Sprache, Mathematik und Naturwissenschaften

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From the series: ide-extra #16
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Anmerkung





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 Dass die Beziehung in Wahrheit doch grundsätzlich symmetrisch ist, dass also auch der Ball eine Kraft auf den Boden ausübt, ist nicht einfach einzusehen. Newton hat es erkannt und in seinem Satz niedergeschrieben, der heute oft als das dritte Newtonsche Axiom bezeichnet wird. Newtons Arbeit markiert einen Meilenstein in der Entwicklung der modernen Physik.







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Michael A. Anton

»Wie heißt das auf Chemisch?«

Sprachebenen der Kommunikation im und nach dem Chemieunterricht



1. »Das Chemische«





»Chemisch« ist international verständlich … unter Fachleuten! Das hat unüberbietbare Vorteile. So müssen chemische Summenformeln nicht übersetzt werden, wenn sie das Labor verlassen und von ChemikerInnen von irgendwo auf der Welt gelesen werden sollen.



Gleiches gilt für Strukturformeln und in weiten Bereichen für die Nomenklatur der chemischen Reinstoffe. Die Namen von Elementarteilchen wie Elektron und Proton oder Neutron brauchen auch keine Dolmetscher, ebenso wie Beschreibungen für Eigenschaften (amphoter, azeotrop … oder Racemat …) und Prozesse (Protolyse, Sublimation …).



Und genauso wie man sich in der Alltagssprache wie selbstverständlich ausdrücken kann, sich dies auch in einer gelernten Fremdsprache wie Englisch oder Italienisch in einer entsprechenden Umgebung traut, gelingt es im Zuge einer naturwissenschaftlichen Diskussion beispielsweise auch, eine Stoffartumwandlung »auf Chemisch« zu formulieren. Aber ist »Chemisch« auch für den Nichtfachmann und die Nichtfachfrau verständlich? Weiß die Hausfrau und der Schüler, der Autoverkäufer und die Juristin, was sich hinter Ethanol oder hinter C

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H

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OH verbirgt?



Man sieht, es können Missverständnisse auftreten, die nicht sofort erkannt werden. Welche Bedingungen müssen denn erfüllt sein, um Sprache sinnvoll, verständlich und eindeutig einzusetzen?







2. Kommunikation in der Fachsprache und in der Alltagssprache





Sprache dient dem Denken. Sie befördert es und erprobt es in der Kommunikation. Sie hat meist dialogischen

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 Charakter (Kasper/Mikelskis 2008), sie besitzt eine linguistische Dimension des »Was und Wie« und eine soziale Dimension des »Wer und Wem«. Eine dritte Dimension betrifft die Ursachen des Denk- bzw. Kommunikationsvorgangs, das »Warum«. Wenn wir die Wissenschaftssprache betrachten, dann bilden die Fachausdrücke die erste Dimension und die »Scientific Community« die zweite. Die dritte Dimension ist bereits mehrschichtig. Einmal geht es um die Verbreitung von Erkenntnissen zur Sicherstellung von Fortschritt und zur Nutzung von Innovationen, zum anderen geht es aber vielfach auch um Isolierung, um eine Abschottung gegenüber den Outsidern, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Die Fachsprache kann diesbezüglich auch als »Abstandhalter« zwischen ExpertInnen und LaiInnen eingesetzt werden, etwa um die Asymmetrie zwischen den beiden zu erhalten und Autorität bzw. Respekt vor dem Wissen der Fachleute per se zu erzeugen: »Unsere Gesellschaft hat längst entschieden, daß ein wachsender Bereich des technischen Wissens nicht für jedermann zugänglich sein soll« (Robert B. Laughlin, Nobelpreis Physik 1998).



