Anwendbares Recht beim grenzüberschreitenden Warenkauf

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C. Allgemeine Bestimmungen des Übereinkommens

Die Art. 7-13 CISG (Teil I, Kapitel II) regeln allgemeine Bestimmungen bezüglich der Anwendung des CISG, welche insbesondere die Auslegung und Lückenfüllung, die Bindung an Gebräuche und Gepflogenheiten sowie die Form betreffen.

I. Auslegung und Lückenfüllung

Art. 7 I CISG normiert für die Auslegung des CISG drei Grundsätze. Mit der Berücksichtigung seines internationalen Charakters sowie der Förderung seiner einheitlichen Anwendung wird, ungeachtet nationaler Vorschriften und Hintergründe, seine autonome und einheitliche Auslegung bestimmt.41 Der dritte Grundsatz besteht in der Wahrung des guten Glaubens im internationalen Handel.42 Keine einheitliche Auffassung besteht in der Frage, wie umfassend dieser Grundsatz zu sehen ist.43 Trotz seiner Verortung in den allgemeinen Bestimmungen und der teilweise entsprechend vertretenen Ansicht, der Grundsatz gelte nur für die Auslegung des CISG,44 betrifft er nach verbreiteter Meinung auch das Verhältnis der Parteien untereinander.45 Vor dem Hintergrund international unterschiedlicher Auffassungen zum Grundsatz von Treu und Glauben und dem Ziel einer einheitlichen Anwendung des CISG, sollte dieser Grundsatz nicht überdehnt werden.46 Nach einer Ansicht sind das Verständnis und die durchschnittlichen Kenntnisse eines mit dem internationalen Handel vertrauten Teilnehmers an demselben maßgeblich.47 Nach verbreiteter Ansicht schließt der Grundsatz zumindest das Verbot des Rechtsmissbrauchs sowie widersprüchlichen Verhaltens ein.48

Im unvereinheitlichten deutschen Recht hat der i.S.d. § 242 BGB als Generalklausel normierte Grundsatz von Treu und Glauben den Stellenwert eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der über das Schuldrecht hinaus für das Privatrecht insgesamt und teilweise weitergehend anwendbar ist.49 § 157 BGB verweist hierauf hinsichtlich der Auslegung von Verträgen. Im Ergebnis sollten sich zwischen BGB und CISG diesbezüglich keine wesentlichen Unterschiede ergeben.50

Hinsichtlich der im CISG nicht entschiedenen Fragen bezüglich im CISG geregelter Gegenstände verweist Art. 7 II CISG vorrangig auf die dem CISG zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze, welche sich unter anderem aus Art. 6, 7 I, 11 CISG ergeben.51 Mangels entsprechender Grundsätze verweist Art. 7 II Var. 2 CISG als ultima ratio auf das nach dem IPR anzuwendende nationale Recht.52 Die bewusste Wahl des subsidiär wirkenden Rechts ist daher zu empfehlen.

Neben den in Art. 7 I CISG geregelten allgemeinen Auslegungsgrundsätzen normiert Art. 8 CISG die Auslegung des Parteiwillens. I.S.d. Art. 8 I CISG bestimmt sich die Auslegung entsprechender Erklärungen oder sonstigen Verhaltens einer Partei nach deren Willen, soweit die andere Partei diesen kannte oder darüber nicht in Unkenntnis sein konnte. Kriterium für die Auslegung ist der subjektive Erklärungswille.53 Maßstab für das Kennenmüssen dieses Willens auf Seite des Erklärungsempfängers ist grobe Fahrlässigkeit.54 Hat dieser den wirklichen Willen der äußernden Partei insoweit nicht gekannt, sind deren Erklärungen oder Verhalten i.S.d. Art. 8 II CISG gemäß der Auffassung einer entsprechenden vernünftigen Person unter gleichen Umständen objektiv auszulegen. Maßgeblich ist der Horizont eines verständigen Erklärungsempfängers55 unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte.56 Zur Feststellung des Willens sowie der Auffassung i.S.d. Art. 8 II CISG sind i.S.d. Art. 8 III CISG alle erheblichen Umstände des konkreten Sachverhalts zu berücksichtigen.

