Mehrsprachigkeit in der Schule

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3 Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren – ein neuer Lernbereich für den Sprachunterricht in Thüringen

Die in den Thüringer Lehrplänen formulierten sprachenübergreifenden Kompetenzen gehen über das unter Punkt 2 beschriebene Grundverständnis hinaus. Impulscharakter hatten dabei v.a. die Ergebnisse von theoriegeleiteten Praxiserkundungen in Thüringen (cf. Behr 2007) als auch bildungspolitische Forderungen nach mehrsprachigkeitsdidaktischen Konzepten und der Entwicklung von Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz, z. B. in den nationalen Bildungsstandards (KMK 2012).

Erprobungserfahrungen in Thüringen zeigen, dass v.a. die Anwendung von Strategien

 der bewussten Wahrnehmung,

 der Reflexion,

 der pro- und retroaktiven Verknüpfung und

 des zwischensprachlichen Transfers

von individuell verfügbarem sprachlichem, soziokulturellem und strategischem Wissen in der Muttersprache und den erlernten Fremdsprachen eine wesentliche Reserve für die Erhöhung der einzelsprachlichen Kompetenz darstellen (cf. Behr 2007, 19-33). Dieser Befund entspricht einschlägigen Ergebnissen der mehrsprachigkeitsdidaktischen Forschung, wonach lernrelevantes Vorwissen ein entscheidender Faktor für den Lernerfolg ist und Lerngegenstände miteinander interagieren (cf. z. B. Bausch, Königs & Krumm 2004; Meißner 2003, 2005). Die benannten Praxiserkundungen in Thüringen verdeutlichen, dass durch die Betonung der Kategorien Vergleich, Transfer und Reflexion im Unterricht der reflektierte Umgang mit

 der Funktionalität sprachlicher Formen und Strukturen,

 Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Besonderheiten sprachlicher und nichtsprachlicher Mittel und ihrer Verwendung,

 dem Zusammenwirken von Sprache und Kultur,

 Strategien zur Förderung der Kommunikation

maßgeblich angeregt und die Evaluation des eigenen Lernprozesses gefördert werden kann (cf. Behr 2007, 184-88).

Für die Lehrplankonzeption erwuchs hieraus die Überlegung, einen eigenständigen Lernbereich verbindlich einzuführen, in dem „[…] die Reflexion über Sprache, ihre Verwendung und den eigenen Sprachlernprozess“ (Lehrplankapitel 1.2.4) im Zentrum steht und der „dezidiert auf die Entwicklung sprachenübergreifenden Lernens ausgerichtet“ (ebd.) ist und die „Entwicklung von Sprach- und Sprachlernbewusstheit“ (ebd.) fördert. Mit dem Lernbereich „Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren“ wurde dieses Anliegen umgesetzt.

Das unter Punkt 2 beschriebene Grundverständnis sprachenübergreifender Kompetenzentwicklung wird hier nun ergänzt um den Fokus auf die pro- und retroaktive Verknüpfung und den zwischensprachlichen Transfer von individuell verfügbarem sprachlichem, soziokulturellem und strategischem Wissen in der Muttersprache und den erlernten Fremdsprachen. Hierbei erfolgte die Zielbeschreibung – der Thüringer Lehrplankonzeption und Diktion folgend – für das fachlich-inhaltliche Lernen (Sachkompetenz), das methodisch-strategische Lernen (Methodenkompetenz) sowie für das sozial-kommunikative (Sozialkompetenz) und das selbstbeobachtende/selbstregulierende Lernen (Selbstkompetenz).

Diesen Ansatz sprachenübergreifender Kompetenzbeschreibung verdeutlicht die nachfolgende Tabelle für die Sekundarstufe I. Sie ist Bestandteil des Lehrplankapitels 1.2.4 und in dieser Form in jedem Sprachenlehrplan enthalten.