Abb. 1:

 Fachsprache und Alltagssprache (nach Oksaar 1994)








Kein Zweifel, dass gerade eine solche Einschränkung der Kommunikation einer demokratischen Grundordnung nicht entsprechen kann und deshalb gefährlich ist. »Die Wissenschaft ist kein Selbstzweck, keine intellektuelle Esoterik, kein Privileg des Wissenschaftlers, um seine Neugierde befriedigen zu können. Sie dient ebenso wie der Wissenschaftler selbst dem Menschen und seiner Orientierung.« (Schiedermair 1989) Die Wissenschaftsgüter müssen Verbreitung finden und vielseitiger Kritik ausgesetzt werden können. Das Verstehen der Fachsprachen, also von »Chemisch« oder »Physikalisch« etc. erlaubt eine demokratische Selektion dessen, was Wissenschaften ermitteln, bezüglich dessen, was die Gesellschaft benötigt und was sie weiterbringt.







3. Expertise als Verpflichtung





Je mehr die Allgemeinheit vom Expertisewissen abhängig ist und sie sich dessen bewusst wird, wie etwa bei der Nutzung von Elektronik, deren Funktionskontrolle nicht mehr durchschaubar ist und wenigen ExpertInnen überantwortet werden muss, desto größer wird der Argwohn und die Notwendigkeit von verstehbarer Informationen. Dieser Druck nimmt auch von der anderen Seite zu, denn die Arbeit von ExpertInnen bedarf heute mehr denn je der finanziellen Mittel der Allgemeinheit. Um diese verfügbar zu machen, müssen die Laien von der Sinnhaftigkeit zu entwickelnder Produkte überzeugt werden können und das gelingt wiederum nur über die Öffnung der Informationsquellen. Das bezieht sich nicht nur auf industrielle Güter, sondern ebenso auf medizinische und Ernährungsfragen. Und weil die AdressatInnen die Fachsprache nicht nur vernehmen, sondern deren Aussagen auch verstehen und bewerten können sollen, da darauf ihre Entscheidungen beruhen, ist Verständlichkeit ein Hauptkriterium für den gelingenden Kontakt zwischen Alltags- und Fachsprache.



Abb. 2:

 Vom Kausalkreis »Selbstverständlichkeit/Aversion« zum Kausalkreis Herausforderung Qualifikation« (Anton 2008, S. 52)












4. Schule und Bildungsstandards





Diese Verständlichkeit zu erzeugen und immer wieder von Neuem sicher zu stellen, ist Aufgabe der Schule, also der LehrerInnen. Sie müssen diese genuine Aufgabe ihrer Professionalität während ihrer universitären Ausbildung lernen, was wiederum einen der elementaren Aufträge der Fachdidaktiken darstellt. Neben dieser institutionalisierten Vorgehensweise einer modernen Aufklärung, gelingt es auch manchen Medien, Licht ins Wissensdunkel der Gesellschaft zu bringen, zwar unsortiert und mit vielfältigen Absichten, aber dennoch mit mancherlei erfreulichen Aha-Effekten. Diese Zufälligkeit ist jedoch auch verantwortlich für Skepsis und Ängste gegenüber Naturwissenschaften und Technik. In der

Abbildung 2

 wird dies durch die jeweils oberen Stichworte beschrieben. Die Schule hat hier die Aufgabe, die jeweils unteren Haltungen wahrscheinlicher zu machen.

 



Wie geht die Schule mit dieser Aufgabe der Vermittlung von Informationen, der Sachklärung, der Richtigstellung, der Aufdeckung von Zusammenhängen um? Wie schafft sie die Grundlagen eines Wissensgebietes, die sich zur Erweiterung, Vernetzung und flexiblen Nutzung bei Entscheidungsfindung besonders gut eignen?



Sie wählt aus, hierarchisiert, verknüpft und erprobt das aus Theorie und Praxis entstandene Domänenwissen. Hier lassen sich bereits deutliche Bezüge herstellen zu den beiden ersten Kompetenzbereichen der Bildungsstandards (BRD): Fachwissen und Erkenntnisgewinnung. Damit diese Kompetenzen fruchtbar angewendet werden können, bedarf es ihrer kriterienbezogenen Bewertung und Kommunikation, wodurch wiederum die beiden anderen Kompetenzbereiche eingefordert werden. Finden alle vier Kompetenzbereiche Berücksichtigung in der Unterrichtsführung, so kann von »kompetenzorientiertem Unterricht« (Ziener 2008, Tausch/Wambach-Laicher 2009) gesprochen werden, in dem Inhalts- und Handlungsdimensionen gleichermaßen verwirklicht werden und einen ganzheitlichen Erziehungs- und Bildungsprozess repräsentieren.












