Sprachkritik und Sprachberatung in der Romania

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5 Exemplarische Analyse

Die im Folgenden diskutierten Beispiele entstammen unterschiedlich strukturierten, virtuellen Plätzen der Internet-Kommunikation. Die französischen Beiträge sind dem Forum Promotion linguistique (FPL) entnommen, das seine thematische Orientierung durch den Untertitel Francisation präzisiert und seine Diskutanten bereits in der Überschrift mit konkreten inhaltlichen Vorgaben zum sprachlichen Handeln auffordert: „Exprimez-vous sur la défense de la langue française, les institutions officielles, la politique linguistique, la francophonie, la francisation des termes étrangers(vgl. FPL). Neben diesem Forum, das seit 2004 über 300 Fragen generiert hat, gibt es weitere Austauschräume zu diversen Themen wie z.B. Pratiques linguistiques, Réflexions sur les règles, Écriture et langue française, Histoire de la langue française, Pratiques argotiques et familières, in denen sich insgesamt 3658 Nutzer bewegen. Alle Foren sind in die übergeordnete Website abc de la langue française eingebettet, wo den Nutzern auch Informationen zur französischen Sprachgeschichte und zum Argot (mit Wörterbuch) sowie Aktuelles zur französischen Sprache bereitgestellt werden (vgl. ABC).

Die zum Vergleich ausgewählten deutschen Beispiele sind Diskussionsbeiträge aus der Facebook-Präsenz des Vereins deutsche Sprache (VdS). Der 1997 gegründete VdS beruft sich in seinen Leitlinien auf die UNESCO-Erklärung vom 2. November 2001 und einen Bericht der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ vom 11.12.2007: „Europas Sprachen und Kulturen stehen unter starkem Globalisierungsdruck. Sie verlieren weltweit an Geltung und werden in zunehmendem Maße von der angloamerikanischen Sprache und Kultur beeinflusst. Dies führt zu einem Identitätsverlust der betroffenen Völker und Volksgruppen“ (VdS a). Darauf aufbauend werden folgende Grundsätze und Ziele formuliert (VdS b):

Wir schätzen unsere deutsche Muttersprache, die „Orgel unter den Sprachen“, wie Jean Paul sie nannte. Um sie als eigenständige Kultur- und Wissenschaftssprache zu erhalten, weiterzuentwickeln und vor dem Verdrängen durch das Englische zu bewahren, gründeten wir im Jahr 1997 den Verein Deutsche Sprache e.V. Er ist eine bunte, große und wachsende Bürgerbewegung mit derzeit 36.000 Menschen aus nahezu allen Ländern, Kulturen, Parteien, Altersgruppen und Berufen. Allein ein Drittel davon sind Freunde der deutschen Sprache aus Asien oder Afrika. […] Dabei verfolgen wir keine engstirnigen nationalistischen Ziele. Wir sind auch keine sprachpflegerischen Saubermänner. Fremdwörter – auch englische – sind Bestandteile der deutschen Sprache. Gegen fair, Interview, Trainer, Doping, Slang haben wir nichts einzuwenden. Prahlwörter wie event, highlight, shooting star, outfit, mit denen gewöhnliche Dinge zur großartigen Sache hochgejubelt werden, lehnen wir ab.

Seit März 2011 hat der VdS seinen Kommunikationsradius durch ein Facebook-Profil erweitert, das zum Zeitpunkt der Analyse 8258 aktive und passive Anhänger hat. Ein grundlegender Unterschied zum Forum Promotion linguistique besteht in der zentralen Steuerung der Kommunikation durch den Verein als Administrator der Seite: Die Themen werden vom VdS selbst platziert und dann gegebenenfalls von der Leserschaft kommentiert, bewertet oder auf anderen oder eigenen Seiten geteilt. Eine gewisse Grundkonstruktion des Diskurses wird somit im Voraus determiniert und entspricht größtenteils der inhaltlich-thematischen Struktur, die der VdS auch in der Vereinszeitschrift Sprachnachrichten angelegt hat. Im französischen Forum ist zwar Sprachpflege als Rahmenthema vorgegeben, jedoch können die User die Richtung der Diskussion durch das Einstellen eigener Fragen und Kommentare steuern, die dann vom Administrator entfernt werden können, wenn Regeln des Respekts und der Höflichkeit missachtet werden oder Inhalte ʻzu polemisch’ diskutiert werden. Eine Vergleichbarkeit ist dennoch durch den Funktionsmechanismus des personal publishing (vgl. 3) gewährleistet sowie aus kommunikationstheoretischer Perspektive durch die Asynchronität der Beiträge, die zeitversetzt auf den Kopfkommentar erfolgen und die Möglichkeit implizieren, mit mehreren Teilnehmern zu diskutieren, bei denen eine generelle Affinität zur Sprache selbst und zu metasprachlichen Fragestellungen angenommen werden kann.

