Plautus in der Frühen Neuzeit

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From the series: NeoLatina #34
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Literaturverzeichnis

Braun, Ludwig: Scenae Suppositiciae oder Der falsche Plautus, Göttingen 1980 (Hypomnemata, Bd. 64).

Braun, Ludwig: Keine griechischen Originale für Amphitruo und Menaechmi?, Würzburger Jahrbücher 17, 1991, 193–215.

Collenuccio, Pandolfo: Comedia di Plauto (Amfitrione), Venedig 1530.

Hoffmann, Emanuel: De Plautinae Amphitruonis exemplari et fragmentis, Diss. Breslau 1848.

Pittaluga, Stefano: Pandolfo Collenuccio e la sua traduzione dell’‟Amphitruo” di Plauto, Res Publica Litterarum 6, 1983, 275–290.

Reinhardt, Udo: Amphitryon und Amphitruo, in: Udo Reinhardt / Klaus Sallmann (Hgg.), Musa Iocosa, FS Andreas Thierfelder, Hildesheim / New York 1974, 95–130.

Steidle, Wolf: Plautus’ Amphitruo und sein griechisches Original, Rheinisches Museum für Philologie 122, 1979, 34–48.

Ad imitatione delli antiqui

Philologie und Theater in den Plautinischen Studien des Tommaso “Fedra” Inghirami

Domenico Giordani (Oxford)

Inghirami, TommasoIm Gegensatz zum mittelalterlichen Theater nimmt das humanistische Theater zum ersten Mal ein historisches Bewusstsein gegenüber der klassischen Welt an, das auf halbem Weg zwischen dem kritischen Blick des Gelehrten und der Erkenntnis eines unheilbaren Verlustes liegt. In der Einleitung zu einem Band, in dem es um die römischen Feiern von 1513 geht, sagte Fabrizio Cruciani, der wichtigste Aspekt dieser Haltung sei «il tentativo, quantitativamente trascurabile ma qualitativamente privilegiato, di recupero e di restituzione del teatro classico»,1 ein Versuch, der immer von theoretischer Reflexion und philologischer Aktivität begleitet wurde.

Der Wunsch, den Seiten der Manuskripte einen Lebenshauch zu verleihen, die seit Jahrhunderten nur in ihrer Schriftlichkeit wahrgenommen und teilweise erst kürzlich entdeckt worden waren, wie im Fall der zwölf Komödien von Plautus (1429) und der Komödien von TerenzTerenz mit dem Kommentar von DonatDonat (1433), kennzeichnet von Anfang an die Tätigkeit der sogenannten römischen Akademie, einer Gemeinschaft von Schriftstellern, die sich um Pomponio LetoLeto, Pomponio während seiner Lehrjahre am Studium Urbis versammelt hat. Über die Akademie und ihre Mitglieder ist viel geschrieben worden, und es ist nicht meine Absicht, die Geschichte dieser Gemeinschaft nachzuvollziehen. Der vorliegende Beitrag konzentriert sich eher auf einen der letzten und einflussreichsten unter denen, die aus LetoLeto, Pomponio nach dem Ausdruck von Giulio Simone Siculo «wie aus dem Trojanischen Pferd hervorgingen» (tamquam ex equo Troiano […] exiere),2 nämlich Tommaso “Fedra” InghiramiInghirami, Tommaso. Insbesondere werden wir seine Plautinische Studien in Betracht ziehen, um die Merkmale seines modus operandi zwischen der Kultur des Renaissance-Festivals und der Wiedererweckung des antiken Theaters näher zu bestimmen.

