Berufs-, Fach- und Wissenschaftssprachen

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From the series: Kompendium DaF/DaZ #8
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2.1.3 Eigenschaften des Fachwortschatzes

Nachdem wir uns mit den unterschiedlichen Arten der Fachwörter befasst haben, beschäftigen wir uns in den folgenden Abschnitten mit den strukturellen Charakteristika der Fachwörter: Welchen Wortarten gehören sie an? Aus welchen Sprachen sind sie abgeleitet? Und welche morphologischen Eigenschaften haben sie?

Wortarten

Wie der obige Buchtitel Der Ansatz von Rückstellungen nach HGB und IFRS im Vergleich. Regelungsschärfe, Zweckadäquanz sowie Eignung für die Steuerbilanz zeigt, scheinen fachsprachliche Texte oft im Verhältnis zu den anderen Wortarten mehr Substantive zu enthalten als Texte anderer Gattungen. Wie kommt es dazu? Hierfür sind wohl mehrere Faktoren verantwortlich: Einerseits entwickeln sich in Fachsprachen viele Substantivkomposita (Regelungsschärfe, Zweckadäquanz, Steuerbilanz), da dadurch Begriffe mit einer präzisen und differenzierten Bedeutung gebildet werden können, die sich gut als Fachbegriffe eignen. Außerdem werden in fachsprachlichen Texten häufig Funktionsverbgefüge verwendet, das heißt Substantiv-Verb-Kombinationen (siehe auch Lerneinheit 2.2.), die etwas bezeichnen, das in der Alltagssprache durch ein einzelnes Verb ausgedrückt wird. Dazu zählt beispielsweise zum Ausdruck bringen für ,ausdrücken‘, eine Entscheidung fällen statt ,entscheiden‘ oder Anwendung finden für ,angewendet werden‘.

Des Weiteren werden in Fachsprachen häufig Wörter anderer Wortarten substantiviert, beispielsweise Verben (das Brennen, das Drehen), Adjektive (das Grün), Partizipien (die Unbekannte) oder auch Zahlen (die Eins).

Nicht alle Fachbegriffe sind jedoch Substantive, der Fachwortschatz enthält auch andere Wortarten: Adjektive werden beispielsweise häufig als Attribute verwendet, um die Bedeutung eines Fachbegriffs zu präzisieren (degenerative Gelenkerkrankung, rheumatoide Arthritis, konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit). In solchen Adjektiv-Substantivverbindungen erfüllen Adjektive eine ähnlich spezifizierende Funktion wie die Erstglieder von Komposita (zum Beispiel Jugendarbeitslosigkeit, hier wird die Art der Arbeitslosigkeit durch das Erstglied Jugend näher spezifiziert), das heißt, sie schränken den Bedeutungsumfang des Substantivs ein.

In vielen Disziplinen tragen die fachsprachlichen Substantive und Adjektive die Hauptinformation und Verben spielen eher eine unbedeutende Rolle (Buhlmann & Fearns 2000: 19). Der Grund für die Dominanz der Substantive und Adjektive liegt darin, dass sie mit der fachlichen Tätigkeit verbundene Gegenstände, Prozesse und Erscheinungen benennen beziehungsweise deren Eigenschaften charakterisieren. Es wird angenommen, dass Substantive und Adjektive ca. 50 bis 60 % des Wortschatzes ausmachen, während Verben, mit denen vorwiegend Vorgänge sowie Tätigkeiten und deren Ergebnisse ausgedrückt werden, ca. 10 bis 15 % des Wortschatzes abdecken.

In fertigungstechnischen Fachsprachen zeigen sich jedoch relativ viele fachspezifische Verben, mit denen die unterschiedlichen Fertigungsverfahren bezeichnet werden (walzen, stangpressen, honen, clinchen), oder auch bei der Kochterminologie, in der unterschiedliche Zubereitungsarten (aprikotieren, bardieren, montieren, spicken) durch Fachverben exakt beschrieben werden.

Der Fachwortschatz setzt sich größtenteils aus Wörtern der offenen Wortklassen (Substantiv, Adjektiv und Verb) zusammen. In den geschlossenen Wortklassen (zum Beispiel Präpositionen oder Konjunktionen) sind Fachtermini seltener zu finden.

