Lady Trents Erbe: Aus der Finsternis zum Licht

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Aus dem Tagebuch von Audrey Camherst


6. Pluvis

Verdammte scirländische Winter! Es hat den ganzen Tag genieselt, und auch wenn es mich nicht stört, nass zu werden, ist das Licht nicht gut dafür, mir die Tafeln anzusehen. Ich frage mich, ob ich Lord Gleinleigh dazu überreden könnte, mich nach Trinque-Liranz oder Qurrat oder an irgendeinen sonnigeren Ort umziehen zu lassen, während ich an dem Text arbeite? Nein, ich habe Lotte versprochen, dass ich in der Nähe bleibe, falls sie mich braucht – obwohl ich nicht weiß, was ich tun könnte, um ihre Debüt-Saison zu verbessern, wenn man das völlige Desaster betrachtet, das ich aus meiner gemacht habe.

Nein, ich werde einfach mit den Lampen arbeiten oder etwas anderes finden müssen, was ich bei schlechtem Wetter mit mir anfangen kann. Ich schätze, ich kann meine Transkription dessen anfangen, was ich bereits kopiert habe.

Später

Das Transkribieren ging langsamer, als es vielleicht hätte gehen können, aber das lag daran, dass ich Cora unterrichtet habe. Es ist klar, dass einige Fehler in ihrer Übersetzung daran liegen, dass sie die Schriftzeichen für ša und ma und auch gil mit suk verwechselt – sehr häufige Anfängerfehler, und sie erklären das zusammenhanglose Zeug und so weiter, auf das sie gekommen ist.

Ach, das hätte ich nicht schreiben sollen. Großpapa redet immer davon, wie man jeden Schritt nacheinander machen sollte. Kopieren, dann Transkribieren, und erst, wenn das fertig ist, Übersetzen. (Und jedes Mal, wenn er das tut, macht Großmama eine spitze Bemerkung über seine »verdammenswerte Geduld«, und dann erzählt sie die Geschichte von jener zerfallenden Tür im Herzen der Wächter und wie er sie diese hat zeichnen lassen, ehe er irgendjemanden durchließ, um zu sehen, was sie geschützt hatte.) Aber ich bin nicht aus solch geduldigem Holz geschnitzt, und ich habe bereits den ersten Teil der Transkription …

Alle anderen sind im Bett. Es wird unser kleines Geheimnis bleiben, Tagebuch.

Tafel I: Anrufung

Übersetzt von Cora Fitzarthur

Lausche mit deinen Schwingen in den Gräben und Felsen in allen Ecken.

Durch mich sage ich, wie Ton gemacht wurde, Staub und Wasser und Decke und Wind und Korn und Tiere des Bodens und Flundern und Himmel, die drei Herzschilfe und die vier, die später drei waren. Stein meine Worte für das kommende Jahr, weil Verstandsaufzeichnungen die eine echte für immer sind. Wenn diese Klammer aufgezeichnet wird, leben wir mit ihnen, und die Güte ihres Schatzes wird die gehenden Generationen weiter Dinge tun lassen.

Einer war rot von der Sonne und geformt wie viele eiserne Hände.

Zwei waren grünes Wasser und wuchsen vom geschlafen werden groß.

Drei waren himmelblau und kamen klug mit ihren Baumzweigen.

Vier, die männlich waren, schwarz bedeckt und wurden zum ersten Mal niedergeschrieben.

Vier brachen zusammen ein einziges Ei, was ein Ding war, das niemand zuvor getan hatte.

Zusammen gingen sie hinunter und hinauf und wurden Finsternis durch Licht.

Tafel I: Kolophon

Übersetzt von Audrey Camherst

Hört, breitet eure Schwingen aus, um zu lauschen, von den Schluchten zu den Höhen aus Stein, in jeder Ecke der Welt.

