Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2

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Pech mit den Pächtern

Die drei Kampagnen in den zehn Jahren des Bestehens der St. Antony-Hütte warfen für von Wenge keinen Profit ab. Die Produktqualität war zu schlecht, der Betrieb nur unregelmäßig und offensichtlich fehlte auch das Geschick beim Warenabsatz. So entschloss sich von Wenge, den Eigenbetrieb der Hütte aufzugeben und sie am 1. September 1769 zur Verpachtung auszuschreiben. Doch noch bevor die ersten Pächter die Hütte übernahmen, probierte von Wenge auf der Hütte 1771 erstmals in der Region, ob sich das Erz auch mit Steinkohlen von der Ruhr verhütten ließ. Hierzu arbeitete von Wenge mit einem Kalkbrenner zusammen, der sich aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit mit der Nutzung von Steinkohle auskannte. Doch das Experiment schlug fehl, da sich Steinkohle – was damals zumindest an der St. Antony-Hütte offensichtlich noch unbekannt war – ohne Vorbehandlung wegen ihres hohen Schwefelgehalts nicht zur Verhüttung eignet.39

Im Juli 1771 besichtigten zwei Interessenten namens Schwartz und Hundt aus Bocholt die St. Antony-Hütte. Am 29. September übernahmen sie für sechs Jahre das Werk als Pächter.40 Die Pacht betrug 1.000 Taler jährlich. Wahrscheinlich handelte es sich bei den Pächtern um das Ehepaar Anton Hundt und Johanna Margarete Schwartz mit ihren zahlreichen Kindern.41 Johanna Margarete Schwartz kam aus einer angesehenen Bocholter Familie, aus der auch ein Bürgermeister stammte. Es ist denkbar, dass ein zweiter Pächter aus der Familie zusätzlich beteiligt war. Auch in Zusammenhang mit der Michaelishütte in Bocholt tauchen die Namen Schwartz und Hundt auf.

Um die Hütte in Betrieb nehmen zu können, mussten die Pächter umfangreiche Reparaturen an Gebäuden und Anlagen vornehmen. Dies brachte einen ersten Streit mit von Wenge darüber, wer die Kosten hierfür zu tragen hatte. Während von Wenge am 28. August 1772 vor Gericht die erste Pachtrate in Höhe von 500 Talern einzuklagen versuchte, verlangten Schwartz und Hundt von ihm die Begleichung der Reparaturkosten in Höhe von über 190 Talern. Als das Gericht von Wenges Position bestätigte, zahlten die Pächter die erste Rate. Es blieb für lange Zeit die einzige Zahlung aus dem Pachtvertrag. Schwartz und Hundt führten mehrere Hochofenkampagnen durch, doch kämpften auch sie bis zum Ende der Pachtzeit mit zahlreichen Schwierigkeiten. So führte beispielsweise erneut Holzkohlemangel zum Abbruch der letzten Kampagne 1777. Doch müssen sich die Produkte nun zügig abgesetzt haben. Sie wurden zumeist wieder über Ruhrort in die Niederlande verschickt.

Im November 1775 schaltete von Wenge erneut das Gericht ein, um rückständige Pachtzahlungen in Höhe von mittlerweile 3.500 Talern einzuklagen. Bald stellte sich heraus, dass auf der Hütte bereits zahlreiche Werte von anderen Gläubigern beschlagnahmt worden waren. Die Pächter sagten vor Gericht zu, den ausstehenden Pachtzins nach Eingang von Zahlungen aus Holland zu begleichen. So wartete das Gericht mit der Beschlagnahme des Warenlagers, da sein Abtransport sehr kostspielig gewesen wäre. Erst im März 1778, also nach Ablauf des Pachtvertrags, klagte von Wenge erneut auf Zahlung der ausstehenden Pachtsumme, jetzt insgesamt 5.500 Taler. Zugleich verlangte er die Räumung der Hütte, da die Pachtzeit abgelaufen sei. Die Pächter erreichten, dass eine vom Gericht auf den 24. März gesetzte Frist um zwei Wochen verlängert wurde. In der Zwischenzeit flüchteten Schwartz und Hundt über die Grenze nach Bocholt und nahmen den größten Teil der vorhandenen Waren sowie viele weitere Gegenstände der Hütte mit. Sie verließen die Hütte in nicht mehr betriebsfähigem Zustand. Bis zur Begleichung von Teilen der Schuld dauerte es noch viele Jahre. 1785 erhielt von Wenge aus einem Konkurs der Familie Schwartz 622 Taler. Die Erben der Familie Hundt bezahlten ihren Anteil vollständig, aber erst im Januar 1795 an Wenges Erben. Die von den Pächtern ebenfalls nicht entrichteten Abgaben an den Landesherrn, den Erzbischof von Köln, schlug dieser zu Gunsten von Wenges nieder.

