COACHING-PERSPEKTIVEN

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Konsequenzen für Coaching:

Der Auftrag und die Erwartung der Organisation ist die schnelle Behebung von Störungen im sonst idealen Ablauf. Die Verantwortung liegt entweder beim Coach, der die richtigen Methoden und Instrumente anwendet, um die nicht richtig funktionierenden Elemente wieder in Ordnung zu bringen, oder beim Coachee, der im Zuge der Selbstoptimierung noch nicht so weit ist, um organisationale Problemlagen gut zu bewältigen.

Coaching dient häufig auch zum Spannungsabbau innerhalb der Organisation und damit zum Vermeiden von strukturellen Lösungen oder dem Erkennen und Zulassen von Paradoxien im Unternehmensalltag.

Die Erwartung der Führungskraft ist häufig die schnelle und schmerzfreie Behebung der Störung, verbunden mit einer gewissen Selbst- und Fremdüberhöhung.

2.2. Organisationen sind Arenen, in denen Akteure um die Durchsetzung ihrer Interessen ringen

Dem konsequent durchrationalisierten Bild von Organisationen, wie es Unternehmen nach den Theorien von Weber und Taylor gerne für sich in Anspruch nehmen, wird häufig ein anderes Bild gegenüber gestellt. Demzufolge können Organisationen, selbst bei Dienst nach Vorschrift, nie optimal funktionieren, sie laufen nie so regelkonform ab, wie es auf dem Papier steht, und die Hierarchie kann längst nicht alles festlegen, was geschieht oder geschehen kann. Aus dieser Sicht existieren in Organisationen Räume für strategisches, machtorientiertes Handeln von Individuen oder Koalitionen.

Der mikropolitische Ansatz geht davon aus, dass im Rahmen einer begrenzten Rationalität opportunistische Akteure vorhanden sind, die versuchen, sich aktiv eigene Machtpotentiale zu schaffen, und dass es nicht eine Einflussrichtung, sondern vielfältig vernetzte Einflussquellen gibt.

Macht definiert sich hierbei aus der Möglichkeit, Kontrolle über bedeutsame Unsicherheitsbereiche zu erlangen, verbunden mit der Fähigkeit, Ressourcen oder Koalitionen für die eigenen Interessen zu mobilisieren. Macht ist dabei nicht an eine Person gebunden, ist kein Besitzstand eines Akteurs, sie ergibt sich aus dem Netzwerk der Beziehungen und ist ein Ergebnis der Handlungen.

M. Crozier und E. Friedberg haben vier große Machtquellen benannt, die den jeweils relevanten Ungewissheitsquellen der Organisation entsprechen. Neben dem Expertenwissen identifizieren sie als weitere Machtquellen die Beziehungen zur Umwelt, die Kontrolle von Informations- und Kommunikationskanälen und die Nutzung organisatorischer Regeln. (Kieser / Walgenbach 2003; 57)

»Allerdings kann Macht in der Regel nicht zum Verschwinden gebracht, sondern nur unterschiedlich eingesetzt werden. Macht ist also nichts negatives, nicht durchgängig repressiv, sondern der grundlegende Aspekt jeder sozialen Beziehung. In dieser Sichtweise ist Macht also nicht nur ein Ausdruck von Zwängen, sondern zugleich die Vorbedingung für die Freiheit.« (Crozier 1993, 33)

M. Crozier und E. Friedberg führen für die Vermittlung zwischen den Freiheiten des Individuums und dem Zwang der Organisation das Konzept des »Spiels« ein.

