Betriebliches Nachhaltigkeitsmanagement

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1.5.3Nachhaltigkeitsstrategien

Neben den Managementregeln sind für den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung drei Strategien richtungweisend:

Die Effizienzstrategie wird vornehmlich von Ökonomen, zunehmend aber beispielsweise auch in der aktuellen Energiepolitik angeführt. Zur Reduzierung des übermäßigen Stoff- und Energieverbrauchs sowie den damit verbundenen Umweltbelastungen geht es – im klassischen ökonomischen Sinne – darum, die Ressourcenproduktivität zu steigern, d.h. Leistungen auf sämtlichen Stufen der Wertschöpfungskette mit dem geringstmöglichen Einsatz an Stoffen und Energie zu erfüllen und damit die Wirtschaftsaktivitäten zu „dematerialisieren“ (s. Schmidt-Bleek 1994).

Relativ gesehen ist dies ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung. Absolut betrachtet wird hierdurch allein jedoch das Problem des ständig steigenden Ressourcenverbrauchs – bedingt durch Produktionssteigerungen (Rebound-Effekt), das Konsumverhalten und das Anwachsen der Bevölkerung – nicht behoben.

Ergänzend wird deshalb vor allem von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Suffizienzstrategie angeführt. Ausgehend von der Tatsache, dass sich das Konsumverhalten der industrialisierten Welt aufgrund der aufgezeigten Wachstumsgrenzen nicht auf die gesamte Menschheit übertragen lässt, ist hiermit die Forderung nach Genügsamkeit verbunden und erfordert letztlich vor allem in den Industrieländern eine Änderung der Lebensstile.

Dieses ist jedoch problematisch, weil die Forderung nach Konsumverzicht konträr zu den vorherrschenden wirtschaftlichen Interessen nach materiellem Wachstum steht und auch die Akzeptanz in der Bevölkerung gering ist. Insofern bedarf es noch eines längerfristigen Bewusstseinswandels, bevor diese Strategie spürbare Wirkungen entfalten kann. Welche Wege dorthin führen können, wurden beispielsweise bereits in der ersten Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ (s. BUND und Misereor 1996) aufgezeigt. Auch in der zweiten Studie werden in Zeitfenstern anschaulich Visionen für 2022 dargestellt (BUND et al. 2008).

Die Konsistenzstrategie – von Huber wegen der Wortverwandtschaft zu den beiden erstgenannten als solche bezeichnet (s. Huber 1996; von Gleich et al. 1999) – wird ergänzend vornehmlich von ökologisch orientierten Vertreterinnen und Vertretern eingebracht. Während sich die Effizienz- und Suffizienzstrategie ausschließlich auf die Reduzierung des Mengendurchsatzes an Stoff- und Energieströmen konzentrieren, bezieht diese dritte Strategie die qualitativen Aspekte der Stoffe mit ein. Damit wird bewusst ein Kontrapunkt zu der Auffassung gesetzt, anthropogene Stoff- und Energieströme seien unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten per se zu minimieren. Vielmehr müsse es darum gehen, sie so umzugestalten, dass eine Rückführung in die natürlichen Stoffkreisläufe gewährleistet ist (vgl. Kap. 1.3). Als Beispiel wird u.a. die Nutzung der Solarwasserstoff-Technologie angeführt, die nach heutigem Wissen nicht zu gravierenden Umweltproblemen führt, obwohl sie sehr materialintensiv ist. Insofern zielt die Konsistenzstrategie vor allem auf Basis­innovationen ab, die grundlegend neue Pfade der Technik- und Produktentwicklung eröffnen (s. Huber 1996).

Zusammengefasst betrachtet handelt es sich jedoch nicht um alternative Strategien, nur der „Dreiklang“ aus Effizienz, Suffizienz und Konsistenz führt in eine nachhaltige Entwicklung (s. BUND et al. 2008; von Gleich et al. 1999).

