Sprache und Kommunikation in der beruflichen Aus- und Weiterbildung

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Literatur

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Antos, Gerd (1996). Laien-Linguistik: Studien zu Sprach- und Kommunikationsproblemen im Alltag; am Beispiel von Sprachratgebern und Kommunikationstrainings. Tübingen: Niemeyer.

Bachmann, Thomas/Feilke, Helmuth (Hrsg.) (2014). Werkzeuge des Schreibens: Beiträge zu einer Didaktik der Textprozeduren. Stuttgart: Fillibach bei Klett.

Becker-Mrotzek, Michael/Böttcher, Ingrid (2012). Schreibkompetenz entwickeln und beurteilen. 4. überarb. Aufl. Berlin: Cornelsen.

Becker-Mrotzek, Michael/Schneider, M./Tetling, K. (2010). Argumentierendes Schreiben – lehren und lernen: Vorschläge für einen systematischen Kompetenzaufbau in den Stufen 5 bis 8. Abrufbar unter: http://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/upload/netzwerk_NfUE/deutsch/argumentieren_einfuehrung_kurz.pdf (Stand: 18/09/2018).

Efing, Christian (Hrsg.) (2013). Ausbildungsvorbereitung im Deutschunterricht der Sekundarstufe I: Die sprachlich-kommunikativen Facetten von „Ausbildungsfähigkeit“. Frankfurt a.M.: Lang.

Efing, Christian (2013a). Ausbildungsvorbereitender Deutschunterricht an allgemeinbildenden Schulen? – Legitimation und Definition. In: Efing (Hrsg.), 11–38.

Efing, Christian (2013b). (Wie) Bereitet der bisherige Deutschunterricht auf die Ausbildung vor? In: Efing (Hrsg.), 239–256.

Efing, Christian (Hrsg.) (2015). Sprache und Kommunikation in der beruflichen Bildung: Modellierung – Anforderungen – Förderung. Frankfurt a.M.: Lang.

Efing, Christian (2015a). Berufsweltbezogene kommunikative Kompetenz in Erst- und Fremdsprache – Vorschlag einer Modellierung. In: Efing, Christian (Hrsg.), 17–46.

Feilke, Helmut (2005). Beschreiben, erklären und argumentieren. Überlegungen zu einem pragmatischen Kontinuum. In: Klotz, Peter/Lubkoll, Christine (Hrsg.). Beschreibend wahrnehmen – wahrnehmend beschreiben. Sprachliche und ästhetische Aspekte kognitiver Prozesse. Berlin: Rombach, 45–60.

Feurig, Irys et al. (2016). Deutsch/Kommunikation: Hotel und Gastronomie. 2. Aufl. Köln: Bildungsverl. EINS.

Frericks, Hanns et al. (2011). Der Deutschlotse: Deutsch für Berufsfachschulen und Berufsschulen in Baden-Württemberg. Braunschweig: Winkler.

Gordon, Thomas (2012). Familienkonferenz: die Lösung von Konflikten zwischen Eltern und Kind. Aus dem Amerikanischen von Maren Organ. München: Heyne.

Grünhage-Monetti, Matilde (2013). Warum Deutsch nicht dort fördern, wo es gebraucht wird? Am Arbeitsplatz. In: Efing, Christian (Hrsg.), 191–215.

Hufnagl, Gerhard et al. (2013). Sprachpraxis: Ein Deutschbuch für berufliche Schulen. 10. Aufl. 1. korr. Nachdruck. Köln: Bildungsverl. EINS.

Hümmer, Robert (2014). Brücken zur Praxis – Argumentieren lernen am pragmatisch fundierten Argument. In: Rödel, Michael (Hrsg.), 84–108.

Kirks, Monika et al. (2012). Deutsch/Kommunikation: Altenpflege. 3. Aufl. Troisdorf: Bildungsverl. EINS.

Kopperschmidt, Josef (2000). Argumentationstheorie: Zur Einführung. Hamburg: Junius.

Krohne, Helmut et al. (2011). Unsere Sprache im Beruf. 6. Aufl. Troisdorf: Bildungsverl. EINS, Stam.

