Red Dirt Heart: Ungezähmte Erde

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From the series: Red Dirt Heart #4
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Kapitel 2

Charlies zwei Seiten

Den nächsten Vormittag verbrachten wir mit Sightseeing und landeten nachmittags zwangsläufig am Hotelpool, um der Hitze zu entkommen.

»Müssen wir heute Abend wirklich zu diesem langweiligen Essen?«, fragte ich.

»Jap.«

»Aber wir gehen danach immer noch mit Sam und Ainsley was trinken?«

»Nur weil du mich nicht nicht gehen lässt.«

Ich schnaubte. »Da hast du recht. Es ist ja nicht so, als hätten wir oft die Gelegenheit«, sagte ich. »Außerdem hab ich dich noch nie sternhagelvoll erlebt und habe vor, das zu ändern.«

Charlie schnaubte. »Ich war lange nicht mehr betrunken, also wird es dich wahrscheinlich nur zwei Bier kosten.«

»Du darfst dann auch Schindluder mit mir treiben«, antwortete ich. »Oder ich mit dir. Du weißt, dass ich sehr flexibel bin.«

Dieses Mal lachte Charlie, hielt aber trotzdem die Augen geschlossen. »Ja, das bist du.«

»Und talentiert.«

»Das auch«, stimmte er zu. Er öffnete ein Auge und sah mich noch immer lächelnd an. »Du hast bescheiden vergessen.« Er schloss sein Auge wieder.

»Ich wollte gerade zugeben, dass ich eingebildet bin, aber bescheiden tut's auch.«

Er schüttelte den Kopf, die Augen noch immer geschlossen, offensichtlich liebte er die Wärme der Sonne auf seiner Haut. »Kann nicht zu viel trinken«, sagte er. »Ich will während der Heimreise nicht verkatert sein.«

»Wann fängt das Essen an?«, fragte ich erneut.

»Um sechs.«

Ich setzte mich auf der Liege auf und stellte die Füße auf den Boden. »Dann fangen wir besser früh an.«

»Du kannst nicht einfach hier liegen und es genießen, nichts zu tun?«, fragte er, ohne Anstalten zu machen, sich zu bewegen. »Ich hätte dich auf ADHS oder so was testen lassen sollen. Du musst immer in Bewegung sein.«

»Na ja, ich könnte dich einfach hier liegen lassen, aber wenn man bedenkt, dass wir in etwa einer halben Stunde beim Essen sein müssen, sollten wir besser…«

Charlie setzte sich auf. »Was? Wie spät ist es?« Er suchte nicht mal nach einer Uhr. Er sah hinauf in den Himmel. Ich werde mich nie an die Art gewöhnen, wie im Outback die Zeit bestimmt wird.

»Und meine Mom hat das schon getan«, antwortete ich. »Ich meine, sie hat mich auf ADHS testen lassen, weil ich etwas aufgedreht bin, aber ich bin einfach ich. Ich mag es, Sachen zu machen.«

Charlie sah mich an und blinzelte. »Das war ein Witz«, sagte er leise. Dann fragte er erneut: »Wie spät ist es?«

Ich warf einen Blick auf meine Uhr, wie es die meisten Leute taten, um die Zeit abzulesen. »Es ist siebzehn Uhr siebenundzwanzig.«

»Scheiße«, sagte er und stand auf. »Wir kommen zu spät.«

Sechsundzwanzig Minuten später betraten wir geduscht und fürs Abendessen angezogen das Restaurant.

Ich war in den letzten zwölf Monaten mit Charlie auf genug Beef Farmers-Treffen gewesen, um zu wissen, was ich zu erwarten hatte. Ich dachte nicht, dass das Treffen mit Supermarkteinkäufern anders sein würde.

Es war eher ein zwangloses, jährliches Abendessen, bei dem die Sponsoren ihre Produkte anpriesen und ich vermute, dass alle Farmer, die es sich finanziell und zeitlich leisten konnten, daran teilnahmen. Es war eine Art Networking und für Charlie war es gut, es zusätzlich zur Beef Farmers Association zu tun.

Die richtig hohen Tiere waren anwesend und es war lustig, Charlie in einer Umgebung zu sehen, in der er nur die drittgrößte Farm besaß. Und trotzdem, obwohl er gut vierzig Jahre jünger war als sie, war es ziemlich offensichtlich, dass ihn die beiden Männer respektierten, die die größeren Farmen leiteten.