Pfandhöfer & Co. – endlich Profit für von Wenge

Nachdem Schwartz und Hundt die Hütte verlassen hatten, suchte von Wenge einen neuen Pächter für St. Antony. Er fand ihn in Eberhard Pfandhöfer (1743 – nach 1804) aus dem Siegerland, der bereits auf verschiedenen Eisenhütten Erfahrungen gesammelt hatte.42 Der preußische Fabrikenkommissar Friedrich August Alexander Eversmann beurteilte ihn später als interessante Persönlichkeit. Er stellte fest:

„Eine Biografie dieses Mannes würde interessant und zugleich belehrend seyn, indem Pfandhöfers Leben ein merkwürdiges Beyspiel gibt, wie ein Mann, mit gesundem Menschenverstande ausgerüstet, mit Beharrlichkeit und Zuversicht auf sein Glück wirken kann […].“43

Pfandhöfer arbeitete schon mit 19 Jahren in einer Eisenhütte. Später schaffte er es bei der Sundwiger Hütte im Sauerland vom Hüttenmeister über den Faktor und Pächter bis zum Miteigentümer, musste dann allerdings seine Anteile wieder verkaufen und 1777 Konkurs anmelden.

Im Juli 1779 kam Pfandhöfer nach St. Antony und erhielt Anfang November als Pächter die notwendigen Werkzeuge und Materialien ausgehändigt. Doch von Wenges Probleme gingen zunächst weiter. Der neue Pächter blieb bereits im ersten Pachtjahr sowohl die Abgaben an den Erzbischof als auch die Pachtzahlung an von Wenge schuldig. Als Grund nannte er unerwartet hohe Kosten für die Aufnahme des Hüttenbetriebs. Auch hätte die Hütte durch die vorherigen Pächter einen schlechten Ruf erhalten, so dass Tagelöhner und Bauern für ihre Dienste Barzahlung verlangen würden, wo er auf Kreditierung gehofft habe.44


Abb. 9: Erste Seite des Pachtvertrages vom 19. Oktober 1780 zwischen von Wenge und Pfandhöfer, Döeinck & Co.

Tatsächlich war wegen des schlechten Zustands der Hütte eine grundlegende Instandsetzung vor der Wiederinbetriebnahme nötig. Doch von Wenge erreichte, dass weitere, diesmal kapitalkräftige Pächter in den Pachtvertrag mit eintraten. Dies wird vermutlich auch Pfandhöfer, der ja weitgehend mittellos nach Osterfeld gekommen war, recht gewesen sein. Unter der Überschrift „In Gottes Namen, amen“ schlossen alle Beteiligten am 19. Oktober 1780 auf von Wenges Familiensitz Haus Dieck einen neuer Pachtvertrag. Pfandhöfer pachtete eine Hälfte, die drei Bocholter Gerhard Döeinck, Friederich Reigers und Joseph Diepenbroek die andere Hälfte der Hütte „in Compagnie, auf sechs aufeinanderfolgende, 1781 prima Januarii angehenden, und 1787 prima Januarii sich endigenden Jahren“.45 Die drei neuen Pächter stammten aus angesehenen Familien, waren miteinander verwandt und betätigten sich bereits erfolgreich auf mehreren Hütten im Bocholter und im angrenzenden holländischen Raum.46 Von Wenge versuchte, sich im neuen Vertrag nach möglichst allen Seiten abzusichern. Vierteljährlich fiel nun ein Pachtzins von 312 ½ holländischen Gulden an. Von Wenge ließ sich zur Sicherheit ein Pfandrecht für alle Dinge auf der Hütte einräumen. Alle Reparaturen und Verbesserungen hatten die Pächter binnen eines halben Jahres auf eigene Rechnung auszuführen. Der noch bestehende Eisenhammer und das Fischereirecht im Hüttenteich behielt sich von Wenge vor. Auf seine Kosten entstand auch eine Schlackenmühle. Die Abgaben an den Erzbischof waren von den Pächtern zu entrichten, doch konnten sie den Betrag von der Pachtsumme abziehen. Nach Ablauf der Pachtzeit hatten sie die Hütte in einwandfreiem Zustand an von Wenge zu übergeben.

