werden: Vor dem Phonem /i/ wird /k/, wie in kilo, am vorderen Gaumen, vor /u/, wie in cou, am hinteren Gaumen artikuliert (Stein 1998, 18). Außerdem geben weitere phonologische Regeln Aufschluss über phonologische Prozesse, wie z.B. wann ein oraler Vokal als nasalisierter Vokal realisiert wird, also z.B. warum banane [banan] gesprochen wird und banc [bɑ̃], oder in welchen Konstellationen die liaison, wie in le petit ami, oder die Elision vorkommt, le chat vs. l’hôtel. Die Phonetik ihrerseits „untersucht den Akt des Sprechens, die Laute und Lautsequenzen in ihren unterschiedlichen Realisierungen“ (Stein 1998, 13). Wichtig in unserem didaktischen Zusammenhang ist die artikulatorische Phonetik, die die Art und Weise des Produzierens von einzelnen Lauten beschreibt. Die Laute des Französischen können dank der Lautschrift (API) transkribiert werden, was dem Lerner eine große Hilfe ist. Bleibt noch die Prosodie zu erwähnen, die sich mit den supra-segmentalen Charakteristika einer Sprache befasst, wie Intonation und Betonung. All diese Phänomene sind mehrmals ausführlich und detailliert dargestellt worden (für eine Einführung in die Grundkenntnisse der Phonetik und Phonologie des Französischen, die sich gezielt an zukünftige Lehrerinnen und Lehrer wendet, s. Mordellet-Roggenbuck 22010).

 

Die Phonetik/Phonologie bildet die Bezugswissenschaft für eine kompetente Lehre der Aussprache. Eine fachlich kompetente Lehrkraft sollte über Wissen in Phonetik/Phonologie, wenn möglich kontrastiv, verfügen, mit der Terminologie umgehen können und in der Lage sein, die Fremdsprache in API zu transkribieren.

In Bezug auf die Herausbildung einer adäquaten Aussprache bei deutschen Lernenden sollte den folgenden Merkmalen der französischen Laute besondere Beachtung geschenkt werden. In aller Kürze werden sie an dieser Stelle unter dem Blickwinkel des Vergleichs mit den deutschen Lauten und der deutschen Prosodie aufgeführt.

Die französischen Vokale

Die französischen Vokale unterscheiden sich von den deutschen vor allem nach folgenden Kriterien:

 Öffnungsgrad (drei Öffnungsgrade des Kiefers für die frz. Vokale vs. vier für die dt. Vokale).

 Oralität vs. Nasalität.

 Labialität (gerundet vs. nicht gerundet). Die Lippentätigkeit wird bei den französischen Vokalen (wie z.B. bei [i]: Lippen stark gespreizt und Mundwinkel weit zurückgezogen) viel stärker als im Deutschen realisiert.

 Länge. Französische Vokale sind nur in bestimmten Positionen lang (in betonter Position und in Abhängigkeit von den umgebenden Lauten wie z.B.: J’ai la rage).

Die französischen Konsonanten

Die französischen Konsonanten unterscheiden sich von den deutschen vor allem in folgenden Bereichen:

 Artikulationsmodus (s. den Unterschied zwischen der Artikulation von „ein Damm“ und une dame).

 Französische Konsonanten werden nicht behaucht.

 Sonoritätsmerkmal (stimmlos-stimmhaft).

 Realisierung des [ʁ]. Im Französischen wird das Phonem /ʁ/ in jeder Position und nicht vokalisiert artikuliert.

Die Prosodie

Drei Hauptmerkmale der französischen Prosodie lassen sich für didaktische Zwecke auflisten, die sich stark von der deutschen unterscheiden.

 Groupes rythmiques und Betonung der letzten Silbe.

 Rhythmus (das Französische gehört zu den silbenzählenden Sprachen, das Deutsche zu den akzentzählenden).

 Intonation.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es sich bei der Phonetik/Phonologie um ein Gebiet der Sprache handelt, das überschaubar und somit gut zu lehren und zu lernen ist. 3

4. Entwicklung der Aussprachekompetenz der Lernenden im Französischunterricht

Ausgehend von den vorherigen Ausführungen lässt sich zusammenfassend festhalten, dass die Aussprachekompetenz:

 ein Bestandteil der kommunikativen Kompetenz ist,

 die sowohl das Hören als auch das Sprechen in kommunikativen Situationen betrifft,

 einiges über die Sprecherin und den Sprecher und ihre bzw. seine Erstsprache verrät,

 die Basis für eine kompetente Mündlichkeit und

 die Basis für eine kompetente Schriftlichkeit ist.