Sutton war ein Name, den man in der Branche kannte, und Charlie hatte die Verkaufs- und Produktivitätsrekorde seines Vaters gebrochen. Selbst bei durchschnittlichen Viehpreisen machte Charlie ein gutes Geschäft. Seine Empfehlungen von der Beef Farmers Association schadeten auch nicht.

Er unterhielt sich mit allen, auch mit Blake, dem Mann, den wir letztes Jahr im Flugzeug kennengelernt hatten und der Charlie einen Vertrag auf der Einkäuferliste der Supermärkte verschafft hatte.

Fünf Minuten vor Beginn des formellen Teils fragte Blake Charlie, ob er vor den Leuten sprechen würde. Er hatte nicht wirklich viel Zeit, um zu diskutieren oder vorzubereiten, was er sagen sollte.

Aber er ging einfach nach vorn und stand hinter dem Pult, als würde es ihm gehören. Nun, ich wusste, dass er klug war und wir hatten häufig über die verschiedenen Lehren gesprochen, die wir in unserem Agrarwissenschaftsstudium studiert hatten, und ich hatte gehört, wie er mit allen möglichen Leuten telefoniert hatte. Aber er stand da oben und sprach über Zahlen, Prozentwerte, Steuerveränderungen, Kilo pro Dollar und Bestandsverhältnisse.

Er sprach über das Klima und die geplanten Saisons und Verkäufe, die wachsenden Fixkosten und den Wertverlust der Bestände und dass die Redensart Arbeite klüger, nicht härter mit jedem Tag mehr Gewicht bekam.

Ich wusste, dass er Geschäftsmann war. Ich meine, natürlich war er das. Ich kam mir etwas dämlich vor, weil ich so überrascht war, aber er haute mich irgendwie um. Ich verlor den Überblick, worüber er sprach, und war nur darauf konzentriert, ihn beim Reden zu beobachten. Er sah nur einmal zu mir, wandte aber schnell den Blick ab, weil er lächeln musste. Wenn er sich Sorgen machte, dass ihn die Menschen in diesem Raum – seine Kollegen – nicht respektieren würden, lag er falsch. Als sein Vortrag zu Ende war, bekam er von allen Rednern den lautesten Applaus.

Er hatte sie vom Hocker gerissen, als er in seiner guten Jeans, seinem besten Hemd und den glänzenden Stiefeln und mit gekämmten Haaren da oben gestanden, über das Geschäft geredet und aufgezeigt hatte, wie man die Kosten niedrig und die Preise hoch hielt. Mit Sicherheit hatte er nie so verdammt sexy ausgesehen.

Charlie kam zurück und setzte sich neben mich. Es war nicht so, dass ich ihm mehr als ein Er-ist-nur-mein-Boss-Lächeln schenken konnte, aber nach einer Weile, während ein anderer Redner an der Reihe war, stieß ich leicht sein Knie mit meinem an. Sein Mundwinkel zuckte, als würde er ein Lächeln unterdrücken und anstatt mich ganz nah zu ihm zu lehnen und ihm zu sagen, dass ich seinetwegen einen Ständer hatte, rutschte ich auf meinem Stuhl herum, überkreuzte die Beine an den Knöcheln und rieb mir ganz geschmeidig über den Schwanz, sodass nur Charlie es bemerkte.

Er überspielte sein Lachen mit einem Husten und während er weiter weltmännisch und sexy dasaß, verbrachte ich die nächsten vierzig Minuten damit, an widerliche Dinge wie tote Tiere am Straßenrand und Fische ausnehmen zu denken.

***

Nachdem die geschäftlichen Verpflichtungen und das Abendessen aus dem Weg waren, war es Zeit, locker zu werden. Ich hatte mich darauf gefreut, Charlie in Feierlaune zu sehen, seit er vor ein paar Wochen die Reise nach Darwin vorgeschlagen hatte.

Wir fuhren mit dem Taxi zu der Adresse, die Sam uns gegeben hatte, und er und Ainsley warteten auf dem Gehweg auf uns.

»Wie war euer Essen?«

Charlie zuckte mit den Schultern. »Essen war gut, meine Rede beschissen.«

Ich lachte. »Ignoriert ihn. Seine Rede war brillant.« Ich sah mir den Ort an, an den Sam uns gelotst hatte. Es war ein griechisches Restaurant. »Seid ihr gerade mit dem Essen fertig?«, fragte ich.