5. Kommunikation im Fach Chemie – Lernen am Modell!





Im hier thematisierten Zusammenhang soll die Sicherstellung der

Kommunikation

 hervorgehoben werden, wonach die Lehrenden die Alltagssprache und die Fachsprache beherrschen und darüber hinaus die kindgemäßen Bilder und Wörter beachten müssen, in denen die Präkonzepte oder besser die Primärkonzepte mitgebracht werden. In den Naturwissenschaften ist dies besonders bedeutungsvoll, da hier die Erfahrungen mit der Geburt einsetzen und sich bis zum Beginn eines Unterrichtsfaches nachhaltig konsolidieren. Darüber hinaus ist es wichtig, dass Lehrkräfte komplexe Zusammenhänge vereinfachen und gleichzeitig von den wahren Schwierigkeiten nicht zu weit abweichen.



Das professionelle Arbeiten an den Inhalten einerseits und an den Primärkonzepten andererseits spiegelt sich im Prozess der Didaktischen Vereinfachung (Hering 1958), der Didaktischen Reduktion (Weber 1976, Grüner 1967), der Didaktischen Rekonstruktion (Kattmann 1997) bzw. der Didaktischen Transformation (Reiners 2000) wider. Ihre Ergebnisse manifestieren sich in der Unterrichtssprache, deren Gelingen bei der Abfolge von Lehr- und Lernakten wesentlichen Einfluss nimmt auf den Lehr- und Lernerfolg!



LehrerInnen müssen also die folgenden Fragen beantworten können, wenn sie sich im Rahmen von Planung und Analyse ihres Unterrichts (Anton 2008) mit der didaktischen und mathetischen

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 Aufbereitung von Fachinhalten für die SchülerInnen auf den unterschiedlichen Jahrgangsstufen auseinandersetzen und auf das Ziel einer erleichterten Kommunikation zusteuern wollen:



 Welche Primärkonzepte und welches adaptierfähiges Vorwissen bringen die SchülerInnen in den Unterricht mit?



Abb. 3:

 Kommunikationspsychologisches Modell einer Äußerung (Schulz von Thun 1981, S. 22, ergänzt)








 Über welche Sprachqualität und über welches Frageverhalten verfügen die SchülerInnen?



 Mit welchen Anthropomorphismen gehen die SchülerInnen um?



 Welche Fachtermini müssen in der Inhaltsvermittlung verwendet und wie können sie begründet werden?



 Welche ergänzenden Veranschaulichungen können im Unterricht eingesetzt werden?



 Mit welchen Mitteln gelingt es, am Ende der Unterrichtseinheit aus allen Lehrund Lernschritten das Wichtige zu extrahieren?



 Welche Übersichten können das Orientierungs- und Verfügungswissen flexibel gestalten und erhalten?



 Wie können die neuen Wissensinhalte in die Alltagsbewältigung integriert und wie kann mit ihnen persönlichkeitsbildend kommuniziert werden, wobei auch grundsätzliche und fachunabhängige Qualitäten der Kommunikation (Schulz von Thun 1981) Gültigkeit haben?







6. Primärkonzepte und Vorwissen





Hinsichtlich der Lerninhalte aus dem Fachbereich Chemie, wie sie im Rahmen der Vorschule, der Grundschule und der weiterführenden Schulen (Haupt-, Realschule und Gymnasium) vorkommen, dürfen wir heute davon ausgehen, dass zu den augenscheinlichen Stoffumwandlungen des Alltags (Verbrennung, Rosten, Bleichen, Verderben von Lebensmitteln, Verfärben u.a.) einfache Erklärversuche zur Verfügung stehen. Weniger sicher dürfen konsolidierte Faktenkenntnis und Begriffsverwendungen angenommen werden (Steffensky et al. 2005). Das bedeutet, dass »das Chemische« erst zu entwickeln ist und der Unterricht sehr gewissenhaft auf die Suche nach »Adaptern« für die jeweils neuen Informationen gehen muss. Welche Hilfen angeboten werden können und zu welcher Zeit sie größtmögliche Effekte zeitigen können, lehrt uns auch die kognitive Entwicklungspsychologie (Kirst 1999, Marohn 2008).







