Übersetzungstheorien

Text
From the series: narr studienbücher
Read preview
Mark as finished
How to read the book after purchase
Font:Smaller АаLarger Aa

7.3 GliederungssignaleGliederungssignale in Texten (Gülich/Raible)

Die syntagmatische Substitution über größere Textsegmente hinweg (s. Kap. 7.1) führt uns zur makrostrukturellen TextanalyseTextanalyse. GÜLICH/RAIBLE (1977) verweisen auf textinterne Aspekte:

Nach dieser Konzeption würde ein Text bzw. ein TextganzesTextganzes aus Teilganzen (im Sinne der Gestalttheorie) bestehen, die als Sinneinheiten eine Funktion im Textganzen haben. (…) Textsorten wären dadurch zu charakterisieren, daß man die Art, die Abfolge und die Verknüpfung ihrer Teiltexte beschreibt (1977:53).

Wenn sich Texte nach Art und Verknüpfung ihrer Teiltexte beschreiben lassen, dann handelt es sich hier um textsyntaktische Invarianten, die vielleicht bestimmte Textsorten kennzeichnen. Die Strukturierung von Teiltexten geschieht mit Sprachelementen, welche die Makrostruktur eines Gesamttextes gliedern und direkt auf der Textebene nachweisbar sind. So meinen GÜLICH/RAIBLE, „daß es analog zu den hierarchisch gegliederten Teiltexten eine Hierarchie sog. Gliederungsmerkmale geben müßte, mit deren Hilfe sich die Teiltexte (formal) gegenseitig abgrenzen“ (1977:54). Das Erkennen von textsortenspezifischen Invarianten und Gliederungssignalen im Text macht solche Texte durchsichtiger und verständlicher.1 Für das ÜbersetzenÜbersetzen interessant sind kontrastive Vergleiche von textsortentypischen Abschnittanfängen und syntaktischen Konnektoren, die in den Einzelsprachen verschieden sind.

Bei der TextsorteTextsorte „Urteil“ ist die Gliederung meistens standardisiert und daher ein wesentliches Erkennungsmerkmal für den ÜbersetzerÜbersetzer:


amerikanisches Urteilfranz./span. Urteil
1. Urteilseingang1. Urteilseingang
2. Verfahrensablauf2. Tatbestand
3. Text Zwischenurteil3. Rechtsverweise mit Entscheidungsgründen
4. Urteilsformel (oft formularisch)4. Urteilsformel
deutsches Urteilitalienisches Urteil
1. Urteilseingang1. Urteilseingang
2. Urteilsformel2. Schlussanträge
3. Tatbestand3. Verfahrensablauf (Instruktionsverfahren)
4. Entscheidungsgründe5. Urteilsformel

Diese historisch gewachsenen Unterschiede spiegeln den Verfahrensablauf und die Argumentationsstruktur wider. Während im deutschen Urteil Tatbestand und Entscheidungsgründe als Begründung dem Tenor folgen, erscheint in den romanischen Urteilen die Entscheidung als Folge aus den Entscheidungsgründen.

Ein zentrales Interesse der TextlinguistikTextlinguistik besteht eben darin, die Beobachtung verschiedenartiger Textstrukturen für die linguistische Abgrenzung von Textsorten fruchtbar zu machen. Aus der generellen Situationsgebundenheit von Texten resultiert dabei das Ziel der Textlinguistik, situationsspezifische Texterzeugungsmodelle zu erstellen. Demgegenüber strebt die ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft eine Texttypologie an, um daraus bestimmte Übersetzungsprinzipien ableiten zu können. Es ist ja eine Erfahrungstatsache, dass verschiedene Textsorten im ÜbersetzungsprozessÜbersetzungsprozess unterschiedlich behandelt werden. Die Textbestimmung geht hier vom Einzeltext aus und ordnet diesen aufgrund seiner Merkmale einer bestimmten TextsorteTextsorte zu. Es mag an der Unterschiedlichkeit des Forschungsinteresses gelegen haben, dass beide Disziplinen lange Zeit relativ unabhängig voneinander gearbeitet haben. Erst später gab es Versuche, Ergebnisse des jeweils anderen Forschungszweigs zu berücksichtigen.