Der Diskussion der einzelnen Belege muss die Bemerkung vorangestellt werden, dass die folgende Einordnung der Topoi keinen Anspruch darauf erhebt, dass es sich um eindeutige Zuordnungen handelt. Die topische Etikettierung kann thematisch mehrfach kodiert werden und die Aufschlüsselung der argumentativen Struktur kann mitunter auf verschiedene Lesarten erfolgen. Darüber hinaus werden aus Gründen des Umfangs nur einzelne, besonders häufig im Korpus auftretende Sprachgebrauchsmuster in Anlehnung an den Gloy'schen Kriterienkatalog (vgl. 4.2) vorgestellt.

In beiden Teilkorpora kann der Topos der Konstitution und des Erhalts der nationalen Einheit als rekurrentes Sprachgebrauchsmuster identifiziert werden, bei dem die deutsche und französische Sprache jeweils als zentrale Determinante der Nation stilisiert werden. Im deutschen Beleg erfolgt die Betonung der Notwendigkeit des Sprachschutzes durch die Qualifizierung der deutschen Sprache als „summum bonum der Nation“ (Stukenbrock 2005, 432) neben der Geschichte des Landes und durch ein normatives Kausalschema aus Grund und Folge (Wenn das Bewusstsein für Sprache und Geschichte der Nation verloren geht, dann büßt das Land sein nationales Bewusstsein ein):

 1. Richtig, B. Die zwei Säulen einer Nation sind Sprache & Geschichte. Geht auch nur das Bewusstsein für EINS davon verloren, wird das Land sein nationales Bewusstsein einbüßen (VdS FB, 21.03.2013).

Aus der Majuskelschreibung von EINS geht nicht nur die Betonung des Werts der deutschen Sprache hervor, sondern auch die Bedrohlichkeit der Situation, die der Verfasser dem Zustand des nationalen Bewusstseins attribuiert und wodurch er einen indirekten Appell an die Sprechergemeinschaft formuliert, dass das Sprachbewusstsein dem Nationalbewusstsein gleichgestellt werden muss. Ein ausgewähltes französisches Beispiel zeigt eine äquivalente topische Thematisierung, bei dem zunächst ein Nutzer (patrickk) den Geltungsanspruch des Schutzes der französischen Sprache durch ein Einordnungsschema rechtfertigt, das durch die Schlussregel einer Teil-Ganzes-Beziehung gestützt wird (Wenn die französische Sprache Teil der französischen Nationalsymbole wäre, dann könnte ihre Beleidigung unter Strafe gestellt werden, da dieses Vorgehen für alle nationalen Symbole Gültigkeit besitzt). Im Vordergrund steht hierbei weniger der soziale und kommunikative Wert der Sprache als Voraussetzung eines geteilten nationalen Bewusstseins, sondern ihr symbolischer und somit auch gewissermaßen non-verbaler Charakter, der bereits per se streitbar ist:

 2. [patrickk a écrit: D'où une idée qui me vient : ajouter la langue française à la liste des symboles de la France (Hymne national, drapeau) que l'on ne peut insulter sous peine de sanctions pénales.] La langue française n'appartient pas à la France et c'est justement ce qui en fait une langue universelle et donc plus intéressante […] (FPL, 15.10.2008).

Mit dieser Replik wird die Argumentation patrickks durch einen anderen Nutzer angefochten, der betont, dass die französische Sprache kein Besitz des französischen Staates ist und dass gerade dieser Umstand ihren Charakter als langue universelle ausmacht.

Ein weiterer auf beiden Seiten häufig angeführter Topos ist die Gewährleistung einer allgemeinen Verständlichkeit der Sprache für die Sprecher, die von den Beiträgern in der Regel in negative Korrelation mit den Einflüssen des Englischen gesetzt wird (Wenn immer mehr denglische und englische Wörter in den Wortschatz übernommen werden, werden ältere Menschen aufgrund von Verständnisproblemen aus der Gesellschaft ausgegrenzt). Im folgenden Beleg wird dies durch ein Kausalschema aus Ursache und Wirkung verbalisiert, das die soziale Funktion der deutschen Sprache fokussiert. Die Entrüstung des Beiträgers ist dabei sowohl deutlich an der Interpunktion erkennbar als auch an der Verwendung der Verben nerven und ausgrenzen sowie des im sprachpflegerischen Diskurs häufig auftretenden Portemanteau-Stigmaworts denglish.