7. Sprachqualität, Sprechfreude und Frageverhalten





Auch die Sprachqualität, der Wortschatz, die Freude am eigenen Ausdruck, an einer »erzählerischen Mündlichkeit«

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, die Fähigkeiten zur sinnvollen Formulierung, auch mehrschichtiger Aussagen müssen gerade heute als sehr heterogen vorausgesetzt werden. Hinzu kommen die nicht sehr vielfältigen Anlässe zum Sprechen über chemische Sachverhalte insbesondere außerhalb des Unterrichts, etwa in der Familie und in der Peer-Gruppe. Daraus folgt, dass auch das Frageverhalten induziert werden muss, etwa über Staunen und persönliches Erleben, also über Primärerfahrungen etwa beim Experimentieren (Czieslik 1997) und beim Argumentieren. Aktuell leiten sich hieraus Forschungsfragen ab, deren Bearbeitung zu neuen und für die Unterrichtsentwicklung sehr wichtigen Erkenntnissen führt (Rieder 1968, Neber/Anton 2008a und 2008b, Niegemann 2001 und 2004, Hofstein et al. 2005). Durch die Öffnung des Unterrichts für SchülerInnenfragen und durch die damit automatisch einhergehende Aktivierung von Vorwissen treten Verunsicherungen auf. Sie müssen ihrerseits durch ein geeignetes Fragentraining neutralisiert und langfristig in eine selbstsichere Instrumentalisierung des Fragens zum Erkenntnisgewinn umgewandelt werden (Neber 1999). Und es ist sinnvoll, damit möglichst früh zu beginnen. »In dem Bedürfnis der Kinder, sich über ein Phänomen sprachlich ausdrücken zu können, liegt eines der großen Potenziale der Sprachförderung durch Naturwissenschaftsvermittlung und dies gilt nicht nur für Kindergarten und Grundschule, sondern auch für den Anfangsunterricht in weiterführenden Schulen.« (Lück 2008)



In Bezug auf die LehrerInnenausbildung kann festgestellt werden, dass sich die Qualität der Fragen von Studierenden des Lehramts (GS/HS/RS/GY) auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau befindet, was die LehrerInnenfrage nicht unmittelbar zum unterrichtlichen Vorbild für SchülerInnenfragen werden lässt.

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8. Anthropomorphismen





Die Frage, inwiefern es sinnvoll ist, die Anthropomorphismen der Kinder und nicht nur bei ihnen in die neue Sprache zu integrieren oder zu eliminieren, ist auch unter ExpertInnen nicht gelöst. Es erscheint jedoch weitgehend sinnvoll, die Verwendung solcher Begrifflichkeiten nicht zu verbieten oder gar zu sanktionieren. Finden sie doch auch auf Nobelpreisträger-Niveau noch Anwendung, wenn »die Natrium-Atome gerne das Valenz-Elektron abgeben wollen«! (Bemerkung aus einem Vortrag von Roald Hoffmann, Chemie-Nobelpreisträger 1981 im Deutschen Museum 1990).



Anthropomorphismus und Animismus erscheinen im naturwissenschaftlichen Unterricht häufig als Hemmnisse (Taber 1993 und 1997, Barker 1997). Sie »stören« als Misconceptions die sachliche Darstellung und trennen schultypische Situationen der Wissensformatierung von den alltagstypischen der Wissensanwendung, wodurch typische didaktische Konfliktzonen entstehen. Sie äußern sich häufig darin, dass zwischen Prüfungs- und Anwendungswissen unterschieden wird (

Abb. 4

). Sie generieren die klassische Problemlage der Nichtanwendung von schulischem Wissen, die besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern schlimme Defizite verursacht und zementiert (Kubli 1987, Lehrke 1987). So verbleiben im ungünstigsten Fall schulische Informationen im Prüfungswissen und finden dann nicht den gewünschten Eingang in das fachrelevante Fachgespräch oder gar in die nachschulische Konversation.



