Fremdsprachendidaktik als Wissenschaft und Ausbildungsdisziplin

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(Ansatzweise) Funktionalisierung von Grammatik

Ein weiteres Merkmal, an dem sich der Paradigmenwechsel zum kommunikativen Unterricht abzeichnet, ist die Tendenz, Grammatik aus dem Blickwinkel von Sprechabsichten zu sehen und die Funktion von Grammatik, weniger aber deren Form zu fokussieren.

In Echanges (Grunwald et al., 1981; Göller et al., 1985) war zwar von Sprechabsichten im Inhaltsverzeichnis bereits die Rede, im Übungsteil der Französischbücher waren sie aber nur indirekt in den Übungsdialogen, nicht aber konkret in Form von Redemitteln präsent. Redemittel werden im Übungsteil erst ab den 1990er und 2000er Jahren zum Lerngegenstand. In diesen Lehrwerken wird der Aufbau von Redemitteln und damit einer lexiko-funktional verankerten Grammatik aktiv durch Übungen unterstützt («On dit», z. B. Beutter et al., 1994, 1995; Bruckmayer et al., 2004). Dieser Ansatz wird allerdings nicht konsequent durchdekliniert. Redemittel sind in den Lehrwerken der 1990er und 2000er Jahre auf der Satzebene angesiedelte lexiko-grammatische Einheiten, die als Gesamtheit vermittelt werden, ohne dass die enthaltene Grammatikstruktur im Rahmen des Übungsprozesses über einen reflektierenden Zugang erschlossen und somit verallgemeinerbar wird. Es werden beispielsweise bei der Redeabsicht «Demander son chemin/Expliquer le chemin » (Beutter et al., 1994, S. 64) die Ordinalzahlen nur als lexikalisches und nicht als grammatikalisches Phänomen thematisiert.

Ein zentrales, theoretisches Anliegen des kommunikativen Ansatzes war die – idealisierte – Vorstellung eines/einer kommunikativ souveränen, emanzipierten Sprechers/Sprecherin. Diese Facette des Ansatzes findet sich in der Konzeption der in den 1990er und 2000er Jahren entstandenen Lehrwerke nicht wieder. Soziolinguistische und situativ-pragmatische Informationen werden nicht zum Lerngegenstand, so dass anwendungsbezogenes Zusatzwissen über den Kontextwert der Redemittel den Schüler/innen in den untersuchten Lehrwerken vorenthalten bleibt. «A Paris » und « J’habite à Paris » als mögliche Antworten auf die Frage danach, wo jemand wohnt, stehen unkommentiert, quasi auswechselbar, in einer Übung nebeneinander (vgl. Beutter et al., 1994, S. 24). Potentiell vorhandene, diaphasische Unterschiede innerhalb von Redemittellisten, obwohl ein wichtiger Aspekt von sprachlicher Bildung im Sinne der Habermas’schen Kommunikativen Kompetenz, werden ausgeblendet (z. B. Beutter et al., 1995, S. 31).

Eine eins-zu-eins Zuordnung von Redeabsicht und einem spezifischen grammatikalischen Phänomen wird es selten geben. Es lassen sich jedoch situationsspezifische Grammatik-Redemittel-Verbindungen finden, wenn die Passung zum Kontext gegeben ist. In den Lehrwerken gelingt diese Feinjustierung aber vielfach nicht, wie folgendes Beispiel zeigt: Struktureller Inhalt der Übung «Qu’est-ce que c’est en francais?» (Bruckmayer et al., 2004, S. 21) ist die periphrastische Frageformel. Im Sinne der Pragmadidaktik wird der Struktur eine der möglichen Redeabsichten unterlegt, und zwar das Erfragen der französischen Bezeichnung von Gegenständen (C’est un magasin. C’est le magasin de M. Dufour). Es ist ein Leichtes zu erkennen, dass die Verquickung von Sprachstrukturen und Sprechabsichten nicht passen will. Oberflächenstrukturell zeigt sich bei dieser Übung der Einfluss der Pragmatik. Tiefenstrukturell erfüllt eine solche Übung nicht den Anspruch an die Kohärenz, die textlinguistisch erforderlich wäre; mit dem Ergebnis, dass Schüler/innen zwar lernen, grammatikalisch korrekte Sätze zu bilden, nicht jedoch sie angemessen anzuwenden.