»Das Spiel ist das Instrument, das die Menschen entwickelt haben, um ihre Zusammenarbeit zu regeln. Es ist das wesentliche Instrument organisierten Handelns. Es vereint Freiheit und Zwang. Der Spieler bleibt frei, muss aber, wenn er gewinnen will, eine rationale Strategie verfolgen, die der Beschaffenheit des Spiels entspricht, und er muss dessen Regeln beachten. Das heißt, dass er zur Durchsetzung seiner Interessen die ihm auferlegten Zwänge zumindest zeitweilig akzeptieren muss.« (Crozier / Friedberg 1979, 69)

Entscheidungsfindungen erfolgen durch:

• Übersehen der tatsächlichen Probleme mit sofortigen Entscheidungen, die auf die beteiligten Akteure Druck ausüben;

• Flucht vor Problemen: Aufschieben der Entscheidung bis es sich von selbst löst

• Lösung des Problems: Intensive Problembearbeitung.

Computersimulationen für Entscheidungsprozesse ergaben eine deutliche Konzentration auf die Varianten Übersehen und Flucht.

Formelle wie auch informelle Regeln schaffen Verhaltenssicherheit und ordnen den Handelnden bestimmte Handlungsräume zu. Sie begrenzen das Spielfeld für die Spiele und bewirken auf indirektem Wege den Zusammenhalt und Kontrolle der widersprüchlichen mikropolitischen Strategien. Die Strukturen schränken einerseits das Handeln der Organisation und seiner Individuen ein, andererseits fordern sie es heraus: Das Überleben der Organisation ist zu gewährleisten.

Konsequenzen für Führung in Organisationen:

Hat die Führungskraft die politischen Vorgänge innerhalb ihrer Organisation identifiziert, so ergibt sich für sie ein Handlungsspielraum. Führungskräfte als beteiligte Akteure sollten in der Lage sein, diese Handlungsräume aber auch zu nutzen, um ihrer Rolle gerecht werden zu können.

Sie müssen also, wie Führungskräfte in anderen Bereichen auch, auf politische und mikropolitische Handlungsstrategien zurückgreifen:

• Freundlichkeit, Beziehungspflege

• Tauschhandel anbieten und praktizieren

• Vorteile besprechen und beschaffen

• Fordern, gegebenenfalls unter Druck setzen, mit Nachteilen drohen

• Bündnisse schließen, Koalitionen eingehen

• An höhere Werte, Idealismus appellieren

• Höhere Vorgesetze einschalten, aber auch gegebenenfalls umgehen

• oder von unten führen

• im Einzelfall sogar manipulieren, täuschen, überreden usw.

Das stellt das übliche Repertoire dar, in Machtarenen mit widersprüchlichen, komplexen Situationen umzugehen. Praktiziert wird dies allemal – vorteilhaft könnte es sein, die obigen Muster zu kennen, um das tatsächliche Dilemma professioneller handhaben zu können.

Konsequenzen für Coaching

An Coaching ist hier häufig die Erwartung gebunden, differenzierte und hochwirksame Handlungsmuster für die politische Bühne zu erhalten oder auszubauen. Die Gefährdung entsteht durch vielfältige Koalitionsangebote »Wir gegen die Organisation oder wichtige Personen«, der Coach wird zum Übungsobjekt für Instrumente der Einflussnahme. Reflexion erfolgt unter dem Leitthema: Wie kann ich noch besser meine persönlichen Ziele erreichen und dabei meine Konkurrenten so einbinden, dass sie für die Verwirklichung meiner Ziele arbeiten?

Flexible und mitschwingende Führungskräfte, die die informellen Spielregeln beherrschen und damit den organisationalen Rahmen stabilisieren, sind aus den Augen der Organisation erstrebenswert. Politische Akteure stellen die Organisation nicht in Frage, sie erzeugen die nötige Dynamik, um die Komplexität zu reduzieren oder auch zu erhöhen.

2.3. Der systemische Blick auf Organisationen

Neben der mechanistischen und der machtorientierten Betrachtung gewann beim Nachdenken über Organisationen die systemtheoretische Sicht Relevanz. Aus dem sehr reichhaltigen, differenzierten Gedankengebäude der Systemtheorie werden im Folgenden drei Aspekte skizziert: Der Blick auf Organisationen, der Prozess der Autopoiese und das Verhältnis von Person und Organisation.

Was versteht die Systemtheorie unter einer Organisation?