Langenmayr, Margret/ter Haar, Christine (2013). Kompetenzen: Deutsch für sozialpädagogische Berufe. 3. Aufl. 2. korr. Nachdruck. Köln: Bildungsverl. EINS.

Leisen, Josef (2013). Sprachsensibler Fachunterricht und Sprachförderung im Fachunterricht – ein Weg der Ausbildungsvorbereitung. In: Efing, Christian (Hrsg.), 343–368.

Maier, Manfred et al. (Hrsg.) (2013). deutsch.kompetent: Arbeitsbuch zur individuellen Förderung. Leipzig/Stuttgart: Klett.

Maier, Manfred et al. (Hrsg.) (2016). Komm.de: Deutsch und Kommunikation für berufliche Schulen. Leipzig/Stuttgart: Klett.

Neuhaus, Horst (2016). Sprache, Praxis und Patient: Deutsch/Kommunikation in den Ausbildungsberufen des Gesundheitsbereichs. 6. Aufl. Köln: Bildungsverl. EINS.

Öhlschläger, Günther (1979). Linguistische Überlegungen zu einer Theorie der Argumentation. Tübingen: Niemeyer.

Seedorf, Karla (2015). Deutsch/Kommunikation: Sozialpädagogische Erstausbildung. Ein Arbeitsbuch für Kinderpflege und Sozialassistenz. Köln: Bildungsverl. EINS.

Steinseifer, Martin (2014). Vom Referieren zum Argumentieren – Didaktische Modellierung von Textprozeduren der Redewiedergabe und Reformulierung. In Bachman & Feilke (Hrsg.), 199–221.

Tully, Iris et al. (2012). Deutsch/Kommunikation: Körperpflege. Köln: Bildungsverl. EINS.

Watzlawick, Paul/Bavelas, Janet Beavin/Jackson, Don D. (2011). Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien. 12. Aufl. Bern: Huber.

Wengel, Peter (2013). Sprachlich-kommunikative Anforderungen in der Berufsschule. In: Efing (Hrsg.) 2013, 147–170.

Wohlrapp, Harald (2008). Der Begriff des Arguments. Würzburg: Königshausen & Neumann.

B Exemplarische Domänen:
Ausgewählte Berufsfelder/Fachgruppen
Ärztliche GesprächsführungGesprächsführungärztliche in der MedizinerausbildungMedizinerausbildung – Probleme, Chancen und Methoden

Sascha Bechmann & André Karger

1. Einleitung: Evidenz und Rahmenbedingungen

Hemmschwellen, Rollenasymmetrien, unterschiedliche Informationsinteressen, divergierende Krankheits- und Gesundheitsmodelle, interkulturelle Verständigungsschwierigkeiten u.v.m. wirken auf das Arzt-Patienten-GesprächArzt-Patienten-Kommunikation in besonderer Weise ein, sodass diese Form des Gesprächs gerade im Hinblick auf die universitäre Ausbildung eine besondere Würdigung aus medizinischer wie auch aus linguistischer Perspektive verdient.

Seit den 1970er-Jahren werden die gesprächsinteraktiven Besonderheiten und andere kommunikative Aspekte der Patienten-Arzt-KommunikationArzt-Patienten-Kommunikation intensiv und interdisziplinär beleuchtet. Die Datenheterogenität aus gegenwärtig über 5.000 Studien zur Arzt-Patienten-KommunikationArzt-Patienten-Kommunikation erschwert die Umsetzung von Forschungsbefunden und deren curriculare Verankerung in der medizinischen Aus- und Fortbildung. Dennoch hat sich an den Hochschulen ein Bewusstsein für kommunikative Kompetenzen herausgebildet. Curriculare Festschreibungen sowie strukturierte longitudinale Ausbildungskonzepte liegen vor und werden in der Verantwortung der Fakultäten durch z.T. eigens eingerichtete Bereiche umgesetzt (Roch et al. 2010, Schultz et al. 2007, Jünger & Köllner 2003, Mortsiefer et al. 2012). Dabei orientieren sich die Fakultäten i.d.R. an dem Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM), mit dem seit 2015 eine an einem breiten Referenzrahmen ausgerichtete Kompetenzbeschreibung (i.S. eines Kerncurriculums) auch für den Bereich Kommunikation gegeben ist. Die Überführung von Kompetenzfestschreibungen in konkretes Gesprächs- und Kommunikationshandeln findet jedoch (noch) nicht einheitlich statt. Vielmehr bemühen sich die Fakultäten, den Bereich Kommunikation in das enge Korsett des Lehrplans einzubinden, was nicht immer einfach ist und die Vergleichbarkeit zwischen den Universitäten erschwert.

