Alternative Investments 2.0

Text
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

Abbildung 15: Weltweite Erst- und Rückversicherungsprämien (in Mrd. USD)


Quelle: Swiss Re Jahresbericht 2017, Guy Carpenter (GC schätzt 350 Mrd. USD an Limiten für 2015)

Trotz der positiven Wachstumsaussichten für ILS im Bereich Risikotransfer gibt es einige Punkte zu beachten. Nach den hohen versicherten Schäden von 2017 und 2018 und der daraus resultierenden, hinter den Erwartungen zurückliegenden Wertentwicklung von ILS-Produkten stehen Risikomodelle, Einflüsse des Klimawandels und Kompetenzen von ILS-Vermögensverwaltern stärker im Fokus und unter Erklärungsbedarf.

Aufgrund der erhöhten Frequenz von Naturkatastrophen und dem größeren Ausmaß der Schäden von 2017 und 2018 hinterfragen Investoren vermehrt, ob der Klimawandel in den Risikomodellen und in den Preisen für Versicherungsrisiken korrekt reflektiert wird. Klimawandel ist eine Tatsache, unabhängig davon, ob von Menschen oder durch die Natur geschaffen, und bietet sowohl Chancen als auch Gefahren für den ILS-Markt. Da der Klimawandel ein gradueller und langfristiger Prozess ist, kann sich die Versicherungsindustrie darauf einstellen.

Durch demographische Veränderungen, Bevölkerungs- und Wertekonzentration in Städten oder Erhöhung von Schadenpotenzialen an exponierten Orten wird die Nachfrage nach Versicherungsprodukten steigen. Die Rückversicherungsbranche wird diese Änderungen sowie nicht oder schlecht modellierte Risiken in ihrer Preisgestaltung angemessen widerspiegeln. Sollte dies nicht gelingen, werden diese Herausforderungen zu einer Bedrohung für die Versicherbarkeit von Risiken.

Das Verständnis der zugrundeliegenden Risiken und Mechanismen dieser Anlageklasse ist für das weitere Wachstum von grundlegender Bedeutung. Hier ist es auch wichtig, die Schwächen von Modellen zu verstehen und zu identifizieren.

Modelaktualisierungen berücksichtigen zwar die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse und reflektieren die Auswirkungen des Klimawandels, geschehen allerdings nur zeitverzögert. Gute ILS-Vermögensverwalter passen ihre Sicht auf Risiken und Preise laufend an und warten nicht einfach die nächste Modellaktualisierung ab.

Gründe, warum Anleger nach den Schadenjahren 2017 und 2018 mit der Performance der ILS-Anlageklasse nicht zufrieden sein konnten, sind: Einerseits haben einige Strategien schlechte Resultate geliefert, da gewisse Manager Strategien zu optimistisch vermarktet haben. Andererseits, weil nach dem Rekordschadenjahr von 2017 – nach Jahren sinkender Preise – 2018 keine signifikanten Preiserhöhungen hervorgebracht hat. Die Branche hatte also ein Glaubwürdigkeitsproblem in Bezug auf die tatsächliche Preisentwicklung. Dies wurde jedoch schon 2019 und v.a. 2020 korrigiert, und es werden für die anstehenden Jahre weitere Ratenerhöhungen, v.a. für schadenbelastete Risiken, erwartet.

Die Vorzüge der ILS-Anlageklasse sind klar und bleiben bestehen. Für Anleger, die einem anerkannten ILS-Vermögensverwalter vertrauen und einen längeren Anlagehorizont haben, überwiegen die positiven Eigenschaften dieser Anlageklasse, auch wenn 2017 und 2018 sicherlich schwierige Jahre in der Performance-Betrachtung waren.

Literatur

Aon (2019), ILS Annual Report 2019 – Alternative Capital: Strength Through Disruption, http://thoughtleadership.aonbenfield.com//Documents/20190905-ils-annual.pdf?utm_source=slipcase&utm_medium=affiliate&utm_campaign=slipcase, Zugriff: 30.09.2020.

Aon (2020), Reinsurance Market Outlook, Januar 2020, http://thoughtleadership.aonbenfield.com/Documents/20190104-ab-analytics-rmo-january.pdf, Zugriff: 30.09.2020.

FINMA (2015), Rundschreiben zur Versicherungsaufsicht – Erläuterungsbericht, 08.07.2015.

FINMA (o.D.), Gebundenes Vermögen und Anlagerichtlinien, https://www.finma.ch/de/ueberwachung/versicherungen/spartenuebergreifende-instrumente/gebundenes-vermoegen-und-anlagerichtlinien/, Zugriff: 30.09.2020.