Die bei Geltung des BGB i.S.d. § 133 BGB geregelte Auslegung von Willenserklärungen stellt auf die Erforschung des wirklichen Willens ab. Dem entspricht insoweit Art. 8 I Hs. 1 CISG. Auf Basis dieses Grundsatzes hat die Rechtsprechung ergänzende Auslegungsregeln entwickelt. So ist der wirkliche Wille dann für die Auslegung maßgeblich, wenn er von den Beteiligten übereinstimmend verstanden wurde.57 Dies entspricht im Grundsatz der Bedeutung des Art. 8 I CISG.

Ist von einem übereinstimmenden Verständnis hinsichtlich des wirklichen Willens nicht auszugehen, ist in Bezug auf die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen nach gefestigter Rechtsprechung auf den objektiv erklärten Willen, unbeachtlich des unerklärt gebliebenen Willens, in dem Maße abzustellen, in dem er für den Erklärungsempfänger erkennbar war und wie dieser ihn nach Treu und Glauben sowie der Verkehrsanschauung verstehen musste.58 Dies deckt sich im Grundsatz mit Art. 8 II CISG. Die i.S.d. Art. 8 III CISG normierte Berücksichtigung erheblicher Umstände entspricht höchstrichterlicher deutscher Rechtsprechung.59

Ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum unterliegt i.S.d. Art. 4 S. 2 lit. a CISG dem gemäß IPR anzuwendenden nationalen Recht.60 Ist das unvereinheitlichte deutsche Recht anzuwenden, ergibt sich ein Anfechtungsanspruch i.S.d. § 119 I BGB.

II. Handelsbräuche und Gepflogenheiten

Art. 9 I Var. 1 CISG bestimmt die Bindung der Parteien an ihre individuell vereinbarten Gebräuche. Abzustellen ist hierbei auf den ausdrücklichen oder stillschweigenden Willen der Parteien zur Geltung eines Gebrauchs,61 worin sich die Nähe zu Art. 8 CISG widerspiegelt.62 Dem Prinzip der Privatautonomie i.S.d. Art. 6 CISG folgend, haben entsprechende Gebräuche Vorrang vor den Vorschriften des CISG.63 Darüber hinaus statuiert Art. 9 II CISG unter dem Vorbehalt einer anderslautenden Vereinbarung die Vermutung, dass vertrags- und branchenspezifisch weithin bekannte und regelmäßig beachtete Gebräuche unabhängig vom konkreten Parteiwillen stillschweigend in den Vertrag einbezogen werden. Eingeschränkt wird dies insoweit, dass die Parteien die jeweiligen Gebräuche kannten oder kennen mussten. Abzustellen ist hierbei auf einen direkten Bezug der jeweiligen Partei zum Verbreitungsgebiet des betreffenden Brauchs.64

Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts normiert § 346 HGB obligatorisch die Rücksichtnahme auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche. Auf ein Kennenmüssen kommt es nicht an.65 Ähnlich Art. 9 II CISG setzt das Bestehen eines Handelsbrauchs auch hier die tatsächliche Übung im entsprechenden Verkehrskreis voraus, welcher branchenbezogen oder örtlich begrenzt sein kann.66 Rechtsverbindlichkeit erlangen Handelsbräuche allerdings nur bei vertraglicher Vereinbarung.67 Indessen kann die Geltung eines Handelsbrauchs auch ausgeschlossen oder abweichend vereinbart werden.68

Art. 9 I Var. 2 CISG bestimmt die Bindung der Parteien an die zwischen ihnen entstandenen Gepflogenheiten. Die Norm spiegelt den Grundsatz von Treu und Glauben wider69 und findet eine Entsprechung im unvereinheitlichten deutschen Recht. So ergibt sich für die Parteien im Geltungsbereich des HGB aus dem Bestehen einer Geschäftsverbindung eine Sonderverbindung, aus der ebenso Gepflogenheiten und entsprechende Treuepflichten i.S.d. § 242 BGB resultieren.70

§ 346 HGB bezieht sich ausdrücklich auf Kaufleute, während die Kaufmannseigenschaft i.S.d. Art. 9 CISG i.V.m. Art. 1 III CISG nicht voraus gesetzt wird.