Sam und Ainsley lächelten. »Nein«, sagte sie, »wir nehmen euch mit nach oben.«

Ich schaute zum zweiten Stock hinauf. Es sah nach, nun ja, nichts aus. »Okay…«

Sam grinste. »Es wird dir gefallen.« Er sah Charlie an. »Du wirst mich wahrscheinlich umbringen.«

Darüber musste ich lachen, aber Charlie sah nach oben und musterte dann vorsichtig seinen Bruder. »Warum hab ich das Gefühl, dass mir nicht gefallen wird, was da oben ist?«

Sam schnaubte und klopfte Charlie auf die Schulter. »Komm schon.« Er ging zum Eingang, blieb dann aber stehen. »Nur, damit du es weißt, ich war noch nie hier, also entschuldige ich mich, falls es langweilig ist.«

»Klingt verdächtig«, murmelte Charlie, aber wir folgten ihm die Treppe nach oben und landeten in einer Bar.

Einer Schwulen-Bar. Ich betonte das Wort, weil es nicht wie eine normale Schwulen-Bar in der Stadt war. Es war kaum zehn Uhr abends und der Raum nur spärlich beleuchtet. Aber es war spät genug, dass bereits etliche Gäste da waren. Die meisten tranken und unterhielten sich. Größtenteils waren es Männer. Sam lachte über Charlies Gesichtsausdruck. »Oh, komm schon«, neckte er ihn. »Wie oft macht ihr das?«

»Nie«, antwortete ich.

Charlie sah aus, als würde er widersprechen wollen, sah mich dann aber an und bemerkte zweifellos mein Lächeln. Er verdrehte seufzend die Augen und ich grinste, sodass Sam und Ainsley lachten.

»Ich geb die erste Runde aus«, sagte Sam. »Bier?«

»Glaub nicht, dass das jetzt eine Rolle spielt.« Charlie sah mich an und schüttelte den Kopf. »Wir müssen morgen nach Hause zurück und ich wäre lieber nicht verkatert, aber ich schätze, ich brauch ein paar Drinks, um das zu ertragen«, sagte er und deutete auf den Tanzbereich.

»Es wird nicht so schlimm werden«, antwortete ich und schob meine Hand in seine hintere Hosentasche. Ich beugte mich vor und flüsterte, sodass nur er es hören konnte. »Tatsächlich mag ich es, dich berühren zu können, wenn wir ausgehen. In einer Bar in Alice kann ich das nicht tun.«

Sam kam mit ein paar Flaschen in der Hand zurück und reichte uns jeweils ein Bier. Ainsley lächelte uns an, als sie den ersten Schluck trank. »Erzählt mal, letztens hast du gesagt, dass Charlie Grace total verwöhnt. Was hast du ihr gekauft?«

 

Wenn Ainsley dafür sorgen wollte, dass sich Charlie entspannte, funktionierte es wunderbar. Charlie verbrachte die ersten zwei Runden Bier damit, Ainsley und Sam von den pinken Stiefeln zu berichten, die er für sie bestellt hatte, und natürlich von dem Cowboyhut für Kleinkinder. Trudy würde durchdrehen, wenn sie sah, was er für ihre Tochter gekauft hatte, aber er war nicht aufzuhalten gewesen. Während er sein drittes Bier trank, erzählte er ihnen alles über Nuggets neueste Angewohnheit, den Leuten in die Füße zu beißen und einfach witzig zu sein.

»Ja, ja«, unterbrach ich ihn mit einem weiteren Bier. »Wir alle wissen, dass ich auf Platz drei der Liste der Lieblinge gerutscht bin.«

»Das stimmt nicht«, sagte er lächelnd. Man sah ihm die drei Bier an.

Ich sah zur sich füllenden Tanzfläche hinüber, denn ich wollte unbedingt dorthin. Charlie und ich hatten viele Dinge getan, aber Tanzen gehörte nicht dazu. Zumindest nicht in einem Nachtclub.

»Trink aus«, sagte ich zu ihm. »Du schuldest Nummer drei auf der Liste einen Tanz.«

Er trat näher und lehnte sich an mich. »Du bist nicht meine Nummer drei.«

Ich lächelte ihn an. »Zwei? Ich hoffe, dass ich noch vor einem Wombat komme.«

Charlie lachte und rieb mir mit der Hand über den Rücken. »Nummer eins. Immer.«

»Dann beweis es. Tanz mit mir.«

Er knurrte grollend und schüttelte den Kopf. »Ich tanze nicht.«

Nun, das war eine ganz klare Lüge, denn nach zwei weiteren Drinks ging ich zur Bar und sprach fünfzehn Sekunden mit einem Typen, der so freundlich war, Hallo zu sagen und mich nach meinem Akzent zu fragen.