Von Juli bis Dezember 1781 lief die erste Hüttenkampagne der neuen Pächter. Von dieser berichtete der bereits genannte Eversmann seinen Vorgesetzten beim preußischen Bergamt:47 Pfandhöfer setze je zur Hälfte Eisenstein aus dem Kölnischen und Klevischen ein. In 24 Stunden würden 54 bis 60 Fass Eisenstein – zum Teil zuvor gewaschen –, vier Karren Kalk aus Hiesfeld oder ersatzweise sechs bis acht Karren Mergel sowie sieben bis acht Karren Kohle in 18 bis 20 ▶ Gichten in den Hochofen eingegeben. Dreimal wurde in dieser Zeit abgegossen und dabei im Durchschnitt 2.400 bis 2.500 Pfund Roheisen in Form von Gusswaren, insbesondere Kanonenkugeln, produziert. In den unruhigen Zeiten mit zahlreichen Kriegen versprach die Munitionsherstellung ein gutes Geschäft. Die Kampagne soll dreißig Wochen gedauert haben. Die Absatzlage war gut. Noch 1781 begannen die Pächter damit, einen neuen Hochofen zu errichten und ließen zugleich ein neues oberschlächtiges Wasserrad von 16 Fuß Höhe, das waren etwa fünf Meter, einbauen. Mit diesen neuen Anlagen führten sie ab April 1782 eine wiederum dreißigwöchige Kampagne durch, die 1.000.000 Pfund Gusswaren erzeugte.48

Die neuen Pächter aus Bocholt waren kapitalkräftig und zahlten pünktlich. Schwieriger war es mit Pfandhöfer. Er zahlte seine erste Pachtrate in zu leichtem Gold und die weiteren Raten nur schleppend. Auch mit behördlichen Stellen geriet Pfandhöfer in Konflikt. Bei einer Kontrolle der Hütte verwehrten seine anwesenden Verwandten im Mai 1781 dem Bottroper Amtsleiter unter Androhung von Gewalt den Zutritt. Wie Pfandhöfer später zugab, hatte er etwas zu verbergen: Zu diesem Zeitpunkt lagerten auf der Hütte 200 Pfund aus Holland geschmuggelter Kaffee.49

 

4. Konkurrenz verdirbt das Geschäft: Die Gründung der Hütte Gute Hoffnung im preußischen Sterkrade

Während Eberhard Pfandhöfer auf der St. Antony-Hütte arbeitete, engagierte er sich gleichzeitig auch andernorts in der Eisenindustrie: So war er beispielsweise Pächter eines Eisenhammers in Rödinghausen bei Menden im Sauerland. Entscheidender für die Entwicklung Oberhausens war jedoch seine Tätigkeit in Sterkrade. Dort baute er parallel zu seiner Pachtzeit in Osterfeld die erste Konkurrenz zur St. Antony-Hütte, die Hütte Gute Hoffnung, auf.