Phonem-Graphem-Entsprechungen

Bezogen auf die beiden letzten Punkte sollte die Ausspracheschulung immer, wenn auch nicht immer gleich zu Beginn des Französischunterrichts, eine Schulung der Phonem-Graphem-Entsprechungen beinhalten. Dadurch soll die Ausspracheschulung als Vorbereitung auf ein verstehendes Lesen und Schreiben fungieren. Ein Beispiel aus einem umfangreichen authentischen Material, das in einer 4. Klasse gesammelt wurde, soll die Problematik veranschaulichen.4 Im Rahmen einer Grammatikübung sollten die Schüler verschiedene Tiernamen auf einem Arbeitsblatt eintragen und dabei die Plural- oder Singularform verwenden. Es ging in der Übung um „2 vaches, 2 chevaux, un chien, 3 canards, une chèvre“ etc., Wörter, die seit dem ersten Lernjahr bekannt waren und gelernt wurden.

Von 19 Schülerinnen und Schülern haben fünf das Wort chien als chein, chon, chiean, chja und chie orthographiert. Es gibt neun verschiedene Orthographieformen für chevaux: chanval, chewale, chevâux, scheval, cheual, schewall, cheval. Bei chèvre schreiben vier Schüler: cefrere, cherré, chévre, chäfre und für lapin finden wir: la pane, lapan, la pá, lepre, lapa, lapaine.

Die Verschriftlichungen spiegeln die akustische und visuelle Memorierung der Wörter wider, die normalerweise im ersten Lernjahr eingeführt wurden, was die Verzerrung der akustischen Wahrnehmung bei den Schülern beweist. Die Entsprechungen Phonie-Graphie sind längst nicht gefestigt oder gar gelernt.

Zusätzlich zu den schon zuvor angeführten Anregungen für den Unterricht heben wir schließlich hervor, dass die Aussprachekompetenz sich ab der ersten Unterrichtsstunde entwickelt und mit dem globalen Hören des Rhythmus, der Betonung und der Intonation anfängt. Erst dann sollten diskriminierende Hör- und Sprechübungen zu für deutsche Lernende schwierigen Unterscheidungen (orale und nasale Vokale, stimmlose und stimmhafte Konsonante, /r/ in allen Positionen etc.) kommen. Ferner sollte der Sprechausdruck schon zu Beginn des Französischunterrichts geübt werden und nicht erst ab Niveau C1 wie im GeR empfohlen: zum einen sachlich und zum anderen emotional. Dies kann anhand kurzer Äußerungen geschehen, wie La soupe est chaude. La fenêtre est ouverte. Dabei sollte immer wieder der französische Rhythmus geübt werden.

Champagne-Muzar, Cécile / Bourdages, Johanne S. 1998. Le point sur la phonétique. Paris: CLE International.

Europarat. 2001. Gemeinsamer europäischer Referenzrahmen für Sprachen. Lernen, Lehren, Beurteilen. Berlin: Langenscheidt.

Geißner, Helmut. 1982. Sprecherziehung: Didaktik und Methodik der mündlichen Kommunikation. Königstein / Ts.: Scriptor.

Hagège, Claude. 1996. L’enfant aux deux langues. Paris: Odile Jacob.

Henne, Helmut / Rehbock, Helmut. 31995. Einführung in die Gesprächsanalyse. Berlin: de Gruyter.

Mordellet-Roggenbuck, Isabelle. 2002. Artikulation des Französischen bei 8- bis 10-jährigen deutschsprachigen Schülern am Beispiel einer dritten Klasse. Aachen: Shaker.

Mordellet-Roggenbuck, Isabelle. 22010. Phonétique du français. Théorie et applications didactiques. Landau: VEP.

Müller, Stefan / Gelbrich, Katja. 2015. Interkulturelles Marketing. München. Vahlen.

Settinieri, Julia. 2011. „Soziale Akzeptanz unterschiedlicher Normabweichungen in der L2-Aussprache Deutsch“, in: Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 16, 2, 66–80.

Slembek, Edith. 1997. Mündliche Kommunikation – interkulturell. St. Ingbert: Röhrig.

Stein, Achim. 1998. Einführung in die französische Sprachwissenschaft. Weimar: Metzler.

Wauquier, Sophie. 2009. „Acquisition de la liaison en L1 et L2: stratégies phonologiques ou lexicales?“, in: Acquisition et interaction en langue étrangère (Aile), Lia2, 93–130.