Ineinanderwirken von Bewusstmachung und Habitualisierung

Wenngleich aufgrund der Hinweise auf das grammatische Beiheft davon auszugehen ist, dass die Grammatikvermittlung überwiegend kognitivierend erfolgt, so wird der Übungsprozess durch Habitualisierung unterstützt und ergänzt. Die o. g. Übung zur Redeabsicht Nach dem Alter fragen ist im Grunde genommen eine Art verkürzter pattern drill, was sich auch in weiteren Übungen findet.

Visualisierungen in Übungen – nicht immer Sein, vielfach nur Schein!

Vergröbernd kann man sagen, dass die Bebilderung in den Übungen (Zeichnung, Foto, Skizze, schwarz-weiß/farbig) von den 1980er bis in die 2000er Jahre hinein stark zugenommen hat. Bilder werden sowohl in didaktisch-methodischer, d. h. übungssteuernd (Göller et al., 1985, S. 59/1), wie auch rein illustrativer Funktion (z. B. ebd., S. 59/2) verwendet. Wie wenig aber die Hinwendung zu einem inhaltlich-kommunikativen Lernen erfolgt ist, zeigen Übungen wie «Beurk, ce n’est pas bon!» (Alamargot et al., 2005, S. 26), einer Bildgeschichte, deren Pointe darauf hinausläuft, dass Kochversuche scheitern und daher «Dimanche dernier, M. Carbonne et ses enfants ont dû manger au restaurant ». Als Impuls würden im Grunde die den Handlungsablauf vorskizzierenden Fotos genügen. Diesen sind aber Sätze zugeordnet, die nur in der richtigen Zeit zu ergänzen sind und die Storyline somit festgelegt ist. Für selbstformuliertes Erzählen bleibt kein Platz. Ohne die Fotos würde sich die Übung nur wenig von denen unterscheiden, die man schon Jahrzehnte zuvor kannte.

Der ‹Text› als Basiseinheit

Die Lehrwerke der (neo-)kommunikativen Phase beziehen Grammatik nicht mehr auf den Einzelsatz. Sie ist als Teil einer in sich geschlossenen größeren verbalen Einheit zu sehen, die in einen kommunikativen Handlungszusammenhang (fiktiv/real) eingebettet ist.

Die Lehrwerke der (neo-)kommunikativen Ära wählen bei Grammatikübungen die Basiseinheit Text, den Weinrich (1982, S. 28) als «linear geordnete Äußerung, die im Zeitraum zwischen zwei auffälligen Unterbrechungen der Kommunikation von den Sprech- oder Schreiborganen des Senders zu den Hör- oder Sehorganen des Empfängers wandert» definiert. Ob es sich immer um eine unity of meaning in a context (Halliday & Hasan, 1976, S. 203) handelt, mag man bezweifeln.

In Echanges 1 und 2 (Grunwald et al., 1981; Göller et al., 1985) ist die vorherrschende Textform der Dialog. Dies ist naheliegend, lassen sich doch komplementär sich ergänzende, grammatikalische Mittel wie die Personal- oder Possessivpronomen in Mini-Gesprächen einüben. Oft finden sich kommentierende Texte, die Inhalte der Lektion (und damit auch den Wortschatz) wiederholen, wobei als eigentliches Ziel das Üben eines bestimmten Grammatikphänomens im Vordergrund steht. Wenn auch der situative Bezug zum Lektionsinhalt oder den Lehrwerkspersonen in aller Regel in den Übungen gegeben ist, so erklärt sich den Schüler/innen die Sinnhaftigkeit dieser Übungstexte kaum. Die Einbettung des Textes in die «environment in which it is placed» (Halliday & Hasan, 1976, S. 203) bleibt so gut wie immer in solchen Übungen der (neo-)kommunikativen Ära unbenannt.