Um den Aufbau weiterer Hüttenwerke in unmittelbarer Nachbarschaft der St. Antony-Hütte zu verstehen, ist es notwendig, die wirtschaftpolitischen Vorstellungen der damaligen Zeit zu erläutern. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts bemühten sich aufgeklärte Herrscher verstärkt, die ökonomische Entwicklung ihrer Länder zu verbessern. Eine der Grundlagen der vorherrschenden wirtschaftspolitischen Denkweise, des Merkantilismus, war es, dass Bodenschätze im eigenen Land genutzt und zu handelbaren Waren verarbeitet werden sollten. Daher wachten Fürsten und Könige eifersüchtig über die Entwicklung ihrer kleineren oder größeren Staaten. Die staatliche Verwaltung unterstützte Gewerbetreibende mit geeigneten Maßnahmen, um sie gegenüber ausländischen Produzenten konkurrenzfähig zu machen oder zu halten. Fachbeamte berieten Gewerbetreibende, aber auch Zollvergünstigungen, Abgabennachlässe und ähnliche Privilegien wurden gewährt, wie sie auch von Wenge seitens seines Landesherrn erhalten hatte. Der mögliche Profit sollte im eigenen Staat verbleiben und damit nicht zuletzt in erheblichen Teilen dem aufgeklärten Herrscher durch Abgaben und Steuern selbst zufließen.

Abb. 10: Die drei Hüttenwerke im Dreiländereck Cleve/​Recklinghausen/​Essen um 1800, Zeichnung von Ernst Montenbruck 1978

Durch ihre geografische Lage in einem Dreiländereck war die St. Antony-Hütte von dieser Politik besonders betroffen. Auf der einen Seite lag sie nur wenige hundert Meter von der Grenze des kurkölnischen Vestes Recklinghausen zu dem seit 1666 zu Preußen gehörenden Herzogtum Kleve entfernt, auf der anderen Seite war es nur etwa ein Kilometer bis zur Grenze mit dem Reichsstift Essen. In dieser Situation musste die Eisenhütte als neuer Gewerbezweig die Aufmerksamkeit der Nachbarstaaten erregen, zumal die Rohstoffe in jedem der drei Staaten vorkamen und schnell die Grenze überschreiten konnten. So kamen Holzkohle und Erze aus den Nachbarstaaten zur Verhüttung nach St. Antony und sogar der zum Antrieb der Hochöfen notwendige Elpenbach floss vom Vest ins Herzogtum Kleve. All dies musste den Unmut der benachbarten Landesherrn erregen und sie zu Überlegungen veranlassen, eine ähnliche Entwicklung wie im Vest im eigenen Land anzustoßen oder zumindest zu unterstützen.

Pfandhöfer macht sich selber Konkurrenz

Die im preußischen Herzogtum Kleve vorhandenen Erzvorkommen an Emscher und Lippe waren wahrscheinlich schon im 17. Jahrhundert bekannt. Doch blieben alle Versuche sie zu nutzen zunächst erfolglos. 1740 legte ein Herr Jamet bei der preußischen Regierung in Kleve ▶ Mutung auf Eisenstein zwischen Emscher, Lippe und Ruhr ein, machte von seinem Recht am Erz jedoch keinen Gebrauch.50 Einen zweiten Versuch startete 1743 von Wenge.51 Der erteilte Schürfschein auf Erz in der Gegend um Holten wurde ihm jedoch vom preußischen Staat 1773 wieder entzogen, da von Wenge seine Hütte im kölnischen Vest Recklinghausen und nicht im Herzogtum Kleve errichtet hatte. Dennoch lieferten Kötter aus dem Sterkrader Raum nach Betriebsaufnahme der St. Antony-Hütte auch ohne behördliche Genehmigung immer wieder Eisenstein an von Wenge.

Auch die Zisterzienserinnen des Klosters in Sterkrade bemühten sich um das Raseneisenerz in ihrer Umgebung.52 Als ihre Auseinandersetzung mit von Wenge über den Bau seiner Hütte entschieden war, erbat die Äbtissin am 14. September 1757 im Namen des Klosters bei der Kriegs- und Domänenkammer, das war die regionale Regierung des Herzogtums Kleve, das Schürfrecht im rechtsrheinischen Teil des Herzogtums zwischen Rhein und Lippe sowie eine Konzession zur Anlegung einer Eisenschmelze und eines Hammerwerks. Auch wenn der ▶ Siebenjährige Krieg einen hohen Profit für Eisenwaren – vor allem Munition – versprach, realisierte das Kloster die Pläne aber nicht.

