Kirchlicher Dienst in säkularer Gesellschaft

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Mehr als Paragraphen
Gedankensplitter für ein zu erneuerndes Kirchliches Arbeitsrecht
Peter Beer
I. Problematisches

Es gibt sie, die Menschen, die Freude an ihrer Arbeit haben. Sie gehen gerne zur Arbeit, freuen sich auf die Begegnung mit den Kolleginnen und Kollegen und wenn es einmal sein muss, dann schauen Sie auch nicht peinlich genau in immer kürzeren Intervallen auf die Uhr, um auf jeden Fall und auf dem schnellsten sowie erstbesten Weg den Betrieb wieder zu verlassen. Ohne sich von Arbeitgeberseite über den „Tisch ziehen“ lassen zu müssen, identifizieren sie sich so mit ihrer Tätigkeit, dass sie bereit sind, sich persönlich einzubringen. Das ist die eine Seite der Medaille. Denn es gibt auch Arbeitsverhältnisse, die geradezu gegenteilig erlebt und durchlitten werden. Nicht umsonst gibt es dafür einschlägige Bezeichnungen: Schinderei, Plackerei, elende Maloche, Quälerei, Hamsterrad und so weiter und so fort. Man mag es auf kirchlicher Seite so gar nicht recht glauben wollen, weil es doch (immer noch) so viele engagierte Leute gibt und man sich selbst als Wertegemeinschaft definiert oder sich zumindest so verstehen und darstellen will: aber auch im Verantwortungsbereich der Kirche gibt es im Kontext Arbeit Gründe, warum solche kirchlichen Arbeitsverhältnisse mit eher negativen Konnotationen verbunden und mit nicht weniger kritischen Begriffen belegt werden. Als Anlass dafür gilt z. B. nicht Wenigen die gegenwärtige Verfasstheit der Kirche, näher hin ihr dramatischer Glaubwürdigkeits- und Vertrauensverlust im Zusammenhang mit dem weltweiten Missbrauchsskandal, der sich auch auf den einzelnen Arbeitnehmer/die einzelne Arbeitnehmerin auszuwirken beginnt. Sie werden angesprochen, werden gefragt, wie sie für einen solchen „Verein“ tätig sein können und man stellt damit gleich ihre eigene moralische Integrität in Frage, obwohl doch eigentlich die derjenigen gemeint sein müsste, die die Verantwortung für den Skandal tragen. Gleichzeitig tun sich die so gescholtenen kirchlichen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen immer schwerer damit, die ihnen auferlegten Loyalitätsobliegenheiten nachvollziehen und somit auch akzeptieren zu können. Sie empfinden diese Obliegenheiten nicht selten als übergriffig und ihrer Eigenverantwortung zuwiderlaufend. Spätestens ab diesem Punkt wird deutlich, dass kirchliches Arbeitsrecht als ein Ausdruck der Organisationsform kirchlicher Arbeitsverhältnisse weit über den rechtlichen Aspekt hinaus in den Bereich der Frage nach dem Sinn, der Bedeutung und dem Deutungshorizont von Arbeit hineinreicht. Damit ist zugleich angezeigt, dass die rechtliche Diskussion über das kirchliche Arbeitsrecht dringend von einer eher theologisch-sozialethischen Diskussion nicht nur peripher sekundiert sondern gleichberechtigt begleitet werden muss. Gerade was letztere angeht, so ist es nachdrücklich auch Sache der Theologie das basal festzulegen, was es denn kirchenspezifisch überhaupt zu regeln gilt, was den Regelungsgegenstand ausmacht, und zu bedenken, ob der Regelungsbestand, also das bestehende Regelwerk kirchlichen Arbeitsrechts, jenem basalen Regelungsgegenstand grundlegend entspricht. Wirft man einen Blick auf das, was Theologie bzw. katholische Sozialethik zum Thema „Arbeit“ sagen und setzt man dies in Beziehung zu dem, wie kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das kirchliche Arbeitsrecht teilweise empfinden, dann können einem da schon gewisse Zweifel kommen, ob die soeben skizzierte Aufgabenstellung in ausreichendem Maße erfasst bzw. erledigt wurde.