Allerdings bestehen in dieser komplementären Sicht noch erhebliche Umsetzungsdefizite. Vielmehr sind die zu Beginn des 21. Jahrhunderts mit großen Hoffnungen verbundenen technologischen Innovationen, die sowohl die Wettbewerbsfähigkeit als auch die nachhaltige Entwicklung sichern sollen, vornehmlich von der Effizienzstrategie geprägt (s. z. B. Petschow 2007).

1.5.4Entwicklung von Leitorientierungen

Darüber, in welcher Art und Weise Richtungsvorgaben entwickelt werden sollen, gehen die Ansichten auseinander. Hier lässt sich stark vereinfacht eine Zweiteilung erkennen (s. Kanning 1998; Kopfmüller et al. 2001).

Auf der einen Seite gehen mit dem in der ökonomischen Umwelttheorie vorherrschenden naturwissenschaftlich-technischen Begriffsverständnis in der Regel Forderungen nach möglichst konkreten, quantitativen Umweltzielen einher. Dabei sind in den 1990er Jahren besonders drei Ansätze populär geworden,

 der „ecological footprint“ (Rees und Wackernagel 1992),

 das Konzept des „Umweltraums“ (Friends of the Earth Netherland 1994) und

 das MIPS-Konzept (Material Input per Unit of Service) (Schmidt-Bleek 1994, vgl. Kap. 9).

Trotz der recht unterschiedlichen methodischen Ansätze kamen die Autoren zu vergleichbaren Ergebnissen, „d.h. zur Forderung nach einer Reduzierung des durchschnittlichen Umweltverbrauchs um einen Faktor vier bis zehn“ (Spangenberg 1996).

So ist es verständlich, dass auf der anderen Seite viele Beiträge ohne genauere Messungen davon ausgehen, dass der Ressourcenverbrauch und Schadstoffausstoß westlicher Gesellschaften generell zu hoch ist, und sie deshalb eine pragmatischere, handlungsorientierte Vorgehensweise wählen. Dabei wird der Nachhaltigkeitsbegriff eher als regulative Idee verstanden und gerade in der relativen Unbestimmtheit die Möglichkeit gesehen, ihn individuell auszufüllen und zum Gegenstand gesellschaftlicher Diskurse zu machen. Zur Umsetzung werden „weiche“ Steuerungsinstrumente wie Information der Beteiligten, Partizipation, Diskussionsrunden, Koordination, Kooperation etc. bevorzugt. An die Stelle quantitativer Zielsetzungen treten dabei zumeist Leitbilder, die motivieren und Vorstellungen davon vermitteln sollen, wie eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise aussehen kann.

Auf theoretischer Ebene sind die beiden Herangehensweisen erstmals in der Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ (BUND und Misereor 1996) in größerem Stil zusammengeführt worden. Ausgehend vom Konzept des Umweltraums werden aus statistischen Analysen quantitative nationale Zielgrößen abgeleitet sowie handlungsfeldbezogene Leitbilder formuliert. Jedoch haben die anspruchsvollen Vorschläge v. a. eine diskussionsfördernde Wirkung gehabt, wie es die in 2008 gezogene Bilanz auch statistisch belegt (BUND et al. 2008).

1.5.5Partizipative Gestaltungs-/Governance-Prozesse

Konsens besteht darüber, dass eine nachhaltige Entwicklung nur als partizipativer Prozess gestaltet werden kann. Dieses findet sich sowohl in den theoriegeleiteten Beiträgen (s. Kap. 1.3) als auch in den politischen Dokumenten. So zieht sich der Ruf nach einer Stärkung und Beteiligung der verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen bereits wie ein roter Faden durch die Agenda 21. Darüber hinaus werden explizit neun verschiedene Gruppen hervorgehoben, die einer besonderen Stärkung bedürfen. Hierzu gehört u.a. die Privatwirtschaft, die in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung eines jeden Landes eine zentrale Rolle spielt (Agenda 21, Kap. 30, in: BMU o.J.).

