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Investitionsbericht 2020–2021 der EIB - Ergebnisüberblick

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Etwas mehr als die Hälfte der EU-Unternehmen geht nicht davon aus, dass der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft ihr Geschäft in den nächsten fünf Jahren beeinflussen wird. Von jenen, die Auswirkungen erwarten, sieht die Mehrheit den Übergang als Chance. Sie erwarten, dass er die Nachfrage ankurbeln und ihren Ruf verbessern könnte. Allerdings erwarten die Unternehmen eher negative Auswirkungen auf ihre Lieferkette, und energieintensive Unternehmen rechnen insgesamt stärker mit negativen Effekten.

45 Prozent der EU-Unternehmen haben bereits in Maßnahmen für Klimaschutz oder Klimaanpassung investiert (gegenüber 32 Prozent in den Vereinigten Staaten), aber weniger Unternehmen planen dies für die nächsten drei Jahre. Die Quote der investierenden Unternehmen schwankt zwischen 50 Prozent in West- und Nordeuropa und 32 Prozent in Mittel- und Osteuropa. Für die nächsten drei Jahre plant ein etwas geringerer Anteil von 40 Prozent der europäischen Unternehmen, in Klimamaßnahmen zu investieren. Eine Mehrheit von 75 Prozent der europäischen Unternehmen gibt an, dass die Unsicherheit in Bezug auf die Regulierung und Besteuerung Klimainvestitionen im Wege steht.

Der Anteil der EU-Unternehmen, die nach eigenen Angaben in mehr Energieeffizienz investiert haben, erhöhte sich auf 47 Prozent – ein Plus von fast 10 Prozentpunkten gegenüber 2019. Der durchschnittliche Anteil der Investitionen in Energieeffizienz an den gesamten Investitionen stieg von 10 Prozent auf 12 Prozent, wobei große Unternehmen und das verarbeitende Gewerbe eher als andere investierten.

Unternehmen, die nach eigenen Angaben die physischen Risiken des Klimawandels bereits spüren und in deren Bewältigung investieren (in %)


Quelle: EIBIS 2020.

Mehr als die Hälfte der Kommunen hat ihre Klimainvestitionen in den letzten drei Jahren erhöht, zwei Drittel halten die Investitionen aber immer noch für zu gering. Aus der EIB-Umfrage 2020 unter Kommunen geht hervor, dass 56 Prozent ihre Klimainvestitionen steigerten, 66 Prozent jedoch nach eigener Einschätzung in den letzten drei Jahren nicht genug investierten. 44 Prozent der Kommunen haben mehr in die Anpassung an den Klimawandel investiert, aber 70 Prozent halten dies für nach wie vor unzureichend. Gut möglich also, dass Investitionen in die Klimaanpassung in Zukunft ein dringlicheres Thema werden.

Investitionen in die digitale Transformation

Der künftige Wohlstand Europas hängt davon ab, ob wir bei der nächsten Welle des industriellen Wandels – der Digitalisierung – ganz vorne dabei sind. Die digitale Revolution hat bereits Industriesektoren, Produktionsprozesse und unsere Lebens- und Arbeitsweise verändert, aber in vielem steht der Wandel noch ganz am Anfang. Wie bei früheren Technologiewellen könnte sich zeigen: Nur wer sich gleich an die Spitze setzt, bleibt auf Dauer wettbewerbsfähig. Doch die globale Innovations- und Technologielandschaft verändert sich rasant, und Europa läuft Gefahr, bei der Digitalisierung in der Verfolgerrolle steckenzubleiben.

Bislang hat sich die Digitalisierung weitgehend positiv ausgewirkt. Technologiewellen, wie die erste industrielle Revolution, bringen stets große Veränderungen mit sich, was die Arbeit, den Arbeitsort und den Qualifikationsbedarf betrifft. Die Digitalisierung hat bereits eine Verschiebung hin zu hoch qualifizierten Tätigkeiten ausgelöst. Diese Arbeitsplätze konzentrieren sich tendenziell auf bevorzugte städtische Gebiete, vor allem die Hauptstadtregionen. Unsere EIBIS-Daten zeigen: Unternehmen, die digitale Technologien eingeführt haben, sind produktiver, innovativer und exportorientierter. Sie schaffen mehr Arbeitsplätze als nicht digitale Unternehmen und zahlen im Durchschnitt auch höhere Löhne. In der Covid-19-Krise hat die Digitalisierung in hohem Maße stabilisierend gewirkt.