Durch mich wird dieser Ton davon sprechen, wie alles gemacht wurde, die Erde und die Wasser, der Himmel und der Wind, die Pflanzen und die Tiere von Land und Flüssen und Himmel, die drei Völker und die vier, die danach drei waren. Bewahrt meine Worte für die kommenden Zeitalter, denn die Erinnerung ist die einzig wahre Unsterblichkeit. Solange man sich an diese vier erinnert, werden sie in uns leben, und der Segen ihrer Taten wird andauern.

Die Erste war golden wie die Sonne, und ihre Hände waren als Waffen geeignet.

Die Zweite war grün wie Wasser und bepflanzte die Erde, sodass das Getreide hoch wuchs.

Die Dritte war blau wie der Himmel und war klug im Bauen von Dingen.

Der Vierte war ein Bruder mit schwarzen Schuppen, und er war der Erste, der Sprache in Ton aufzeichnete.

Diese vier schlüpften aus einer einzigen Schale, was man nie zuvor gesehen hat.

Zusammen stiegen sie hinab und wieder herauf und machten die Finsternis zum Licht.

Aus dem Tagebuch von Audrey Camherst


7. Pluvis

Oh, Cora ist clever. Sie mag zwar eine fürchterliche Übersetzerin sein, aber sie hat einen sehr geordneten Verstand und hat etwas entdeckt, das ich noch nicht bemerkt hatte.

Ich habe schon erwähnt, dass die Tafeln, als ich zum ersten Mal in die Bibliothek kam, in einer Reihe ausgelegt waren. Ich bin so daran gewöhnt, mit Texten zu arbeiten, an denen bereits jemand gearbeitet hat, dass mir nie der Gedanke gekommen wäre, dass irgendetwas seltsam daran war, als ich um die erste Tafel bat und sie mir diese ohne Zögern reichte. Aber natürlich hätte ich mich wundern müssen: Woher wusste sie, dass diese die Erste war?

Die Antwort liegt natürlich in dem Teil, den ich bereits übersetzt habe. Sie war zwar wohl nicht fähig, ihn sehr gut zu lesen, aber sie konnte sehen, dass er anders war. »Dieser Teil war mit einer horizontalen Linie abgetrennt«, sagte sie, als ich sie fragte. »Keine von den anderen hat einen abgetrennten Teil, nicht so. Es schien mir nicht logisch, dass sie das am Ende der Reihe machen würden oder irgendwo in der Mitte – nicht, wenn es in der oberen Ecke war wie hier.«

»Es ist beinahe wie ein Kolophon«, sagte ich und beugte mich über die fragliche Tafel. »Dann aber auch wieder nicht. Normalerweise verrät einem ein drakoneischer Kolophon alle möglichen Dinge, von einer Zusammenfassung des Texts oder einigen Schlüsselsätzen bis dahin, welcher Schreiber ihn verfasst hat oder wer ihn in Auftrag gegeben hat und warum. Dieser gibt eine Art Zusammenfassung, aber der Rest jener Informationen ist nicht da. Ist er auf der letzten Tafel? Manchmal haben sie ihn stattdessen ans Ende gesetzt.«

Cora schüttelte den Kopf. »Falls er das ist, haben sie ihn nicht markiert.«

Ein schneller Blick auf die letzte Tafel in der Sequenz reichte, um mir zu verraten, dass der letzte Text auch kein Kolophon war. Dann runzelte ich die Stirn und blickte an dem Tisch entlang. »Bist du sicher, dass das hier der Letzte ist?«

»So sicher, wie ich sein kann«, sagte Cora. »Ich habe sie zuerst geordnet, bevor ich versucht habe, mit der Übersetzung anzufangen.«

Ich war von einem Mysterium ins nächste gestolpert. »Woher weißt du, dass sie in der richtigen Reihenfolge sind?«

Obwohl ich mit meinem Kopieren noch nicht sehr weit gekommen war, hatte ich mir jede Tafel angesehen und das Fehlen einer Nummerierung bemerkt. Was Sinn ergibt. Dieser Text ist offensichtlich ein sehr früher und scheint vor der Idee zu datieren, eine Zahl und das Incipit des Texts an den Rand der Tafel zu schreiben, um Dokumente besser zusammen und in Ordnung halten zu können. Aber ohne dies und ohne die Fähigkeit, den Text zu lesen, wie um aller Welt hatte Cora irgendeine Ahnung über ihre Reihenfolge?