III. Form

Für das CISG gilt der i.S.d. Art. 11 CISG normierte Grundsatz der Formfreiheit.71 Explizit bezieht sich dieser i.S.d. Art. 11 S. 1 CISG auf den Abschluss und den Nachweis des Kaufvertrags und schließt damit alle entsprechenden Erklärungen wie Angebot, Annahme, Rücknahme und Widerruf ein. Art. 11 S. 2 CISG ergänzt diesen Grundsatz bezüglich der prozessrechtlichen Zulässigkeit jeglicher Beweismittel.72 Obgleich sich die Vorschrift ausdrücklich auf den Kaufvertrag bezieht, gilt dieser Grundsatz der Formfreiheit i.S.d. Art. 7 II CISG für alle Erklärungen der Parteien, welche dem CISG unterfallen.73 Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts gilt für den Abschluss des Kaufvertrags ebenso der Grundsatz der Formfreiheit.74 Die Beweisaufnahme bezüglich eines fraglichen Abschlusses bestimmt sich i.S.d. § 284 ZPO. Ohne Einverständnis der Parteien i.S.d. § 284 S. 2 ZPO kommen als Beweismittel Augenschein i.S.d. §§ 371 ff. ZPO, Zeugen i.S.d. §§ 373 ff. ZPO, Sachverständige i.S.d. §§ 402 ff. ZPO, Urkunden i.S.d. §§ 415 ff. ZPO und Parteivernehmung i.S.d. §§ 445 ff. ZPO in Betracht.75

 

Bezüglich der Form bestehen insoweit keine vorliegend relevanten Unterschiede.

Allerdings bestimmt der nicht dispositive Art. 12 CISG, dass entgegen Art. 11 CISG eine andere als die schriftliche Form nicht gestattet ist, wenn sich die Niederlassung i.S.d. Art. 10 CISG einer Partei in einem Vertragsstaat befindet, welcher den Vorbehalt i.S.d. Art. 96 CISG erklärt hat. Vorliegend beachtlich haben aktuell weder China noch Deutschland einen entsprechenden Vorbehalt erklärt.76

D. Abschluss des Vertrages

Die Regelungen des CISG über den Abschluss des Vertrages und damit über Angebot und Annahme bestimmen sich i.S.d. Art. 14-24 CISG (Teil II).

I. Angebot

Bei Geltung des CISG werden die Voraussetzungen für das Zustandekommen eines Angebots i.S.d. Art. 14 I CISG geregelt. Ein Angebot liegt insoweit dann vor, wenn ein die essentialia negotii i.S.d. Art. 14 I S. 2 CISG beinhaltender sowie den Bindungswillen des Anbietenden ausdrückender Vorschlag zum Vertragsschluss an eine oder mehrere Personen gerichtet wird. Neben der Bestimmtheit der wesentlichen Vertragsbestandteile muss für den Empfänger des Vorschlags der Bindungswille erkennbar sein. Bei dessen Feststellung ist die objektive Erklärungsbedeutung aus Sicht eines objektiven Empfängers i.S.d. Art. 8 CISG maßgeblich.77 Dabei ist die Bestimmtheit des Vorschlags von Bedeutung.78

Die korrespondierende Vorschrift des BGB ist knapper gehalten. Der Antrag auf Vertragsschließung i.S.d. § 145 BGB erfordert jedoch in Bezug auf einen Kaufvertrag ebenso die Erkennbarkeit der wesentlichen Vertragsbestandteile.79

Hinsichtlich der Bindung an ein Angebot sowie der Rücknahme- und Widerrufsmöglichkeiten bestehen hingegen Unterschiede zwischen CISG und unvereinheitlichtem deutschen Recht. Hierfür ist das Wirksamwerden des Angebots beachtlich, weshalb darauf zunächst eingegangen wird.