 3. Ja, mittlerweile nervt das wirklich immer mehr! Und besonders ältere Menschen verstehen die denglischen bzw. englischen Wörter gar nicht und werden so in unserer Gesellschaft sprachlich ausgegrenzt (VdS FB, 22.02.2012).

In Beleg (4) wird illustrativ mit einem konkreten Beispiel aus dem Alltag der Sprecher argumentiert, in dem sich der Verfasser auf die erfreuliche Präsenz des Französischen beim alljährlichen Sportereignis Tour de France bezieht, was er als Indiz für den Erhalt des französischen Sprachprestiges auf internationaler Ebene ansieht. Wie auch in (3) wird anhand der Lexik deutlich, wie emotional aufgeladen der Diskurs ist (je suis épaté) und dass metasprachliche Äußerungen zum Zustand der Sprache durch verschiedene einstellungsgelagerte Affekte getragen werden (Angst vor der hégémonie de l’anglais, Freude angesichts eines français très compréhensible, Stolz und Ehrgefühl angesichts der Tatsache, dass […] tous ou presque tous [font] l’effort):

 4. Il est un domaine où le français tire encore son épingle du jeu, et ou l'anglais n'est pas hégémonique, c'est le vélo. Je suis de près le Tour de France cette année, et en effet, je suis épaté d'entendre pratiquement tous les coureurs et tous les directeurs sportifs de partout s'exprimer dans un français très compréhensible : ils font tous ou presque tous l'effort, et ils nous font l'honneur, de se mettre un peu au français (FPL, 13.07.2012).

 

Beim sprachnormativen Diskurs im Sinne ansatzweise status- und korpusplanerischer Reflexionen der laienlinguistischen Sprachpfleger findet der Topos des etablierten Sprachgebrauchs Anwendung innerhalb einer großen thematischen Marge, die von der Diskussion des orthographischen und phonetischen Standards wie z.B. in Beleg (6) bis hin zu legislativen Vorgaben in fachsprachlichen Domänen in Beispiel (5) reicht:

 5. Die SPD Hamburg, zusammen mit Niedersachsen und NRW, legte einen Gesetzesentwurf vor, der die englische Sprache neben Deutsch als Verhandlungssprache in Gerichten zulässt. Nach aktuellem Stand sei von einer Zustimmung des Bundestages auszugehen. Laut den Politikern sei es von Nachteil, dass Deutsch als alleinige Gerichtssprache etabliert ist (VdS FB, 05.08.2014).

 6. Je ne nie pas l'existence d'une norme de prononciation: j'en perçois deux ! Et si la prononciation "standard" du français était imposée depuis des siècles, cela voudrait également dire que cette volonté échoue depuis des siècles (FPL, 06.09.2013).

Beispiel (5), das rein formal einer eher sachlichen Zustandsbeschreibung gleichkommt, impliziert eine subtile Argumentation gegen die Zulassung des Englischen als Gerichtssprache. Als induktives Beispielargument ermöglicht der Verweis auf die Gesetzesentwürfe der SPD in Hamburg, Niedersachsen und NRW die Ableitung der Konklusion, dass der Status des Deutschen als Verhandlungssprache an deutschen Gerichten in Gefahr ist. Um dieser Vermutung der offiziellen Statusgefährdung des Deutschen durch das Englische Nachdruck zu verleihen dient ein ergänzender berichterstattungsähnlicher Satz (Nach aktuellem Stand sei von einer Zustimmung des Bundestags auszugehen), der den Geltungsanspruch der Aussage durch einen Verweis auf eine anonyme Autorität steigert, die in der Verwendung des Konjunktivs I der indirekten Rede sichtbar wird und gleichzeitig als argumentum necessarium Wirkung erzeugt (Wenn der Bundestag jetzt schon mehrheitlich zustimmt, dann ist der Einsatz des Englischen als Gerichtssprache in Deutschland beschlossene Sache). Eine zusätzlich affektive Konnotation erhält die Argumentation durch den Verweis auf traditionelle legislative Zustände (Damit würde das seit 1877 bestehende Grundgesetz zur Gerichtssprache gefällt werden), die im Zuge globalisierender Tendenzen nicht mehr respektiert und zu Gunsten der englischen Sprache arglos ausgehebelt werden.