7.4 Übersetzungsorientierte Texttypologie (ReißReiß)

Besondere Resonanz in der übersetzungswissenschaftlichen LiteraturLiteratur hat die übersetzungsorientierte Texttypologie bei Katharina REISSReiß gefunden. Der Grundgedanke ist dabei, dass die Struktur des Textes die Übersetzung beeinflusst. REISS bewegt sich in ihrer Darstellung nicht mehr nur auf der syntaktisch-semantischen Ebene von Sätzen, sondern betrachtet Texte als größere Einheiten und liefert eine der Textsortenklassifikation vorgeschaltete, abstraktere DifferenzierungDifferenzierung von Texten. Bezugnehmend auf die drei kommunikativen Zeichenfunktionen des BÜHLERSCHEN Organon-Modells der SpracheSprache (s. Kap. 3.2) – BezeichnungBezeichnung, AusdruckAusdruck, Appell – definiert REISS (1971:31ff) zunächst drei Texttypen: den „inhaltsbetonten“, den „formbetonten“ und den „appellbetonten“ TexttypTexttyp, die jeweils einen Einzeltext charakterisieren:

Nun brauchen diese drei Funktionen nicht in jeder sprachlichen ÄußerungÄußerungs. Rede, parole qualitativ gleichrangig zu sein. In dem einen Text (oder Textabschnitt) mag die Darstellung überwiegen, der andere lebt von der Ausdrucksfunktion, wieder ein anderer ist vom Wesen her Appell an den Hörer oder LeserLesers. Empfänger. Selbstverständlich wird nicht immer ein ganzer Text ausschließlich nur eine der Funktionen der SpracheSprache widerspiegeln.

In der PraxisPraxis gibt es zahllose Überschneidungen und Mischformen. Doch läßt sich je nach dem Übergewicht der einen oder anderen Funktion der Sprache in einem gegebenen Text bereits eine Unterscheidung von drei Grundtypen rechtfertigen (1971:32).

Dann sind also unter „inhaltsbetonten Texten“ solche zu verstehen, die das Hauptgewicht auf die Vermittlung von Inhalten, von Informationen legen, während bei den „formbetonten Texten“ die sprachliche FormForm der natürlich auch vorhandenen Inhaltsvermittlung die dominierende Komponente bildet. Bei den „appellbetonten Texten“ ist ein Hauptmerkmal die Erzielung außersprachlicher Effekte. So ergibt sich folgendes SchemaSchema der Zuordnung bei REISSReiß (1971:33):


Als vierter TexttypTexttyp kommt dann noch der „audiomediale Text“ hinzu, dessen Kennzeichen das „Angewiesensein auf außersprachliche (technische) Medien und nichtsprachliche Ausdrucksformen graphischer, akustischer und optischer Art“ ist (REISSReiß 1971:49).

Später verschiebt sich ihre PerspektivePerspektive von BÜHLERS Sprachfunktion zur TextfunktionTextfunktion hin, und REISSReiß arbeitet (1976) dann mit Hilfe empirischer, linguistischer und kommunikationstheoretischer Argumente ihre Texttypologie noch differenzierter aus, wobei den drei Grundtypen jeweils verschiedene Textsorten zugeteilt werden. Die weiter oben genannten, von der TextlinguistikTextlinguistik entwickelten Beschreibungskriterien (s. Kap. 7.1) werden dabei aber nicht verwendet. Stattdessen wird stärker auf die Rolle des Autors und seine IntentionIntention abgehoben. Schon NIDA/TABER (1969) haben eine informative, expressive und imperative Funktion von Texten gesehen (s. Kap. 6.2). Bei einer Einteilung von Textvorkommen nach dieser Typologie ergibt sich etwa folgendes Bild (vgl. REISS 1976:19), wobei Überschneidungen nicht ausgeschlossen werden:

Informativer TexttypTexttyp (sachorientiert): Textsorten Bericht, Aufsatz, Urkunde, Gebrauchsanweisung, Kommentar, Sachbuch;

Expressiver TexttypTexttyp (senderorientiert): Textsorten Roman, Novelle, Lyrik, Schauspiel, Komödie, Lehrgedicht, Biographie;

Operativer TexttypTexttyp (verhaltensorientiert): Textsorten Predigt, Propaganda, Reklame, Demagogie, Pamphlet, Satire, Tendenzroman, Kommentar usw.