Ein grundsätzlicher Unterschied besteht bezüglich des Zeitpunktes des Zugangs und damit des Wirksamwerdens von Willenserklärungen gegenüber Abwesenden zwischen den Regelungen des Teils II des CISG und des BGB. Art. 24 CISG stellt hierfür auf die Zustellung und somit das Gelangen in den Machtbereich ab, während es i.S.d. § 130 I S. 1 BGB der Möglichkeit der Kenntnisnahme bedarf.80

I.S.d. Art. 15 I CISG wird ein Angebot wirksam, sobald es dem Empfänger zugeht. Dies geschieht i.S.d. Art. 24 CISG mündlich oder durch Zustellung. Eingeschlossen werden von Art. 24 CISG auch Erklärungen durch Verhalten.81

Bei Geltung des BGB beurteilt sich das Wirksamwerden eines Angebots nach der allgemeinen Vorschrift für Willenserklärungen i.S.d. § 130 I S. 1 BGB und damit nach dem Zeitpunkt des Zugangs. Die Vorschrift bezieht sich nach ihrem Wortlaut auf Erklärungen gegenüber Abwesenden. Nach deutscher Rechtsprechung ist der Zugang einer Willenserklärung dann gegeben, wenn sie so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr unter gewöhnlichen Umständen Kenntnis gelangen kann.82 Eine verkörperte Willenserklärung gegenüber einem Anwesenden geht daher analog regelmäßig durch Übergabe zu,83 eine nicht verkörperte Willenserklärung bei unmittelbarer sinnlicher Wahrnehmbarkeit.84 Konkludente Willenserklärungen gelten als nicht verkörpert.85

Abgesehen vom Zeitpunkt des Zugangs bestehen hinsichtlich des Wirksamwerdens eines Angebots somit keine relevanten Unterschiede.

Betrachtet werden im Folgenden die Regelungen zur Bindung an ein Angebot sowie zu dessen Rücknahme und Widerruf.

Bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts ist der Antragende i.S.d. § 145 BGB durch seinen Antrag unmittelbar an diesen gebunden, es sei denn, er hat dies aktiv ausgeschlossen. Die Bindung des Antragenden an seine Willenserklärung entfällt ansonsten nur i.S.d. § 130 I S. 2 BGB, wenn sein Widerruf dem Empfänger vorher oder gleichzeitig mit dieser zugeht. Die Willenserklärung des Antrags wird dann nicht wirksam.

Das entspricht der Regelung i.S.d. Art. 15 II CISG, dessen Begrifflichkeiten sich jedoch von denen des BGB unterscheiden. Abweichend von der Vorschrift des Allgemeinen Teils des BGB normiert Art. 15 II CISG anstelle des allgemeinen Begriffs der Willenserklärung den Begriff des Angebots. Anstatt des Widerrufs regelt Art. 15 II CISG die Rücknahme eines Angebots, selbst wenn es unwiderruflich ist. Das CISG unterscheidet zwischen der Rücknahme und dem Widerruf eines Angebots. Diese Differenzierung besteht im BGB ausgehend von der grundsätzlichen Bindung des Antragenden an sein Angebot i.S.d. § 145 BGB nicht.

Über die Rücknahme hinaus wird dem Antragenden bei Geltung des CISG i.S.d. Art. 16 I CISG die Möglichkeit eröffnet, sein Angebot auch nach dessen Zugang noch zu widerrufen, soweit der Widerruf dem Empfänger vor dessen Absendung seiner Annahmeerklärung zugeht. Diese Möglichkeit unterliegt allerdings den Einschränkungen i.S.d. Art. 16 II CISG. I.S.d. Art. 16 II lit. a CISG ist ein Angebot dann nicht widerruflich, wenn es dies durch eine Annahmefrist oder anderweitig zum Ausdruck bringt. Es folgt dasselbe i.S.d. Art. 16 II lit. b CISG, wenn der Empfänger im vernünftigen Vertrauen auf die Unwiderruflichkeit des Angebots gehandelt und insoweit Dispositionen getroffen hat. Hierin kommt der Grundsatz von Treu und Glauben i.S.d. Art. 7 I CISG zum Ausdruck.86