Einige Annahmen dazu:

• Organisationen sind das Ergebnis von Beobachtern und deren Beobachtung. Je nach Perspektive und Verständnis werden andere Ergebnisse entstehen.

• Organisationen sind lebende Systeme, die sich verändern und auf Einflüsse von außen reagieren müssen.

• Organisationen sind rückbezügliche Systeme, sie nützen die gelernten Routinen auch für zukünftige Herausforderungen.

• Organisationen sind eingebettet in eine Reihe von wichtigen Umwelten: Politik, Kunden, Wettbewerber, Eigentümer, Mitarbeiter.

• Organisationen sind rund um ihre Aufgabe organisierte Entscheidungen und deren Kommunikation. Die Herausforderung für Organisationen ist im Kern, die umgebende und innewohnende Komplexität zu reduzieren und Handlungsfähigkeit zu generieren und dabei nicht der Neigung des Abkoppelns oder Ausblendens zu erliegen.

»Organisationen im systemtheoretischen Verständnis repräsentieren einen besonderen Typus sozialer Systeme, der darauf spezialisiert ist, Lösungen für gesellschaftliche Problemstellungen zu produzieren, deren erfolgreiche Bearbeitung ein organisiertes Zusammenwirken unterschiedlicher Expertisen erfordert. Organisationen tasten gleichsam ihre relevanten Umwelten nach ungelösten Fragestellungen ab, die sich dafür eignen, die Organisation als solche zu reproduzieren.« (Wimmer 2009, 23)

Organisationen streben danach, einmal erfolgreich gegründet, dauerhaft zu überleben durch die Aufrechterhaltung ihrer inneren Prozesse und der Auseinandersetzung mit der Umwelt. Sie gestalten ihre Zwecke und Ziele selbstständig weiter über die lose Kopplung an die Umwelt.

Autopoiese: Organisationen sind ein sich selbst reproduzierendes System

Das Verhalten der Organisation wird kausal von ihren inneren Strukturen und dem direkten Bezug auf diese inneren Prozesse gesteuert. Der Impuls von außen stellt eine Irritation (anregend oder störend) dar, auf den sie im weiteren Fortgang gemäß ihrer internen Strukturen reagiert. Wie genau diese Handlung aussehen wird, ist nicht vorhersagbar. In diesem Sinne agiert die Organisation autopoietisch, das heißt, ihre inneren Prozesse beziehen sich nur auf sie selber (selbstreferentiell) und sie reproduziert ihre inneren Strukturen und Prozesse aufs Neue.

Nach Luhmann sind Organisationen soziale Systeme, deren Basiselement die Kommunikation ist, in der zwei oder mehrere Akteure mit einander gekoppelt sind. Der Sinn besteht darin, Akteure und ihre Handlungen zu koordinieren mit Hilfe der wechselseitigen Interpretation des beobachteten Verhaltens (z. B. wer erhält Coaching in der Organisation?).

 

Was zeichnet nun eine Organisation aus?

»Letztlich ist es die Kommunikation von Entscheidungen. Entscheidungen sind Ereignisse, durch die eine unsichere Situation soweit in Sicherheit umgewandelt wird, dass weitere Entscheidungen daran anknüpfen können. Organisationen befinden sich mithin in einem Dauerzustand der Unsicherheit über sich selbst und ihr Verhältnis zu ihrer Umwelt und nutzen diesen Zustand der Unruhe für ihre Selbstorganisation des Anknüpfens von Entscheidungen an Entscheidungen, die jeweils nur für eine ganz bestimmte Situation Unsicherheit absorbieren, um auf dieser Basis weitere Schritte der Unsicherheitsbewältigung aufsetzen zu lassen.« (Wimmer 2009, 24)

Aktuelle Geschehnisse/Ereignisse bewertet die Organisation retrospektiv als zielkongruent, nachträglich erhält das Ereignis einen Sinn verliehen, das geschieht weniger im Sinne einer Zielorientierung, ausgerichtet auf mögliche Zukünfte.