«Les petites choses de la vie» ist eine Übung, bei der die Verbformen von devoir, recevoir und courir (im présent bzw. passé composé) eingeübt werden sollen. Der Fokus auf die Grammatik wird mit einer Art Leseverstehen verknüpft. Es gilt den jeweils vervollständigten Satz mit einem weiteren, aus einer Auswahl an vorgegebenen Sätzen zu einem Mini-Text zusammen zufügen, etwa: Christian mange beaucoup de crêpes. Il doit avoir faim (Alamargot et al., 2005, S. 27/6). Was trotz des Bemühens um einen kommunikativen Anstrich in den Lehrwerken aus dem Blick gerät, ist die Frage nach der Umgebung, in der diese Texte ihren Platz haben. Wer formuliert sie, sei es mündlich oder schriftlich? Warum sagt oder schreibt jemand so etwas? In welchem Zusammenhang werden sie formuliert? Und vor allem: an wen richten sich diese Texte? Auch in diesen auf den ersten Blick kommunikativ anmutenden Übungen liegt der Fokus im Grunde auf der Grammatik. Die Redeabsichten werden ebenso wenig explizit gemacht wie die Kommunikationssituation geklärt, so dass, im Ergebnis, die Relevanz der Äußerungen nie deutlich wird. Es ist, wie das Beispiel zeigt, nicht immer möglich die Trias von Kommunikationssituation – Redeabsicht/en – grammatikalischer Struktur zu finden, aus der sich die Gebrauchsregeln einer Sprache ergeben. Dennoch ließen sich zusammen mit den Schüler/innen in einer Reflexionsphase (z. B: «Trouvez des situations pour les mini-textes/dialogues dans … Qui parle avec qui et pourquoi?») Übungstexte auf ihre kommunikative Relevanz überprüfen (im Sinne von Sprachbewussheit), Grammatik auf ihren Gebrauchswert pragmatisch ausdeuten (vgl. Mertens, 2006a, S. 171) und Unsinniges in den Lehrwerken entlarven, was letztlich eine höchst kommunikative Aktivität ist.

Eklektisches Lehrkonzept

Die Antwort auf die Frage, welches Lehrkonzept für das Einüben von Grammatik in dieser (neo-)kommunikativen Phase präferiert wird, ergibt ein sehr uneinheitliches Bild. Es lassen sich Beispiele für induktive (z. B. Bruckmayer et al., 2004, S. 18) wie auch deduktive Vorgehensweisen (z. B. Bruckmayer et al., 2004, S. 44), für explizit bewusstmachende (Göller et al., 1985, S. 52/29), aber auch für signalgrammatische Vermittlungsweisen (Bruckmayer et al., 2004, S. 29), oder solche finden, die qua Habitualisierung den Spracherwerb fördern wollen (z. B. Beutter et al., 1994, S. 43/11; S. 80/5). Diese Art Übungen sollen eine hohe Frequenz des unterrichtlichen ‹Sagens bzw. Aufschreibens› erlauben. Es handelt sich – trotz aller visueller Aufbereitung – um eine Strukturübung, die eine hohe Frequenz von Gesagtem garantieren soll, nicht jedoch zu Gemeintem führen kann, da die Lernenden keine Impulse dafür haben, welche Inhalte sie eigentlich kommunizieren sollen. Die Arbeit an der sprachlichen Form unter weitgehender Ausklammerung des Inhalts und der Klärung der Bedeutung des Gesagten innerhalb eines kommunikativen Rahmens lässt sich an vielen weiteren Beispielen nachweisen.

 

Schülerorientierte Aufbereitung der (Grammatik-)Übungen

Die Lehrwerke von 1980 bis in die 2000er Jahre werden, was beim Durchblättern ins Auge sticht, bunter, bebilderter und mit allerlei unterstützenden Hinweisen versehen. War in den 1970er wie 1980er Jahren eine sprachliche Form in aller Regel von den Schüler/innen selbst zu finden, so sind ab den folgenden Versionen eine Reihe von layouttechnischen Hilfen (z. B. Fett- oder Farbdruck; Formenkästen) erkennbar (z. B. Alamargot et al., 2005, S. 40/6; S. 75/12).