1. Aus dem Leben eines Pomponianischen Humanisten

Tommaso InghiramiInghirami, Tommaso wurde 1470 in Volterra in einer den Medici treuen Familie geboren. Nach der Ermordung seines Vaters im Jahre 1472 wurde er unter dem Schutz von Lorenzo de’ MediciMedici, Lorenzo de’ nach Florenz gebracht. Dieser wurde sich der besonderen Qualitäten des jungen InghiramiInghirami, Tommaso bewusst und beschloss, ihn 1483 nach Rom zu seinem Onkel Antonio, Sekretär und Cubicularius von Sixtus IV.Sixtus IV. (Papst), zu schicken. Hier nahm InghiramiInghirami, Tommaso an der Aktivität der römischen Akademie von LetoLeto, Pomponio teil, die unter dem Pontifikat von Sixtus IV.Sixtus IV. (Papst) wiedergeboren wurde, nachdem sie unter Paul II.Paul II. (Papst) wegen Verdachts auf eine Verschwörung unterdrückt worden war.1 Die Nachrichten über die Aktivitäten der Akademie sind in der Tat bis 1483, dem Jahr der Ankunft von InghiramiInghirami, Tommaso in Rom, eher selten. In diesem Jahr zeugt eine Passage aus dem Tagebuch von Jacopo GherardiGherardi, Jacopo, eines Volterranischen Humanisten und Mentors des jungen InghiramiInghirami, Tommaso, von der Erneuerung der jährlichen Feier zum Geburtstag Roms in Übereinstimmung mit den antiken Parilia:2

in Exquiliis prope Pomponii domum, die dominico qui sequutus est, a sodalitate litteraria, celebratum est Romanae Urbis Natale. Sacra sollemniter acta, Demetrio Lucensi, bibliotecae pontificiae prefecto operante, Paulus Marsus orationem habuit. pransum est apud Salvatoris sacellum, ubi sodalitas litteratis viris et studiorum studiosis elegans convivium paraverat […] et a diversis iuvenibus eruditis versus quamplures etiam memoriter recitati

Die Feier bestand also aus einer lateinischen Rede, gefolgt von einem prächtigen Bankett, an dem junge edle Literaten teilnahmen, die am Ende auswendig gelernte Verse rezitierten.

In seiner Pomponii VitaSabellico, MarcantonioPomponii Vita bezeugt Marcantonio SabellicoSabellico, Marcantonio, dass private Rezitationen im Hause Letos erneut anlässlich des Geburtstags Roms stattfanden und sie in Verbindung mit den offentlichen Pomponianischen Aufführungen des Plautus, TerenzTerenz und anderen neueren Komödien setzt.3 Die Rezitation von Reden, von auswendig gelernten poetischen Passagen und schließlich von ganzen Komödien legt nahe, dass die Bildung der Pomponianer, die sich hauptsächlich auf Redekunst konzentrierte, eine starke Fokussierung auf die Performance, auf actio beinhaltete. Für die jungen Schüler von PomponioLeto, Pomponio war die Schauspielerei eine notwendige Vorbereitung für zukünftige rhetorische Performance. Die Rezitation ermöglichte den angehenden Rednern, das Gedächtnis zu trainieren, eine gute Aussprache zu erlernen, alle non-verbalen Mittel, insbesondere Gebärden und Stimme, zu üben und ihre Wirkung auf das Publikum zu testen.4 Daher führt Paolo GiovioGiovio, Paolo 1527 in einer nostalgischen Retrospektive über die glänzenden Jahre der Accademia Pomponiana den Niedergang der Beredsamkeit auf das Verschwinden jener iucundissima [] studia Theatralium recitationum zurück, die damals schon von den unvermeidlich überwiegenden Vorstellungen in Vulgärsprache verdrängt wurden:5

Sed cur hodie doctorum ora aut conticescant aut satis inepte veterum vocem, gestum, ac totam huius subtiliores artificii rationem aemulentur, ut diligenter explices postulamus». Ad haec: «Ego, inquam, ut coniectura facile adsequimur, id duabus de causis arbitror evenisse. Primo quoniam iucundissima illa Theatralium recitationum veterumque praesertim comoediarum, quae per ingenuos et patritios adulescentes nuper agebantur apud Romanam iuventutem penitus fuerint intermissa, irrumpentibus in Scoenam vernaculis histrionibus in gratiam, ut putamus, foeminarum ac indoctae multitudinis

Gerade auf diese pädagogischen Zwecke bezieht sich eines der ersten Zeugnisse für eine öffentliche Aufführung von Mitgliedern der Akademie. Drei Jahre nach Inghiramis Ankunft in Rom, gegen Ende 1486 oder in den ersten Monaten 1487, veröffentlichte Giovanni SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli, eine der Schlüsselfiguren der Accademia, die editio princeps von VitruvsVitruv De Architectura. Die Veröffentlichung von Verolis Vitruv stellt einen entscheidenden Moment in der Geschichte der Renaissance-Architektur dar und ist auch für die Entwicklung des humanistischen Theaters nicht ganz unerheblich. Im Vorwort an Kardinal Raffaele Riario Riario, Raffaele (Kardinal)erinnert SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli an die Etappen der Wiederherstellung des klassischen Theaters in Rom:6