Das Verhältnis von Person und Organisation

Trotz der rückblickenden Zielinterpretation und der komplexen, widersprüchlichen Zielelandschaft, gelingt es Organisationen letztlich, die Handlungen aller Mitglieder fokussiert auszurichten. Der Mitarbeiter verzichtet dafür auf Teile seiner Autonomie, die Organisation hingegen auf eine vollständige Integration aller Elemente des Einzelnen.

Die zugrunde liegende Logik heißt: »Autonomie gegen Sicherheit«, für den einzelnen Mitarbeiter bedeutet dies, dass er Teile seiner Handlungsautonomie zugunsten übergeordneter, arbeitsteiliger Prozessmuster abgeben muss (Simon 2007a: 101 ff.).

Die resultierende Grundannahme der systemischen Organisationstheorie ist die Entscheidung, die Mitglieder einer Organisation zu deren Umwelt zu zählen. Das psychische System des einzelnen Mitarbeiters bleibt für das soziale System Organisation undurchschaubar, ist weder relevant noch nutzbar für die eigene Organisationslogik. Die selektive Nutzung einzelner Kompetenzen gehört zur Funktionsweise von Organisationen unter der Prämisse, das, was auch noch da ist, zu vernachlässigen. In das Zentrum rückt die Organisation nicht etwa Personen, sondern Funktionen, dies sichert die Austauschbarkeit ihrer Mitglieder und die Stabilität ihrer Prozesse, sprich Kommunikation ist unabhängig von Personen, obwohl sie natürlich die Träger der Kommunikation sind.

Konsequenz für Führung

Führung sorgt dafür, dass die Organisation mit ihren Umwelten in einem beständigen Austausch und einer gesicherten Verbindung stehen. Das gilt für Kunden, Märkte ebenso wie für die Verbindung zwischen Mitarbeiter und Organisation. Führung geschieht damit an einer heiklen Schnittstelle von widersprüchlichen und paradoxen Erwartungen, die einen permanenten Ausgleich erfordert. Dieser Ort erfordert auch die permanente Versorgung des Systems mit Soll-Ist Differenzen, das Ausbleiben von irritierenden Herausforderungen ermöglicht der Organisation, sich auf sich selber zu konzentrieren.

Führung sorgt weiterhin dafür, dass die Komplexität und Widersprüchlichkeit der Organisation durch Entscheidungen reduziert wird und dadurch Folgehandlungen möglich werden. Entscheidungen werden immer im Zeichen von Ungewissheit getroffen, sind somit risikobehaftet, und der weitere Prozess ist unklar und schwer absehbar.

In Anlehnung an Rudolf Wimmer (Wimmer, 2009, 31 f.) ergeben sich die folgenden Aufgabenfelder:

• Das Aufgabenfeld »Zukunft«

Dieses Aufgabenfeld antwortet auf die Neigung der Organisation, sich in der Profilierung der eigenen Aktivitäten primär aus den Problemen der Vergangenheit zu versorgen. Führung »stört« die Vergangenheitsorientierung durch eine periodische Erneuerung des eigenen Existenzgrundes. Dies bedeutet, die Organisation konsequent von ihrer wünschenswerten Zukunft her führbar zu machen und sie bis zu einem gewissen Grad aus ihrer »Pfadabhängigkeit« zu befreien.

• Das Aufgabenfeld »Ausrichtung auf die relevanten Umwelten«:

Führung »stört« diese Neigung zur Binnenorientierung und zur eigenen Auslastung mit selbstbezüglichen Themen durch die Wiedereinführung des externen Blickwinkels auf relevante Umfeldentwicklungen und die damit verbundenen Herausforderungen des Marktes und anderer Umweltdimensionen.