2. Das ärztliche Gespräch

Das Arzt-Patienten-GesprächArzt-Patienten-Kommunikation ist einer der wichtigsten Wirkungsfaktoren in der Medizin, denn ärztliches Kommunizieren ist immer zugleich auch ärztliches Handeln (Bechmann 2014). Es handelt sich um eine Form der Kommunikation, die in einem Spannungsfeld zwischen der Lebenswelt der Patienten und der professionell-wissenschaftlich und bis heute weitgehend an somatischen Fakten orientierten Welt der Medizin stattfindet.

Trotz einer immer differenzierteren Medizintechnik stellt das Gespräch zwischen Patient und Arzt zusammen mit den körperlichen Untersuchungen das wichtigste diagnostische Instrument dar, mit dessen Hilfe bis zu 90 % aller Diagnosen richtig gestellt werden können (Martina 1997). Die Kosten, die volkswirtschaftlich durch mangelhafte Diagnosen und damit durch falsche Therapieoptionen entstehen, sind neben dem oftmals hohen Leidensdruck für die Patienten ein wichtiger Grund, die ärztliche Gesprächsführung auf den Prüfstand zu stellen.

Die Wirkung von Kommunikation im medizinischen Bereich ist gut vergleichbar mit einer Waagschale: Gute Kommunikation kann Krankheiten lindern, schlechte Kommunikation kann Krankheitsverläufe und das subjektive Krankheitsgefühl der Patienten negativ beeinflussen. Ein erfolgreiches Gespräch kann sich in vielen Fällen positiv auf die Gesundheit der Patienten auswirken (Mead & Bower 2002, Stewart 2003, Kelley et al. 2014).

Eine umfassende und vor allem verständliche Informationsvermittlung durch den behandelnden Arzt wird auch von den meisten Patienten als sehr wichtig eingestuft – wobei gerade einmal ein Drittel der Ärzte diesem Anspruch in der Patientenwahrnehmung gerecht wird (Dierks 2001). Gerade in der hausärztlichen Praxis möchte nur etwa jeder vierte Patient mit einem Rezept in der Hand die Praxis verlassen (Little et al. 2001). Verständigungsschwierigkeiten haben im medizinischen Bereich bisweilen Folgen, die sich auf die Gesundheit der Patienten auswirken können. Es ergibt sich eine Kausalitätenkette, die ärztliches Gesprächshandeln in einen konkreten Behandlungszusammenhang stellt – mit allen damit verbundenen Konsequenzen, wenn das Gespräch scheitert:

 

1 Ärztliches Kommunikationshandeln ist immer auch medizinisches Handeln.

2 Medizinisches Handeln ist Behandeln.

3 Ärztliche Handlungsfehler sind Behandlungsfehler.

4 Ärztliche Sprachhandlungs- bzw. Kommunikationshandlungsfehler sind so verstanden ebenfalls Behandlungsfehler.

Dass insbesondere 3. und 4. von besonderer Bedeutung sind und zudem als Rechtfertigung für jegliche Bemühungen um eine professionalisierte akademische Lehre im Bereich Kommunikation dienen dürfen (wenn nicht sogar müssen), zeigen u.a. die Forschungsergebnisse aus der Psychoonkologie von Herschbach & Heußner (2008): Ineffektive Arzt-Patienten-KommunikationArzt-Patienten-Kommunikation führt zu unrealistischen Behandlungserwartungen, psychischer Komorbidität, psychosozialer Belastung, Behandlungsunzufriedenheit, geringerer Lebensqualität und zu einer ungünstigeren Krankheitsbewältigung. Zudem können Mängel in der Kommunikation zu einer emotionalen Belastung mit langfristig negativen Folgen (Burnout) auf Seiten der Ärzte führen (Graham et al. 2002).