Klassenstufen 5 – 10
Sachkompetenz
Der Schüler kann die Funktionalität sprachlicher Mittel erkennen und unter Verwendung von Fachterminologie erklären, vorhandene sprachliche und nichtsprachliche Mittel in der deutschen Sprache, ggf. in seiner Herkunftssprache und in den erlernten Fremdsprachen für das Verstehen und Sich-Verständigen nutzen, Hypothesen zur Erschließung sprachlicher und nichtsprachlicher Mittel formulieren, an ausgewählten Beispielen das Zusammenwirken von Sprache und Kultur erklären, Methoden und Strategien des Spracherwerbs beschreiben.
Methodenkompetenz
Der Schüler kann Techniken des Sprachenvergleichs selbstständig anwenden, das Ergebnis und die Vorgehensweise beim Sprachenvergleich dokumentieren, präsentieren, kommentieren, Strategien des Sprachenlernens erklären und die für den individuellen Lernprozess in der jeweiligen Sprache geeigneten auswählen und anwenden.
Selbst- und Sozialkompetenz
Der Schüler kann sprachliche und nichtsprachliche Phänomene aufmerksam und bewusst wahrnehmen, über eigene Sprachlernstrategien reflektieren, seine Kompetenzentwicklung einschätzen und ggf. dokumentieren.

Tab. 1:

Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren (aus: Lehrplankapitel 1.2.4).

Die o.g. sprachenübergreifenden Zielformulierungen erfahren für den Unterricht in der jeweiligen Sprache eine sprachen- sowie altersspezifische Ausprägung und werden in den Lehrplanteilen der gymnasialen Oberstufe fortgeführt. Dabei werden „in Abhängigkeit von der jeweiligen sprachlichen Kompetenz […] die deutsche Sprache und/oder die Fremdsprache als Medium für Erläuterungen von Ergebnissen und entsprechenden Vorgehensweisen beim Sprachenvergleich, für das Bilden von Hypothesen und für die Reflexion genutzt“ (Lehrplankapitel 1.2.4).

Die Abbildung des Lernbereichs „Über Sprache, Sprachenlernen und Sprachverwendung reflektieren“ in einem einzelsprachlichen Lehrplan, die Zuordnung von sprachenübergreifenden Zielen zu bestimmten Klassenstufen und die damit verbundene Progression der Kompetenzentwicklung werden in der folgenden Übersicht am Beispiel einer zweiten Fremdsprache – hier des Französischlehrplans für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife – für die Sach- und die Methodenkompetenz in der Sekundarstufe I abgebildet.

Die Progression zeigt sich in

 der Verwendung unterschiedlicher Operatoren,

 einem unterschiedlichen Grad an erwarteter Selbstständigkeit,

 der Bindung an die jeweiligen niveauspezifischen sprachlichen Mittel sowie Rezeptions- und Produktionsstrategien (diese zeigt sich in der Tabelle durch den Verweis auf das jeweilige klassenstufenbezogene Lehrplankapitel),

 der Ausweisung unterschiedlicher Gegenstände für den Sprachen- bzw. Kulturvergleich,

 dem Grad der Komplexität zu nutzender Techniken und Strategien,

 dem Anwendungsspektrum für Techniken des Sprachenvergleichs.