REISSReiß vertritt nun die Meinung, dass der TexttypTexttyp infolge seines je spezifischen Charakters über die zu wählende ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode entscheide. Dabei soll die TextfunktionTextfunktion erhalten bleiben:

Aufgrund der ErkenntnisErkenntnis, daß in der Regel informative Texte in der Absicht übersetzt werden, die textimmanente InformationInformation an einen weiteren, zielsprachlichen Empfängerkreis zu vermitteln, expressive Texte in der Absicht, ein Sprach- oder Dichtkunstwerk auch zielsprachlichen Lesern zugänglich zu machen und operative Texte in der Absicht, gleichwertige Verhaltensimpulse bei zielsprachlichen Textempfängern auszulösen, werden also grundsätzlich TextfunktionTextfunktion und Übersetzungsfunktion gleichgesetzt (1976:23).

Die gewonnene „übersetzungsrelevante Texttypologie“ wird so erklärt:

1) Das Kennzeichen des informativen Texttyps ist seine Sachorientiertheit, das Ziel der Übersetzung muss Invarianz auf der Inhaltsebene sein, die Übersetzung ist „schlicht-prosaisch“.

2) Das Kennzeichen des expressiven Texttyps ist seine Senderorientiertheit, Übersetzungsziel ist die Analogie der künstlerischen Gestaltung, die ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode ist „identifizierend“.

3) Das Kennzeichen des operativen Texttyps ist seine Verhaltensorientiertheit. Angestrebt wird die Identität des textimmanenten Appells mit einer „adaptierenden“ Übersetzungsmethode.

Es ergeben sich drei verschiedene Übersetzungsmethoden, die schematisch dargestellt werden (REISSReiß 1976:20):


TexttypTexttypTextfunktionTextfunktionKennzeichenÜbersetzungs-Methode (Primärfunktion)
1. informativVermittlung von InformationInformationsachorientiertInvarianz auf der Inhaltsebenesachgerecht (= „schlicht-prosaisch“)
2. expressivkünstlerische AussagesenderorientiertAnalogie der künstlerischen Gestaltungautorgerecht (= „identifizierend“)
3. operativAuslösung von VerhaltensimpulsenverhaltensorientiertIdentität des textimmanenten Appellsappellgerecht (= „parodistisch“ später: „adaptierend“)
4. audio-medial(1–3)(1–3)(1–3)medien- bzw. verbundgerecht (= „suppletorisch“)

Da die Texttypen zunächst funktionalfunktional und nicht linguistisch definiert sind, führt REISSReiß (1976:38–55) zur Beschreibung des „operativen Texttyps“ nun eine reiche Fülle appellwirksamer Sprachelemente aus Werbe-, Propaganda- und missionarischen Texten an, „um festzustellen, wie die ‘funktionsgemäßen’ und ‘funktionsgerechten’ Zeichenmengen aussehen, die den operativen Text konstituieren“ (1976:35).1SpracheHouse

 

Die Dominanz des Empfängerbezugs beim appellbetonten Text und im operativen TexttypTexttyp bewirkt, dass der ÜbersetzerÜbersetzer sich fragen muss, „ob dieselben sprachlichen Mittel in der ZS ihre Appellwirksamkeit behalten (…). Er kann nur prüfen, ob die textkonstituierenden und textspezifischen Merkmale des Textes bei einer bloßen Substitution der sprachlichen Elemente erhalten bleiben, oder ob andere Übersetzungsoperationen vorgenommen werden müssen“ (1976:91f).

Bei der Übersetzung operativer Texte bestimmen also die Techniken der ModulationModulation und der AdaptationAdaptation von einzelnen Übersetzungseinheiten primär die ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode; und dies immer im Dienste der Erhaltung nicht in erster Linie der InformationInformation oder des expressiven Wertes, sondern im Dienste der Bewahrung des textimmanenten und sprachlich gestalteten Appells. Ohne Operationen dieser Art ist die Appellfunktion nicht zu erhalten (REISSReiß 1976:101) (Unsere Hervorhebung).