Er musste sich zu mir beugen, da die Musik so laut war, und da tauchte plötzlich Charlie auf, legte seine Hand an meinen Hintern, sah den armen Mann finster an, dem ich noch immer nicht geantwortet hatte, und zerrte mich zurück zu dem Tisch, von dem aus Sam und Ainsley uns beobachteten.

Charlie, der noch immer meine Hand hielt, trank sein Bier aus und sah Sam und Ainsley an, die nun einen sehr verwirrten Eindruck machten. »Ich möchte mich im Voraus für das entschuldigen, was ihr nun sehen werdet«, rief er ihnen über die Musik hinweg zu.

Ich lachte bellend und er führte mich auf die Tanzfläche.

Er hatte nicht ganz falsch damit gelegen, dass er nach ein paar Bier betrunken sein würde. Normalerweise genehmigten wir uns nur ein paar Drinks, wenn wir nach Alice fuhren und ich vermutete, dass es ihm einfach schnell zu Kopf steigen musste, weil er kein großer Trinker war.

Und das waren die zwei Seiten des Charlie Sutton. Früher am Abend hatte er Reden gehalten und eine Konferenz mit den Größen der Branche aus dem ganzen Land dominiert, wo er der Geschäftsmann war, der er nun mal war, und jetzt war er hier, jung, betrunken und sorglos und tanzte.

Er war ein lächelnder Betrunkener. Ein glücklicher, grapschender Betrunkener, der ums Verrecken nicht tanzen konnte. Er taumelte und betatschte mich, hatte ein Dauergrinsen auf dem Gesicht und warf jedem anderen Mann, der mich vielleicht oder vielleicht auch nicht angesehen hatte, einen finsteren Blick zu, damit sie nicht einmal auf die Idee kamen. Diese besitzergreifende Haltung war weit von der Lässigkeit entfernt, die er zu Hause zeigte, und ich musste zugeben – es war verdammt heiß.

Je später es wurde, desto mehr Männer kamen in die Bar, die Lichter wurden gedimmt und die Musik aufgedreht. Und nachdem Charlie von Bier auf Bourbon umgestiegen war, glaubte ich nicht, dass es wichtig war, wo zum Teufel wir uns befanden.

Wir tranken mehr und lachten mit Sam und Ainsley. Sie waren nicht weit von uns entfernt auf der Tanzfläche, rieben sich aneinander, lachten und tauschten verliebte Blicke aus und während die Nacht voranschritt, wusste ich, dass sie bald nach Hause gehen würden.

Ich lag nicht falsch. Sam tippte uns auf die Schultern. Ainsley stand direkt hinter ihm. »Wir verschwinden jetzt«, sagte er grinsend. »Ihr zwei benehmt euch und sagt: Danke, Sam, dass du uns hierhergebracht hast.«

Charlie lachte und murmelte Danke, Sam, dass du uns hierhergebracht hast, ließ mich aber nicht los und sah den beiden nicht mal hinterher. Er packte einfach meinen Hintern, rieb sich an mir und küsste meinen Hals. Nur zwei Reißverschlüsse standen zwischen uns und einem Fick auf der Tanzfläche und es war berauschend. Ich wusste, dass wir weit von zu Hause weg waren, aber Charlie so zu sehen, in der Öffentlichkeit, in einer Schwulen-Bar, ihn an mir zu spüren, wie er sich zu einer Musik bewegte, die nur er zu hören schien, machte mich unglaublich an.

Ich wusste nicht, wie viele Drinks er intus hatte, aber normalerweise hatte Charlie Probleme damit, die Dinge auszusprechen, die ihm durch den Kopf gingen. Der Bourbon schien diesen Filter durchbrochen zu haben, denn er murmelte mir Dinge zu, die er normalerweise niemals sagen würde, und sie wurden mit jedem Lied schmutziger. »Du hast den heißesten Arsch«, sagte er und drückte seine Lippen auf meinen Hals. »Ich liebe es, dass du mich ganz aufnehmen kannst und dass ich in dir kommen kann«, flüsterte er heiß und mit belegter Stimme in mein Ohr.

Ich zog seinen Kopf zurück und küsste ihn heftig. Er schmiegte sich an mich, bewegte seine Hüften gegen meine und erwiderte den Kuss. Vor allen anderen. Es war ihm egal.