Fazit: Echanges und Découvertes der 1980er, 1990er und 2000er Jahre sind auf den ersten Blick um Inhalte herum organisiert. Diese ranken sich um fiktive Personen in Frankreich und bilden die Grundlage für den Französischlehrgang. Im Inhaltsverzeichnis wird suggeriert, dass der Sprachgebrauch, im Sinne von Nunans use, eine Rolle spielen soll. Redeabsichten werden als wichtiger Pfeiler der Lehrwerke beworben und die Grammatik scheint ihnen dienend zugeordnet zu sein. Die Analyse ausgewählter Beispiele hat gezeigt, dass dies vielfach nicht der Fall ist. Die kommunikative Situierung spielt kaum eine Rolle und der formal-grammatischen Komponente wird weiterhin der Vorrang gegeben. Insofern ist es unserer Einschätzung nach zu optimistisch, wenn Koch (2001, S. 6) die Lehrwerke ab den 2000er Jahren als eine auf traditionellen Vorstellungen beruhende Mischform einordnet, «die pragmatisch ergänzt wird, indem den grammatischen Phänomenen Kommunikationsabsichten zugeordnet werden».

Grammatik wird in diesen Lehrwerken auf allerlei Weise methodisch gefällig verpackt, man präsentiert sie kunterbunt, man darf sie hüpfen, singen, tanzen. Das was Grammatik allerdings aus- und verfügbar macht, die Trias von Form, Bedeutung und Gebrauch, wird, so mein 2. Zwischenfazit, im Übungsprozess weitgehend unterschlagen. Übungen können stimmig werden, wenn Kontexte eindeutig benannt sind oder Lerner/innen sich Situationen ausdenken, in denen die Übungssätze verankert sind. Kognitivierung geht dann über das enge Nachdenken über Formen hinaus und schließt Nachdenken über das Funktionieren von Sprache in situativen und kulturellen Rahmungen mit ein. Den mündigen Lerner bzw. die mündige Lernerin hatten die Lehrwerke der (neo-)kommunikativen Phase noch nicht im Sinn.

3.3 In Lehrwerken der aufgabenorientierten Phase

Van den Branden definiert das Konzept Aufgabe folgendermaßen: «A task is an activity in which a person engages in order to attain an objective, and which necessitates the use or language» (ebd., 2006, S. 4). Kurz und knapp stellt er heraus, dass sich Aufgabenorientierung durch das Vorhandensein einer Problemsituation und die Bereitschaft, diese mit sprachlichen Mitteln lösen zu wollen, auszeichnet. In aller Regel wird im institutionalisierten Unterricht ein Task-Supported-Language-Learning praktiziert, bei dem den Aufgaben die Rolle eines «pädagogische[n], lehrbuchbasierte[n] Werkzeug[s]» (Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 32018, S. 203) zukommt, welches vom Lehrwerk vorstrukturiert wird. Für die Praxis hilfreich hat sich ein Zyklus aus drei Phasen erwiesen, in der die Aufgabe vorbereitet, durchgeführt und nachbereitet wird (vgl. Müller-Hartmann & Schocker-von Ditfurth, 2018, S. 205; Mertens, 2017, S. 10). In diesem Zusammenhang ist die Erkenntnis der Aufgabenforschung wichtig, dass die Beschäftigung mit Sprache an verschiedenen Stellen zur Unterstützung des Erwerbprozesses notwendig ist. Bestandteil der Aufgabenorientierung ist ein «focus on form in which learners‘ attention is drawn to linguistic features if and when demanded by the communicative activities and the negotiation of meaning learners are engaged in» (Kumuravadivelu, 2006, S. 129).

Versteht man unter Aufgabe «ein mehr oder weniger umfangreiches Lernarrangement […], das die Lernenden mit realitätsnahen, alltagsbezogenen Handlungssituationen konfrontiert, innerhalb derer Themen bearbeitet, Problemsituationen bewältigt und Ergebnisse erzielt werden sollen» (Mertens, 2017, S. 9), dann ist Fremdsprachenlernen nicht mehr eine zeitliche Abfolge von Lernen und nachgelagerter Anwendung des Gelernten, sondern ein paralleles Geschehen, bei dem die Anwendung mit dem Lernen zusammenfällt und der für die Bearbeitung der Aufgabe notwendige Bedarf an Sprachmaterial, sich aus der Aktivität heraus entwickelt. Das bedeutet für das Mittel der Grammatik,

 dass sich im Idealfall die Auswahl der Grammatikstruktur aus dem Nutzen der Struktur für die sich aus der Problemsituation ergebende Kommunikation ableitet;

 dass Grammatik als funktional-semantische und dann erst als formale Einheit gesehen wird;

 dass das Lernangebot im Lehrwerk eine von mehreren Möglichkeiten darstellt, um zum Ziel – d. h. zum erfolgreichen Bearbeiten der Aufgabe – zu gelangen.