Bei Geltung des BGB entsteht bereits mit der Bindung des Antragenden i.S.d. § 145 BGB ein vorvertragliches Schuldverhältnis, aus welchem sich für den Empfänger Ansprüche i.S.d. §§ 280 I, 311 II BGB ergeben können.87

Demgegenüber ist das vorvertragliche Verhältnis der Parteien grundsätzlich nicht Regelungsgegenstand des CISG.88 Widerruft der Anbietende i.S.d. Art. 16 I CISG, führt dies zum Erlöschen des Angebots.89 Widerruft er trotz Unwiderruflichkeit i.S.d. Art. 16 II CISG, bleibt das Angebot bestehen, womit dem Empfänger die Annahme möglich bleibt.90 Verweigert der Anbietende die Erfüllung, stehen dem Empfänger die Rechtsbehelfe des Übereinkommens zur Verfügung.91 Eine Haftung aus culpa in contrahendo ergibt sich aus den abschließenden Regelungen des CISG nicht.92 Ungeachtet dessen wird im Schrifttum eine Haftung des Anbietenden gegenüber dem Empfänger teilweise dann bejaht, wenn dieser i.S.d. Art. 16 II lit. b CISG gehandelt hat und die Vertragsverhandlung entgegen Treu und Glauben durch den Anbietenden abgebrochen wird.93

Das Erlöschen eines Angebots bestimmt sich bei Geltung des CISG ausdrücklich i.S.d. Art. 17 CISG durch den Zugang einer Ablehnung beim Anbietenden. Dies entspricht der Regelung des § 146 Var. 1 BGB.

Ein Angebot erlischt zudem durch Fristablauf. Bei Geltung des CISG ergibt sich dies, nicht ausdrücklich, i.S.d. Art. 16 II lit. a Var. 1, 18 II S. 2, 20, 21 CISG,94 bei Geltung des BGB explizit i.S.d. § 146 Var. 2 BGB. Kriterium für den Fristablauf ist jeweils der nicht fristgerechte und damit nicht wirksam gewordene Zugang der für die Annahme des Angebots erforderlichen Willenserklärung.

I.S.d. Art. 18 II S. 2 Var. 1 CISG erlischt ein Angebot, wenn die Äußerung der Zustimmung dem Anbietenden nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist zugeht. Anlog erlischt ein Angebot i.S.d. § 148 BGB.

Ist für die Annahme keine Frist gesetzt, erlischt ein Angebot i.S.d. Art. 18 II S. 2 Var. 2 CISG, wenn die Äußerung der Zustimmung dem Anbietenden nicht innerhalb einer angemessenen Frist zugeht. Grundsätzlich zu berücksichtigen ist hinsichtlich der Dauer der Frist eine angemessene Bedenkzeit sowie die, von der Übermittlungsart abhängige, für die Übermittlung der beiden Willenserklärungen erforderliche Zeit.95 Die Dauer der Bedenkzeit ist von zahlreichen Faktoren wie der Art der Ware, ihres Umfangs, der Dringlichkeit abhängig und damit einzelfallabhängig, was sich in der bisherigen Rechtsprechung widerspiegelt.96 Zur Beurteilung der Angemessenheit ist, ausgehend von der Sicht des Anbietenden, auch auf Art. 8 II, III CISG zurückzugreifen.97 Bei Geltung des BGB wird i.S.d. § 147 II BGB eine Frist in Bezug auf einen Zeitpunkt bestimmt, bis zu dem der Antragende den Eingang der Antwort unter regelmäßigen Umständen erwarten darf. Auch hier ist auf den objektiven Erwartungshorizont des Antragenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls abzustellen,98 was dem Gedanken i.S.d. Art. 8 II, III CISG nahe kommt. Somit ergeben sich hinsichtlich des Erlöschens durch Fristablauf ohne Fristsetzung keine relevanten Unterschiede.99

Ein mündliches Angebot erlischt i.S.d. Art. 18 II S. 3 CISG ohne eine sofortige Annahme, zumindest mit Beendigung des Gesprächs,100 wenn sich aus den Umständen nichts anderes ergibt. Der Vorbehalt berücksichtigt, dass eine Annahme vorab Abstimmungen, Verhandlungen oder anderes erfordern kann. Eine Frist hierfür ist zwischen den Parteien jedoch zu vereinbaren.101 Telefonische und andere in Echtzeit stattfindende elektronische Kommunikation schließt die Vorschrift ein.102 Sie entspricht damit der Regelung i.S.d. § 147 I BGB.