Er küsste sich über meinen Kiefer und legte seine Lippen an mein Ohr. »Und verdammt, ich liebe es, wenn du in mir kommst.«

Ich krallte meine Finger in seine Haare und zog seinen Kopf erneut zurück, um seinen Mund mit meiner Zunge zu plündern. Es war so untypisch für Charlie, aber es schien ihn einfach nicht zu interessieren, dass wir von Menschen umgeben waren, dass die Tanzfläche voll war, dass uns Männer beobachteten. Also war es mir ebenfalls egal.

Wir verzichteten auf Kondome, seit wir uns hatten testen lassen und alle Ergebnisse negativ gewesen waren. Mit niemandem außer Charlie hatte ich auch nur annähernd etwas ohne Kondom getan und zu wissen, dass wir exklusiv waren, eine dauerhafte und echte Beziehung hatten, machte die Erfahrung noch besser.

Es bedeutete auch, dass wir niemals unvorbereitet waren. Ich schob Charlie von der Tanzfläche zu den Toiletten. Wir rempelten auf dem Weg so gut wie jeden an, murmelten nicht ernst gemeinte Entschuldigungen und stolperten in eine der Kabinen.

Charlie löste sich von mir, seine Lippen waren rot und geschwollen und sein Blick durch den Bourbon etwas getrübt. »Du hast etwas Besseres verdient«, flüsterte er außer Atem. »Nicht auf einer Toilette. Lass mich dich ins Bett bringen.«

»Doch, hier«, sagte ich und öffnete meinen Reißverschluss.

»Trav.« Er biss sich auf die Lippe.

Ich wusste, dass er widersprechen würde, also befreite ich meinen Schwanz. »Jetzt ein Blowjob und später mehr Bourbon«, flüsterte ich.

Charlie schenkte mir ein vom Alkohol vernebeltes Lächeln. Und dann ging Charlie in dieser Kabine unglaublich langsam auf die Knie und sah dabei zu mir auf. Ich wusste, dass ich nicht lange durchhalten würde.

Der Blowjob dauerte ganze dreißig Sekunden, aber der Teil mit dem Bourbon bis zum Sonnenaufgang.

Kapitel 3

Kater und Kricket.

Zwei der Dinge, die ich am wenigsten mag

»Ugh.« Charlie stöhnte.

»Zwei Cola, bitte«, sagte ich zu der Flugbegleiterin. »Und zwei Flaschen Wasser.« Ich sah zu Charlie und dann wieder zurück zur Stewardess. »Und eine Kotztüte.«

Sie eilte davon und Charlie gab ein jämmerliches Wimmern von sich. »Ich sterbe.«

»Nein, du bist verkatert.«

»Schrei nicht.«

»Tue ich nicht. Ich flüstere.«

»Hör auf zu flüstern.«

»Hör auf zu jammern.«

»Mein Kopf tut weh.«

»Das liegt daran, dass das Bourbon-Monster versucht, sich mit Krallen zu befreien.«

»Das ist nicht witzig.« Er bewegte den Kopf, gab ein seltsames Fiepen von sich und sackte dann stöhnend wieder in sich zusammen. »Wenn du mich wirklich lieben würdest, wärst du nett zu mir.«

Darüber musste ich lachen. »Ich war nett, als ich dich um fünf Uhr heute Morgen davon abgehalten habe, noch mehr zu trinken, erinnerst du dich?«, fragte ich, aber er runzelte die Stirn und presste seine Lippen zu einer blassen Linie zusammen. Ich beugte mich zu ihm und flüsterte: »Und ich liebe dich. Jetzt halt die Klappe, mach die Augen zu und schlaf.«

Ich nahm die Decke aus dem Gepäckfach über uns, schüttelte sie aus und wickelte sie um Charlie. Ich hörte keinen Mucks von ihm, bis ich ihn wecken musste, als wir in Alice Springs landeten.

***

George holte uns vom Flughafen ab, warf einen Blick auf Charlie und lachte sein altes Cowboy-Lachen. Charlie stöhnte. »Nicht witzig.«

George lächelte einfach weiter, nahm Charlie aber die Reisetasche ab, sodass ich meine selbst tragen musste und wir gingen hinaus zu dem alten Pick-up.

Charlie sah entsetzt aus. »Wo ist der neue Cruiser?«

George lächelte ihn an. »Ich musste dem hier neue Reifen verpassen, schon vergessen?«

»Aber… ich brauche eine Klimaanlage«, murmelte Charlie. Er sah etwas blass um die Nase aus.