tu enim primus Tragoediae quam nos iuventutem exercitandi gratia et agere et cantare primi hoc aevo docuimus (nam eius actionem iam multis saeculis Roma non viderat) in medio foro pulpitum ad quinque pedum altitudinem erectum pulcherrime exornasti; eandemque postquam in Hadriani mole Divo Innocentio spectante est acta, rursus intra tuos penates, tamquam in media circi cavea, toto consessu umbraculis tecto, admisso populo et pluribus tui ordinis spectatoribus honorifice excepisti. Tu etiam primus picturatae scaenae faciem qua Pomponiani comoediam agerent nostro saeculo ostendisti

Nach der zeitnahen Rekonstruktion von SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli bestand die Hauptaufgabe dieser Aufführungspraxis darin, junge Menschen auszubilden, indem sie Verse oder sogar ganze Stücke rezitierten und sangen. Mit der Zeit entwickelte sich diese Praxis, auch dank der Unterstützung von Kardinal RiarioRiario, Raffaele (Kardinal), zu einem Projekt, das antike Theater nach so langer Abwesenheit von den Bühnen Roms wiederzubeleben. Veroli erwähnt in der Tat eine tragische Vorstellung, die auf einer von RiarioRiario, Raffaele (Kardinal) im Forum errichteten Bühne stattfand und dann im Castel Sant’Angelo in Gegenwart von Innozenz VIII. und auch natürlich im Hof des Adelspalastes von RiarioRiario, Raffaele (Kardinal) selbst, d.h. im heutigen Palazzo della Cancelleria, wiederholt wurde.

Um welche Vorstellungen handelt es sich? Um diese Frage zu beantworten, lohnt es sich, auf die frühen 80er Jahre des 15. Jahrhunderts einzugehen, eine besonders wichtige Periode in der Geschichte der Plautus-Rezeption in der Renaissance. Tatsächlich fand gleich am 25. Januar 1486 die erste urkundlich belegte Aufführung einer vulgärsprachlichen Komödie des Plautus statt. Im Hof des Palazzo Ducale in Ferrara wurden die Menechini, die Version der Menaechmi Menaechmiim Volgare, während der von Ercole I d’Este zu Ehren von Francesco Gonzaga organisierten Feierlichkeiten aufgeführt.7 Genau ein Jahr später, im Januar 1486, wurde wiederum in Ferrara eine von Pandolfo Collenuccio ins Volgare übertragene Amphitrione aufgeführt, um die Hochzeit von Lucrezia d’Este, Ercoles unehelicher Tochter, mit Annibale Bentivoglio zu feiern. Beide Ereignisse stellen den Höhepunkt eines Prozesses der vulgärsprachlichen Aktualisierung der Komödien dar, der auf Initiative des Herzogs Ercole d’Este entstanden war.8

 

Die römischen Vorstellungen der Pomponianer waren zweifellos weniger prunkvoll und gingen hauptsächlich von einer anderen Perspektive auf die Antike aus. Wie bereits gesagt, beschreibt SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli ein Projekt zur Wiederherstellung des klassischen Theaters in Originalsprache, das bereits mit der Vorstellung einer Tragödie und einer Komödie durchgeführt wurde. Erst 1486, im selben Jahr wie VitruvsVitruv editio princeps, wurde SenecasSeneca PhaedraSenecaPhaedr. in Rom unter dem Titel Hippolytus aufgeführt. Der Prolog ist in einer in der Bibliotheca Vallicelliana aufbewahrten Handschrift überliefert. Der Verfasser dieses Werkes ist erneut SulpizioSulpizio da Veroli, Giovanni da Veroli, der seine Idealvorstellung noch stärker unterstreicht:9

postid novis auctoribus (d.h. tragoedia […] vos augeat) qui usu abditos

revocant theatrales iocos et fabulas

ad vos iuvandos

Nach einer berühmten Anekdote war es dieser Darstellung zu verdanken, dass InghiramiInghirami, Tommaso seinen Spitznamen für immer erhielt:10

fu tenuto Poeta insigne, grandissimo Oratore, perfettissimo Filosofo, et eruditissimo in tutte le scienze, e buon’arti, et ebbe così pronta la poesia latina che recitandosi in casa il Cardinale S. Giorgio la Tragedia di Seneca detta l’Ippolito, et essendo per caso rovinato il ponte dietro alla prospettiva, mentre ch’egli, che rappresentava il Fedra, era solo in scena, continuò tanto il parlare all’improvviso in versi latini, che fu rimediato al disordine