Ergibt sich aus einem verspäteten Annahmeschreiben ein unter normalen Umständen rechtzeitiger Zugang desselben, erlischt das Angebot i.S.d. Art. 21 II CISG nur dann, wenn der Anbietende eben dies dem Annehmenden unverzüglich erklärt. Eine entsprechende Vorschrift, welche die Heilung einer erkennbar nicht vom Annehmenden verschuldeten Verspätung des die Wirksamkeit auslösenden Zugangs ermöglicht, normiert das BGB i.S.d. § 149 BGB.103

Neben dem Angebot i.S.d. Art. 14 I CISG normiert das Übereinkommen i.S.d. Art. 14 II CISG auch die Rechtsfigur der invitatio ad offerendum. Maßgeblich i.S.d. Vorschrift ist, dass der Anbietende den Vorschlag an keinen bestimmten Empfänger richtet und einen Rechtsbindungswillen nicht deutlich macht. Das unvereinheitlichte deutsche Recht enthält keine vergleichbare Vorschrift. Jedoch ist die invitatio ad offerendum als Aufforderung zur Abgabe eines Angebots entsprechend auch durch die deutsche Rechtsprechung anerkannt.104

II. Annahme

Die Annahme wird i.S.d. Art. 18 II S. 1 CISG mit dem Zugang beim Anbietenden wirksam. Bei Geltung des BGB ergibt sich dasselbe i.S.d. § 130 I S. 1 BGB, wobei auch hier der Unterschied bezüglich des Zeitpunkts des Zugangs besteht.

 

I.S.d. Art. 18 I S. 1 CISG erfordert die Annahme eine zustimmende Erklärung oder ein entsprechendes sonstiges Verhalten des Empfängers. Soweit der Anbietende nicht unverzüglich widerspricht, führt eine abweichende Antwort, welche keine wesentliche Änderung der Angebotsbedingungen i.S.d. Art. 19 III CISG enthält, i.S.d. Art. 19 II CISG zur Annahme dieses Inhalts. Dagegen muss eine Annahmeerklärung bei Geltung des BGB vorbehaltslose Zustimmung ausdrücken, wobei der Empfängerhorizont maßgeblich ist.105 Ansonsten stellt sie i.S.d. § 150 II BGB und übereinstimmend mit Art. 19 I CISG ein Gegenangebot dar.

Schweigen und Untätigkeit allein stellen i.S.d. Art. 18 I S. 2 CISG keine Annahme dar. Es bedarf eines weiteren Kriteriums, das etwa in einer entsprechenden Vereinbarung oder Übung der Parteien oder i.V.m. Art. 18 III CISG bestehen kann.106 Auch bei Geltung des unvereinheitlichten deutschen Rechts bedeutet Schweigen grundsätzlich keine Willenserklärung und somit auch keine Annahme, wobei sich dies aus den Umständen ergeben kann.107 Hingegen gilt Schweigen bei bestehender Geschäftsverbindung i.S.d. § 362 I HGB als Annahme.

Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kann bei Geltung von BGB und HGB als Annahme gelten. Es dient der Klarstellung und dem schriftlichen Nachweis eines, zumindest nach Ansicht der das Schreiben versendenden Partei, bereits mündlich geschlossenen Vertrags.108 Bei Geltung des CISG ist es nicht berücksichtigt und entfaltet bei Schweigen grundsätzlich keine Wirkung. Insoweit kommt Schweigen jedoch dann als Annahme in Betracht, wenn es etwa der Übung der Parteien oder einem internationalen Brauch entspricht.109