Wortherkunft

Häufig werden Fachbegriffe aus anderen Sprachen importiert, vor allem aus dem Griechischen und Lateinischen, in neuerer Zeit vermehrt aus dem Englischen. Die medizinische Fachsprache enthält beispielsweise sehr viele lateinische und griechische Wortelemente. Daher müssen im Studium der Medizin oder Pharmazie Kurse in medizinischer beziehungsweise pharmazeutischer Terminologie absolviert werden, in denen die lateinischen und griechischstämmigen Fachtermini vermittelt werden.

Unterscheiden kann man bei entlehnten Fachbegriffen zwischen Entlehnungen im engeren Sinne, bei denen das ganze Wort übernommen wird (Eponym, a priori, Software), und Lehnübersetzungen, in denen die einzelnen Komponenten komplexer Wörter übersetzt werden (Datenverarbeitung von data processing, saurer Regen von acid rain).

In manchen Fachsprachen sind viele Fachbegriffe aus Eigennamen (Eponymen) abgeleitet. Dazu zählen in der Fachsprache der Physik Namen physikalischer Einheiten, wie beispielsweise Ampere, die Maßeinheit der elektrischen Stromstärke (nach André-Marie Ampère) oder die Temperaturskalen Grad Celsius (nach Anders Celsius) beziehungsweise Grad Fahrenheit (nach Gabriel Daniel Fahrenheit). In der medizinischen Fachsprache werden Krankheiten oder Ursachen für Krankheiten häufig nach ihren Entdeckern benannt, beispielsweise Morbus Basedow (nach Karl Adolf von Basedow) oder Alzheimer-Demenz (nach Alois Alzheimer). Teilweise fungieren auch die ersten beziehungsweise bekanntesten Patienten als Namensgeber, zum Beispiel Lou Gehrig für das Lou-Gehrig-Syndrom (amyotrophe Lateralsklerose) oder John Hagemann für den Hagemann-Faktor, einen Blutgerinnungsfaktor.

Für die Übernahme des Sprachmaterials aus fremden Sprachen spricht nach Reinhardt (1975: 53) ihre Internationalität, ihre semantische Unbelastetheit und ihre ausgeprägte Wortbildungsfähigkeit: Fremdwörter sind oft kürzer und leichter abzuleiten beziehungsweise zusammenzusetzen als morphologisch komplexe deutsche Bezeichnungen.

Ein weiterer Vorteil von Fremdwörtern besteht darin, dass die Fachausdrücke oft international verstanden werden. Wenn ein Krankheitsbild in der Kardiologie auf Deutsch Sinustachykardie und auf Portugiesisch Taquicardia sinusal heißt, erleichtert das die Kommunikation zwischen Ärzten, die unterschiedliche Sprachen sprechen.

Neben Fremd- und Lehnwörtern lässt sich der Fachwortschatz auch durch Metaphernbildung erweitern. Das heißt, ein Wort der Gemeinsprache wird – aufgrund optischer oder sonstiger Charakteristika – in einer anderen Bedeutung in der Fachsprache verwendet. Beispielsweise bezeichnet Frosch in der Fachsprache des Bergbaus eine bestimmte Grubenlampe, im Vermessungswesen eine Unterlage, die bei der Höhenmessung verwendet wird, und in der Fachsprache der Musik das Spannelement beim Bogen von Streichinstrumenten. Ähnlich verhält es sich mit Herd, der in der Medizin eine lokale Veränderung mit Fernwirkung bezeichnet, und in der Metallurgie eine Platte, mit der Erze und nicht verwertbare Gesteine voneinander getrennt werden können.

Der größte Teil des Fachwortschatzes entsteht allerdings nicht durch Entlehnung, Lehnübersetzung, metaphorische Verwendung oder Terminologisierung, sondern durch Wortbildungsprozesse, das heißt, durch Kombination grammatikalischer und lexikalischer Morpheme zu einem neuen Wort.

Die Neubildung von Wörtern mittels verschiedener Wortbildungsverfahren ist maßgeblich durch das Streben nach Sprachökonomie motiviert, um eine schnelle und präzise Kommunikation unter Experten über fachliche Inhalte, beispielsweise über bestimmte Gegenstände, Prozesse, Theorien oder Sachverhalte zu ermöglichen. Solche sprachökonomischen Ausdrücke sind für die Kommunikationsteilnehmer meist leichter zu produzieren und zu verstehen als längere komplexere Strukturen. Beispielsweise kann durch eine Adjektiv-Substantivverbindung wie konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit ein Sachverhalt relativ kurz benannt werden, den man andernfalls mit einer Nebensatzkonstruktion ausdrücken müsste.