Sie strahlte, als ich sie das fragte. Ich glaube, sie wusste, dass sie etwas Kluges gemacht hatte, und war berechtigt stolz. »Schau«, sagte sie und hastete zurück zum Anfang der Reihe. »Siehst du das hier, am Ende dieser Tafel? Und dann den Anfang der nächsten.«

Ich sah es tatsächlich. Die letzte Glyphe auf der ersten Tafel war das Schriftzeichen für »zwei«, und das erste Symbol auf der zweiten Tafel war das Zeichen für »eins«. Die zweite Tafel endete mit »drei«, während die dritte mit »zwei« begann, und so weiter die Reihe entlang.

Was offensichtlich ist, wenn man weiß, worauf man achten muss – aber für jemanden wie Cora, deren Kenntnis der Sprache so rudimentär ist wie die eines Anevrai-Schuljungen, ist es eine gewaltige Leistung, das zu bemerken! Besonders, weil zwei von ihnen so schwer beschädigt sind (möge die Sonne verbrennen, wer auch immer dafür verantwortlich ist!). Und alle von ihnen haben natürlich Text auf beiden Seiten, die Ziffern aber nur am Anfang der Vorderseite und am Ende der Hinterseite, ohne irgendeine andere Markierung, die einem sagt, welche Seite welche ist. Ein schneller Blick zeigte mir sogar zwei Stellen, wo die Hinterseite mit einer Ziffer beginnt oder die Vorderseite mit einer endet, aber einfach als normaler Teil des Texts, nicht als Andeutung einer Reihenfolge. »Ja«, sagte Cora, als ich auf jene hinwies. »Die haben mir für eine Weile einen Haufen Schwierigkeiten gemacht.«

»Ich habe das nie zuvor gesehen«, sagte ich staunend, während ich hastig einige Notizen kritzelte. (Pfeif auf die Übersetzung. Ich vermute, ich könnte den Rest meines Lebens damit verbringen, Fachartikel und Monografien über andere Aspekte dieser Tafeln zu schreiben.) »Keiner von den drakoneischen Texten, die ich schon untersucht habe, hat diese Methode der Reihung benutzt. Und es ist so seltsam, dass es keinen Kolophon gibt – die haben sie bei so gut wie allem benutzt, was kein Dokument für den kurzen Gebrauch war, weil es die einzige Möglichkeit war, ihre Bibliotheken zu sortieren. Ich meine, das hier ist eindeutig ein sehr alter Text, also hatten sie jene Techniken vielleicht noch nicht entwickelt. Aber trotzdem.«

 

»Wie kannst du feststellen, dass er alt ist?« Cora nahm ihre Notizen zurück und steckte sie in eine Ledermappe weg. »Alle drakoneischen Texte sind alt. Aber du meinst, er ist noch älter, nicht wahr?«

Mich über die Reihe an Tafeln zu beugen, hatte meinen Rücken steif gemacht. Ich streckte ihn und dankte im Geiste meiner Utalu-Mutter, weil sie nie den Sinn von anthiopischen Korsetten gesehen hatte, selbst bevor diese aus der Mode gekommen waren. »Wegen der Orthografie – der Art, wie er geschrieben ist. Frühe Texte neigen dazu, fehlerhafte Doppelkonsonanten zu haben, was bedeutet, dass der Schreiber sie nicht beide geschrieben hat. Man muss einfach herausarbeiten, ob sie doppelt oder einfach sein sollten. Deshalb hattest du übrigens in deiner Übersetzung ›geschlafen‹ statt ›bepflanzt‹. Du wusstest nicht, dass der Schreiber im Verb ein verdoppeltes M gemeint hat. Und diese Tafeln sind so archaisch, dass sie Zeichen für dreiradikalige Wurzeln verwenden, die für jedes von einem Dutzend Nomen oder Verben stehen könnten, die aus jener Wurzel gebaut werden.«