Diese explizite Ausrichtung der Agenda 21 auf den gesellschaftlichen Diskurs trägt sowohl dem offenen Nachhaltigkeitsleitbild wie auch der begrenzten Fähigkeit zur Analyse komplexer systemischer Zusammenhänge Rechnung und macht deutlich, dass jede Gesellschaft für sich selbst beantworten muss, was eine nachhaltige Entwicklung konkret für sie bedeutet und wie sie erreicht werden kann. Die Umsetzung muss daher auf den verschiedenen gesellschaftlichen Ebenen (Nation, Land, Region, Gemeinde etc.) durch kontinuierliche zukunftsbezogene, gesellschaftliche Such-, Lern- und Verständigungsprozesse gekennzeichnet sein (s. EK 1998).

1.5.6Bedeutung der lokalen und regionalen Ebene

Wenngleich eine nachhaltige Entwicklung globale Lösungsansätze erfordert, wird der lokalen und regionalen Ebene eine Schrittmacherfunktion zugesprochen (s. SRU 1996), denn ökonomische, soziale und ökologische Entwicklungen müssen in einem wechselseitigen Prozess kontinuierlich aufeinander abgestimmt werden.

Für die notwendige Konsensbildung werden kleinräumige Einheiten als besonders geeignet angesehen, was sich durch die räumliche Nähe erklären lässt. Zum einen sind hier die Folgen des individuellen Handelns am ehesten erfahrbar, wodurch das Problembewusstsein und die Handlungsmotivation bei den politischen Akteuren erhöht werden. Zum anderen haben auch die Akteure untereinander im Allgemeinen eine größere Nähe zueinander und sind teilweise sogar über persönliche Netzwerke miteinander verbunden, so dass sich partizipative Lösungsprozesse leichter organisieren lassen (s. Jung et al. 1997).

In der Agenda 21 werden deshalb auch die Kommunen explizit aufgefordert, die notwendigen Konsultationsprozesse zu beginnen und „in einen Dialog mit den Bürgern, den örtlichen Organisationen und der Privatwirtschaft einzutreten“ (Agenda 21, Kapitel 28, in: BMU o.J.). Zahlreiche Kommunen sind diesem Aufruf früh gefolgt und die Lokalen Agenda 21-Prozesse sind zu einer weltweiten Bewegung geworden. In Deutschland haben über 2600 Städte und Gemeinden den Beschluss zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21 gefasst. Allerdings ist eine bundesweite Koordinierung durch die Auflösung der erst 2002 eingerichteten bundesweiten Servicestelle Lokale Agenda 21 ins Stocken geraten.

1.6Handlungsfelder der verschiedenen ­Akteursgruppen

Die kollektive Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse stellt an alle gesellschaftlichen Akteure in ihren jeweiligen Handlungsfeldern große Herausforderungen. Stark vereinfacht lassen sich diese aus den grundlegenden konzeptionellen Beiträgen herausarbeiten, die verschiedene Expertengruppen in den 1990er Jahren erarbeitet haben und die auch heute noch als richtungweisend gelten (s. insbesondere EK 1994, 1997, 1998; SRU 1994, 1996, 1998; UBA 1997; BUND und Misereor 1996, s. auch OECD, UNDP 2002; OECD 2006).

 

Diese werden im Folgenden für die in der Governance-Diskussion herausgearbeiteten drei bedeutsamen Akteursgruppen Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft/Unternehmen (z. B. Fürst 2001) skizziert, ergänzt um die Gruppe der Wissenschaft.

1.6.1Staat

In erster Linie ist die Politik als gestaltende und gleichzeitig aktivierende Kraft gefragt, von der Funktionsfähigkeit bzw. Tragfähigkeit der Ökosysteme ausgehend, den Rahmen bzw. die „Leitplanken“ vorzugeben, innerhalb derer sich wirtschaftliche und gesellschaftliche Prozesse nachhaltig entwickeln können.