Wortbildung

Viele Fachbegriffe sind morphologisch komplex. Typisch für den Fachwortschatz sind vor allem Komposita, Derivationen, Konversionen und Abkürzungen beziehungsweise Kurzwörter. Die Fachsprache bedient sich der gleichen Wortbildungsmuster wie die Alltagssprache, aber der Prozentsatz morphologischer komplexer Wörter ist in fachsprachlichen Kontexten im Allgemeinen höher als in alltagssprachlichen Situationen.

Ein sehr beliebtes Wortbildungsmittel in Fachsprachen ist die Komposition. Komposita haben im Allgemeinen durch die determinierende Funktion der ersten Kompositumskomponente eine relativ genaue Bedeutung, beispielsweise handelt es sich bei Forstnerbohrer, Kanonenbohrer und Zentrierbohrer um spezielle Bohrerarten.

Häufig treten Substantivkomposita auf, die oft auch aus mehreren Gliedern bestehen, zum Beispiel Energieeinsparverordnung oder Bundesausbildungsförderungsgesetz. Daneben gibt es aber auch Zusammensetzungen aus Konstituenten anderer Wortarten, wie zum Beispiel in den technischen Fachsprachen Verb-Verb-Komposita (presspolieren, sprühtrocknen), Verb-Substantivkomposita (Kühlmittel, Strahlmittel), Adjektiv-Substantiv-Komposita (Trockeneis, Tiefbau) und andere.

Andere Fachbegriffe werden durch Derivation gebildet. Dabei werden sowohl native Affixe verwendet, zum Beispiel {-er} in Bohrer oder Träger oder {-bar} in spaltbar oder kondensierbar, als auch nicht-native Affixe, beispielsweise in der chemischen Nomenklatur {-it} als Suffix für sauerstoffarme Salze, zum Beispiel Sulfit, {-id} als Suffix für sauerstofffreie Salze, zum Beispiel Sulfid, und {-at} als Suffix für sauerstoffreiche Salze, zum Beispiel Sulfat). In der medizinischen Terminologie bezeichnet{-itis} eine Entzündung, wie in Bronchitis, eine Entzündung der Atemwege, Meningitis, eine Hirnhautentzündung, oder Sinusitis, einer Entzündung der Nasennebenhöhlen.

 

Fachsprachliche Verben werden häufig mit Präfixen gebildet und erfahren dadurch eine Bedeutungsänderung, zum Beispiel abhärten, aushärten, enthärten, erhärten und verhärten oder abmessen, anmessen, aufmessen, ausmessen, durchmessen, vermessen und zumessen. So lassen sich die Vorgänge bedeutungsmäßig differenzieren und verdeutlichen.

Ein weiteres oft verwendetes Wortbildungsmittel ist die Konversion, das heißt, der Wechsel eines Wortes in eine andere Wortart. In fachsprachlichen Texten kommen vor allem Substantivierungen von Verben vor (das Entstehen, das Trennen).

Die morphologisch komplexen und oft auch mehrteiligen Fachbegriffe treten in der Fachkommunikation nicht immer als Vollformen auf, sondern oft aus Ökonomiegründen als Abkürzungen beziehungsweise Kurzwörter, beispielweise in der juristischen Fachsprache (RVG = Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, BRAGO = Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung) oder in der Fachsprache der Medizin (AIDS = acquired immunodeficiency syndrome, BSR = Bizeps-Sehnen-Reflex). Aus kognitionslinguistischer Perspektive sind Abkürzungen aufgrund ihrer Kürze zwar einerseits schneller zu verarbeiten, andererseits sind sie ohne Kontext häufig mehrdeutig: BA beispielsweise steht als Abkürzung für Bachelor of Arts, British Airways, Butylamine, Bundesagentur für Arbeit und weitere Vollformen.

2.1.4 Wortschatz im Fachsprachenunterricht

Wie in den obigen Abschnitten skizziert wurde, unterscheidet sich der fachsprachliche Wortschatz stark vom Wortschatz der Alltagssprache. Dies kann dazu führen, dass Deutschlerner sobald sie fachbezogenes Deutsch brauchen, weil sie in Deutschland studieren oder arbeiten, Schwierigkeiten haben, der Fachkommunikation zu folgen. Der Bedarf an speziellen Fachsprachenkursen, in denen Lernern des Deutschen als Fremdsprache die Lexik, Grammatik und Pragmatik der jeweiligen Fachkommunikation vermittelt wird, ist relativ groß und in den letzten Jahren auch kontinuierlich gestiegen. Angesichts der Vielfalt der unterschiedlichen Fachsprachen gibt es aber nur wenige Lehrmaterialien für die einzelnen Fachsprachen, vor allem in den Bereichen Medizin und Pflege, Hotel- und Gaststättengewerbe und Ingenieurswissenschaften.