3. Evidenzbasiertes Kompetenzmodell und Interdisziplinarität

Entgegen der Ansicht, dass Empathie und wertschätzende Gesprächsführung nicht lernbar – und damit auch nicht transparent lehr- und prüfbar – sind, zeigen zahlreiche neuere Studien, dass kommunikative und psychosoziale Kompetenzen sowohl lern- als auch lehrbar sind (Kurtz et al. 1998, Neumann et al. 2009, Langewitz 2012, Karger 2013, Frischenschlager et al. 2013). Dies gelingt nicht voraussetzungsfrei: Wenn man Kompetenz im Sinne ganzheitlichen Lernens als die Integration von Haltungen, Wissen und Fähigkeiten begreift, muss man sich die Frage stellen, was davon trainierbar ist. Kommunikative Fähigkeiten i.S.v. funktionaler Sprachgebrauchskompetenz (vgl. Efing 2012:7) lassen sich leicht in den Kontext medizinischen Handelns einbinden und damit professionalisieren. Für Haltungen gilt das nicht, weshalb subjektive Kriterien weder in der Ausbildung noch in der Prüfung eine Rolle spielen dürfen. Eine Fokussierung auf grundlegende Techniken, möglichst in Form von Algorithmen, ermöglicht es, Lehrkonzepte zu entwickeln und Prüfungsmodelle transparent zu machen.

Es erfordert ein geschultes Bewusstsein auf Seiten der Ärzte, um alle Facetten des Patientengesprächs richtig deuten zu können und um das Gespräch effektiv zu steuern. Den kommunikativen Kompetenzen, zu denen neben rein sprachlichen Fähigkeiten vor allem die kommunikativen Fähigkeiten zählen, fällt dabei eine besondere Rolle zu. Es verfügt derjenige über kommunikative Fähigkeiten, der „fähig ist, seine sprachlichen Fähigkeiten [Sprachsystemkompetenz] in einem konkreten Handlungskontext situativ, sozial und funktional angemessen zu aktivieren“ (Efing 2012:7). So verstandene kommunikative Kompetenzen, die über die Fähigkeit, Sprache grammatisch-syntaktisch angemessen zu verwenden, hinausgehen (was im Übrigen bei ausländischen Ärzten bereits ein Problem darstellt), fallen Ärztinnen und Ärzten nicht qua Approbation zu. In kommunikativen Fähigkeiten kumulieren „Aspekte wie Sprachbewusstheit, Fähigkeit zur Sprachreflexion, Perspektivübernahme und Strategiewissen“ (Efing 2012:7). Solche Fähigkeiten müssen a) evidenzbasiert entwickelt, b) mit praktischem Bezug vermittelt und c) nachhaltig evaluiert werden. Der Linguistik und insbesondere der Sprachdidaktik fällt bei diesen Aufgaben eine besondere Rolle zu: Die Spezifikation sprachlichen Wissens und Könnens in einem curricular verankerten Kompetenzmodell setzt eine Theorie darüber voraus, was jemand weiß und kann, der in einer asymmetrischen, institutionalisierten und professionalisierten, d.h. im Kern gesteuerten und zweckorientierten Kommunikationssituation erfolgreich sprachlich tätig ist. Diese Theorie und die geeigneten Methoden zu erarbeiten, ist nicht (allein) Aufgabe der medizinischen Fächer, sondern genuine Aufgabe der Linguistik sowie der Sprachdidaktik im Schulterschluss mit den medizinischen Fakultäten. Die Entwicklung eines evidenzbasierten Kompetenzmodells muss, ebenso wie dessen Umsetzung in der universitären Lehre, interdisziplinär verankert werden: „Sprachwissenschaftler können durch ihre Analysen kommunikative Aufgabenstellungen und typische Lösungen und deren jeweilige Folgen rekonstruieren und so Ärzten Hilfestellungen für ihre Gesprächsführung geben“ (Spranz-Fogasy 2007:8). Dazu ist es erforderlich, die spezifischen Analysemethoden der Linguistik (Gesprächs- und Diskursanalyse, kognitionslinguistische Ansätze, Fachsprachenforschung etc.) mit Blick auf die Anforderungen der Medizin zu überprüfen und dabei auf der Basis einer gründlichen Bedarfsanalyse sowohl das methodische Vorgehen (quantitative Studien statt qualitative Studien) als auch die Datenaufbereitung (z.B. in Form von Checklisten oder durch Publikation in medizinischen Periodika) anzupassen. Die medizinischen Fächer sind zugleich angehalten, in Fragen kommunikativer Kompetenzen bei den (so verstandenen) Hilfswissenschaften Rat einzuholen, wenn sie ein Kompetenzmodell entwickeln wollen, das sprachwissenschaftlich abgesichert sein will. Die meisten Kommunikationsmodelle (beispielsweise die Calgary-Cambridge-Guides) sind schließlich aus qualitativen Untersuchungen empirisch gewonnen worden, etwa aus linguistischen gesprächsanalytischen Studien zu bestimmten Gesprächsphasen, bei denen reale Patienten-Arzt-GesprächeArzt-Patienten-Kommunikation zunächst aufgezeichnet, später transkribiert und mit den Methoden der GesprächsanalyseGesprächsanalyse ausgewertet werden. Die Ergebnisse solcher qualitativer Einzelstudien sollten auch künftig in Kommunikationsmodelle einfließen.