»Du kannst am Fenster sitzen«, erklärte ihm George in diesem unendlich geduldigen und sachlichen Tonfall. »Wenn dir schlecht wird, streckst du den Kopf raus.«

Ich lachte und warf meine Tasche zu den anderen Sachen, die er offensichtlich für Ma und Nara gekauft hatte. Ich rutschte in die Mitte und versuchte, es mir für eine sehr ungemütliche Fahrt in einem alten Truck ohne Klimaanlage und mit fragwürdiger Federung bequem zu machen. Wir öffneten die Fenster, der Motor brüllte und klapperte und sobald wir Alice verlassen hatten, erreichten wir die Höchstgeschwindigkeit von achtzig Stundenkilometern.

Wir waren nicht weit gekommen, als Charlies Kopf gegen die Tür fiel und er schnarchte. Noch ein Stück weiter wanderte seine Hand von seinem Schoß zu meinem Oberschenkel. Ich wusste, dass es George nicht störte – er hatte mir gesagt, dass es ihm vollkommen egal war – und es fühlte sich schön an, dass Charlie mich selbst im Schlaf berühren wollte. Es war weit von dem entfernt, wie er einmal gewesen war. Aber ich vermutete, dass sich in den letzten zwei Jahren viel verändert hatte.

»Ich nehme an, dass ihr in der Stadt gefeiert habt?«, fragte George.

»Na ja, Charlie hat gefeiert«, sagte ich. »Ich habe aufgepasst.«

George lachte leise. »Das Abendessen war in Ordnung?«

»Der bewusstlose Mann neben mir«, sagte ich, nahm Charlies Hand und ließ sie schwer wieder auf mein Bein fallen, »musste eine Rede halten.«

»Wirklich?«, fragte George lachend.

»Ich hab ihn noch nie so viel reden hören.« Ich fügte hinzu: »Über geschäftliche Dinge, meine ich. Zahlen, Prozentsätze, Steuern, solche Dinge. Es war etwas anders als das, was er sonst bei den Treffen der Beef Farmers erzählt. Aber es sollte mich wohl nicht überraschen.«

»Er weiß, was er tut.«

»Ja.«

»Wie ist er mit der Stadt klargekommen?«

Das war eine seltsame Frage. »Es ging ihm gut. Er hat mehr Zeit am Pool verbracht und ausgefallene Gerichte verschlungen als sonst was…« Scheiße. Ich sah George an und spürte Panik in mir aufsteigen, weil ich meine blöde Klappe nicht halten konnte. »Erzähl Ma oder Nara nicht, dass ich das gesagt habe. Er liebt ihr Essen mehr als diesen ausgefallenen Mist.«

Tja, ich glaube, George lachte geschlagene fünf Minuten lang. »Schon in Ordnung, Junge, ich verrate es ihr nicht. Ich hätte es sowieso nicht getan.« Er lachte noch einmal auf.

Etwas an seiner Frage beschäftigte mich. »Warum fragst du, wie er mit der Stadt zurechtgekommen ist?«

George zuckte mit den Schultern, sah mich jedoch lächelnd an. »Ich hab mich das nur immer gefragt, das ist alles. Er hat die Farm nicht oft verlassen, außer, als ihr zum Uluru und nach Kakadu gefahren seid. Aber das ist immer noch ziemlich nah. Ich rede von weit entfernten Orten und Städten. Als er in Sydney studiert hat, ist er nur dreimal nach Hause gekommen. Am Ende jedes Jahres. Und die erste halbe Stunde hat er auf dem Hof verbracht, die Stiefel ausgezogen und die Zehen in die Erde gegraben. Als würde er sich erden oder so was. Keine Ahnung. Hab nie gefragt«, sagte er und zuckte erneut mit den Schultern. »Wird interessant zu sehen, ob er es dieses Mal auch macht.«

Wir schwiegen eine Weile, während ich über Georges Worte nachdachte. Die rote Landschaft zog vor dem Fenster vorbei und wurde vertrauter, je weiter wir den Plenty Highway in Richtung Sutton Station hinunterfuhren. Neben der Straße befanden sich 1,80 Meter hohe Termitenhügel, rote Erde, grüne Flecken aus Gestrüpp und hin und wieder ein Eukalyptusbaum. Es war ausgedehnt und karg. Und wunderschön.

 

Ich glaube nicht, dass mich der Anblick je langweilen wird.

Ich bin nicht sicher, ob ich je die Stiefel ausziehen und meine Zehen in die Erde graben würde, um mich wieder damit zu verbinden, wie Charlie es anscheinend tat, aber ich liebte sie trotzdem.