II. Theologisches

Wirft man nur einen kurzen Blick in das „Kompendium der Soziallehre der Kirche“ des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden von 2004 (hier besonders das Sechste Kapitel im Zweiten Teil), dann lässt sich dort ein hehr gezeichnetes Bild der menschlichen Arbeit entnehmen.3 Einige wenige Aspekte davon seien nachfolgend exemplarisch kurz angeführt.

Menschliche Arbeit bedeutet Teilhabe am Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes. Durch Arbeit gestalten Menschen die Schöpfung Gottes mit und tragen dazu bei, die gemeinsamen Lebensbedingungen zu verbessern, im gemeinsamen Tun Solidarität zu üben. In und mit der Arbeit entwickeln sie Fähigkeiten und Kompetenzen eine gerechtere Gesellschaft mitzugestalten und schaffen die Bedingungen der Möglichkeit Freiräume für Kunst und Kultur sowie religiöses Leben zu schaffen. Die Arbeit ist Teil der Selbstermächtigung des Menschen, indem er sich selbst als Person entdeckt und seine Stärken und Schwächen, Potenziale und Grenzen erkennt. Gleichzeitig kommt mit der Arbeit die eigene Persönlichkeit zum Ausdruck. Die Ergebnisse, die Produkte der eigenen Arbeit sind insofern ein Stück weit ins Materielle gebrachte Ideen, Einstellungen, Haltungen zu sich selbst, zu den Mitmenschen, zur Welt als solcher. Wer sorgfältig mit seinem Werkstoff umgeht, nachhaltig Ressourcen verwendet, gewissenhaft Arbeitsziele umsetzt, sich in verantwortungsvoller Weise in den Wirtschaftskreislauf einbringt, sagt genauso viel über sich selbst aus wie diejenigen, die z. B. nur pro forma im Modus der Ehrlichkeit arbeiten, Leistung und Anstrengung vortäuschen. Arbeit bringt aber nicht nur Persönlichkeit zum Ausdruck, sie schafft auch wichtige Grundlagen dafür, sich als eigenständige Person erfahren zu können, indem sie wesentlich zum Selbstwertgefühl beiträgt. In der Arbeit und den dazugehörigen Prozessen können die Arbeitenden erfahren, dass sie – und zwar sie ganz persönlich – gebraucht werden; sie können ihr Können demonstrieren und Anerkennung gewinnen; Sie sind mit der entlohnten Arbeit in der Lage ihre Lebensgrundlagen selbständig zu schaffen und zu erhalten, was die eigene Unabhängigkeit bzw. die Erfahrung von Freiheitsgraden erhöht; mit Lohn und Arbeit können andere unterstützt, kann anderen geholfen werden, sodass sich der Einzelne als starkes Mitglied einer größeren Gemeinschaft verstehen kann. Das Erleben der Teilhabe an einer solchen Gemeinschaft entspricht der Verfasstheit des Menschen als soziales Wesen, das in der unangemessenen Vereinzelung und/oder Isolation Verlorenheit und Unglück erfährt.

III. Praktisches

Damit die Sichtweisen auf und das Verständnis von Arbeit gemäß der Soziallehre der Kirche nicht im Theoretisch-Abstrakten verbleiben, sondern für Arbeitsverhältnisse im Verantwortungsbereich der Kirche praktisch werden, bedarf es einiger wesentlicher Voraussetzungen, die das Fundament für entsprechende arbeitsrechtliche Regelungen darstellen können.