Sachkompetenz


Klassenstufen 5/6 – A1 Klassenstufen 7/8 – A2 Klassenstufen 9/10 – B1
Der Schüler kann vorhandene sprachliche und nichtsprachliche Mittel in der deutschen Sprache, ggf. in seiner Herkunftssprache, und in den erlernten Fremdsprachen für das Verstehen und das Sich-Verständigen im Französischen nutzen und darüber reflektieren,
die Funktion bekannter sprachlicher Phänomene, z. B. Wortarten, Satzglieder, Tempusformen (vgl. 2.4.3) erkennen und unter Verwendung lateinischer Fachtermini benennen, die Funktion bekannter sprachlicher Mittel z. B. Wortarten, Satzglieder, Tempusformen (vgl. 2.4.3) erkennen und unter Verwendung der Fachterminologie erklären,
Hypothesen zur Erschließung von elementarem Wortschatz sowie von einfachen Strukturen auf der Grundlage von Vorwissen unter Anleitung bilden, Hypothesen zur Erschließung von elementarem Wortschatz sowie von einfachen Strukturen auf der Grundlage von Vorwissen, ggf. unter Anleitung, bilden, Hypothesen zur Erschließung sprachlicher und nichtsprachlicher Mittel formulieren,
über die Angemessenheit einfacher sprachlicher Mittel, z. B. Anrede- und Höflichkeitsformen, sowie nichtsprachlicher Mittel, z. B. Mimik und Gestik, unter Anleitung reflektieren, über die Angemessenheit einfacher sprachlicher Mittel, z. B. Anrede- und Höflichkeitsformen, sowie nichtsprachlicher Mittel, z. B. Mimik und Gestik, ggf. unter Anleitung, reflektieren, an ausgewählten Beispielen das Zusammenwirken von Sprache und Kultur erklären, z. B. bezogen auf die Verwendung von Wortschatz in chansons, Märchen, ideomatischen Redewendungen, Werbetexten,
Methoden und Strategien unter Anleitung beschreiben für das Einprägen von Wortschatz und Strukturen im Französischen (vgl. 2.4.3), die Rezeption französischsprachiger Texte (vgl. 2.1.1) die Produktion französischsprachiger Texte (vgl. 2.1.2) das Lösen von Aufgaben zur Sprachmittlung (vgl. 2.1.3). Methoden und Strategien, ggf. unter Anleitung, beschreiben für die Rezeption französischsprachiger Texte (vgl. 2.2.1), die Produktion französischsprachiger Texte (vgl. 2.2.2), das Lösen von Aufgaben zur Sprachmittlung (vgl. 2.2.3). Methoden und Strategien selbstständig beschreiben für die Rezeption französischsprachiger Texte (vgl. 2.3.1.) die Produktion französischsprachiger Texte (vgl. 2.3.2), das Lösen von Aufgaben zur Sprachmittlung (vgl. 2.3.3).

Methodenkompetenz

 

Klassenstufen 5/6 – A1 Klassenstufen 7/8 – A2 Klassenstufen 9/10 – B1
Der Schüler kann
einfache Techniken des Sprachenvergleichs, z. B. Identifizieren, Kontrastieren, Ordnen unter Anleitung anwenden, einfache Techniken des Sprachenvergleichs, z. B. Identifizieren, Kontrastieren, Klassifizieren, ggf. unter Anleitung, anwenden, Techniken des Sprachenvergleichs auf der Ebenen der sprachlichen und nichtsprachlichen Mittel bewusst anwenden,
sprachliche Einzelphänomene isolieren und dabei gezielt nach Bekanntem und Ähnlichem suchen,
Vergleichbares unter Anleitung in anderen Sprachen, gerade auch in seinen Schulsprachen, erkennen, bestimmen und nutzen, Vergleichbares in anderen Sprachen, gerade auch in den Schulsprachen, ggf. unter Anleitung, erkennen, bestimmen und nutzen, über sprachliche und nichtsprachliche Mittel Verbindungen zu anderen Sprachen, besonders zu jenen aus der romanischen Sprachfamilie, herstellen,
das Ergebnis und die Vorgehensweise beim Sprachenvergleich festhalten und anderen mitteilen, das Ergebnis und die Vorgehensweise beim Sprachenvergleich dokumentieren, präsentieren und kommentieren,
eigene Regeln für die Sprachverwendung und das Sprachenlernen formulieren und anwenden. die für das eigene Erlernen der französischen Sprache geeigneten Methoden und Strategien erklären und anwenden.

Tab. 2:

Darstellung der Kompetenzentwicklung im Lernbereich „Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren“ für den Französischunterricht am Gymnasium gemäß Thüringer Lehrplan für den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife Französisch 2011.