Der nächste Versuch, Eisenerze im Klevischen zu fördern, ergab sich, nachdem in Orsoy am Rhein 1771 ein Eisensteingang entdeckt worden war.53 Am 29. Dezember erbat Johann Wilhelm Müser aus Blankenstein an der Ruhr einen Mutschein auf Eisenstein zwischen dem Rhein und der Grenze zum kölnischen Vest Recklinghausen. Zur Ausbeutung des Erzes schloss er sich mit Jan Peter und Diederich Walter Noot aus Orsoy bzw. Ruhrort zusammen, beides Brüder von Aletta Haniel, der Mutter von Franz und Gerhard Haniel, die später noch eine wichtige Rolle in der Geschichte der Eisenindustrie der Region spielen sollten. Zu dem Konsortium stieß noch Kommerzienrat Hellmann van Eyckellenberg hinzu. Die Antragsteller bezogen sich auf die bereits produzierende St. Antony-Hütte in Osterfeld und betonten die mögliche Sicherung der Rohstoffe für den preußischen Staat. Die ▶ Mutung unter dem Namen „Vesuvius“ planten sie mit einer Eisenhütte zu verbinden, für die sie als möglichen Standort auch einen Platz in der Nähe des Klosters Sterkrade in Erwägung zogen. Für die Laufzeit des ▶ Mutungsantrags verbot 1773 die Kriegs- und Domänenkammer auf Anweisung aus Berlin die Ausfuhr von Eisenstein aus dem Herzogtum Kleve zur Verhüttung nach St. Antony. Am 15. Mai 1774 genehmigten die preußischen Behörden in Berlin den Bau einer Eisenhütte, doch schon Ende desselben Jahres ließen die Gesellschafter ihr Recht wieder verfallen, indem sie eine von den preußischen Behörden gesetzte Frist zum Baubeginn verstreichen ließen.

Als Eberhard Pfandhöfer erkannte, dass die Eisenverhüttung im Dreiländereck ein gutes Geschäft werden könnte, wurde auch für ihn die Nutzung der Erze des rechtsrheinischen Teils des Herzogtums Kleve attraktiv. Am 22. September 1780 legte er ▶ Mutung auf Eisenerz unter dem Namen „Gute Hoffnung“ ein.54 Von Anfang an plante er die Errichtung einer Eisenhütte im Klevischen und nicht die Verhüttung der Erze auf St. Antony. In seinem offensichtlich beim Bergamt in Hagen niedergeschriebenen Antrag stellte er fest, er sei

„Willens in der Gegend von Dinslacken zwischen den 3 Flüßen Rhein, Rhur und Lippe, an dem mir dazu am besten convenable scheinenden, und beym Augenschein zu bestimmenden Orte, auf den daselbst erfindlichen Eisen Stein, eine Eisenhütte anzulegen“.

Er bat um Eile bei der Entscheidung über seinen Antrag, da in Kürze eine große Menge Bauholz, die er für die Errichtung der Hütte benötigen würde, im Vest Recklinghausen verkauft werden sollte. Gegenüber dem preußischen Bergamt sicherte Pfandhöfer zu, auf seiner neuen Hütte den Einsatz abgeschwefelter Kohlen ausprobieren zu wollen.

Als Standort der Eisenhütte wählte Pfandhöfer einen Platz in der Nähe des Klosters in Sterkrade. Erfolglos erhoben die Zisterzienserinnen Einspruch beim preußischen Bergamt gegen das neue Gewerbe, weil es wie schon im Fall der St. Antony-Hütte um seine Wasserrechte fürchtete. Um weiteren Problemen aus dem Weg zu gehen, schloss Pfandhöfer am 6. Januar 1781 einen Vertrag mit der Äbtissin.55 Darin erhielt er vom Kloster Land für den Hüttenbau und die Genehmigung, dort eine Eisenhütte anzulegen. Im Gegenzug übereignete er dem Kloster für zwölf Jahre ein Viertel der Anteile am Hüttenwerk. Nach Ablauf der Frist hatte Pfandhöfer das Recht, die Anteile zurück zu kaufen. Weiter sicherte er zu, die Mühlteiche und den Elpenbach schlammfrei zu halten. Das Kloster gewährte ihm zusätzlich einen Kredit von 1.000 Reichstalern zum Bau der Hütte, Geld, das Pfandhöfer angesichts seiner knappen Finanzen sicherlich benötigte. Schon vor Ablauf der 12-Jahresfrist schied das Kloster am 8. August 1786 als Anteilseigner der Gute Hoffnung wieder aus und wurde von Pfandhöfer entsprechend entschädigt.56