Mit den ab 2010 erscheinenden Lehrwerken A plus (beginnend mit Blume et al., 2012) und Découvertes (beginnend mit Bruckmayer et al., 2012) wird erstmalig der Begriff ‹Aufgabe› (bzw. tâche) in für den deutschen Markt bestimmten Französischlehrwerken erwähnt. In Découvertes (Bruckmayer et al., 2012, 2013) zeigt sich dieses Bekenntnis zur Neuorientierung in der Verwendung des fachdidaktischen Begriffs im Inhaltsverzeichnis und in abschließenden Teileinheiten mit Anwendungsaufgaben («Pratique: tâches – Anwendungsaufgaben»). Es stellt sich die Frage, wie in dieser Generation am Übergang zur Aufgabenorientierung (wie auch in der sich abzeichnenden 2020er Generation) mit dem Widerspruch umgegangen wird, der im Konzept Aufgabe und dem Medium Lehrwerk liegt. Ersteres steht pauschal gesagt für Individualität, Freiheit, Eigenständigkeit und den Fokus auf Problem lösendes, sprachliches Agieren; Zweiteres ebenso pauschal für Konformität und Konfektionierung, Engführung, Lenkung und den Fokus auf Sprachmaterial. Die Antwort auf diese Frage kann relativ kurz ausfallen: Découvertes 1 und 2 (Bruckmayer et al., 2012, 2013) verfolgen, trotz der oberflächig zur Schau getragenen konzeptionellen Wende, weiterhin einen mehr oder weniger überzeugenden kommunikativen Ansatz, der sich hinsichtlich der Grammatik folgendermaßen präsentiert:

(Teilweise) Funktionalisierung von Grammatik

In der tabellarischen Darstellung im Inhaltsverzeichnis wird lektionsweise aufgeführt, welche Redeabsichten in den Lektionen erworben werden. Interessant ist hier die Zuweisung der Redeabsichten zu Teilkompetenzen: Parler, Ecouter, Ecrire, Lire, wobei sich diese Zuordnungen nicht eindeutig erschließen und vermutlich mehr den Erfordernissen des Lehrbuchcurriculums, denn einer Sachlogik geschuldet sind. Redemittel sind Bestandteil der Lektionstexte, sie finden sich in «On dit»-Kästen (Bruckmayer et al., 2013, S. 47/8) und sind teilweise Gegenstand von Grammatikübungen (Bruckmayer et al., 2012, S. 52/9). Ab Band 2 wird erkennbar, dass nicht mehr wie im Eingangsband isolierte und enge Redeabsichten im Fokus stehen, sondern umfassendere, die Einzelstruktur übersteigende, mehr oder weniger komplexe, kommunikative Szenarien.

Dialogische Einbettung der Übungen

Weiterhin scheint diesen Anfangsbänden eine grammatikalische Progression unterlegt zu sein. So findet man an diversen Stellen, wenn auch in abgewandelter, layouttechnischer Aufbereitung, bereits aus den Vorgängerversionen bekannte Übungen.

Ausklammerung des Kontextes

Der Schwerpunkt auf formalgrammatische Aspekte der Strukturen wird in Übungen wie den gezeigten klar durch die Rubrik «En forme» herausgestellt. In der Regel handelt es sich hierbei um mündliche Lernangebote. Es stellt m. E. einen Konzeptionsfehler dar, hier phonologische Strukturen der Sprache, wie Betonung/Akzent oder Lautstärke, als notwendige Bestandteile einer kontextualisierten Grammatik auszuklammern, denn dadurch werden sinnentleerte Verwendungen antrainiert und die Gelegenheit zu zielführendem, kommunikativem (Probe-)Handeln verpasst.