Abb. 4:

 Übersicht zur Divergenz von prüfungsrelevantem und alltagstauglichem Wissen. Die Ovale markieren die jeweils ungünstige Situation der Unverbundenheit (eigene Darstellung).








Konstruktivistische Lerntheorien (Voß 2005) lassen jedoch neue Umgehensweisen mit diesem Problem zu. So muss davon ausgegangen werden, dass es weder sinnvoll noch möglich ist, »falsche«, kindgemäße Vorstellungen durch die wissenschaftliche Wahrheit zu ersetzen. Vielmehr ist es erstrebenswert, die Lernbedingungen so zu gestalten, dass die Vorkenntnisse, sozusagen als »Zwischensprache« (Kaper 1998) modifizierend ergänzt werden können (Girg 1994). Insofern ist Subjektivität Grundlage und Voraussetzung für Objektivität. Wenn wir also in unserem Unterricht Objektivität erzeugen wollen, müssen wir auch viel Subjektivität zulassen. Und das gelingt beispielsweise, wenn in einer Erklärung einer Kinderfrage »Warum ist Eis kalt? eine »vorwissenschaftliche Erklärung« angeboten wird, die noch nicht »wissenschaftliche Wahrheit« bedeutet, die sich aber in der Schule mit Fakten auffüllen und ergänzen lässt. So wurde in einer Tageszeitung

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 die Antwort auf die oben gestellte Frage wie folgt formuliert:



Die Kugel Speiseeis kommt aus dem Kühlschrank oder aus dem Eisbehälter in der Eisdiele. Dort ruht es und die kleinsten unsichtbaren Teilchen des Wassers oder der Milch, aus denen Eis ja unter anderem (Zucker, Farbstoffe, Aromastoffe) besteht, bewegen sich nur sehr langsam, kein Wunder bei Minus 4 bis 6 Grad. Das ist auch die Temperatur der Luftteilchen aus der Umgebung des Eises im Eisfach. Wenn Du Dir nun Deine Kugel Maracuja-Eis in die Waffel legen lässt, »wachen die Teilchen auf«. Sie beginnen sich schneller zu bewegen, sodass die Eismasse bei 20 bis 25 Grad Außentemperatur an der Oberfläche zu schmelzen beginnt. Jetzt aber schnell zum Mund, vorbei an den Lippen und dann rasch auf die Zunge. Die hat aber jetzt eine Temperatur von 37 Grad. Das ist nämlich Deine Körpertemperatur – wenn Du kein Fieber hast! Jetzt berühren sich Eis und Zunge so, wie vorher Eis und Luft! Die viel schnelleren Teilchen des Speichels stoßen mit den langsamen »Eisteilchen« zusammen. Dadurch werden sie natürlich jetzt auch langsamer! Ganz im Gegenteil zu den angestoßenen Teilchen des Eises. Die legen an Tempo zu und werden sehr viel schneller. Du spürst dieses Langsamerwerden der »Speichelteilchen« als ganz tolle Abkühlung. Es findet also beim Zusammentreffen der beiden unterschiedlich temperierten Teilchensorten ein Temperaturausgleich statt. Die Zunge wird kalt und das Eis wird warm. Und das finden wir sehr angenehm, wenn es heiß ist! Wir haben allerdings nicht lange was davon. Denn im Mund findet wieder ein Temperaturausgleich statt zwischen der gekühlten Zunge und dem durch die Durchblutung wärmenden Gaumen. Nach wenigen Minuten ist alles wieder auf … eingestellt. Na, hast Du Dir die Temperatur gemerkt?

 



Anthropomorph getönte Vorkenntnisse entsprechen einer Organisationsform de

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