Aufgabe von Politik und Verwaltung ist es daher, entsprechende Ziele zu definieren. So wird auch in der Agenda 21 bereits die Integration von Umwelt- und Entwicklungszielen in politische Entscheidungsfindungen als eine wesentliche Voraussetzung herausgestellt (Kap. 8 in: BMU o.J.).

Grundlegende konzeptionelle Arbeiten zur Ausgestaltung der Zieldiskurse haben die Enquête-Kommissionen des 12. und 13. Bundestages geleistet (EK 1994, 1997, 1998). Diese konzentrieren sich vornehmlich auf den bis dahin am weitesten entwickelten Umweltbereich und sehen u.a. eine systematische Unterscheidung zwischen politischen Umweltzielen, wissenschaftlich begründeten wirkungs- bzw. schutzgutbezogenen Umweltqualitätszielen und akteurs- bzw. belastungsbezogenen Umwelthandlungszielen vor. Theoretisch wurde hiermit eine konzeptionelle Brücke zu standardisierten Umweltmanagementsystemen geschaffen (s. weiterführend dazu z. B. Kanning 2008), die aber bis heute im Umweltrecht nicht verankert ist und auch in der Praxis kaum ausgefüllt wird.

Neben den Zielen sollten Politik und Verwaltung geeignete Indikatoren entwickeln sowie die hierfür erforderlichen Daten bereithalten, um den Weg zur Nachhaltigkeit messbar zu machen. In Kapitel 40 der Agenda 21 wird hierzu ein abgestimmtes Vorgehen von der globalen über die nationalen bis zu den regionalen bzw. lokalen Ebenen empfohlen. Auf der internationalen Ebene hat die Kommission der Vereinten Nationen für Nachhaltige Entwicklung (Commission on Sustainable Development – CSD) als maßgeblicher Akteur eine Indikatorliste erarbeitet. Daneben findet sich auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene eine Vielzahl spezifischer Indikatorkataloge. Bis heute stehen diese aber weitgehend unverbunden nebeneinander. Eine Übersicht über die verschiedenen Diskussionslinien und Beiträge bietet das Lexikon der Nachhaltigkeit (www.nachhaltigkeit.info).

Als weitere Prozesselemente sollten kontinuierliche Monitorings und Evaluierungen dienen, mit denen ebenfalls ein Abgleich mit den gesteckten Zielen erfolgen sollte.

Entsprechend liefern für Deutschland die Daten des Statistischen Bundesamtes, des Umweltbundesamtes und schlaglichtartig auch das Umweltbarometer, mit dem kontinuierlich über die Entwicklung ausgewählter Schlüsselindikatoren in Relation zu umweltpolitischen Zielvorstellungen berichtet wird, wichtige Informationen für die Prozessgestaltung.

Die vorstehend aus den Expertenempfehlungen skizzierten Elemente zur Gestaltung nachhaltiger Entwicklungsprozesse sind zwar für die nationale Ebene konzipiert, lassen sich aber prinzipiell auf die regionale und lokale Ebene übertragen (s. z. B. SRU 1998).

Eine inhaltliche Konkretisierung sollte – dem Subsidiaritätsprinzip gemäß – vom Leitbild der nachhaltigen Entwicklung ausgehend mit zunehmender Differenzierung bzw. relevantem Problemfeld auf den jeweils dafür geeigneten Ebenen erfolgen. Gleichfalls sollten die verschiedenen Ebenen natürlich aufeinander abgestimmt bzw. im Gegenstromprozess entwickelt werden, wie es Abbildung 1.4 zusammengefasst darstellt.


Abb. 1.4 Elemente zur Gestaltung partizipativer Nachhaltigkeitsdiskurse (Quelle: Kanning 2005, S. 169).