Durch das Poltern des alten Pick-ups und die Hitze im Fahrerhaus spürte ich jede Stunde Schlaf, die mir fehlte. Ich blinzelte träge und erinnerte mich, dass ich dachte, es würde mir gut gehen, wenn ich meinen Kopf eine Minute an Charlies Schulter lehnte.

Das Nächste, was ich wusste, war, dass mich lautes Scheppern aufweckte, als George die Fahrertür zuschlug. Hunde bellten und als ich mich langsam aufsetzte und gegen die Verspannungen in meinem Nacken drückte, sah ich Ma auf der Veranda stehen. Sie lächelte mich an. Na ja, uns. Mich und Charlie, wie wir aufeinander geschlafen hatten.

Ich stupste Charlie an und schließlich regte er sich. Er richtete sich auf und stöhnte, stieß aber die Beifahrertür auf und glitt aus dem Pick-up. Er nahm seine Tasche vom Rücksitz, als wäre sie eine Tonne schwer.

»Geht's dir gut, Liebling?«, rief Ma.

»Travis hat versucht mich umzubringen«, antwortete er.

»Gib mir nicht die Schuld«, sagte ich und nahm meine Tasche.

»Ich gebe dir die Schuld«, grummelte er. Es war erbärmlich.

Ich lachte ihn aus und sagte zu Ma: »Selbst zugefügte Wunden. Seine Waffe der Wahl war der Bourbon. Dann Sambuca-Shots, ich glaube, so hieß das Zeug. In verschiedenen Farben.«

Charlie gab wieder dieses Fiepen von sich und sah aus, als würde er sich allein bei der Erwähnung übergeben.

Ma schnalzte mit der Zunge, lächelte aber. »Tja, es ist trotzdem schön, dass ihr Jungs wieder zu Hause seid.«

Wir brachten unsere Sachen ins Haus und zwei Stunden Schlaf auf dem Nachhauseweg waren einfach nicht genug. Ohne Nugget auch nur zu begrüßen, legte sich Charlie aufs Bett, also folgte ich ihm. Ich schlief noch eine Weile und als ich aufwachte, war Charlie verschwunden.

Ich hörte ihn vor dem Haus lachen und folgte dem Geräusch. Mein Hut – na ja, eigentlich war es der, den Charlie mir gegeben hatte – hing als einziger noch am Haken im Flur neben der Tür, sodass ich wusste, dass Charlie und George draußen waren. Ich nahm den Hut vom Haken und öffnete die Tür. Charlie lehnte mit dem Hintern an der Veranda und genau, wie George gesagt hatte, war er barfuß. Er trug kurze Hosen und ein T-Shirt – Standardkleidung im Nordterritorium – und vergrub die Füße in der Erde.

Alle bis auf Ernie waren da und standen irgendwie herum. Trudy saß mit Gracie auf dem Schoß auf der Veranda und Ma neben ihnen. Seltsamerweise stand ein Mülleimer mitten auf dem Hof. Es ging definitiv etwas vor. Charlie lächelte mich warm und breit an, als ich nach draußen kam. Offensichtlich ging es ihm besser. »Da ist er ja«, sagte Charlie. »Ich wollte dich gerade wecken. Du bist in meinem Team.«

Ich sah die anderen an, unsicher, was er meinte. »Team wofür?«

In dem Moment kam Ernie aus dem Schuppen. »Hab ihn gefunden.« Er hielt etwas nach oben, das ich aus dem Fernsehen kannte. Es war ein Kricketschläger.

Ich stöhnte und alle lachten – vor allem George. Er hatte mir gesagt, dass im Haus im Hochsommer in Australien nur eine Sache im Fernsehen erlaubt war.

Kricket.

George hatte den Großteil des letzten Sommers damit verbracht, mir die Regeln und das Spiel selbst zu erklären und warum sie diese widersinnigen Dinge auf dem Spielfeld taten.

Es war wirklich ein Sport, den ich nie verstehen würde. Der Schläger hatte die falsche Form, sie warfen den Ball mit Anlauf und rannten um ein rechteckiges und nicht um ein rautenförmiges Feld herum.

»Irgendwas stimmt mit deinem Baseballschläger nicht«, sagte ich.

Charlie lachte, verdrehte aber die Augen. »Wir fangen als Feldmannschaft an. Der Mülleimer steht für die Stäbe, die Hunde sind die Outfielder. Wenn du das Haus triffst oder über den Zaun schlägst, bist du raus.«

Es musste früher Abend sein. Im Sommer war es im Nordterritorium so, dass es, wie in jeder Wüste, gegen acht Uhr abends dunkel wurde, während es immer noch brütend heiß war. Wir arbeiteten früh am Morgen oder spät in der Nacht und verbrachten die zu heißen Tage im Haus.