Die schon erwähnte Teilhabe am Schöpfungs- und Erlösungswerk Gottes deutet es bereits an. Es braucht eine grundsätzliche Vision, an der sich das Thema Arbeit verorten lässt und woraus sich Sinn und Zweck menschlicher Arbeit ableiten lassen. Eine solche Vision, ist sie denn klar und kann sie geteilt werden, macht es möglich im positiven Sinne stolz auf das eigene Tun zu sein, weil man sich als Teil von etwas Größerem verstehen kann, das immer wieder neu herausfordert. Arbeit ist in diesem Kontext nicht ein bloß mechanisches Wiederholen bzw. Abspielen festgelegter Abläufe, sondern sinnvolles Tun, das über den Moment hinaus Bestand hat.

Die Selbstermächtigung des Menschen, wie sie sich aus der Arbeit nach der Sicht der katholischen Soziallehre ergibt, setzt voraus, dass die Arbeitenden genügend Freiräume dafür haben. Vorschriften und Vorgaben bis ins kleinste Detail, deren Einhaltung mehr oder weniger lückenlos überwacht und bei Verstößen dagegen rigoros sanktioniert werden, lassen es wohl kaum gerechtfertigt erscheinen, auch nur ansatzweise an Selbstermächtigung zu denken. Das Gleiche gilt in den Fällen, in denen ein bestimmtes, auf die Organisation von Arbeitsverhältnissen abzielendes Regelwerk zwar breitmaschiger sein mag, aber an sich z. B. auf Grund mangelnder Konsistenz nicht verständlich und/oder als Ganzes in seinen Grundlagen und wahren Zielsetzungen nicht mehr verstehbar ist. In Folge davon bleiben dann auch das eigene Berufsverständnis und damit zusammenhängend das Verständnis der Eigenart der jeweiligen Arbeit bzw. Betriebsstätte, das das eigene Berufsverständnis kontextualisiert, rätselhaft. Wenn man jemandem die Chance nicht gibt, zu verstehen warum, wozu, weshalb er/sie etwas tut, dem/der nimmt man letztendlich auch eine wesentliche Chance zur Selbstermächtigung, zum Verstehen seiner/ihrer selbst und dem eigenverantwortlichen Umgang mit sich selbst, seinem Engagement, seinem Gestaltungswillen.

Wenn nach der katholischen Soziallehre in der Arbeit die jeweils eigene Persönlichkeit der Arbeitenden zum Ausdruck kommt, dann braucht es dazu aber voraussetzungsgemäß im und um den Arbeitskontext Differenzierungen, die nicht alle Arbeitenden über einen Kamm scheren, wenn es z. B. um Anforderungen, Aufträge, Kompetenzzuschreibungen, Verantwortungsgrade etc. geht. Nicht jeder muss alles können, aber jeder muss zum Ganzen der Zielsetzung einer Arbeitsorganisationseinheit beitragen. Dies entspricht nicht nur der Entwicklung hin zu einer immer arbeitsteiligeren Gesellschaft, in der die Individualität der einzelnen Arbeitenden dem gemeinsamen Ergebnis nicht entgegensteht. Es entspricht auch dem Gedanken der Bereicherung der Kooperation durch Pluralität bzw. Diversität. Dass durch Arbeit das Selbstwertgefühl gestützt wird, schließt Beteiligungs- und Mitsprachemöglichkeiten mit ein. Vor allem, wer sich äußern kann und wessen Äußerungen so wahr- und angenommen werden, dass sie etwas bewirken, der kann einen Eindruck davon gewinnen, wie er oder sie wertgeschätzt werden, was wiederum das Selbstwertgefühl stärkt.

Das bloße unhinterfragbare Entgegennehmen von Anweisungen kann dies nicht bewirken. Im Gegenteil: man erlebt sich als abhängiges kleines Rädchen im großen Getriebe, unbedeutend, weil beliebig austauschbar. In diesem Sinne greift eine reine Teilhabe an einer größeren Gemeinschaft zu kurz, wenn ihr eine nähere Spezifikation über die Idee der Gerechtigkeit fehlt und somit die Teilhabe nicht grundsätzlich gleichberechtigt ist. Einer solchen gleichberechtigen Teilhabe stehen auch unterschiedliche Rollen innerhalb einer Gemeinschaft nicht entgegen, solange eben diese Rollen gleichberechtigt dazu beitragen, die Gemeinschaft mitzugestalten.