Die Aussage in Beleg (6) verdeutlicht den Einsatz des Beiträgers zugunsten einer Relativierung der Exklusivität der französischen Standardaussprache je nach individueller Einstellung des jeweiligen Sprechers (j'en perçois deux !). Den dahinter stehenden Einsatz für eine Anerkennung von normabweichenden Aussprachevarietäten und die Nichtdurchsetzung der traditionellen Norm ([…] cette volonté échoue depuis des siècles), versucht der Nutzer argumentativ durch die gewählte ironische Ausdrucksweise zu rechtfertigen.

Neben der oftmals motivisch gebrauchten Wechselbeziehung zwischen Sprache und Nation wird vor allem die Kultur beider Sprachen in ihren diversen Ausprägungsformen als Spiegel des Sprachwandels oder als Voraussetzung für ein bestimmtes sprachliches Niveau präsentiert. Dabei betonen laienlinguistische Sprachpfleger – nach dem Vorbild der institutionalisierten Sprachpflege – die Bedeutung der Literaturgeschichte des jeweiligen Landes als Kulturgut oder verweisen konkret auf den Sprachgebrauch von kulturellen Autoritäten, wie es die beiden folgenden Beispiele belegen:

 7. Ich war gestern in Düsseldorf "auf der Kö" zum Bücherbummel. Auf der einen Seite deutsche Literatur von den Anfängen bis in die Neuzeit. Auf der anderen Seite die Geschäfte, von denen kaum eines noch deutschsprachige Werbung zeigt. Ich dachte, ich wäre in England und nicht in der angesagtesten Einkaufsstraße der Hauptstadt Nordrhein-Westfalens. Es ist gruselig (VdS FB, 18.06.2012).

 8. Pendant quelques années j'ai été un très fidèle lecteur du Canard, qui était – l'est-il toujours ? – réputé pour son bon niveau en français, je n'y cherchais pas du tout cela, mais il m'a beaucoup apporté pour mon expression en français. À plus forte raison s'attacher à des auteurs littéraires que l'on aime, qui vous apportent en prime mille autres choses, est évidemment excellent (FPL, 27.01.2012).

Aus (7) geht erneut hervor, dass der Anglizismendiskurs in metasprachlichen Äußerungen ein dominanter thematischer Marker ist und sich, in andere topische Muster eingeflochten, als salientes Merkmal durch laienlinguistische Argumentationen zieht. Mit der berühmten Düsseldorfer Einkaufsstraße als illustratives Beispiel wird die Konklusion belegt, dass durch die Dominanz englischer Werbung in den Geschäften (Anglizismen-Topos) nicht nur die Verbraucher abgeschreckt werden (Es ist gruselig), sondern auch die öffentliche Präsenz deutschsprachiger Literatur zurückdrängt wird (Kultur-Topos). In Beispiel (8) wird durch die Darstellung der bekannten französischen Satirezeitschrift Canard Enchaîné als sprachlich-kulturelle Autorität (réputé pour son bon niveau en français) ein deskriptives Kausalschema eingeleitet, das die Lektüre französischer Literatur als entscheidendes Kriterium bei der Schulung des Sprach- und Ausdrucksvermögens definiert (Pendant quelques années j'ai été un très fidèle lecteur du Canard […] il m'a beaucoup apporté pour mon expression en français).

An letzter Stelle soll neben der in den vorherigen Beispielen aufgezeigten Reflexion der kommunikativen und sozialen Funktion von Sprache die ihrer kognitiven Beschaffenheit und Relevanz (Topos der kognitiven Folgen) aufgezeigt werden, die auch in den laienlinguistischen Foren nicht selten als diskursive Grundfigur erscheint:

 9. Schrecklich. Die Intelligenz eines Menschen drückt sich auch darin aus, wie er mit seiner Sprache umgeht. Der vielgeschumpfene Herr aus Berlin hat halt leider doch Recht: Deutschland schafft sich selbst ab (VdS FB, 30.06.2014).

 10. Un langage parlé et écrit est un protocole de communication. A ce titre, il devrait être régi, comme le code de la route, par des règles intelligentes, logiques et rigoureuses (FPL, 24.02.2012).