Aber der Frühling war meine liebste Jahreszeit im australischen Outback. Warme Tage zum Arbeiten, nicht brütend heiß, und die Nächte waren kühl genug, dass man Decken und Körperwärme brauchte.

Allerdings sagte ich das auch über Herbst und Winter.

»Hey, Trav«, rief Bacon. »Geh zu den Slips rüber.«

Keine Ahnung, was das heißen sollte. »Was zum Teufel heißt das auf Englisch?«

Charlie lachte auf der anderen Seite des Spielfelds, oder eher Dreckfelds, denn nichts anderes war es. »Er meint, dass du näher zum Schlagmann gehen sollst.«

»Warum hast du das nicht einfach gesagt?«, fragte ich und kam näher.

Und so spielten wir verdammtes Kricket. Leider sagte ich Oh, Gott sei Dank und wollte verschwinden, als jemand Over rief. Charlie zerrte sich beinahe etwas, als er mich auslachte. Ich sah ihn finster an und er pfefferte den Ball zu mir herüber und meinte, dass ich werfen konnte. Also bowlen. Was auch immer.

Es war überhaupt kein Bowling. Es war auch kein Werfen. Es war eine Art Überkopf-Wurf, bei dem ich den Ball einmal auf dem Boden aufkommen lassen und versuchen musste, den Mülleimer hinter Bacon zu treffen, der der Schlagmann war. Natürlich war ich beschissen. Beim vierten Versuch – und der vierten Runde Gelächter von Bacon – warf ich den verdammten Ball im Baseball-Stil nach ihm und der Mülleimer fiel um.

Dadurch war er raus und alle jubelten und lachten. Natürlich mit Ausnahme von Bacon. »Was zum Teufel war das?«, schrie er mich an.

»Du bist raus«, sagte Ma von der Veranda aus. Sie war der Schiedsrichter, da sie die Einzige war, deren Entscheidungen niemand infrage stellen und mit der niemand diskutieren würde.

Bacon fauchte mich an und reichte mir den Schläger. »Komm schon, Yank. Du bist am Schlag. Ich bowle.«

Grinsend nahm ich den Schläger und stellte mich vor den Mülleimer. Charlie warf Bacon den Ball zu und murmelte etwas, das ich nicht verstehen konnte. Es klang wie eine Warnung und als Bacon die Augen verdrehte, war ich ziemlich sicher, dass Charlie ihn gewarnt hatte, nicht auf meinen Kopf zu zielen.

Ich stellte mich seitlich, wie sie es taten, und tippte wie sie mit dem Schläger auf den Boden, aber als Bacon angerannt kam, um zu bowlen, hob ich den Kricketschläger über meine Schulter und benutzte ihn, als wäre er ein Baseballschläger mit flachem Ende. Der Ball flog über Billys Kopf hinweg und fast fünfzig Meter in Richtung der Gehege.

Alle lachten und selbst Bacon schüttelte den Kopf. Beim nächsten Ball warf er mich raus und wir waren quitt. Charlie schlug als Nächster und da er eben Charlie war, spielte er auf Sicherheit und holte dadurch Punkte, ohne den anderen die Chance zu geben, ihn rauszuwerfen. Schließlich warf Billy ihn raus. Am meisten verblüffte mich George. Er war mindestens zwanzig Jahre älter als alle anderen hier, aber verdammt, er war schnell. Ich war überrascht, wie flink er war und dass er jeden Bowl lesen und die Bälle mit absoluter Genauigkeit treffen konnte. Niemand sonst war überrascht davon, alle änderten einfach ihre Positionen auf dem Feld, als wüssten sie, dass es der alte Mann draufhatte.

Ma rief uns alle zum Abendessen ins Haus, bevor jemand ihren Mann rauswerfen oder durch gefangene Bälle aus dem Spiel nehmen konnte. Natürlich beschwerten wir uns alle, dass das ein Foul und unlautere Vorteilnahme war. Aber es wurde sowieso dunkel, es war kühler geworden und ich war am Verhungern. Wir alle lächelten und lachten beim Essen und es war ein perfekter Abschluss für unser Wochenende. Charlie war hin- und hergerissen, ob er Nugget oder Grace auf dem Schoß haben wollte, aber am Ende gewann das kleine Mädchen.