Der Mangel an Lehrwerken für bestimmte Fachsprachen sowie die Tatsache, dass die Dozenten in Fachsprachenkursen ja meist keine Experten in der Fachrichtung sind, deren Fachsprache sie vermitteln, stellt daher relativ hohe Anforderungen an die Unterrichtsplanung und -praxis. Die Planung eines Fachsprachenkurses beginnt daher im Idealfall zunächst mit einer Bedarfsanalyse, um das Lernangebot so gut wie möglich auf den tatsächlichen Bedarf der Lerner zuzuschneiden. In Bedarfsanalysen werden die needs der Lerner, das heißt ihre sprachlichen Bedürfnisse, mit ihren aktuellen sprachlichen Kompetenzen verglichen, um einerseits die lacks der Lerner zu bestimmen, das sind die Komponenten, die noch fehlen, um den sprachlichen Anforderungen gewachsen zu sein, und andererseits auch auf die wants einzugehen, das heißt die Komponenten, die den Lernern besonders wichtig sind (siehe auch Hutchinson & Water 1987 für eine detaillierte Diskussion der Kategorien needs, lacks und wants).

Da die Deutschlerner in Fachsprachenkursen ja bereits Grundkenntnisse in der deutschen Alltagssprache besitzen, sollte bei der Auswahl des Wortschatzes im Fachsprachenunterricht vor allem die sprachlichen Elemente unterrichtet werden, die für die Kommunikation im Fachbereich notwendig sind, das heißt, besonders häufige beziehungsweise relevante Fachbegriffe. Dabei sollten Grundbegriffe vor spezifischen Fachbegriffen eingeführt werden, also zum Beispiel zunächst das Verb fräsen, und danach erst die unterschiedlichen Fräsverfahren, wie planfräsen, rundfräsen, schraubfräsen etc., damit bei der Erklärung der spezifischen Fachbegriffe auf die Grundbegriffe zurückgegriffen werden kann (siehe auch Buhlmann & Fearns 2000: 44ff). Ähnliches gilt für fachspezifische Kollokationen wie beispielsweise eine Gleichung aufstellen, eine Gleichung auflösen, eine Gleichung erfüllen. Die Bedeutung der Kollokationen entschließt sich oft erst aus der gemeinsprachlichen Bedeutung der einzelnen Komponenten. Im Unterricht muss deshalb zunächst sichergestellt werden, dass die Lerner über einen entsprechenden Alltagswortschatz verfügen, um die Kollokationen in ihrer übertragenen fachlichen Bedeutung verstehen zu können (vergleiche Tajmel 2011).

In manchen Disziplinen gibt es viele Internationalismen, beispielsweise in der Fachsprache der Musik (piano, forte, crescendo etc.) oder in der medizinischen Terminologie – diese Eigenschaft erleichtert den Erwerb des Fachwortschatzes. Aber die meisten Fachbegriffe sind für die Lerner neu und müssen als neue Lexeme mit ihrer exakten Definition in das mentale Lexikon aufgenommen werden. Dabei sollte die Vermittlung und der Erwerb von Fachbegriffen nicht außerhalb eines Kontextes (zum Beispiel in Form von Vokabellisten) erfolgen, sondern immer textorientiert und in den Sachzusammenhang eingebettet.

Des Weiteren sollen Lerner für die Wörter sensibilisiert werden, die ihnen bereits aus der Alltagssprache vertraut sind und im Fachkontext eine andere spezialisiertere Bedeutung haben, wie beispielsweise signifikant. Der Unterschied zwischen allgemein- und fachsprachlicher Bedeutung sollte immer anhand von Beispielen des jeweiligen Fachs erarbeitet werden.

Ein wichtiges Ziel der Spracharbeit im Fachsprachenunterricht sollte außerdem sein, nicht nur einzelne Fachbegriffe zu vermitteln, sondern vor allem auch den Lernern die Wortbildungsmuster der einzelnen Fachwörter bewusst zu machen, um sie damit in die Lage zu versetzen, die Bedeutung neu auftretender Fachwörter selbstständig erschließen zu können.

2.1.5 Zusammenfassung

 Die Fachsprache lässt sich als eine Sprachvarietät auffassen, die zusammen mit der Gemeinsprache (und anderen Varietäten wie Dialekten) die Gesamtsprache ausmacht.