Wie an anderer Stelle bereits herausgearbeitet wurde, belegt die Aussage des Verfassers in (9) erneut die deutlich hervortretende affektive Komponente metasprachlich explizierter Einstellungen. Das in Kopfstellung elliptisch positionierte Adjektiv schrecklich resümiert die entsetzte Haltung des Beiträgers angesichts des nicht weiter konkretisierten schlechten Umgangs bestimmter Menschen mit der eigenen Sprache, die er durch ein Vergleichsschema normativ begründet, indem er eine bestimmte menschliche Eigenschaft (Die Intelligenz eines Menschen drückt sich darin aus […]) aus einem ähnlich gearteten Verhalten in einer bestimmten Situation erschließt ([…] wie er mit seiner Sprache umgeht). Der intertextuelle Verweis auf das 2010 erschienene Buch des Volkswirts und ehemaligen SPD-Politikers Thilo Sarrazins mit dem Titel Deutschland schafft sich ab zeigt darüber hinaus, dass die gesellschaftlich kontrovers geführten Diskussionen um sozio-politische Probleme sich in der laienlinguistischen Auseinandersetzung mit Sprache widerspiegeln oder ihren Akteuren zumindest einen geeigneten Aufhänger liefern. Beispiel (10) hingegen bezieht sich nicht auf die kognitive Fähigkeit der Sprecher, sondern auf den kognitiven Gehalt der Sprache selbst. Der Verfasser legt auf aphoristische Weise für jede Sprache die Gesetzmäßigkeit fest, dass ihre Funktionsfähigkeit in einem intelligenten, logischen und strengen Regelsystem begründet liegt und rechtfertigt diesen Zusammenhang durch ein Analogieargument (comme le code de la route), das die regelhafte Struktur der Sprache einer Verkehrsordnung gleichsetzt.

6 Zusammenfassende Bemerkungen und Ausblick

Die exemplarische Analyse hat gezeigt, dass sich die öffentliche Diskussion um Sprache und ihre Sprecher in Deutschland und Frankreich gleichen Themen in Form äquivalenter topischer Muster widmet. Diese musterhaft strukturierte Architektur des sprachpflegerischen Diskurses belegt dabei nicht nur die Fortsetzung einer diskursiven Tradition, der eine bewusst konstruierte Identität und traditionell normativ ausgerichtete Mentalität zugrunde liegt, sondern anhand der untersuchten metasprachlichen Äußerungen wird deutlich, dass die dargestellten Leitmotive der institutionalisierten Sprachpflege in mittlerweile weit ausgedehnten Teilen der Gesellschaft durch das Potenzial internetbasierter Kommunikationsformen eine große Verbreitung erfahren. In den Kommentaren der Internet-Nutzer wurden dabei auch Tendenzen einer relativierten und ‚gemäßigten‘ Sprachpflege erkennbar, die von der Idee einer puristischen Standardnorm Abstand nehmen und gleichzeitig individuelle sprachbezogene Reflexionen in den Diskurs einbringen. Ein zentrales definitorisches Problem wirft in diesem Kontext nach wie vor die Frage auf, wer in den betrachteten öffentlichen Räumen überhaupt als Laienlinguist klassifiziert werden kann und ob dieser Terminus im Kontext des dargestellten metasprachlichen Kommunikationsformats auf die Mehrzahl der beteiligten Akteure zutrifft, sodass eine Titulierung dieser Gruppe als laienlinguistische Sprachpfleger und ihre gesonderte Einordnung als gesellschaftlich wirkendes Ensemble neben offiziellen und offiziösen Bereichen der Sprachpflege zu rechtfertigen wäre. Die weiten Dimensionen und die Komplexität dieses Diskurses, v.a. durch die Integration von Online-Daten, können durch die bestätigte Hypothese länderübergreifender Diskursstrukturen konturiert werden und liefern somit einen ersten Anhaltspunkt, der für Forschungsinteressen der romanistischen Linguistik durch eine Orientierung der Untersuchungsmethode an diskurslinguistischen Verfahren sowie interdisziplinäre Ansätze gewinnbringend ergänzt werden kann. Eine fokussierte Triangulation im Sinne einer Verbindung der soziolinguistisch klassischen, qualitativen Kategorisierung der Sprachdaten mit einer partiellen Adaption korpuslinguistischer Verfahren könnte hierbei eine geeignete methodische Ergänzung repräsentieren, die eine kombinierte Untersuchung auf textinterner und transtextueller Ebene bei sprachkontrastiv angelegten Korpora realisierbar macht.