• Das Aufgabenfeld »Umgang mit knappen Ressourcen«:

Im Blickfeld dieses Aufgabenfeldes steht die Auseinandersetzung mit dem Ressourceneinsatz. Organisationen neigen dazu, einen ständigen Mehrbedarf der für die anstehenden Aufgaben einzusetzenden Mittel zu generieren; sie besitzen eine eingebaute Tendenz zur »Verschwendung«. Führung »stört« durch ein gezieltes Ressourcenmanagement.

• Das Aufgabenfeld »Welche Art von Organisation?«:

Organisationen neigen dazu, an ihren einmal eingespielten Prozessen, Strukturen, Routinen und Regeln festzuhalten. Führung »stört« durch ein periodisches Auf-den-Prüfstand-Stellen der aktuellen Verfasstheit der Organisation.

• Das Aufgabenfeld »Kopplung von Person und Organisation«:

Bei diesem Aufgabenfeld geht es um eine Auseinandersetzung mit der aktuellen Personalsituation, d. h., es gilt Sorge zu tragen, dass die richtigen Leute an Bord sind, dass sie ihr Leistungspotenzial entfalten und dass sie sich mit den veränderten Anforderungen der Organisation mitentwickeln können.

Konsequenz für Coaching

1. Coaching richtet seine Aufmerksamkeit auf das jeweilige Ereignis und seinen relevanten Kontext: Wer ist dabei, welche soziale Regeln bestehen, was sind typische Muster, welche Deutungen beeinflussen Handlungen, …

2. Daraus folgt die Frage, was ist der entscheidende Ansatzpunkt für eine Veränderung: Personen, Strukturen, Prozesse, Regeln, …

3. Der Coachee entscheidet aufgrund seines Wissens über das System und die mögliche Angemessenheit der Ideen über die verschiedenen Lösungsmöglichkeiten.

4. Persönliche Fragestellungen können Ausdruck einer strukturellen Problematik in der Organisation sein. Vorschnelles Zuschreiben auf individuelle psychologische Faktoren behindert den Coachee in seiner Autonomie gegenüber der Organisation und führt in Sackgassen.

5. Coaching ist Bestandteil des Interaktionssystems und nicht des Entscheidungssystems eines Systems: Im Coaching können keine Entscheidungen getroffen werden, noch kann die komplexe Dynamik vollständig abgebildet werden.

6. Die Gefahr bildet die Einladung zur Beliebigkeit der kommunizierten Beobachtungen und das gegenseitige Verlieren von Entscheidungsfähigkeit.

3. Coaching

»Könnte es vielleicht sein, dass ihre Couchmethode nichts anderes macht, als die Leute von ihren ausgelatschten, aber gemütlichen Wegen abzudrängeln, um sie auf einen völlig unbekannten Steinacker zu schicken, wo sie sich mühselig ihren Weg suchen müssen, von dem sie nicht die geringste Ahnung haben, wie er aussieht, wie weit er geht und ob er überhaupt zu einem Ziel führt?«

(Der junge Franz Huchel im Gespräch mit Sigmund Freud; aus: Robert Seethaler: Der Trafikant, 2014, 141)

Coaching wurde in den letzten Jahren ein zunehmend nachgefragtes Format der Unterstützung von Führungskräften in Organisationen. Oft genannte Bedingungen dafür sind einerseits die zunehmende Verdichtung der Arbeitswelt, stärkere Unübersichtlichkeit und gestiegene Leistungserwartungen, andererseits oft wenig ausgeprägte soziale Orte für die Reflexion der eigenen Tätigkeit.

Frei nach dem Motto »Lösung sucht nach Problem« entstand aus bewährten Vorgehensweisen im Bereich Unterricht und Sport ein Beratungsformat für das Management, schnell belegt aus dem englischen und amerikanischen Sprachraum mit einem eigenen Begriff: Coaching. Inzwischen besteht der Markt aus hoch differenzierten Coaching-Angeboten, die die Frage nach ihrer Wirksamkeit und Professionalisierung noch beantworten können.

Was ist Coaching?