 

Fassen wir also nochmals kurz zusammen. In den vorhergehenden Überlegungen sollte deutlich werden, dass das Verständnis von Arbeit nach kirchlicher Soziallehre auf bestimmte Voraussetzungen angewiesen ist, um von der Theorie in die Praxis, von der Abstraktion in die Konkretion zu kommen. Diese Voraussetzungen sind das Vorhandensein einer Vision, in der sich Arbeit verorten lässt; das Bestehen von Freiräumen und Verstehensmöglichkeiten in Bezug auf die jeweils eigene Arbeit; die Möglichkeit von Beteiligung und Mitsprache; die gleichberechtigte Teilhabe an einer großen Gemeinschaft. Als nächstes stellt sich die Frage, wie sich diese Voraussetzungen in der kirchlichen Arbeitsrechtssatzung konkret niederschlagen bzw. auswirken können und notwendigerweise Berücksichtigung finden.

IV. Notwendiges

Im Kontext bisheriger Diskussionen über das kirchliche Arbeitsrecht wird oftmals der sogenannte Verkündigungsauftrag in den Mittelpunkt gestellt. Einmal davon abgesehen, dass dabei nicht oder so gut wie nicht erläutert wird, was dieser Auftrag denn genau sein soll, dient die Verwendung des Begriffs Verkündigungsauftrag dazu, jenen Visionsrahmen abzustecken, innerhalb dessen kirchliche Arbeitnehmer ihre Arbeit verorten können und sollen. Auch wenn dies jetzt hier nicht näher ausgeführt werden kann, so entsteht nicht selten der Eindruck, dass der Verkündigungsauftrag in eins gesetzt wird mit katechetischen Bemühungen, die auf eine Erschließung des Wortes Gottes abzielen. Die Folge eines solchen wortlastigen Verständnisses des Verkündigungsauftrags führt dann dazu, dass viele kirchliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen jener Vision verlustig gehen, die sie für die sinnhafte Kontextualisierung ihrer Arbeit bräuchten, denn viele von ihnen, wie z. B. jene in den Bereichen Caritas, Finanzen, Technik, Soziales, haben ihren Arbeitsschwerpunkt eben nicht im strengen Sinn auf dem Feld der Katechese. Die Folge davon ist, dass eine wesentliche Grundlage für das kirchliche Arbeitsrecht in diesen Bereichen entfallen würde, obwohl die dort arbeitenden Menschen für den Dienst der Kirche in der Welt nicht unbedeutend sind und daher auch zur so oft beschworenen Dienstgemeinschaft gehören sollten. Vor diesem Hintergrund ist es sicherlich nicht falsch die These zu vertreten, dass die Rede vom Verkündigungsauftrag zur Markierung der Vision, in deren Rahmung sich kirchliche Arbeitsverhältnisse verorten ließen, ungeeignet bzw. nicht zutreffend ist. Ein weit geeigneterer Begriff wäre der des Sendungsauftrags. Er bezeichnet jenes Handeln in der Welt, das zur Errichtung des Reiches Gottes als Reich des Friedens, der Gerechtigkeit, der Hoffnung, der Freude und der Liebe beiträgt und das sich in unterschiedlichster Weise realisiert. Dieses Handeln lässt mehr Variationsbreite und Intensitätsgrade zu, als die mehr oder weniger alleinige Konzentration auf den ausdrücklichen Wortcharakter des Verkündigungsauftrags. Der Einsatz für eine gerechte, friedvolle Welt z. B., kennt auch die Ökumene der Anders- und Nichtglaubenden, die sich in Bezug auf das Wort Gottes und damit zusammenhängende Lehrgebäude als wesentlich schwieriger erweist. So kann es z. B. kirchliche Mitarbeitende geben, die zwar nicht die christlichen Glaubensinhalte teilen können, sich jedoch mit voller Überzeugung und ganzem Engagement die Ziele der Veränderung der Welt im Sinne des Reiches Gottes zu eigen machen und damit für die Kirche z. B. im Bereich der Krankenpflege und Sozialarbeit größte Bedeutung haben können.