Mit den 2011 veröffentlichten Thüringer Lehrplänen sind die Forderungen der Bildungsstandards für den Mittleren Schulabschluss, „Bezüge zwischen den von den Schülerinnen und Schülern erlernten Sprachen herzustellen und durch entsprechende Methoden und Einsichten Fähigkeiten zu lebenslangem, selbstständigem Sprachenlernen weiter zu entwickeln“ (KMK 2003, 7) und gleichermaßen die in den Standards für die Allgemeine Hochschulreife verbindlich eingeführten Kompetenzbereiche Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz (vgl. KMK 2012, 12) in Thüringen curriculare Wirklichkeit geworden.

4 Sprachenübergreifende Kompetenzentwicklung im Lern-und Leistungsraum

Vom Lehrplan führt kein direkter Weg in den Unterricht. Kompetenz kann man nur vermittels konkreter (Lern-) Handlungen entwickeln und erschließen. Hieraus erwächst auch für den Lernbereich „Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren“ die Rolle adäquater Übungs- und Aufgabengestaltung.

Die Lernenden sollen einerseits zu Einsichten in Struktur und Gebrauch der Zielsprache sowie anderer Sprachen und andererseits zu deren bewusster Nutzung in der mündlichen und schriftlichen Kommunikation geführt werden. Hierfür sind didaktisch-methodische Szenarien erforderlich, die Schülerinnen und Schüler anregen,

 sprachliche Phänomene bewusst, d.h. mit erhöhter Aufmerksamkeit, wahrzunehmen,

 Einzelphänomene aus komplexen Zusammenhängen zu isolieren, mit vorhandenen Sprachbeständen in der deutschen Sprache, ggf. in der Herkunftssprache und der/den anderen erlernten Fremdsprache/n sowie anderen verwandten Sprachen zu vergleichen, nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu suchen,

 sinnvoll Vergleichbares zu erkennen,

 Erklärungshypothesen auf der Grundlage von Vorwissen oder anhand von Oberflächenmerkmalen zu entwerfen,

 Hypothesen zu überprüfen,

 ihre Vorgehensweise beim Sprachenvergleich und dessen Ergebnisse zu dokumentieren und zu präsentieren,

 über ihr Sprachenlernen (beim Wortschatzerwerb, beim Lesen, bei der Sprachmittlung etc.) zu reflektieren.

Derartige Schülertätigkeiten können angeregt und gelenkt werden durch Instruktionen zur:

 Unterstützung der Wahrnehmung und Steuerung der Aufmerksamkeit, z. B.: Schau Dir an, (wie …), Finde heraus, (wie …), Überlege, wie/ob…, Stelle fest…, Ergänze…, Unterstreiche…;

 Anregung vergleichender Operationen, z. B. Vergleiche…, Ordne (zu)…, Finde/Markiere Gemeinsamkeiten und Unterschiede;

 Verbalisierung der Vorgehensweise und der Ergebnisse, z. B. Erkläre, wie du vorgegangen bist, Stelle dein(e) Ergebnis(se) vor, Besprich deine Ergebnisse mit einem Partner;

 Zusammenfassung, Speicherung der persönlichen Erkenntnisgewinnung, z. B. Formuliere eine Regel und schreibe sie auf, Notiere deine Ergebnisse.

Für die Konstruktion von Aufgaben zur zielgerichteten Förderung von Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz sind die nachfolgenden Anforderungen sehr wesentlich:

 die gleichzeitige Ausrichtung der Schülertätigkeiten auf die jeweilige Zielsprache und mindestens eine weitere Sprache sowie die Einbeziehung der deutschen Sprache,

 die Bereitstellung einer hinreichenden und erschließbaren Vergleichsbasis für die jeweilige Zielsprache zu anderen Sprachen,

 das Schaffen von Anknüpfungspunkten für die Wahrnehmung von Gemeinsamem, Ähnlichem und Unterschiedlichem,

 die Lernerperspektive, insbesondere im Sinne von kommunikativer Relevanz und Gegenwartsorientierung,

 die Unterstützung entdeckenden Lernens,

 die Anregung von Reflexion und Dokumentation von Lernprozessen und Lernergebnissen (cf. Behr 2010, 109-113).