Diatopische Aussprachevarietäten im Spanischunterricht

Ein Plädoyer für ein frühzeitiges systematisches Hörverstehenstraining

Eva Leitzke-Ungerer

1. Einführung

Dass Fremdsprachen über mehrere Standardvarietäten verfügen und sich daraus Unterschiede in Lexik, Grammatik, Aussprache und Schreibung – kurzum: im Bereich der sprachlichen Mittel – ergeben, ist für Spanischlernende zunächst nichts Neues. Aus dem Englischunterricht kennen sie bereits die Unterscheidung von britischem und amerikanischem Englisch; bei vorgelerntem Französisch sind sie eventuell schon dem français québécois begegnet. Im Spanischunterricht werden die Schülerinnen und Schüler nun erneut mit einer Sprache konfrontiert, die wie das Englische und Französische europäische und amerikanische Standardvarietäten aufweist, also plurizentrisch ist.1 Daher stellt sich auch hier die Frage, wie mit diesen Varietäten und mit Varietäten generell im Unterricht umzugehen sei, um die Lernenden auf das eigentliche Ziel des Fremdsprachenunterrichts hinzuführen, d.h. sie sprachlich und interkulturell handlungsfähig für die Zielkulturen zu machen.

Eine gewisse Hilfestellung in dieser schon länger kontrovers diskutierten Angelegenheit2 liefert die Unterscheidung zwischen einer produktiven und einer rezeptiven Varietätenkompetenz.3 So ist in den Zielländern die aktive Beherrschung einer einzigen Standardvarietät in der Regel völlig ausreichend. Entsprechend kann auch im Spanischunterricht der Fokus auf eine einzige Varietät gelegt werden (vor allem in den ersten Lernjahren, cf. Leitzke-Ungerer 2017); dies entspricht auch den Vorgaben der KMK-Bildungsstandards (2004; 2012) und von kompetenzorientierten Spanischlehrplänen, für welche die Kenntnis und die Anwendung der „Standardsprache“ vorrangig ist. In Deutschland ist dies traditionell das europäische Spanisch, das im vorliegenden Beitrag in Anlehnung an Moreno Fernández (2007; 2010) mit español castellano bzw. ‚kastilischem Spanisch‘ bezeichnet wird.4 Anders sieht es mit der Sprachrezeption aus, vor allem mit dem Hörverstehen in mündlichen Kommunikationssituationen. Einen Muttersprachler, der sich nicht des español castellano bedient, sondern z.B. aus Andalusien oder aus Argentinien stammt, werden die Lernenden nur dann verstehen, wenn sie – neben allgemeinen Hörverstehensstrategien und Wissen über die Eigenheiten mündlicher Sprache – auch die wichtigsten Merkmale dieser diatopischen Varietäten kennen sowie über eine ausreichende Hörpraxis im Umgang mit ihnen verfügen.

An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an. Er konzentriert sich auf die mündliche Kommunikation und geht davon aus, dass zu den wesentlichen Bestandteilen einer rezeptiven Varietätenkompetenz nicht nur Wissen über lexikalische und grammatische Unterschiede, sondern auch und vor allem über Unterschiede in der Aussprache gehört. Mit dem Erwerb von Faktenwissen ist es aber nicht getan; ebenso relevant ist prozedurales Wissen, d.h. die Fähigkeit, Hörtexte aus unterschiedlichen diatopischen Varietäten des Spanischen tatsächlich verstehen zu können.

Ziel des Beitrags ist es daher, ein varietätenspezifisches, auf die Aussprache fokussiertes Hörverstehenstraining für Spanischlernende vorzustellen, das bereits in der Spracherwerbsphase eingesetzt werden kann. Dazu werden zunächst die wichtigsten Aussprachemerkmale erläutert, in denen sich die ‚großen‘ diatopischen Varietäten des Spanischen unterscheiden.5 Es folgt eine Diskussion der Probleme, die sich beim fremdsprachlichen Hörverstehen generell sowie im Zusammenhang mit unterschiedlichen Aussprachevarietäten ergeben. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse einer Kurzanalyse aktueller Spanischlehrwerke in Bezug auf ihren Umgang mit Aussprachevarietäten präsentiert. Den Abschluss bildet ein Überblick über die Anforderungen, die das varietätenbezogene Hörverstehenstraining erfüllen soll, sowie seine exemplarische Veranschaulichung am Beispiel einer Trainingseinheit für das argentinische Spanisch.