Da sich als ÜbersetzungsmethodeÜbersetzungsmethode im Wesentlichen das ergibt, was die sprachenpaarbezogene ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft auch an anderer Stelle beschrieben hat, bleibt der übersetzungstheoretische Ertrag dieses Modells begrenzt. Doch auch wenn sich aus dieser Texttypologie nicht unbedingt direkte Anweisungen zum ÜbersetzenÜbersetzen ergeben, so ist sie ein geeignetes Instrument, um die Grundtendenz von Texten auf einfache Weise zu bezeichnen.

Ursprünglich war die REISSSCHE Texttypologie zum Zweck einer Definition von „Möglichkeiten und Grenzen der ÜbersetzungskritikÜbersetzungskritik“ (1971) entwickelt worden. Der Übersetzungskritiker soll sein Urteil nicht willkürlich nach persönlichem Geschmack, sondern anhand des betreffenden Texttyps fundieren. Hernach kann er es noch mit einer „sprachlichen Kategorie“ (innersprachliche Instruktionen) und einer „pragmatischen Kategorie“ (außersprachliche Determinanten) erhärten. REISSReiß äußert sich zur Übersetzung von Redensarten. Sie meint, dass es bei „inhaltsbetonten Texten“

durchaus legitim ist, zum Beispiel Redensarten, Sprichwörter und Metaphern entweder inhaltlich-begrifflich oder mit analogen Sprachfiguren der ZielspracheZielspraches. ZS wiederzugeben, (doch) gilt es bei formbetonten Texten, die in der AusgangsspracheAusgangsspraches. AS übliche Redensart (bzw. das Sprichwort) in wörtlicher Übertragung und nur, wenn es dann unverständlich und befremdend wirken würde, mit einer in der ZielspracheZielspraches. ZS üblichen Redensart (Sprichwort) wiederzugeben, die in der AusgangsspracheAusgangsspraches. AS sprachübliche MetapherMetapher ebenso zu behandeln und eine vom AutorAutors. Sender selbst geschaffene Metapher wortwörtlich zu übersetzen. Wird also zum Beispiel in einem englischen Text die Redensart ‘a storm in a teacup’ verwendet, dann darf – sofern es sich um einen inhaltsbetonten Text handelt – eine rein begriffliche Übersetzung, etwa ‘zuviel Aufhebens – unnötige Aufregung’ etc. als adäquat gelten. In einem formbetonten Text dagegen wäre als Äquivalent unbedingt ebenfalls – eine gleichermaßen übliche – Redensart, ‘ein Sturm im Wasserglas’, zu fordern. In einem appellbetonten Text könnte – je nach KontextKontext – vielleicht sogar die Wendung ‘künstliche Aufregung’ als Übersetzung angebracht sein, da das ‘künstlich’ stark affektiv wirkt (REISS 1971:43f). (Hervorhebungen von uns.)

Gegen diese Systematisierung wurde eingewendet, die Übertragung mit einer zielsprachlichen Redensart sei in jedem Text, gleich welchen Texttyps, angebracht, weil sonst „die unnötige Erzeugung eines Ungleichgewichts zwischen OriginalOriginals. Ausgangstext und Übersetzung im stilistischen Bereich“ entstehen würde (SEGUÍ)2Reiß. Dies ist wohl richtig, doch ist auch zu bedenken, dass mit jenen Anweisungen eigentlich die ÜbersetzungskritikÜbersetzungskritik gemeint war, die zu wohlwollenden begründeten Urteilen finden sollte. So ist REISSReiß’ übersetzungsrelevante Texttypologie nicht präskriptiv als Anweisung zum ÜbersetzenÜbersetzen zu verstehen, sondern vielmehr als deskriptiv im Sinne einer Beschreibung der möglichen übersetzerischen Reaktion auf Texte.