Die Nachricht stammt von Curzio Inghirami, dessen Reputation als Fälscher wohlbekannt ist;11 doch ein der Aufmerksamkeit der Forscher bisher entgangenes Element scheint mir die Wahrhaftigkeit der Anekdote zu bestätigen. Denn die Anekdote spielt sich ab «in casa il cardinale S. Giorgio», nämlich im Palast von Raffaele RiarioRiario, Raffaele (Kardinal), seit 1477 Kardinal von San Giorgio al Velabro. Deshalb bezieht Curzio InghiramiInghirami, Tommaso sich hier auf die Darstellung «intra […] penates», die auch Veroli in seinem Vorwort erwähnt. Also scheint es sicher, dass der damals 16-jährige InghiramiInghirami, Tommaso an den inzwischen zu echten theatralischen Aufführungen gewordenen rhetorischen Übungen teilgenommen hat, indem er, soweit wir wissen, in der Rolle von Phaedra debütierte und seine Zeitgenossen mit seinen außergewöhnlichen Improvisationsgaben in lateinischen Versen erstaunte.

Während sich die drei von Veroli erwähnten Darstellungen einer Tragödie sicherlich auf die PhaedraSenecaPhaedr. beziehen, ist die Erwähnung einer «picturatae scaenae facies», in der die Pomponianer eine Komödie inszenierten, rätselhafter. Zunächst einmal ist es schwer zu verstehen, worauf Sulpicio genau Bezug nimmt. Forscher haben an eine mit Stoff bemalte oder bedeckte Hintergrundmauer, eine Stadtperspektive oder an eine malerische Ausschmückung der architektonisch gestalteten «frons scaenae» gedacht, wie sie für das Kapitolinische Theater und die Feste von 1513 entworfen worden war.12 Was die Komödie betrifft, wissen wir dank eines Briefes von Alessandro Cortesi,13 dass die jungen Schüler von PomponioLeto, Pomponio 1486, kurz vor der Vorstellung der Tragödie von Seneca, den Epidicus Epidicusvon Plautus auf dem Kapitol inszenierten und damit die Reihe der Plautinischen Darstellungen begannen, die sich durch die letzten Jahrzehnte des 15. Jahrhunderts bis zum Höhepunkt der römischen Feste von 1513 fortsetzte. Im Gegensatz zu Ferrara zeigten die Pomponianer zunächst eine Vorliebe für die acht Komödien. Unter den Vorstellungen, denen der EpidicusEpidicus 1486 folgte, gibt es tatsächlich Nachrichten von einem AmphitruoAmphitruo und einem AululariaAulularia, die 1492 bzw. 1497 aufgeführt wurden. Die erste der aus dem Korpus der zwölf 1429 in Köln wiederentdeckten und um 1430 in Italien angekommenen Komödien ist die MostellariaMostellaria, die 1499 aufgeführt wurde.

Tommaso InghiramiInghirami, Tommaso, der damals als Phaedra bekannt war, hatte sich als bester Redner seiner Zeit einen Namen gemacht und im März von Maximilian I das Diplom des Pfalzgrafen und die Dichterkrone erhalten. Im Jahre 1498, ein Jahr vor der letzten bekannten Pomponianischen Aufführung, starb Pomponio Leto Leto, Pomponiound Inghirami Inghirami, Tommasoersetzte ihn am Lehrstuhl für Rhetorik am Studium Urbis. Eine eingehende Analyse der Pomponianischen Aufführungen wäre von großem Interesse für die Geschichte der Plautus-Rezeption in der Renaissance, aber sie geht über die Grenzen unseres Beitrags hinaus.14 Der neue Frühling des lateinischen Theaters und besonders des Plautus in Rom fällt genau mit den Karrierejahren Inghiramis zusammen. Daher werden wir im Folgenden versuchen, seine Plautinische Studien, die sicherlich von den Pomponianern beeinflusst wurden, mit seiner direkten Beteiligung an den Kapitolinischen Feiern von 1513 in Verbindung zu bringen.