Abb. 11: Erste Seite der Verleihungsurkunde über das Eisendistriktfeld „Gute Hoffnung“ vom 10. September 1781

Nachdem im März 1781 die preußischen Bergräte Heinzmann und Wünnenberg Pfandhöfers Anliegen befürwortet hatten, erging am 3. Mai auf „allergnädigsten Special-Befehl“ des preußischen Königs ein Schreiben an das Märkische Bergamt zu Wetter, das die Verleihung der Rechte zur Erzförderung und zur Errichtung einer Eisenhütte an Pfandhöfer enthielt.57 Am 10. September stellte das Bergamt Pfandhöfer eine Urkunde mit allen Vereinbarungen, Vergünstigungen und Vorschriften aus:58 Pfandhöfer erhielt für sich und seine Arbeiter die Bergfreiheit; das heißt, er durfte die Erze fördern, auch ohne Eigentümer des darüber liegenden Grund und Bodens zu sein. Kohlen konnte er aus dem Märkischen über die Ruhr beziehen. Rohmaterialien, die er benötigte, unterlagen keinem Zoll und ihm wurden sechs „Freyjahre“ zugestanden, was bedeutete, dass er für diese Zeit keine Abgaben zu entrichten hatte. Im Gegenzug war Pfandhöfer verpflichtet, alle bergrechtlichen Bestimmungen einzuhalten.

Zur Stärkung seiner finanziellen Basis übertrug Pfandhöfer im Juni 1781 für 3.000 Gulden ein Viertel der Hüttenanteile an Joan Godfried Meeler aus den Niederlanden. Pfandhöfer verpflichtete sich, Meeler die hergestellten Waren zum Absatz in Holland zu überlassen.59 Doch schon im Oktober 1783 kündigte Meeler den Vertrag und stieg aus der Hütte Gute Hoffnung wieder aus. Es dauerte aber über zehn Jahre, bis Meeler sein Geld zurückerhielt und als Anteilseigner aus dem Berghypothekenbuch beim Bergamt gelöscht wurde.60


Abb. 12 bis 14: Produktbeispiele aus dem Musterbuch der St. Antony-Hütte von 1840

Im Sommer 1781 begann Pfandhöfer den Bau der neuen Eisenhütte. Er betreute die Arbeiten von der St. Antony-Hütte aus. Um Ostern 1782 nahm die Hütte Gute Hoffnung den Betrieb auf. Sie bestand aus einem Hochofen mit einer Formerei, dem Kohlen- und dem Erzmagazin. Der Hochofen war an seiner Basis quadratisch mit einer Kantenlänge von 18 Fuß, das waren 5,65 Meter. Die Höhe des Ofens betrug ebenfalls 18 Fuß.61 Fast jährlich liefen nun die Kampagnen. Erzeugt wurden ähnliche Produkte wie auf der St. Antony-Hütte: Gusswaren aller Art für den täglichen Gebrauch, Platten und Kanonenkugeln.