Von vielen Seiten wurde in sehr lebhafter Diskussion an dem Modell von REISSReiß vor allem kritisiert, dass Texte in der Realität nicht immer eine so deutlich ausgeprägte Primärfunktion aufweisen, wie dies mit den drei Texttypen suggeriert wird.3NidaÜbersetzer Im Bereich der „innersprachlichen Instruktionen“ wird teilweise Ähnliches diskutiert wie früher schon in der Stylistique comparée, auf die REISS selbst ja auch immer wieder ausdrücklich Bezug nimmt. Jedoch wurde damit insgesamt ein wesentlicher Beitrag zur sprachenpaarbezogenen Übersetzungsdidaktik im Deutschen geleistet. In dem Hinweis auf die außersprachlichen Determinanten werden kulturelle Unterschiede nicht explizit genannt, doch ist manches angelegt, was erst viel später fruchtbar weiterentwickelt wurde.

7.5 Übersetzungsrelevante Textgattungen (KollerKoller)

In der 4. Auflage seiner „Einführung“ unterscheidet Werner KOLLERKoller (1992:272ff) „übersetzungsrelevante Textgattungen“.1TextgattungKollerReiß Im Gegensatz zur oben dargestellten Texttypologie von REISSReiß und im Unterschied zu JUMPELTJumpelt (vgl. Kap. 5.2) plädiert er dafür, „die zwei Haupt-Textkategorien Fiktivtexte und Sachtexte anzusetzen. (…) Es handelt sich dabei um eine idealtypische Unterscheidung, und jede der Hauptgattungen könnte unter Anwendung weiterer Kriterien kommunikativer, linguistischer und literarisch-ästhetischer Art weiter untergliedert werden“ (1992:272).

KOLLERKoller geht davon aus, dass zwischen Fiktivtexten und Sachtexten nicht nur graduelle, sondern „qualitative“ Unterschiede bestehen, und er begründet dies im Sinne der Rezeptionsästhetik mit der Erwartungshaltung des Lesers, aus der sich für den ÜbersetzerÜbersetzer bestimmte „Forderungen hinsichtlich der Übersetzungsäquivalenz“ (1992:274) ergeben. Während als „fiktive Texte“ vor allem die literarischen Texte angesehen werden, unterscheidet KOLLER drei Kategorien von Sachtexten:

1 Sachtexte, die überwiegend allgemeinsprachlichen Charakter haben und die primär der nicht-fachlichen KommunikationKommunikation dienen (d.h. Gebrauchstexte verschiedenster Art);

2 Sachtexte, die allgemeinsprachlichen und fachsprachlichen Charakter haben und die der fachlichen KommunikationKommunikation mit und unter Nicht-Fachleuten, zum Teil aber auch mit und unter Fachleuten dienen (Beispiel: populärwissenschaftliche Schriften, Einführungswerke in Fachgebiete) (= Fachtexte im weiteren Sinne);

3 Sachtexte, die spezifisch fachsprachlichen Charakter haben und die der KommunikationKommunikation unter Fachleuten und Spezialisten dienen (Beispiel: wissenschaftlich-technische Fachliteratur) (= Fachtexte im engeren Sinne)2Koller (1992:274f).

Die Unterschiede zwischen den Texten werden mittels vier Kriterien erläutert:

1. Das Kriterium der sozialen Sanktion bzw. der praktischen Folgen besagt, dass eine Textveränderung in der literarischen Übersetzung für den LeserLesers. Empfänger keine konkreten lebenspraktischen Folgen hat (auch wenn dies „höchst ärgerlich“ ist) (1992:275). Anders bei den Sachtexten: Hier haben „Teilnahme bzw. Nicht-Teilnahme an der Sachkommunikation, richtiges, ungenaues oder falsches VerstehenVerstehen soziale Folgen. Dabei kann es sich auch um praktische Folgen handeln, wenn wir beispielsweise an Bedienungsanleitungen denken“ (ebd.:276); KOLLERKoller belegt dies mit drei Beispielen.