Hilfreich sind in diesem Zusammenhang Aufgaben, die vom Schriftbild ausgehen, da mit der geschriebenen Sprache durch die selbstbestimmte Verweildauer der bewusste Umgang mit der Sprache geübt werden kann. Ferner kann durch optische Anordnung das Vergleichen erleichtert werden, und schließlich sind Selbstkontrolle und Ergebnisdarstellung besser möglich angesichts der Fixiertheit der Ausgangsbasis.

Schülerinnen und Schüler unterscheiden sich in ihren Lernvoraussetzungen und -bedingungen z. T. erheblich. Es obliegt folglich der Lehrkraft, Aufgaben unter Berücksichtigung der jeweiligen metakognitiven Dispositionen der Lernenden, ihrer Vorkenntnisse und Sprachlernerfahrungen differenziert einzusetzen, ggf. zusätzliche lernberatende bzw. aktivitätssteuernde Impulse vorzusehen, um Erfolge sprachenübergreifenden Lernens erlebbar zu machen und zu würdigen.

Mit zunehmender Sprachbeherrschung wächst der Grad der Selbstständigkeit bei der Aufgabenbewältigung und nimmt die Komplexität der in den Sprachenvergleich einbezogenen sprachlichen oder nichtsprachlichen Phänomene zu. Zudem gewinnen Aspekte des Zusammenwirkens von Sprache und Kultur an Bedeutung. Schließlich wird mit zunehmender Sprachbeherrschung die jeweilige Zielsprache sukzessive das Medium, das der Schüler/die Schülerin für Erläuterungen von Ergebnissen und entsprechenden Vorgehensweisen beim Sprachenvergleich, für das Bilden von Hypothesen und für die Reflexion nutzt. Die dazu benötigten sprachlichen Mittel müssen demzufolge konsequent in den Unterrichtsprozess einbezogen werden.

Publikationen des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien der Reihe „Materialien“, z. B. die Hefte 105, 1291 sowie Anregungen im Thüringer Schulportal2 zeigen Möglichkeiten der unterrichtspraktischen Umsetzung von Lehrplanzielen zum sprachenübergreifenden Lernen.

Mögliche leistungsrelevante Merkmale, die der Fremd- und Selbsteinschätzung zu Grunde liegen können, ergeben sich aus der Zielbeschreibung für die Kompetenzentwicklung im Lernbereich „Über Sprache, Sprachverwendung und Sprachenlernen reflektieren“ und betreffen:

 die Kenntnis und Nutzung sprachenübergreifender Lernstrategien, inkl. der Einbeziehung von Welt- oder Kontextwissen,

 die Arbeitsweise, auch in verschiedenen Sozialformen,

 die Dokumentation von Erschließungs-/Vergleichsprozess und/oder -ergebnis,

 die Reflexion auf Erschließungs-/Vergleichsprozess und/oder -ergebnis,

 die Nutzung von Möglichkeiten zur Überprüfung des Erschließungs-/Vergleichsergebnisses.

Konkrete Anregungen zur Umsetzung in Form einer Klassenarbeit finden sich in Behr 2020, 67 ff.

5 Sprachenübergreifendes Lernen und Lehren als ein Element von Schulentwicklung

Die schulentwicklerische Potenz sprachenübergreifenden Lernens und Lehrens besteht in der notwendigen Kooperation und Abstimmung der Lehrkräfte der Mutter- und Fremdsprachen(n) und in der möglichen Verbindung zu interkulturellen Zielsetzungen des Schulprofils oder Schulprogramms.