Dass mit dem seit 2015 vorliegenden Nationalen Kompetenzbasierten Lernzielkatalog (NKLM) ein konsentierter Qualifikationsrahmen für das Medizinstudium in Deutschland vorliegt, der evidenzbasiert kommunikative Kompetenzen einfordert, ist deswegen erfreulich, weil Kompetenzen hier von theoretischem Wissen ohne Praxis- und Realitätsbezüge abgegrenzt werden:

Kommunikative Kompetenzen sind erst vorhanden, wenn diese neben dem Wissen über Kommunikationsstrategien im Arbeitsalltag mit PatientInnen auch erfolgreich eingesetzt werden (Sator & Jünger 2015:335).

Ein im Kern integrativer Ansatz fördert und fordert Interdisziplinarität: Das Wissen über Kommunikationsstrategien der sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Fächer wird pragmatisch verwoben mit fachpraktischen Fähigkeiten medizinischen Handelns. Die auf den Linguisten Austin zurückzuführende (programmatische) Frage How to do things with words? lässt sich in der Kompetenzzuweisung des NKLM umformulieren zu How to do medicine with words?. Die Beantwortung dieser Frage gelingt nur, wenn man a) weiß, was sprachliches und nichtsprachliches Handeln dem Wesen nach ist (linguistische Dimension des Wissens) und b) dieses Wissen z.B. aus der linguistischen GesprächsanalyseGesprächsanalyse in medizinisches Gesprächshandeln überführen kann (medizinische Dimension der fachpraktischen (kommunikativen) Fähigkeiten). Sowohl methodisch als auch didaktisch ist damit ein Schulterschluss unumgänglich, was in beiden Disziplinen zu einer veränderten Lehr- und Forschungspraxis führen muss: Die Linguistik muss zunächst mit ihren spezifischen Analysemethoden Wissen generieren und bereitstellen, welches von Seiten der Sprachdidaktik für die Fachdidaktik der Medizin in praxisnahes Handeln auf der Grundlage von Erprobungen (dann später evidenzbasiert) überführt werden kann. Die Auswertung von Maßnahmen der kommunikativen Schulung, die im Wesentlichen den medizinischen Fächern selbst obliegen sollte, ist in diesem zirkulären Prozess eine wichtige Aufgabe der Linguistik, der Berufspädagogik, der Bildungsforschung im Schulterschluss mit der Sprachdidaktik. Zudem haben diese Disziplinen entscheidend dazu beizutragen, Desiderate mit Blick auf die Kompetenzfestlegungen des NKLM aufzulösen. Dazu gehören u.a.:

1 Spezifikation der normativen Empfehlungen aus sprachhandlungstheoretischer Sicht,

2 Überführung von Forschungswissen in interaktive Handlungsempfehlungen,

3 Modellierung von phasenspezifischen Kommunikationsstrategien und Gesprächsroutinen (z.B. Empfehlungen für die Prämedikationsphase zur Förderung der Compliance),

4 Interaktionsanalytische Überprüfung und Verbesserung bestehender Gesprächsmodelle (z.B. WWSZ oder NURSE) auf der Grundlage von Evidenzstudien,

5 Erforschung des verstehensrelevanten Wissens durch Frame-Analysen,

6 Quantitative Studien, im Idealfall auf den systematischen Befunden von Metastudien für eine wesentlich differenziertere und komplexere Erforschung verbaler Kommunikation durch z.B. ante/post-Experimente und Anschluss der qualitativ orientierten Diskursforschung an die v.a. quantitativ ausgerichteten Paradigmata des Medizindiskurses und der Medizinsoziologie zur Arzt-Patient-Kommunikation,

7 Entwicklung linguistischer Kategorien,

8 Ermöglichung einer Manualisierung durch Bündelung der qualitativen Befunde in einer Übersichtsarbeit und daraus Entwicklung praxisnaher Algorithmen für das Arzt-Patienten-GesprächArzt-Patienten-Kommunikation,

9 Gesprächsanalytische Aufbereitung/Auswertung von authentischen Transkripten oder Videoaufzeichnungen auf der Basis von Bedarfen (einschließlich Bedarfsanalyse für Textkorpora),

10 Mitwirkung an der Curriculumentwicklung für Train-the-trainer-Schulungen in Konzeption und Durchführung,

11 Entwicklung eines differenzierten, theoretisch und empirisch gesprächsanalytisch fundierten Analyse- und Bewertungsinstruments für die Arzt-Patienten-Interaktion zur quantitativen Analyse (Sator & Jünger 2015).

4. Stellenwert kommunikativer Kompetenzen im Medizinstudium

Zahlreiche empirische Studien zeigen, dass grundlegende kommunikative und soziale Kompetenzen im Laufe des Medizinstudiums für die Studierenden an Bedeutung verlieren (Neumann et al. 2011). Dies ist unter anderem zurückzuführen auf die somatische Fragmentierung der Patienten aufgrund der im Studienverlauf zunehmenden Bezogenheit auf biomedizinische Daten und Fakten in der Lehre sowie in der praktischen Ausbildung. Zum anderen verändern sich kognitive Wissensbestände der Studierenden: Mit zunehmendem Fachwortschatz und medizinischem Wissen verschlechtert sich die Übersetzungsfähigkeit medizinischer Fakten in laienverständliche Sprache. Man muss davon ausgehen, dass sich das sogenannte verstehensrelevante Wissen, also jenes Wissen, das man benötigt, um einen Begriff selbst zu verstehen (und anderen zu erklären), aufgrund der zunehmenden Fachsprachlichkeit und der damit verbundenen Erweiterung des eigenen Wortschatzes verändert. Studierende in höheren Semestern können deutlich schwerer als Studierende zu Beginn des Studiums abschätzen, ob ein Wort fachsprachlich oder (noch) laienverständlich ist. Daher müssen angehende Ärztinnen und Ärzte vom ersten Semester an und studienbegleitend bis zum Staatsexamen in den grundlegenden Gesprächskompetenzen ausgebildet und in ihrer patientenzentrierten Haltung gestärkt werden (Bachmann et al. 2009, Kiessling & Langewitz 2013).

Das Ideal einer holistischen Kommunikationsausbildung besteht in der Verknüpfung kommunikativen Wissens (z.B. über die allgemeinen Konversationsmaximen nach Herbert Paul Grice) und kommunikativer Fähigkeiten (z.B. Fragetechniken) mit medizinischen Besonderheiten und Gesprächsanforderungen (z.B. unterschiedliche Gesprächsphasen wie Anamnese und Befundmitteilung) auf der Basis kommunikationspsychologischer Modelle. Es zeigt sich, dass sowohl in der Entwicklung eines Kompetenzmodells als auch in der Umsetzung in der akademischen Lehre ein enger und intensiver Austausch der unterschiedlichen, für die Ganzheitlichkeit entscheidenden, Disziplinen notwendig ist. Bislang besteht hier noch die Notwendigkeit der Öffnung der medizinischen Fächer für den interdisziplinären Dialog.