Coaching ist eine Gesprächsform, die unter vier Augen im beruflichen Kontext stattfindet. Es ist Nachdenken über sich selbst, über die eigene Tätigkeit, wie und warum man das tut, was man tut. Wichtige Faktoren dafür sind Vertraulichkeit, ein überschaubar mittelfristiger Zeitraum, und – paradoxerweise – Ergebnisorientierung in einem offenen Prozess. Themen sind häufig die eigenen Bilder über die Welt da draußen, Mikropolitik, Schnittstellenproblematiken, Interessenskonstellationen und eigene Kommunikations- und Handlungsmuster.

Darüber hinaus geschieht Coaching in der Einbettung in einen organisationalen Kontext. Deshalb muss im Coaching, neben der Betrachtung des Coachee, auch die Rolle des Coach sowie die Ebenen des Teams und der Organisation mit gedacht und betrachtet werden.

Für das Handeln im Coaching bedeutet das:

• Die Aufmerksamkeit der Wahrnehmung zu konzentrieren und zu erweitern. Die Zone zwischen ›hier und noch nicht dort‹ aufmerksam zu achten, damit Neues entstehen kann; eine Frage von Kontakt und Halten des ›Noch-Nicht‹.

• Die Geschichten der Klienten erweitern oder mit anderen Bedeutungen versehen helfen, um Ausgänge aus vermeintlich verschlossenen Räumen zu ermöglichen.

• Unterschiede zu benennen. Linien zu ziehen, zwischen fremden und eigenen Räumen des Denkens und Erlebens und damit den Möglichkeitsraum radikal zu öffnen. Zu prüfen, ob Denken und Handeln zueinander passen und stimmig sind, die der anderen – und die eigenen.

4. Coaching – Räume erkunden:
Blick auf ein abgeschlossenes Coaching


Abb. 1: Übergang gestalten von Theorie zu Praxis: Wie kann die Verschiedenartigkeit der Zugänge das Coaching anregen und bereichern?

Skizzen / Facetten eines Coaching-Prozesses

Startpunkt für das Coaching war der Anruf des Personalleiters eines mittelständischen Unternehmens. Mit zwei anderen internationalen Gesellschaften hatten sie vor zwei Jahren eine eigenständige GmbH gegründet. Der erste CEO dieser GmbH sei vor vier Monaten ausgeschieden und der neue habe Coachingbedarf, sein Zeitmanagement sei nicht brauchbar für die Umsetzung seiner vielfältigen Anforderungen.

Im ersten Telefonat mit Herrn Teubner (Name geändert) standen das gegenseitige Kennenlernen, die Beschreibung der Ausgangssituation und der Zielsetzung und die Vorgehensweise im Vordergrund. Meine ersten »Bilder«:

• Ein ausgleichender und an Beziehung orientierter CEO, der tief in allen operativen Themen involviert ist.

• Er sieht seine Aufgabe in einem reibungslosen Gestalten der Abläufe und täglichen Erfordernisse.

• Strategische Belange sind eher zweitrangig.

• Konsequente Marktbeobachtung und aktive Akquisitionen sind eher nicht in seinem Blickfeld.

• Die Rolle CEO füllt er mit dem Verständnis »wir sind alle in einer Fußballmannschaft« aus.

• Er beschreibt die Kompetenzen seiner Mitarbeiter als wenig ausgeprägt, verbunden mit einem hohem Lernbedarf.

Sein Ziel: »Ich möchte die Organisation meiner Arbeitsabläufe so effizient und effektiv gestalten, dass ich nicht ständig mit kurzfristigen Organisationsanforderungen beschäftigt bin.«

Coaching sollte zudem auch die vorhandenen Spannungen in der Organisation abbauen, die durch unklare Aufgaben- und Verantwortungsverteilung und Rivalitäten entstanden sind. Vor dem Hintergrund der bisherig beschriebenen Organisationsmodelle klang das wie »Reparaturbetrieb Coaching«: Hilf mir, meine Werkstatt aufzuräumen und eine gute Struktur und brauchbare Prozesse aufzusetzen, dann wird alles gut.