1784 folgte Pfandhöfer einer Anregung des preußischen Fabrikenkommissars Eversmann und erhöhte den Hochofen auf 26 Fuß (8,16 Meter).62 Zwei Jahre später arbeiteten 15 Personen, 1794 dann 80 Arbeiter als Schmelzer, Former, Platzarbeiter, Steingräber, Holzfahrer und Köhler auf der Hütte.63 Auch wenn unklar bleibt, wie profitabel die Hütte Gute Hoffnung tatsächlich produzierte, lobte Eversmann nach einem Besuch der Hütte im Februar 178864 Pfandhöfer, der „auf einer Fläche wo vorher dürrer Boden war […] in einer der ärmsten Gegenden des Herzogthums Cleve ein ganz neues Gewerbe“ angesiedelt habe. Mittlerweile bestand das Werk aus dem in einem „geräumigen Gebäude“ stehenden Hochofen mit ledernem Gebläse, einem Formhaus, einem Kohlenschuppen, einem neuen zweistöckigen Magazin, einem Schleifwerk und einem Temperofen. Das Schleifwerk soll nach Anmerkungen Eversmanns das erste in der Region gewesen sein. Der Temperofen war 1787 auf Eversmanns Anregung allein dazu errichtet worden, die ersten deutschen Eisenbahnschienen abzuglühen, die auf der Hütte Gute Hoffnung für den Rauendahler Kohlenweg in Sundern an der Ruhr südlich von Bochum gegossen wurden.65 Sowohl Schleifwerk, als auch Temperofen waren nach englischem Vorbild errichtet worden. Ebenfalls nach englischem Vorbild folgte 1788 der Bau eines Windofens zur Verbesserung des Gusseisens.

 

Abb. 15: „Plan der Situation des Gute Hoffnungs Hütten Plazes oculair gezeichnet durch Strack jun. d. 13. Febr. 1801“

Zwei grundsätzliche Probleme, die die Geschichte der Hütte lange Zeit begleiten sollten, deuteten sich jedoch schon bei den ersten Hüttenkampagnen an: Erstens hatte Pfandhöfer Schwierigkeiten, genug Holzkohle für die Verhüttung zu erhalten, da der rechtsrheinische Teil des Herzogtums Kleve offensichtlich nicht über ausreichende Holzvorkommen verfügte und der Holzkohlenimport aus den Nachbarstaaten schwierig war. Da halfen auch die dem Bergamt angekündigten Versuche zur Verhüttung mit abgeschwefelten Steinkohlen aus dem Märkischen nichts, da sie ohne Erfolg blieben. An diesen Versuchen war auch Eversmann beteiligt, der Kenntnisse der Verhüttung mit Koks von seinen Reisen nach England mitgebracht und das Verfahren in Oberschlesien eingeführt hatte.66 Das zweite Problem war die Wasserversorgung der Blasebälge des Hochofens. Die Hütte Gute Hoffnung lag unterhalb der St. Antony-Hütte am selben Bach und war damit auf das Wasser angewiesen, das von der Konkurrenz nach Sterkrade durchgelassen wurde. Bei Wasserknappheit vor allem im Sommer konnte dies zu ungewollten Produktionseinschränkungen führen.

Auch hatte Pfandhöfer weiter Finanzprobleme. Durch seinen Kompagnon Meeler war er wohl in Kontakt mit Helene Amalie Krupp-Ascherfeld67 (1732 – 1810) gekommen. Offensichtlich führte Pfandhöfer für die beiden Handelshäuser Botendienste durch, aus denen sich geschäftliche Beziehungen zu Krupp entwickelten, die spätestens ab 1783 auch Kreditgeschäfte umfassten. Amalie Krupp behauptete später sogar, sie hätte den Bau der Hütte schon mitfinanziert.68 So wurde die Familie Krupp in den folgenden Jahren wichtigster Geldgeber für Pfandhöfer.69 Als Sicherheit verpfändete er sein gesamtes Vermögen an Amalie Krupp, die dann auch als Handelshaus von Pfandhöfer agierte. Ab 1785 beteiligten sich die Krupps sogar vorübergehend zu einem Viertel an der Hütte. Amalies Sohn Peter Friedrich Wilhelm Krupp trat als Gewerke in die Firma ein. 1786 übernahmen die Krupps die volle Finanzierung des Hüttenbetriebs. Die Verschuldung Pfandhöfers stieg gegenüber der Familie schnell auf fast 12.000 Reichstaler im Jahr 1789, als Krupp und Pfandhöfer die gemeinsame „Compagnie der Hoffnungs Eisenhütte zu Starkrad“ wieder auflösten. Zusätzlich nahm Pfandhöfer weitere Kredite unter anderem bei der Essener Fürstäbtissin auf.