An den Bedürfnissen der Studierenden ausgerichtete Lehr- und Lernmethoden können und müssen das Bewusstsein der Studierenden für kommunikative Aspekte des Arztberufs schärfen und damit zugleich die Akzeptanz von Lehrveranstaltungen erhöhen. Das kongruente Erleben der (quasi-)realen Situation ist die Voraussetzung, das eigene Handeln ernsthaft auf den Prüfstand stellen zu können und zu wollen. Daher haben sich in der Lehre an vielen Hochschulstandorten der moderierte Einsatz von spezifisch trainierten Schauspielern oder Laien als Patienten (Simulationspatienten) und von Video-Feedback-Methoden etabliert. Es hat sich dabei gezeigt, dass solche Formen der Intervention deutlich bewusster reflektiert werden, weil zum einen Praxisbezüge durch die Art der Fallsimulation hergestellt und zum anderen Möglichkeiten der nachträglichen Auswertung (Sicherung durch Aufzeichnungen) gegeben sind. Solche Formen des bewussten Erlebens von Kommunikation in ihren vielfältigen Facetten tragen nachhaltig zu einer Kompetenzverbesserung bei. Hierbei kommt es zu einem positiven Zusammenspiel sprachlicher und visueller Kommunikation mit realitätsnahen interaktionalen Abfolge- und Beteiligungsstrukturen, was in der Folge zu einer Abkehr von der arztzentrierten Forschungseinstellung hin zu einer patientenorientierten Betrachtung führen kann. Kommunikative Kompetenzen werden – steuerbar mit Blick auf die unterschiedlichen Kompetenzlevel im Studienverlauf, also longitudinal – verwoben mit klinischen Kompetenzen, wobei sich auf diese Weise eine Kompetenzerweiterung um immer neue Aspekte ergeben sollte (Lernspirale).

 

Von entscheidender Bedeutung für diesen Prozess der professionalisierten Kompetenzerweiterung sind unserer Ansicht nach die folgenden Aspekte (in gleichwertiger Betrachtung):

1 Integrierung/Praxisbezug,

2 Longitudinalität,

3 Kontinuität,

4 Interdisziplinarität und

5 Transparenz (mit Blick auf Prüfungen).

Hinzu kommt die didaktische und fachliche Qualifizierung der Lehrenden, die ebenfalls an den gerade genannten fünf Kriterien ausgerichtet sein muss und für die es gegenwärtig keine überörtlichen Curricula gibt. Die Schulung konkreter kommunikativer Fertigkeiten und Techniken sowie interaktionaler Strategien muss ebenso wie die Vermittlung didaktischer Kompetenzen für Lehrende verpflichtend sein. Hier darf Erfahrungswissen allein nicht der Maßstab sein, nach dem Tutoren und Dozenten eingesetzt werden.

Dies ist insbesondere deswegen wichtig, weil die Curricula für das Medizinstudium Prüfungen vorsehen, wobei kommunikative Kompetenzen entweder formativ (zur Ermöglichung eines Feedbacks) oder summativ (zur Überprüfung von Standards mit Bestehensrelevanz) überprüft werden sollten. Möglich wird dies durch komplexe Prüfungsformate wie die OSCE-Prüfung (Objective Structured Clinical Examination), bei denen die Studierenden auf der Basis ihres jeweiligen Fachwissens, ihres Handlungs- und Begründungswissens und ihrer, dem Studienverlauf angepassten, Handlungskompetenz ein Gespräch mit einem standardisierten Simulationspatienten führen sollen. Die Bewertung erfolgt mit dem Fokus auf nonverbale und verbale Kommunikation nach festgelegten (und zuvor bekannt gemachten und trainierten) Bewertungskriterien (Nikendei & Jünger 2006).

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