Überschriften oder Illustrationen dienen in den Übungen vielfach allein zur Verschönerung der Seite, bisweilen als Impulsgeber für das Sagen/Schreiben von Äußerungen, nicht aber zur Klärung des Kontextes und der Gesprächsintention, was die Wahl der Grammatikstrukturen zur Versprachlichung sinnhafter Inhalte rechtfertigen und zu ihrer Begründung beitragen würde. Découvertes 1 und 2 erweisen sich hinsichtlich der Grammatikübungen nur vordergründig als aufgabenorientiert. Selbst vor der Folie eines (eher konventionellen) kommunikativen Fremdsprachenunterrichts vermögen viele Übungsbeispiele in diesen Bänden nicht zu überzeugen. Grammatiklernen präsentiert sich – so der Eindruck – weiterhin nach dem Zimmermann’schen Phasenmodell (1969), bei dem die Anwendung erst ganz am Ende ihren Platz findet. Ist dieses Lehrwerk am Wendepunkt zur Aufgabenorientierung im Hinblick auf Grammatik kaum mehr als eine Neubearbeitung und teilweise ein Rückschritt gegenüber früheren Generationen, und schon gar nicht aus der Philosophie eines aufgabenorientierten Unterrichtens gedacht, so sei abschließend noch ein kurzer Blick in die 2020er Generation geworfen, die mit einem ersten Band vorliegt.

Die Grundmuster sind in diesem ersten Schülerband von Découvertes (Bernklau et al., 2020) gleich geblieben. Grammatik wird auch hier am Ende der Lektion verdichtet zusammengestellt, im Übungsapparat widmen sich einzelne Übungen («Grammaire») explizit den Grammatikphänomen, im Inhaltsverzeichnis steht sie neben der Lexik und der Aussprache erst in der 3. Spalte und scheint den Kompetenzen dienend nachgeordnet zu sein.

Das Bekenntnis zur Aufgabenorientierung wird in dieser Neubearbeitung (vgl. ebd., S 14, 29, 48, 63, 84, 100, 117) offensiver vorgetragen, findet sich doch nun auch in Découvertes eine Aufschlagseite mit Angabe der Aufgaben und der behandelten Grammatik. Die Zuordnungen sind allerdings irreführend, insofern als der Zusammenhang zwischen den als Aufgaben bezeichneten Aktivitäten und der jeweiligen Grammatik nicht bei jeder tâche zwingend gegeben ist.

In Unité 1 («Euch und andere vorstellen») ist z. B. nicht erklärbar, weswegen für eine Situation, in der man sich vorstellt, der unbestimmte Artikel Singular un/une gebraucht werden soll. Andererseits werden in einem Dico personnel-Kasten deutsche, schweizerische und österreichische Städte auf Französisch benannt, um seine Herkunft angeben zu können. In der gesamten Lektion wird aber nicht darauf geachtet wird, an irgendeiner Stelle den chunk «Je suis d’Allemagne/de Suisse/d’Autriche » bereitzustellen, den Schüler/innen in dieser Aufgabe im Grunde auch verwenden wollen könnten, zumal die Ländernamen bereitgestellt werden.

Von wenigen Beispielen abgesehen, definieren die Aufgaben weder eine Problemsituation, noch klären sie die kommunikativen Rahmenbedingungen oder rechtfertigen sie den Einsatz der französischen Sprache. Die konzeptuelle Weiterentwicklung, was die Einbindung grammatikalischer Strukturen in einen modernen Französischunterricht angeht, deutet sich auch in dieser neuen Découvertes-Generation nicht an. Trotz eines deutlich umfangreicheren und größtenteils erneuerten Autorenteams bleibt Découvertes hinsichtlich der Behandlung grammatikalischer Strukturen in Altem verhaftet. Das Lernkonzept bietet einen Mix an Herangehensweisen an, von den Satzbautafeln, Einsetzübungen, Zuordnungsübungen, Reihenübungen, über den Versuch einer Verknüpfung mit der Lebenswelt der Lernenden hin zu Grammatikanwendung im Dialog, deren kommunikativer Sinn sich einem nur schwer und dem Zielpublikum vermutlich noch weniger erschließt.