In der Praxis findet eine entsprechende systematische Entwicklung heute teilweise auf einzelnen Ebenen statt. Allen voran haben sich zunächst hauptsächlich die Kommunen in Lokalen Agenda 21-Prozessen auf entsprechende Wege begeben und mit unterschiedlichem Engagement auch die Bundesländer, relativ früh z. B. Baden-Württemberg (MUV o.J.). Für die nationale Ebene wurde die Nachhaltigkeitsstrategie mit nationalen Zielen und Indikatoren erst relativ spät entwickelt (BR 2002a, vgl. Kap. 1.1). Was bis heute fehlt, ist eine ebenenübergreifende, koordinierte Entwicklung.

1.6.2Wissenschaft

Das Nachhaltigkeitskonzept stellt auch die Wissenschaft vor große Herausforderungen. Denn gefragt ist ein neues Wissenschaftsverständnis, das sich nicht mehr auf Werturteilsfreiheit beruft, sondern sich auf die konkreten Probleme der Gesellschaft ausrichtet. Dieses erfordert zum einen das Überschreiten disziplinärer Grenzen und zum anderen einen Paradigmenwechsel in Richtung einer „Post-normal Science“ (Funtowicz und Ravetz 1993). So bilden sich in der Nachhaltigkeitsforschung neue „transdisziplinäre“ (s. z. B. Brand 2000) Ansätze und Förderpolitiken heraus – wie z. B. die sozial-ökologische Forschung (www.sozial-oekologische-forschung.org) –, die sich unabhängig von einzelnen disziplinären Erkenntniszielen auf die Lösung gesellschaftlicher Problemstellungen richten und dabei auch die jeweils relevanten Akteure aus Staat, Zivilgesellschaft und Wirtschaft einbeziehen.

In diesem Sinne sollte sich die Wissenschaft ebenso an der Entwicklung von Umweltzielen und Indikatoren beteiligen (s. z. B. SRU 1998) sowie insbesondere interdisziplinäre, problemorientierte Forschungen vorantreiben, um die bisher weitgehend isoliert betrachteten ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen in die Problemlösungen integrieren zu helfen.

1.6.3Zivilgesellschaft

Auch die Zivilgesellschaft bzw. jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger ist zu Taten aufgerufen, sei es durch die Beteiligung an den gesellschaftlichen Diskursen im Rahmen der Lokalen Agenda 21-Prozesse oder durch die persönliche Lebensführung.

Letzteres gilt in besonderem Maße für Bürgerinnen und Bürger der Industrieländer, denn unbestritten ist, dass sich das Konsumverhalten der industrialisierten Welt nicht unbegrenzt auf die gesamte Menschheit übertragen lässt. Insofern sollte jeder einzelne sorgsam mit den natürlichen Ressourcen umgehen und gleichzeitig auch deren Verbrauch minimieren helfen (Suffizienzstrategie, vgl. Kap. 1.4.3).

Hierzu werden im Bereich des nachhaltigen Konsums vielfältige Lösungsansätze und Beispiele für die verschiedenen Bedürfnisfelder aufgezeigt (s. z. B. Belz et al. 2007; Scherhorn, Weber 2002; Schrader, Hansen 2001).

Gleichzeitig zeigt sich in Verbindung mit den Ansätzen aus der Milieuforschung aber auch das Phänomen, dass gerade die Lebensstilgemeinschaften mit der besten Bildung und Einkommenslage und dem höchsten Umweltbewusstsein den höchsten Ressourcenverbrauch aufweisen (Liedtke et al. 2007, zit. in BUND et al. 2008). Insofern bestehen in diesem Bereich noch große Herausforderungen.

1.6.4Unternehmen

Unternehmen spielen für den Umsetzungsprozess einer nachhaltigen Entwicklung eine Schlüsselrolle, wie es bereits in Kapitel 30 der Agenda 21 hervorgehoben ist.

Auf der einen Seite ist das heutige Wirtschaften in weiten Teilen nicht nachhaltig im wissenschaftlich und gesellschaftspolitisch definierten Sinne. Auf der anderen Seite sind die Unternehmen diejenigen, welche die erforderlichen Innovationen maßgeblich mit entwickeln und umsetzen. Unternehmen tragen daher eine besondere gesellschaftliche Verantwortung (Corporate Social Responsibility).