 Auch wenn die Grenze zwischen Fachsprache und Gemeinsprache nicht immer leicht zu ziehen ist und es Unterschiede zwischen einzelnen Fachsprachen gibt, unterscheidet sich der fachsprachliche Wortschatz von den Wörtern der Alltagssprache hinsichtlich folgender Charakteristika:Fachbegriffe besitzen in den jeweiligen Fachrichtungen exakte und spezifische Bedeutungen.Der Fachwortschatz besteht hauptsächlich aus Substantiven, Adjektiven oder Verben, seltener aus Wörtern anderer Wortarten.Charakteristisch sind Entlehnungen aus dem Griechischen, Lateinischen und Englischen.Häufig verwendete Wortbildungsmuster sind Komposition, Derivation, Konversion und Kurzwortbildung.Beim Unterrichten des Fachwortschatzes an Deutschlerner konzentriert sich die Vermittlung auf möglichst häufige und relevante Fachbegriffe der jeweiligen Disziplin, die im Kontext gelernt werden sollten.

2.1.6 Aufgaben zur Wissenskontrolle

1 Bestimmen Sie den Ursprung der kursiv markierten Fachbegriffe (Entlehnung – Metapher – Komposition)

1 Kartoffeln gehören zur Familie der Nachtschattengewächse.

2 Die Strategie bestand darin, Firmen zu kaufen, um diese zu restrukturieren bzw. zu filetieren.

3 Das Chassis wird von einem anderen Unternehmen hergestellt.

4 Auf dem Feld der Weiterbildung wurde eine Zusammenarbeit mit Akteuren der Arbeitswelt begonnen.

1 Welcher Fachsprache würden Sie die folgenden Textausschnitte zuordnen?

1 Im 3. Satz, Alla marcia e molto marcato, wird das zunächst zurückhaltend von den Celli und Fagotten in der Artikulation Staccato gespielte Thema von Violinen und Oboe im Wechsel weitergeführt.

2 Technikübung im Nichtschwimmerbecken, Wasser hüft- bis brusttief: Absprung vom Beckenboden, Kinn auf Brustbein drücken, Hüfte einknicken, Gleiten, bis Hände Beckenboden berühren.

3 Kurz vor dem Servieren die Reduktion mit der kalten Butter montieren.

4 Bei nach außen gewölbtem Petschaft stammt der Abwurf von jüngeren Hirschen, bei älteren Hirschen ist das Petschaft eben oder konkav.

1 Wandeln Sie die fachsprachlichen Funktionsverbgefüge in passende Vollverben um:

1 Ersatz leisten

2 Antwort geben

3 in Haft nehmen

4 Protokoll führen

1 Ersetzen Sie die kursiv markierten Verben durch Funktionsverbgefüge:

1 Der überarbeitete Ansatz wurde sehr gelobt.

2 In der Lehrveranstaltung werden neue Methoden angewendet.

3 Leider wurde dieser Vorschlag abgelehnt.

4 Das Projekt war nie finanziell unterstützt worden.

2.2 Grammatikalische Eigenschaften von Fachsprachen

Susanne Borgwaldt & Magdalena Sieradz

In der vorhergehenden Lerneinheit hatten wir uns mit dem Wortschatz der Fachsprachen befasst, also mit den lexikalischen Aspekten, die oft als Erstes auffallen, wenn man einen fachsprachlichen Text liest oder bei einem fachsprachlichen Gespräch zuhört. Diese Lerneinheit behandelt die grammatikalischen Eigenschaften von Fachsprachen und konzentriert sich dabei insbesondere auf Fachtexte. Das heißt, wir beschäftigen uns in den nächsten Abschnitten hauptsächlich mit schriftlicher Kommunikation, denn die besonderen grammatikalischen Charakteristika der Fachsprache treten hauptsächlich in Texten auf und daneben nur in bestimmten mündlichen Kommunikationsformen, wie beispielsweise Vorlesungen oder Predigten, die als konzeptionell schriftlich aufzufassen sind. Neben der Analyse der grammatikalischen Phänomene überlegen wir auch, welche Auswirkungen sich aus den gehäuften Vorkommen bestimmter morphosyntaktischer Strukturen beziehungsweise dem weitgehenden Fehlen anderer Strukturen in Fachtexten für das Unterrichten beziehungsweise Lernen der Fachsprache Deutsch ergeben.