UN (2019), World Population 2019, https://population.un.org/wpp/Publications/Files/WPP2019-Wallchart.pdf, Zugriff: 30.09.2020.

Fußnoten:

[1] Darunter versteht man den Risikotransfer vom Haushalt/Unternehmung zum Erstversicherer, vom Erstversicherer zum Rückversicherer und anschließend vom Rückversicherer zum Retrozessionär, der hingegen wiederum ein Erst- oder Rückversicherer sein kann.

[2] Hurrikan Andrew traf im August 1992 in den Bahamas, Florida und Louisiana an Land und verursachte gemäß Munich Re versicherte Schäden (v.a. in Florida) in Höhe von 17 Mrd. USD (2018-Werte: 30 Mrd. USD); damit ist er bis dato der sechst teuerste Sturm in der Geschichte.

[3] Die Differenz zwischen Obergrenze und Selbstbehalt ist die Haftung oder Haftungsstrecke.

[4] Da Erstversicherer i.d.R. stark durch staatliche Finanzmarktbehörden oder Ratingagenturen reguliert und kontrolliert werden, ist die Wahrscheinlichkeit einer solchen Zahlungsunfähigkeit eher gering, aber im Extremfall nicht ausgeschlossen.

[5] Neben hauptsächlich Erst-und Rückversicherern treten auch Unternehmungen sowie staatliche Organisationen als Deckungskäufer auf. Überstaatliche Organisationen, wie die Weltbank, nutzen zudem vermehrt ihre Plattformen für den Risikotransfer per ILS.

[6] Bislang existiert kein empirischer Beweis für einen nachhaltigen Einfluss von Naturkatastrophen auf traditionelle Anlagen wie Aktien und Anleihen.

[7] Werden neue Katastrophenanleihen emittiert, die bei einem ähnlichen Ausfallrisiko eine höhere Verzinsung als die bereits laufenden Bonds anbieten, reduziert sich der Wert der laufenden Bonds, was sich negativ auf deren Bewertung auswirkt.

[8] Die Entschädigung an den Investor durch ILS-Anlagen besteht aus zwei Komponenten: einerseits aus der Versicherungsprämie, also dem Entgelt für das eingegangene Versicherungsrisiko, anderseits aus dem Entgelt aus der Besicherung der Haftung.

[9] Duration beschreibt die mittlere Kapitalbindungsdauer einer Anlage. Hochverzinsliche Anlagen haben im Vergleich zu tiefverzinslichen mit gleicher Laufzeit eine kürzere Duration. Die Duration dient indirekt auch als Risikogröße, die aufzeigt, wie Zinsänderungen den Preis einer Anleihe beeinflussen.

[10] Hurrikane werden nach der Saffir-Simpson-Skala in Stärkeklassen 1 bis 5 unterteilt, wobei Hurrikane ab Klasse 3 als Major Hurricanes definiert werden, die massives Zerstörungspotenzial haben.

[11] Ein „weicher“ Versicherungsmarkt ist ein Umfeld, in dem die Preise (d.h. Versicherungsprämiensätze) unter Druck sind.

[12] 2017 war, gemessen an versicherten Schäden aus Naturkatastrophen, mit 140 Mrd. USD das bislang teuerste Jahr in der Geschichte der Versicherung, 2018 mit 80 Mrd. USD das viertteuerste (Schätzungen der Munich Re); 2019 wird momentan mit 56 Mrd. USD veranschlagt (Schätzung der Swiss Re).

[13] Unter Informationsasymmetrie versteht man die Tatsache, dass der Erstversicherer gegenüber dem Kapitalmarktinvestor über qualitativ und quantitativ bessere Informationen verfügt. Dies könnte den Kapitalmarktinvestor beim Treffen seines Anlageentscheids maßgeblich benachteiligen.

[14] Unter Versicherungslücke versteht man die Unterversicherung von Leuten und Werten, verursacht durch mangelnde Versicherungsfähigkeit und fehlendes Angebot an Versicherungslösungen; diese besteht auch in entwickelten Versicherungsmärkten, wo Versicherte sich der Risiken nicht bewusst oder nicht bereit sind, für entsprechende Deckungen zu zahlen.

[15] Unter Tail-Risiken versteht man die Auswirkung von Extremschäden auf den Portfolio-Wert. In diesem Zusammenhang ist bspw. das San-Francisco-Erdbeben von 1906 erwähnenswert.

[16] Nach Großereignissen wie Hurrikan Andrew von 1992, den Terroranschlägen vom 11. September 2001 oder den Hurrikanen Katerina, Wilma und Rita im Jahr 2005 kam es jeweils zu einer Reihe von Versicherungsgründungen, um verlorene Kapazität zu ersetzen und/oder von höheren Preisen zu profitieren.