Dabei sind die Einflussmöglichkeiten von Unternehmen auf ihr Umfeld weitreichend. Sie gestalten als wirtschaftliche Kräfte den Markt, nehmen über Verbände und Lobbyarbeit in der Politik Einfluss auf politische Entscheidungen und stehen auch in anderen Beziehungen in ständiger Wechselwirkung mit ihrem Umfeld. Sie haben daher viele Möglichkeiten, ihre Aktivitäten an den Zielen einer nachhaltigen Entwicklung auszurichten und Entwicklungsprozesse mitzugestalten. Dies stellen auch die vielfältigen Beiträge im vorliegenden Buch ausführlich dar.

Über die einzelbetriebliche Ebene hinaus besteht die große Herausforderung, die unternehmensbezogenen Lösungsansätze in gesellschaftliche Entwicklungsprozesse einzubetten. Hierzu wäre auf der instrumentellen Ebene eine systematische Verzahnung des betrieblichen Nachhaltigkeits- bzw. Umweltmanagements mit dem übrigen deutschen umweltpolitischen Instrumentarium hilfreich (s. z. B. Kanning 2008), die aber leider bis heute aussteht. So werden die weitestgehenden Synergien zwischen betrieblichen und gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen bisher auf der kommunalen und regionalen Ebene im „rechtsfreien“ Raum erzielt.

Wertvolle Hinweise zu den Schnittstellen zwischen Lokale Agenda 21-Prozessen und betrieblichen Umweltmanagementsystemen finden sich beispielsweise im Leitfaden des UBA (2003). Für die regionale Ebene liefert daneben z. B. der Leitfaden „Zukunftsfähiges Wirtschaften“ (Frings et al. o.J.) eine praxisorientierte und zugleich theoretisch reflektierte Anleitung. Weitere Beispiele sind die „Nachhaltige Regionalentwicklung“ (zur Übersicht s. z. B. Spehl 2005) oder Biosphärenreservate, die als Modellräume nachhaltiger Entwicklung gelten (zur Übersicht s. z. B. UNESCO 2007).

Als Beispiel für eine gelungene Kooperation zwischen Unternehmen, Kommunen und Bürgern lassen sich exemplarisch die Aktivitäten der Stadt und des Landkreises Neumarkt in der Oberpfalz sowie der Neumarkter Lammsbräu anführen. Vorbildhaft hat die Stadt Neumarkt ihren Lokale Agenda 21-Prozess auf der Basis eines partizipativen Planungsansatzes mit ihrer Stadtentwicklungsplanung verbunden, das die in Kapitel 1.5 skizzierten Gestaltungselemente umfasst. In partizipativen Prozessen wurden sechs mittelfristige Leitbilder bis 2025 sowie verschiedene Leitprojekte erarbeitet, die kurzfristig umgesetzt werden sollen (Stadt Neumarkt 2004). Die ortsansässige Brauerei Neumarkter Lammsbräu, die sich seit mehr als 30 Jahren als Ökopionier ausgezeichnet hat (Stahlmann 2006), unterstützt die Lokale Agenda 21-Aktivitäten in Stadt und Landkreis aktiv, z. B. durch Sponsoring im Landschaftspflegebereich bei der Pflege von Streuobstwiesen oder durch aktive Mitarbeit an verschiedenen Projekten, z. B. im Verein zur Förderung regionaler Wirtschaftskreisläufe in der Region Neumarkt (Weiß und Stahlmann 2009; s. weiterführend www.neumarkt.de; www.lammsbraeu.de).

Damit ganzheitlich nachhaltige Entwicklungsstrategien zum Motor für Erneuerung im 21. Jahrhundert werden, müssen noch zahlreiche Unternehmen und Kommunen diesem Beispiel folgen.