Dass die Beteiligung am Sendungsauftrag der Kirche nicht konsequenzlos bleiben kann, ergibt sich aus der Einsicht, dass der Einsatz für Gerechtigkeit, Frieden, Hoffnung auf Glaubwürdigkeit angewiesen ist. Andernfalls wäre er in sich widersprüchlich und damit unwirksam. Gerechtigkeit und Frieden beispielsweise bauen auf Grundhaltungen der dabei interagierenden Menschen auf, die sich nicht auf bestimmte Dienstzeiten beschränken lassen, sondern sich gerade durch ihre Verlässlichkeit und Beständigkeit definieren. „Part-Time“-Gerechtigkeit gibt es nicht, sie wäre allenfalls Kalkül um in bestimmten gesellschaftlich-sozialen Konstellationen gut anzukommen. Um die schon erwähnte Glaubwürdigkeit zu sichern und die Eigenart des Einsatzes für das Reich Gottes im Sendungsauftrag zu markieren, bedarf es jener Loyalitätsverpflichtungen, die das berufliche Handeln aber auch darüber hinausgehende Lebensvollzüge betreffen, eben weil es das, um was es beim Reich Gottes geht, nicht in Teilzeit geben kann. Der Arzt des kirchlichen Krankenhauses kann eben nicht nebenher in Eigenregie als Nebentätigkeit eine professionelle, gewinnorientierte Sterbehilfeklinik betreiben; genauso wenig wie der kirchliche Religionslehrer in seiner Freizeit als Hauptagitator gegen die kirchliche Glaubenslehre in einem Atheisten- oder Agnostikerverband auftreten kann. An diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass sich die Loyalitätsverpflichtungen als Sicherungsmaßnahmen für Glaubwürdigkeit aus der konkreten Tätigkeit bzw. dem entsprechenden Berufsfeld und der Berufsgruppe ergeben. Glaubwürdigkeit und deren Sicherung durch Loyalitätsobliegenheiten können jeweils nur oder zumindest wesentlich konkret erschlossen bzw. abgeleitet und nicht abstrakt generell vorgegeben werden. In diesem Sinne gilt es dann auch sogleich festzustellen, dass ein Konzept von mehr tätigkeits- und einrichtungsspezifischen Loyalitätsobliegenheiten zur Sicherung der Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns jenem entgegensteht, das Loyalitätsobliegenheiten als katechetische Instrumente missversteht, um über arbeitsvertragliche Elemente ein bestimmtes „Glaubenslevel“ bei kirchlichen Mitarbeitenden abzusichern. Das vorgeschlagene Verständnis von Loyalitätsobliegenheiten als Instrument zur Sicherung von Glaubwürdigkeit steht darüber hinaus ebenfalls jenem entgegen, welches Loyalität mit Totalidentifikation verwechselt. Loyalität meint die Übereinstimmung in den wesentlichen handlungsleitenden Zielen, auch wenn es in anderen Punkten eine bestimmte Identifikationsvarianz gibt. Damit werden Handlungsspielräume eröffnet, die nicht Willkür bedeuten, weil sie durch die Loyalitätsobliegenheiten gefasst werden. Jene Fassung selbst kann aber auch vernünftig nachvollzogen werden, sie baut nicht auf absolut autoritärer Vorgabe auf, sondern sie erfährt eine plausible auf der beruflichen Tätigkeit und eben institutioneller Fassung beruhende Herleitung.