Eine Ausnahme von der i.S.d. Art. 18 I S. 1 CISG normierten Annahme stellt Art. 18 III CISG dar. Die Annahme bedarf hier keines Ausdrucks der Zustimmung gegenüber dem Anbietenden. Einschließlich ihres Wirksamwerdens besteht sie vielmehr in der fristgerechten Vornahme einer entsprechenden Handlung des Empfängers, was ein entsprechendes Verständnis der Parteien i.S.d. Vorschrift voraussetzt. Dies entspricht im Grundsatz der Regelung i.S.d. § 151 BGB, welche ungeachtet ihres Wortlautes ein entsprechendes Verhalten voraussetzt.110

I.S.d. Art. 21 I CISG erlangt eine Annahme trotz Verspätung Wirksamkeit, wenn der Anbietende gegenüber dem Annehmenden unverzüglich entsprechend reagiert. Darüber hinaus ist umstritten, ob in einer verspäteten Annahmeerklärung ein Gegenangebot zu sehen ist, was analog zu Art. 19 I CISG zu bejahen sein könnte. Das Hauptargument hiergegen besteht im folglichen Widerspruch der für die Billigung i.S.d. Art. 21 I CISG geforderten Unverzüglichkeit gegenüber den Annahmefristen i.S.d. Art. 18 II S. 2 CISG.111 Unbeachtlich der unabhängig davon bestehenden Möglichkeit der Abgabe eines neuen Angebots, lässt sich, soweit die Annahme nichts anderes besagt, das Entstehen eines Gegenangebots aus der Annahme i.S.d. Art. 21 I CISG nach verbreiteter Ansicht nicht ableiten.112

Hingegen gilt die verspätete Annahme i.S.d. § 150 I BGB stets als neuer Antrag. Beachtlich ist, dass der Vertragsschluss hier erst mit dem Zugang der Willenserklärung des Anbietenden zustande kommt, während dies i.S.d. Art. 21 I CISG bereits mit dem Zugang der gebilligten verspäteten Annahmeerklärung passiert.113

Art. 20 CISG enthält Auslegungsregeln zur Annahmefrist. Als Fristbeginn gilt i.S.d. Art. 20 I S. 1 CISG das Aufgabedatum des Telegramms oder das im Brief angegebene Datum. Dies entspricht der Regelung des unvereinheitlichten deutschen Rechts i.S.d. § 187 II S. 1 BGB.114 Mangels dessen ist bei Geltung des CISG auf das auf dem Umschlag angegebene Datum, hilfsweise auf das Zugangsdatum abzustellen.115 Eine mittels sofortiger Übermittlungsart gesetzte Annahmefrist läuft i.S.d. Art. 20 I S. 2 CISG ab dem Zugang des Angebots. Durch den Zusammenfall von Abgabe und Zugang ergibt sich i.S.d. § 187 II S. 1 BGB unproblematisch dasselbe bei Geltung unvereinheitlichten deutschen Rechts.

Die Regelung i.S.d. Art. 20 II S. 1 CISG entspricht unvereinheitlichtem deutschen Recht,116 was sich aus § 188 II BGB ergibt. Die Annahmefrist verlängert sich bei Geltung des CISG auf den folgenden Arbeitstag, wenn eine Zustellung der Mitteilung der Annahme i.S.d. Art. 20 II S. 2 CISG nicht möglich ist. Davon unterscheidet sich die Regelung i.S.d. § 193 BGB durch die, unabhängig von der Zustellungsmöglichkeit, grundsätzliche Fristverlängerung auf den nächsten Werktag sowie durch die Erstreckung auf den Sonnabend neben Sonn- und Feiertagen.

Die Rücknahme der Annahme i.S.d. Art. 22 CISG findet ihre Entsprechung im unvereinheitlichten deutschen Recht i.S.d. § 130 I S. 2 BGB. Der i.S.d. Art. 23 CISG statuierte Zeitpunkt des Vertragsschlusses ergibt sich bereits i.S.d. Art. 18 II S. 1, III, 24 CISG und entspricht, abgesehen vom Zeitpunkt des Wirksamwerdens, § 130 I S. 1 BGB.117

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