Kooperation und Abstimmung beziehen sich vor allem auf das prozedurale, deklarative und soziokulturelle Vorwissen der Schülerinnen und Schüler, auf mögliche Transferbasen sowie auf Sprachlern- und Reflexionstrategien aus der jeweils vor- oder nachgelernten Sprache und deren sprachenübergreifende Einordnung in den Spracherwerbsprozess. Dabei geht es sowohl um die Bestimmung von Ziel und Position sprachenübergreifender Übungssequenzen als auch um die Festlegung von Organisationsformen, um auch Nachhaltigkeit bei den Lernern zu bewirken. Daraus erwachsen konkrete Bezugspunkte für die schulinterne Sprachenkonzeptentwicklung sowie für die gemeinsame Arbeit in der Fachkonferenz Sprachen, z. B. im Zusammenhang mit Schwerpunktsetzungen bei der Kompetenzentwicklung, der individuellen Förderungen, der Leistungseinschätzung oder projektartiger Phasen in bestimmten Klassenstufen.

Schließlich hilft die Kooperation der Sprachenlehrkräfte dabei, das vermeintliche Defizit bezogen auf Sprachen, die man selbst nicht beherrscht, zu mindern. Hier zeigen die Erfahrungen bei der Erprobung von sprachenübergreifenden Übungsangeboten sowie in der Lehrerfortbildung, dass Lehrkräfte sich schwer tun, Schülern gegenüber fehlende Expertise einzugestehen. Der nachfolgende Auszug aus der Rückmeldung einer Kollegin aus einem Gymnasium macht die beschriebene Problematik deutlich. „Da ich als Lehrkraft leider nicht über ausreichende Französisch- und Lateinkenntnisse verfüge, konnte ich nur auf die Kenntnisse der Schüler zurückgreifen. Es war mir nicht möglich, sie zu werten oder zu korrigieren, so dass ich mich mit dem gegenseitigen Korrigieren durch die Schüler begnügen musste.“ (cf. Behr 2007, 187).

An diesem Beispiel wird auch deutlich, dass Sprachlehrerinnen und -lehrer Expertise vornehmlich an der Sprachbeherrschung und nicht an Strategiekompetenz festmachen. In diesem Fall fällt es dann schwer, Lernern den Wert von sprachenübergreifenden Lernstrategien überzeugend zu vermitteln.

Die Auswertung der Erprobung von sprachenübergreifenden Übungsangeboten in Thüringer Schulen (cf. Behr 2007) sowie Erfahrungen im Kontext der Implementation des gemeinsamen Lehrplankonzeptes für alle Sprachen zeigen, dass Lehrkräfte der modernen Fremdsprachen (v.a. der s.g. zweiten Fremdsprachen) sich in stärkerem Maße mit sprachenübergreifendem Arbeiten identifizieren und dies auch wahrnehmbar für die Schülerinnen und Schüler praktizieren. Hier könnte die Arbeit in einer Fachkonferenz „Sprachen“ das Bewusstsein für die gemeinsame Verantwortung der Sprachen/Sprachenlehrer füreinander an der Schule fördern und die innere Überzeugung entwickeln, dass die Entwicklung von Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz ein Ziel ist, das die Lehrkräfte der Mutter- und Fremdsprachen verbindet und nur gemeinsam erreicht werden kann und von dem alle gleichermaßen profitieren – vor allem die Schülerinnen und Schüler.

 

Das schulentwicklerische Potential sprachenübergreifender Kooperation bezieht sich auch auf einen weiteren Bereich – die Reflexion auf die eigene Arbeit. Sprachenübergreifendes Lernen als Ziel und Gegenstand des Sprachenunterrichts und gemeinsamer Fachkonferenzarbeit setzt im Interesse der Stärkung synergetischer Effekte gleichermaßen vorbereitende Abstimmung und nachbereitende Auswertung voraus und kann somit die Reflexionskultur im Kollegium befördern.