2. Phaedras Plautinische Studien

Die Plautinischen Studien von Inghirami Inghirami, Tommasokeimen, wie wir gesehen haben, im Umfeld der Pomponianer. Obwohl es dafür keine Beweise gibt, scheint es sehr wahrscheinlich, dass ihm seine Anerkennung als Schauspieler, die ihm die Hauptrolle in SenecasSeneca Phaedra einbrachte, erlaubte, an den komischen Aufführungen der Jahre 1486–1499 teilzunehmen. Auch der erwachsene InghiramiInghirami, Tommaso verlor nicht das Interesse an Plautus und seine dauerhafte Arbeit an den Komödien wird deutlich durch eine Nachricht von Aulo Giano ParrasioParrasio, Aulo Giano über Inghiramis durch den Tod unvollendet gebliebenes Werk In Plauti comoedias scrupolosissimae quaestiones:1

Quis ultimam manum tot inchoatis operibus imponet? quae (non secus ac Apellis illa decantatissima Venus) interrupta pendent: luculentissimae scilicet orationes, Apologia Ciceronis in obtrectatores, quam mihi paucis ante diebus quam coepisset aestuare, domi suae per summam voluptatem legit […] in Horatii poeticam vigilantissima commentaria: in Plauti comoedias scrupolosissimae quaestiones

Der Verweis auf den Kommentar zu HorazHoraz’ Ars poeticaHorazars, der sich in der autographen Handschrift Vat. lat. 2742 erhalten hat, in der Plautus als genius Latinae linguae beschrieben wird (Vat. lat. 2742, f. 41v), legt nahe, dass die Plautinischen Forschungen Inghiramis im Rahmen der Kurse, die er ab 1497 als Nachfolger Pomponios am Lehrstuhl für Rhetorik abhielt, erfolgten und dass die Abfassung seines Werkes über Plautus bis zu seinem Tod 1516 andauerte.

Das Werk ist (noch) nicht wieder aus den Archiven aufgetaucht, aber wir können uns dank Inghiramis handschriftlicher Kopie von Plautus’ Komödien ein Bild von seinem Inhalt machen. Die Handschrift, die in der Biblioteca Medicea Laurenziana aufbewahrt ist (Laur. Plut. 3636), wurde zweifellos von Inghiramis Hand geschrieben. Die paläographische Untersuchung der Schrift erlaubt es uns, die Handschrift in die so genannte vierte Periode des Pomponianischen Stils einzuordnen, also in die Dekade um 1500, sicherlich nach 1497, und bestätigt damit die Hypothese, dass Inghiramis Plautus-Studien während seiner Lehrtätigkeit am Studium Urbis intensiver wurden.


Die Handschrift besteht aus 42 Fasciculi von 5 Bifolia + 1 anfängliches Bifolion und bietet ein schönes Beispiel für Inghiramis Handschrift. Der Text ist der des sogenannten codex Orsinianus (Vat. lat. 3870: D), den InghiramiInghirami, Tommaso “fotografisch” auch mit PoggiosBracciolini, Poggio Korrekturen und Glossen (D4) wiedergibt und ihnen die abgekürzte Anmerkung in antiquo voranstellt (Bild 1).2

Neben PoggiosBracciolini, Poggio Korrekturen hat InghiramiInghirami, Tommaso auch das Manuskript mit seinen eigenen Glossen niedergeschrieben. Im Allgemeinen haben sie rein gelehrten Charakter, mit häufigen Verweisen auf grammatische (NoniusNonius Marcellus, Carisius, PriscianusPriscian), historische (LiviusLivius) und literarische Quellen, insbesondere CiceroCicero und HorazHoraz, den InghiramiInghirami, Tommaso, wie gesagt, kommentiert hatte. Die Notizen enthalten häufig etymologische und prosodische Diskussionen. Am Rand finden sich auch Konjekturen von InghiramiInghirami, Tommaso selbst, verständlicherweise häufiger in den “neuen” 12 als in den bereits bekannten 8 und meist mit credo puto und vor allem mit quid si gekennzeichnet.3