Ein schmerzhafter Anpassungsprozess steht aber jenen Unternehmen und Regionen bevor, die nachhinken. Wir beobachten gerade einen Trend zur wirtschaftlichen und geografischen Polarisierung, weil manche Unternehmen und Regionen bei der Digitalisierung weit vorne sind, während andere nur schleppend vorankommen. Maßgeblich für das Beschäftigungswachstum in den letzten Jahren waren vor allem neue Stellen in höher qualifizierten Positionen. In naher Zukunft könnte ein gewaltiger Umschulungsbedarf entstehen, wenn durch die Automatisierung immer mehr Arbeitsplätze für geringe und mittlere Qualifikationen wegfallen.

EU-Unternehmen führen verstärkt digitale Technologien ein, aber die Lücke zu den Vereinigten Staaten ist noch nicht geschlossen. 2020 hatten 37 Prozent der europäischen Unternehmen noch immer keine neuen digitalen Technologien eingeführt, gegenüber 27 Prozent in den Vereinigten Staaten. Immerhin wuchs der Anteil der digitalen Unternehmen in der Europäischen Union um fast 5 Prozentpunkte gegenüber dem Niveau von 2019, aber die Vereinigten Staaten verzeichneten ein ähnliches Plus. Besonders groß ist der Abstand zu den Vereinigten Staaten im Bauwesen und im Dienstleistungssektor sowie bei Technologien rund um das Internet der Dinge.

Einführung digitaler Technologien (% der Unternehmen)


Quelle: EIBIS 2019, 2020.

In Europa bremsen offenbar Unternehmensgröße und Marktfragmentierung die Digitalisierung. Wegen hoher Fixkosten und Hürden bei der Finanzierung von immateriellem Vermögen fällt es Großunternehmen oft leichter, in digitale Technologien zu investieren. Kleine und kleinste Unternehmen hinken beiderseits des Atlantiks bei der Digitalisierung deutlich nach. Die vergleichsweise geringe Durchschnittsgröße europäischer Unternehmen trägt wahrscheinlich zu den niedrigen Digitalisierungsquoten bei. Schließlich ist sie selbst zum Teil Ausdruck der anhaltenden Fragmentierung der europäischen Märkte entlang nationaler Grenzen. Das gilt auch für digitale Dienstleistungen.

Einführung digitaler Technologien durch Unternehmen und Kommunen (in %)


Quelle: EIBIS 2019, 2020; EIB-Umfrage 2020 unter Kommunen.

Die Kommunen kommen bei den Investitionen in digitale Infrastruktur voran, aber Unterschiede könnten zu einer weiteren Polarisierung führen. In den letzten drei Jahren haben 70 Prozent der europäischen Kommunen mehr in digitale Infrastruktur investiert. Mit Blick auf die Zukunft messen die Kommunen der Digitalisierung neben sozialen und Klimainvestitionen weiter hohe Priorität bei. Es gibt jedoch große regionale Unterschiede in der wahrgenommenen Angemessenheit der kommunalen Infrastrukturinvestitionen. Ein Mangel an digitaler Infrastruktur wird von 16 Prozent der EU-Unternehmen als großes Investitionshindernis angesehen, gegenüber nur 5 Prozent in den Vereinigten Staaten. Einiges weist auch darauf hin, dass in Kommunen mit einer besseren digitalen Kompetenz und Infrastruktur die Digitalisierungsquote bei den Unternehmen höher ist.

In der sich rasant verändernden globalen Innovationslandschaft verliert Europa an Boden. Die Europäische Union zählt zwar nach wie vor zu den Technologieführern, aber sie investiert gemessen am BIP weniger in Forschung und Entwicklung (FuE) als andere große Volkswirtschaften. Gleichzeitig entwickelt sich China zu einem Hauptakteur. Europas Schwäche sind die geringeren FuE-Ausgaben der Unternehmen. In verschiedenen traditionellen Branchen liegen europäische Firmen in puncto FuE mit an der Spitze, aber in wachstumsstarken digitalen Sektoren, wie Software und Computerdienstleistungen, sind sie weniger präsent. Und hier fordert China bereits die Vereinigten Staaten heraus. Vor allem im digitalen Sektor bringt die Europäische Union auch nicht viele neue Innovationsführer hervor, was langfristig ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden könnte.