[17] Tohoku-Erdbeben in Japan; Christchurch-Erdbeben in Neuseeland und Tornados in den USA.

 

[18] Unter Basisrisiko versteht man die mögliche Differenz zwischen dem effektivem und dem durch ein Versicherungsprodukt abgedeckten Schaden.

[19] GAC Gesellschaft für Analyse und Consulting GmbH, https://www.gacgmbh.de/publikationen.html, Zugriff: 29.10.2020.

[20] FINMA, o.D.

[21] FINMA, 2015, S. 28.

[22] Unter indirekten Anlagen in Versicherungsrisiken versteht man den Kauf von Aktien oder Obligationen an Versicherungsunternehmen. Durch diese Investitionen beteiligt sich der Anleger am Eigen- und Fremdkapital des Unternehmens, welches dann Versicherungsrisiken zeichnet. Dadurch exponiert sich der Anleger auch gegenüber Finanzmarkt- oder operativen Risiken.

[23] UN, 2019.

Investitionen in Forderungen

Patric Wisard


1 Der Markt für Forderungen
2 Renditecharakteristik
2.1 Rendite ohne Spekulation
2.2 Rendite und Anlagekapazität
3 Arten von Forderungstransaktionen
3.1 Factoring
3.1.1 Generelles
3.1.2 Ablauf des Factoring
3.2 Forderungsbesicherter Kredit
3.2.1 Generelles
3.2.2 Ablauf des forderungsbesicherten Kredits
3.3 Auftragsfinanzierung
3.3.1 Generelles
3.3.2 Ablauf der Auftragsfinanzierung
4 Risiken und Risikokontrolle
4.1 Betrugsrisiko
4.2 Kreditrisiko
4.3 Veritätsrisiko
4.4 Verwässerungsrisiko
5 Transaktionen in der Praxis
5.1 Energieeffizienz-Dienstleister (Factoring)
5.2 Heimpflegedienst (forderungsbesicherter Kredit)
5.3 Bauunternehmung (Auftragsfinanzierung)
6 Zugangswege zu Forderungen
6.1 Direktinvestitionen
6.2 „Indirekte“ Fondsprodukte
6.3 „Direkte“ Fondsprodukte
7 Gründe für Investitionen in Forderungen
8 Auswirkungen von COVID-19

1 Der Markt für Forderungen

Die weltweite Geschäftstätigkeit des Menschen kreiert permanent Forderungen. Offene Forderungen zugunsten eines operativen Geschäfts sind als Aktivum Teil des Umlaufvermögens. Zur effizienteren Bewirtschaftung des Umlaufvermögens kann ein Unternehmen seine offenen Forderungen verkaufen oder beleihen. Werden Forderungen verkauft, spricht man von Factoring. Werden sie beleiht, spricht man von einem besicherten Betriebskredit.

Wie in Abschnitt 3 erklärt wird, gibt es davon verschiedene Unterarten und Varianten. In dieser Beziehung oft genannt wird der Begriff Supply Chain Finance. Dies ist der Oberbegriff für alle Optimierungen von Finanzstrukturen und Finanzflüssen zur Maximierung der Rentabilität eines Unternehmens und umfasst somit auch forderungsbasierte Finanzierungsarten. Ein Großteil der forderungsbasierten Finanzierungsarten wird vom Bankensystem absorbiert.

Aufgrund der zunehmenden Anforderungen an das regulatorische Kapital, welches Banken für solche Finanzierungsarten bereitstellen müssen, sowie aufgrund des notwendigen Spezialisierungsgrades nimmt der Anteil von Forderungsfinanzierungen durch den Nicht-Bankensektor seit Jahren kontinuierlich zu. Der Nicht-Bankensektor besteht aus Factoring-Unternehmen, anderen spezialisierten Finanzierungsunternehmen und Anlagefonds mit entsprechender Strategieausrichtung.