Die Differenzierung hinsichtlich der Loyalitätsobliegenheiten ermöglicht auch eine differenzierte Wahrnehmung der kirchlichen Arbeitnehmerschaft und somit des einzelnen Arbeitnehmers innerhalb einer Einrichtung, sei es im Kindergarten, Schule, Sozialstation o.ä. Ein kirchlicher Arbeitnehmer/eine kirchliche Arbeitnehmerin muss nicht alle Loyalitätsobliegenheiten – wie vorausgehend dargestellt – erfüllen, die es innerhalb einer Einrichtung auf Grund der dortigen Tätigkeitsfelder und der Eigenart der Einrichtung gibt. Nicht der Einzelne/die Einzelne hat die ganze Last aller Loyalitätsobliegenheiten zu tragen, alleine für die Glaubwürdigkeit einer Einrichtung als Ganzes zu sorgen, quasi als „Einzelkämpfer“/„ Einzelkämpferin“ in rechter Weise für die Erfüllung jenes Teils des Sendungsauftrags zu sorgen, den eigentlich eine Einrichtung in ihrer Gesamtheit zu erfüllen hat. Insofern kann man folgerichtig auch von einem einrichtungs- bzw. institutionenorientierten Ansatz des kirchlichen Arbeitsrechts sprechen, der sich von einem personenzentrierten Ansatz in der Hinsicht unterscheidet, dass er das differenziert Gemeinsame im Blick auf Sendungsauftrag und Glaubwürdigkeit unterstreicht.

Soll dieses Gemeinsame durchgängig greifbar sein und auch einen Beitrag zur Hebung des Selbstwertgefühls kirchlicher Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen leisten, wäre es vorteilhaft, wenn die Betroffenen selbst bei der Festlegung der von ihnen zu beachtenden Loyalitätsverpflichtungen beteiligt wären und es für sie Mitsprachemöglichkeiten gäbe. Damit würde sich nicht nur die Versteh- und Nachvollziehbarkeit dieser Obliegenheiten erhöhen, in deren Ausbuchstabieren würde auch noch einmal die gemeinsame Verantwortung für das gemeinsame Handeln unterstrichen.

Eine Stärkung des Gemeinsamen bzw. der Teilhabe an selbigem würde auch ein Überdenken des Terminus „Dienstgemeinschaft“ bedeuten. Es lässt sich nicht ganz von der Hand weisen, dass der bisherigen Fassung dieses Begriffs ein gewisses Gefälle zwischen Dienstgebern und Dienstnehmern inhärent ist, das seiner eigentlichen Zielrichtung zuwiderläuft. Während in dieser Dienstgemeinschaft die kirchlichen Arbeitnehmer Loyalitätsobliegenheiten zu beachten haben, ist dies bei den kirchlichen Arbeitgebern die Fürsorgepflicht gegenüber den kirchlichen Arbeitnehmern. Damit entsteht der Eindruck, als hätten die kirchlichen Arbeitgeber anders als die kirchlichen Arbeitnehmer keine Loyalitätspflichten gegenüber dem Sendungsauftrag zu erfüllen. Die Idee der Dienstgemeinschaft von kirchlichen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als gemeinsamem Dienst (wenn auch mit verschiedenen Rollen und Aufgabenstellungen) am Sendungsauftrag wird damit letztlich ad absurdum geführt. Es bedarf sicherlich noch mannigfacher Überlegungen zur genaueren Fassung von Loyalitätsobliegenheiten der kirchlichen Arbeitgeber gegenüber dem Sendungsauftrag der Kirche. Doch auch wenn dies noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, drängt nicht minder die Zeit, sich dieser Aufgabe zu stellen. Wie diese Aufgabe drängt, wird in unseren Tagen umso deutlicher, je mehr jene Verhaltensweisen von Vertretern der kirchlichen Arbeitgeberseite die Glaubwürdigkeit des kirchlichen Handelns als Ganzes in Frage stellen und damit auch kirchliche Arbeitnehmer unverschuldet gesellschaftlich in schwere Bedrängnis bringen. Natürlich muss es dann bei einem solchen Klärungsprozess bezüglich der Loyalitätsobliegenheiten kirchlicher Arbeitgeber auch darum gehen, auszubuchstabieren was es bedeutet, wenn jene Arbeitgeber gegen die für sie relevanten Loyalitätsobliegenheiten verstoßen.