2. Das Kriterium der FiktionalitätFiktionalität bezieht sich auf die künstliche Wirklichkeit in diesen Texten: „Aber diesen vom literarischen Text hergestellten Wirklichkeiten steht der LeserLesers. Empfänger auf andere Weise gegenüber als den Inhalten von Sachtexten, (…) Der Sachtextübersetzer, der eine ‚Diskrepanz zwischen Text und Realität’ feststellt, fühlt sich im allgemeinen verpflichtet, den Text zu korrigieren“ (1992:278f). Beim literarischen Text dagegen gelten solche Abweichungen als gewollt und werden nicht korrigiert. Solches würde nämlich „eine den LeserLesers. Empfänger bevormundende ‘Verbesserung’ des Originaltextes“ bedeuten (ebd.:279). Während bei Sachtexten die denotative ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung oberstes Gewicht hat, steht bei literarischen Texten die konnotative ÄquivalenzÄquivalenzs. Entsprechung im Vordergrund. Vgl. dazu die „Formbetontheit“ literarischer Texte als „Träger des künstlerischen Gestaltungswillens“ nach REISSReiß (1971:38).

3. Das Kriterium der ÄsthetizitätÄsthetizität besagt, dass literarische Texte unter ästhetischem AspektAspekt rezipiert werden, und daher Abweichungen von sprachlich-stilistischen Formen als Stilmittel gelten. Für den ÜbersetzerÜbersetzer ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, solche „Sprachexperimente nachzuvollziehen“ (1992:281) – man denke etwa an James Joyces „Ulysses“. Zur Ästhetizität ist auch die latente Vieldeutigkeit literarischer Texte zu rechnen. In einem SachtextSachtext dagegen wird abweichender SprachgebrauchSprachgebrauch kaum mit dem Hinweis auf dessen Ästhetizität „entschuldigt“. Fehler wirken hier vielmehr peinlich und unfreiwillig komisch. So soll der Übersetzer bei Sachtexten „nur die usuell für die betreffende Textkategorie gültigen Ausdrucksmöglichkeiten ausnutzen. Für die Sachtextübersetzung gilt die Forderung nach sprachlich-stilistischer AdäquatheitAdäquatheit (ebd.:286). Besonders wichtig ist hier neben grammatischer Korrektheit auch die eindeutige und klare Ausdrucksweise, so dass ggf. Verbesserungen am OriginalOriginals. Ausgangstext erforderlich sind.

4. Intralinguistische, soziokulturelle und intertextuelle Bedeutungen als viertes Kriterium bewirken nur einen „graduellen“ Unterschied zwischen Fiktiv- und Sachtexten: Intralinguistische Bedeutungen ergeben sich z.B. als sprachliche Assoziationen „auf Grund phonetischer, graphematischer, morphologischer und lexikalischer Ähnlichkeiten“ (ebd.:287). Dies wirkt sich „bei der Übersetzung dahingehend aus, daß die Wahrung poetischer Eigenschaften häufig nur unter Veränderung des Denotats möglich ist“ (ebd.:288). Soziokulturelle Bedeutungen sind kulturspezifisch und im Text implizit mitgemeint. „Die Vermittlung von solchen soziokulturellen Bedeutungen ist – wenn überhaupt – oft nur in der FormForm von Kommentaren möglich“ (ebd.:290). „Intertextuelle Bedeutungen, die einen literarischen Text einbetten in der literarischen Textwelt, ergeben sich durch unterschiedliche Techniken des (impliziten oder expliziten) inhaltlichen und formalen Anspielen auf andere (eigene oder fremde) Texte und Autoren“ (ebd.:291). Auch hier ist eine Übersetzung oft kaum möglich.

Insgesamt erscheinen KOLLERS Ausführungen etwas zu kursorisch, um mehr zu sein als eine Erklärung zu den jeweils kurzen Beispieltexten. Bewusst gibt KOLLERKoller kaum konkrete Hilfestellung für den ÜbersetzerÜbersetzer:

Grundsätzlich ist anzumerken, daß sich über die Legitimität kommentierender ÜbersetzungsverfahrenÜbersetzungsverfahren a priori überhaupt nichts sagen läßt – wie sich denn die ÜbersetzungswissenschaftÜbersetzungswissenschaft überhaupt hüten sollte, Anweisungen für die PraxisPraxis zu formulieren. Als empirische Wissenschaft sollte sie vielmehr die angewendeten Verfahren, ihre Funktionen, ihr Vorkommen und quantitative Verteilung in verschiedenen Textsorten, ausgehend von konkreten Übersetzungsfällen beschreiben (1992:271).

 
You have finished the free preview. Would you like to read more?