Zahlen zum Forderungsmarkt sind mit Vorsicht zu geniessen, denn der Markt ist weder öffentlich noch homogen und überdies segmentiert in verschiedene Transaktionsarten. Offensichtlich ist jedoch, dass der Gesamtmarkt für forderungsbasiertes Finanzieren stetig zunimmt. Allein in den Jahren 2018 und 2019 hat das Factoring- und Commercial-Finance-Volumen – primär an kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) – in der Europäischen Union (EU) jährlich um fast 8% auf 1,91 Bio. EUR zugenommen.[1] Das sind 11% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der EU. Das Factoring-Volumen in Deutschland ist im Jahr 2018 um 4% und im Jahr 2019, das zehnte Wachstumsjahr in Folge, um fast 14% gewachsen. Nahm die Kundenzahl im Jahre 2018 überproportional um 20% auf ca. 43.000 zu, resultierte im Jahre 2019 sogar ein weit höherer Anstieg um 106% auf über 90.000 Factoring-Kunden.[2]

In den USA sind forderungsbasierte Finanzierungslösungen schon seit Jahren weit verbreitet. Gemäß der Commercial Finance Association der USA nimmt das Finanzierungsvolumen seit Jahren kontinuierlich zu, in den Jahren 2018 und 2019 um ca. 5% bis 6% p.a., und erreicht ca. 20% des BIP der USA.[3] Der Erfolg forderungsbasierter Finanzierungslösungen in den USA ist insbesondere ein Resultat der flexiblen rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese basieren auf dem Uniform Commercial Code (UCC) und dem Konkursrecht (Bankruptcy Code), welche grundsätzlich kreditgeber-freundlich ausgestaltet sind. Der UCC ermöglicht es, auf einfache Weise vorrangige Pfandrechte auf allen möglichen, beweglichen Vermögenswerten (d.h. auch existierende und zukünftig entstehende Forderungen) in ein Pfandregister mit Öffentlichkeitswirkung eintragen zu lassen.

 

Generell wird erwartet, dass sowohl in den USA wie auch in der EU das durch Nicht-Banken zur Verfügung gestellte forderungsbasierte Finanzierungsvolumen konjunkturunabhängig weiter zunimmt. Das in den letzten Jahren beobachtete einseitige Aufzwingen von längeren Zahlungszielen durch Großkonzerne gegenüber ihren Lieferanten wird sich weiter fortsetzen und den Bedarf an Forderungsfinanzierungen laufend erhöhen.

Das Volumen der heute schon attraktiven Anlagemöglichkeiten für Investoren im Bereich Forderungen wird dadurch weiter ausgebaut.

2 Renditecharakteristik

Geld anlegen war auch schon einfacher: Negativzinsen, aufgeblähte Preise in vielen Anlageklassen wie Aktien, Renten und Immobilien, zahlreiche Unsicherheiten wie Handelskriege, Währungsmanipulationen und erste Rezessionssignale nach einem der längsten Bullenmärkte der Geschichte. Anlageverantwortliche sind nicht zu beneiden. Wie erreicht man unter diesen Umständen eine anständige Rendite bei akzeptablem Risiko?

In Krisensituationen zeigen zudem die meisten gängigen Anlagekategorien eine hohe Korrelation zueinander. Abhilfe schaffen teilweise Anlagekategorien wie Senior Secured Loans sowie Private Equity. Allerdings beschränken Kredit- und Preisrisiken bei Loans und die lange Kapitalbindung bei Private Equity deren Einsatz. Gefragt sind somit Anlagen, welche Rendite mit vertretbarem Risiko, wenig Volatilität, tiefer oder keiner Korrelation zu anderen Anlagen und mit einer gewissen Liquidität bieten.

Die Anlagekategorie Forderungen erfüllt diese Kriterien.

2.1 Rendite ohne Spekulation

Professionell umgesetzt unterscheidet sich das Investieren in Forderungen grundlegend von vielen anderen Anlagekategorien. Weshalb? In den üblichen Anlagekategorien wird Rendite zumeist durch Spekulation auf vorteilhafte Preis-, Zins- oder andere Bewertungsentwicklungen erzielt. Es werden „Wetten“ auf zukünftige Entwicklungen eingegangen.

Ein solches Spekulieren entfällt beim Investieren in Forderungen. Investoren in Fonds mit Fokus auf Forderungen kommen faktisch in den Genuss der Nettorendite einer operativen Geschäftstätigkeit. Der Fondsverwalter, welcher die unterliegenden Forderungstransaktionen umsetzt, erbringt eine Dienstleistung an seine Kunden. Kunden sind zumeist KMUs mit offenen Forderungen gegenüber Konzernen und anderen gut kapitalisierten Unternehmen. Die Renditen der eingegangenen Forderungstransaktionen sind folglich nicht primär eine Risikokompensation, sondern der Preis für die erbrachte Finanzierungsdienstleistung. Der Preis der Finanzierungsdienstleistung entspricht den vom Kunden getragenen Finanzierungskosten (Zinsen und Gebühren).

Die hier im Fokus stehenden Forderungen des Umlaufvermögens werden nicht aktiv gehandelt. Preisvolatilität gibt es deshalb ebenso wenig wie zinsbasierte Bewertungsabhängigkeiten.