Lernziele

In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie

 den Zusammenhang zwischen Fachsprache und konzeptioneller Schriftlichkeit erkennen können;

 grammatikalische Eigenschaften von Fachsprache erkennen und deren Funktionen analysieren können;

 die charakteristischen grammatikalischen Merkmale bei der Unterrichtsplanung eines Fachsprachenkurses berücksichtigen und anwenden können.

2.2.1 Fachsprache und konzeptionelle Schriftlichkeit

Fachsprache existiert sowohl in geschriebener als auch in gesprochener Form. Wie bereits in Lerneinheit 2.1 beschrieben, lassen sich Fachsprachen nach Abstraktionsgrad beziehungsweise Kommunikationsraum klassifizieren, dabei geht man häufig von den folgenden drei Ebenen aus (vergleiche Ischreyt 1965: 38ff):

 (1) der Theorie- beziehungsweise Wissenschaftssprache, die der Kommunikation unter Experten und Expertinnen dient, und die meist in schriftlicher Form vorliegt;

 (2) der fachlichen Umgangssprache, die typischerweise in der mündlichen Kommunikation unter Experten und Expertinnen gebraucht wird, und

 (3) der Verteilersprache, die in der mündlichen oder schriftlichen Kommunikation zwischen Experten und Laien verwendet wird.

Grammatikalische Charakteristika der Fachsprachen treten überwiegend in geschriebenen Texten auf. Es gibt in der Fachkommunikation allerdings auch mündliche Kommunikationsformen, deren Stil dem von Fachtexten stark ähnelt, dazu gehören beispielsweise Vorlesungen, Predigten, Reden oder Vorträge. Diese medial mündlichen Formen sind als konzeptionell schriftlich einzustufen und sollen daher auch Gegenstand dieser Lerneinheit sein.

Die Unterscheidung zwischen medialer Schriftlichkeit und konzeptioneller Schriftlichkeit geht auf Koch und Oesterreicher (1985, 1994) zurück. In ihrem Modell (siehe Abbildung 2.1 in einer von Dürscheid 2006 modifizierten Version) sind Äußerungen beziehungsweise Texte medial mündlich, wenn sie durch Schallwellen übertragen werden, zum Beispiel Gespräche, Telefonate oder Referate, und medial schriftlich, wenn sie durch Schriftzeichen übertragen werden, zum Beispiel Leserbriefe, Emails oder Urkunden (siehe hierzu auch die Lerneinheit 8.2 im Band »Mehrsprachigkeit und Sprachenerwerb«).

 

Neben der Dimension „Medium“ existiert in Koch und Oesterreichers Modell auch die Dimension „Konzeption“, die sich auf den Stil beziehungsweise die Ausdrucksweise bezieht: Äußerungen und Texte gelten als konzeptionell mündlich, wenn der Stil informell und so an die gesprochene Sprache angelehnt ist. Sie gelten hingegen als konzeptionell schriftlich, wenn der Stil formal und an die geschriebene Sprache angelehnt ist. Eine Äußerung beziehungsweise ein Text lässt sich hinsichtlich der beiden Dimensionen „Medium“ und „Konzeption“ klassifizieren: Beispielsweise ist die WhatsApp-Nachricht Viertel vor neun zu euch??? medial schriftlich, vom Stil her aber eher konzeptionell mündlich. Andererseits kann eine Vorlesung medial mündlich, jedoch konzeptionell eher schriftlich sein:

Abbildung 2.1:

Mediale und konzeptionelle Schriftlichkeit (Dürscheid 2006: 45, modifiziert nach Koch & Oesterreicher 1994: 588)

Konzeptionell schriftliche Sprache, die sogenannte „Sprache der Distanz", ist kompakt, komplex, elaboriert und weist eine hohe Informationsdichte auf (siehe Koch & Oesterreicher 1985: 23). Diese Eigenschaften hängen wiederum stark mit den funktionalen Charakteristika von Fachtexten zusammen, zu denen beispielsweise nach Roelcke (2010: 24ff) Deutlichkeit, Verständlichkeit, Ökonomie und Anonymität zählen (vergleiche auch Lerneinheit 1.3). Diese funktionalen Eigenschaften prägen sowohl die Entwicklung des Fachwortschatzes und wirken sich auch auf die grammatikalischen Charakteristika von Fachtexten aus. Welche grammatikalischen Eigenschaften für Fachsprache typisch sind und in welchem Zusammenhang sie zu den fachsprachlichen Funktionen stehen, werden Sie in den nächsten Abschnitten erfahren.