Die Gelehrsamkeit von InghiramiInghirami, Tommaso erstreckte sich aber auch in andere Richtungen. Für diesen Beitrag habe ich eine Übersicht über die Komödien durchgeführt, von denen wir wissen, dass sie von den Mitgliedern der Akademie aufgeführt wurden, nämlich AmphitruoAmphitruo AsinariaAsinaria AululariaAulularia EpidicusEpidicus MostellariaMostellaria und PoenulusPoenulus. Am Rand der Blätter, die diese Komödien enthalten, finden sich Hinweise auf die theatralische Terminologie der Römer. Siehe zum Beispiel die Glosse bei Amph.Amphitruo 91 etiam histriones anno cum in proscaenio hic : proscenium locus ante scenam in quo exercebantur ludicra (f. 3r). Die gleiche Aufmerksamkeit für die Struktur des antiken Theaters findet sich auch in der ähnlichen Anmerkung zu Poen.Poenulus 17 scortum exoletum ne quis in proscaenio: locus ante scenam ubi actores agebant mit einem Zitat aus Virg. G. 2.380 ueteres ineunt proscaenia ludi (f. 295r). Darüber hinaus konzentrieren sich Inghiramis Beobachtungen manchmal auf Details der Bühnenperformance wie den Tonfall oder den Adressaten eines bestimmten Einsatzes. Nehmen wir zum Beispiel die Glosse über die affektive Wertigkeit der interjektiven Partikel em in Poen.Poenulus 161 vin dare malum illi? :: cupio :: em, eundem me dato : em quandoque pro en ponitur moraque distinctionis ostenduntur affectus (f. 298r). Noch interessanter sind die Anmerkungen zum Tonfall einiger Einsätze, etwa wenn InghiramiInghirami, Tommaso die Antwort von Mercurio / Sosia auf die wahre AmphitruoAmphitruo (Amph.Amphitruo 1021 quis ad fores est? :: ego sum :: quid ego sum?) mit iracunda et fastidii plena quaestio glossiert (f. 22v). In der letzten Szene der AsinariaAsinaria bemerkte InghiramiInghirami, Tommaso außerdem zuerst den wütenden Ton von Artemona gegen Filenio (As. 920: f. 47v iracunda in Philenium sciscitatio) und ein paar Verse später die Wiederholung von surge, amator, i domum von Artemona mit den Worten repetit ob fastidium et stomachum erläutert (As. 923: f. 47v).


Manchmal weist InghiramiInghirami, Tommaso darauf hin, dass ein Charakter den Zuschauer anspricht, wie im Fall von Poen.Poenulus 921 quae audiuistis modo: hier kopiert er im Text audiui und nennt am Rand die Lektion von D1 audiuisti unter Verwendung der Abkürzung in antiquo, die normalerweise den Korrekturen von PoggioBracciolini, Poggio (D4) vorbehalten ist. Als nächstes schlägt er audiuistis vor, die korrekte Lesart, die sich auch im Ambrosianus findet, indem er anzeigt, dass Milphio sich an die Zuschauer wendet (f. 311v quid si audiuistis et adloquatur spectatores) (Bild 2).

Angesichts der von den Pomponianern wahrgenommenen engen Verbindung zwischen Schauspiel und Redekunst ist es nicht verwunderlich, dass InghiramiInghirami, Tommaso bisweilen Analogien in der Terminologie herstellt. Zum Beispiel, Amph.Amphitruo 34 nam iusta ab iustis iustus sum orator datus erlaubt ihm zu unterstreichen, dass qui Prologum dicebat uicem oratoris exhibebat (f. 2r), während die richtige Definition von schema in Amph.Amphitruo 117 als uestis seruilis ihn zur Feststellung führt, dass sich der Name auch auf cultus et ornamenta orationis (f. 3v) bezieht.

Alle diese Elemente tragen dazu bei, die Interessen von InghiramiInghirami, Tommaso zu charakterisieren, da sie zumindest teilweise um die rein szenischen Komponenten des Plautinischen Textes kreisen. Das ist bei einem Schüler von Pomponio LetoLeto, Pomponio überhaupt nicht ungewöhnlich. Alba Tontini hat in den Randnotizen von Giovanni Andrea Bussi im Vat. lat. 11469, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts geschrieben wurde und acht plus sieben der zwölf Komödien (PerPersa. Men.Menaechmi Pseud.Pseudolus Poen.Poenulus MosMostellaria. MercMercator.Mercator Mil.Miles gloriosus) überliefert, bemerkenswerte Spuren besonderer Aufmerksamkeit für die Aspekte der Inszenierung des Textes erkannt.4 Mithilfe des kurz zuvor entdeckten DonatDonat-Kommentars zu TerenzTerenz glossiert Bussi einige Einsätze mit Adverbien (Amph.Amphitruo 899: yrate) oder partizipialen Genitiven, manchmal begleitet von einem Substantiv (Amph.Amphitruo 284: minantis / 569: despuentis et stomachantis est vox). Es gibt auch Anspielungen auf den Adressaten einiger Einsätze (Amph.Amphitruo 788: nunc derigit sermonem ad spectatores). Tontini hat dieses Interesse von Bussi, Freund und Mitarbeiter von Pomponio LetoLeto, Pomponio, auf die von GherardiGherardi, Jacopo und SabellicoSabellico, Marcantonio bezeugte Gewohnheit, laute Verse und sogar ganze Komödien zu spielen, zurückgeführt, was den Auftakt zu den eigentlichen Bühnenaufführungen der Pomponianer bildete. Obwohl meine Arbeit am Laur. Plut. 3636 nur ein erster Schritt in diese Richtung ist und solche Notizen bei InghiramiInghirami, Tommaso weniger häufig zu sein scheinen als bei Bussi, scheint mir, dass InghiramiInghirami, Tommaso immer noch eine gewisse Aufmerksamkeit für die theatralischen Komponenten des Textes zeigt.

 

Darüber hinaus ergab die Erforschung eine bemerkenswerte Reihe von Glossen in Bezug auf die Kostüme und Stile der alten Kleidung. Am Rand einer Passage aus EpidicusEpidicus (Epid.Epidicus 222ff.) beschreibt InghiramiInghirami, Tommaso mit großer Detailfülle alle darin erwähnten Kleidungsstücke (ff. 137v–138r); in einer weiteren Passage derselben Komödie (Epid.Epidicus 436) verweilt er stattdessen bei der vom miles getragenen militärischen chlamys (f. 141v). Auch an den Rändern zum PoenulusPoenulus befindet sich eine Notiz über das amiculum, die teilweise von Festus abgeleitet ist (Poen.Poenulus 349: f. 301r genus uestimenti a circuitu dictum = Paul. Fest. 26 L. genus est uestimenti a circumiectu dictum). Auch im PoenulusPoenulus verarbeitet er Material von GelliusGellius über den Unterschied zwischen der Kleidung der Römer und der der Karthager, die nur aus der tunica bestand (Poen.Poenulus 975: f. 312v Carthaginenses tunicatos non sine probro dix(it) EnniusEnnius (Enn. Ann. 303 Sk. zitiert von Gell. 6. 12. 7) tunica utebant(ur) R(omani) c(iues) substricta et breui et citra humerum desinente et sup(ra) tunicam togam ferebant) (Bild 3).


Die Notizen zeugen sicherlich in erster Linie von einem gelehrten Interesse an der Antike, doch gleichzeitig belegen sie, so etwa im Fall des miles von Epidicus Epidicusoder der karthagischen Kleidung im PoenulusPoenulus, eine besondere Aufmerksamkeit für die Kostüme der Bühnenfiguren. Anders als Bussi, der eine Phase reflektierte, in der der Text hauptsächlich in privaten Sälen gespielt wurde, scheint sich InghiramiInghirami, Tommaso für die “Regie”-Aspekte des Textes zu interessieren, in Übereinstimmung mit der Tatsache, dass er in den Jahren, in denen er sein Manuskript annotierte, nicht mehr der junge Schauspieler der ersten Inszenierung von Seneca und Plautus war, sondern auf dem Weg zum Organisator und szenischen apparatore zu werden. Ein weiteres Element trennt den Fall von Bussi von dem von InghiramiInghirami, Tommaso. Während wir bei Bussi natürlich nicht in der Lage sind, den Zusammenhang zwischen den szenischen Anmerkungen und Schauspielpraktiken zu beurteilen, können wir dagegen bei InghiramiInghirami, Tommaso messen, ob und wie solch gelehrte Forschungen über Kleidung und Kostüm Einfluss auf die Inszenierung genommen haben. Um dies zu tun, müssen wir jedoch kurz Fedras Karriere von dort zurückverfolgen, wo wir ihn verlassen haben, nämlich vom späten 15. Jahrhundert bis zum 1513.