Cora wirkte verwirrt. »Woher soll man wissen, welches es ist?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Man rät.«

Ihre Verwirrung verwandelte sich zu aufrichtigem Ärger. Meine Hand zur Sonne: Ich habe nie im Leben jemanden gesehen, der von Orthografie so erzürnt wurde. »Drakoneisch ist so«, sagte ich, als könne eine weitere Erklärung sie besänftigen. »Manchmal soll man ein bestimmtes Schriftzeichen als seine wörtliche Bedeutung lesen, zum Beispiel galbu für ›Herz‹. Manchmal soll man es stattdessen für seine Silbenbedeutung lesen, lal. Und manchmal ist es ein Determinativ – was bedeutet, dass man es überhaupt nicht ausspricht. Es ist nur da, um einem etwas über den nächsten Teil zu verraten. Der Herz-Determinativ bedeutet, dass was auch immer folgt eine Person oder Personen sind, selbst wenn es nicht so aussieht. ›Drei Herzschilfer‹ sind eigentlich ›drei Völker‹ im Sinn von Rassen oder Nationalitäten.«

Cora machte einige Male den Mund auf und zu, während sie nach Worten suchte. Schließlich fragte sie: »Wie kann irgendjemand diese Sprache lesen

»Mit großen Schwierigkeiten«, sagte ich schulterzuckend. »Jetzt weißt du, warum ich nicht einfach diese Tafeln nehmen und sie wie eine Speisekarte in einem thiessischen Restaurant vorlesen kann.«

»Ja, aber wie haben die sie gelesen? Die antiken Drakoneer?«

Ich lachte. »Genauso wie wir es tun. Einer der ersten Texte, die Großpapa komplett übersetzt hat, stellte sich als Brief von einem jungen Anevrai-Schreiber an den Priester in seinem Heimatdorf heraus, in dem er sich beschwert, wie sehr er es hasst, die Determinative zu lernen, und wie gnadenlos sein Lehrer ihn drischt, wenn er beim Vorlesen einen verdoppelten Konsonanten übersieht.«

»Das ist völlig irrational«, sagte Cora zornig. »Es muss so viele Möglichkeiten geben, die Bedeutung falsch herauszulesen.«

»Ja, aber allgemein wird einem nach einer Weile bewusst, dass man es tatsächlich falsch verstanden hat. Wir würden weniger Fehler machen, wenn wir die Sprache fließend sprechen würden, wie die Schreiber der Antike, aber natürlich müssen wir gleichzeitig auch den Wortschatz herausarbeiten. Wir sind seit dem Kataraktstein weit gekommen, wohlgemerkt – wir können jetzt ziemlich viel lesen. Aber es geht immer noch langsam.«

Ich glaube nicht, dass ich sie von irgendetwas überzeugt habe, obwohl ich, ehrlich gesagt, nicht sicher bin, ob es irgendetwas gibt, von dem ich sie überzeugen könnte. Die drakoneische Schrift ist wirklich ziemlich irrational, wenn man sie sich ansieht. Aber es war das erste Mal, dass irgendjemand irgendwo auf der Welt die Schrift erfunden hatte, und wir können ihnen nicht vorwerfen, dass sie beim ersten Versuch keine sehr gute Arbeit geleistet haben.

Und wenn man darüber nachdenkt, haben sie ausreichend gute Arbeit geleistet, dass ihre Texte über Jahrtausende überlebt haben und wir sie heute immer noch lesen können – wenn auch mit sehr viel Mühe. Ich wäre glücklich, wenn irgendetwas, das ich tue, ein Tausendstel so lange überdauert!

In der einleitenden Anrufung stand etwas über einen männlichen Drakoneer, der als Erster »Sprache in Ton aufzeichnete«. Falls das hier eine mythische Erzählung ist, beschreibt sie vielleicht, wie die Schrift und andere Dinge geschaffen wurden. Ich frage mich, wie sehr die Geschichten denen ähneln werden, an die man sich heute erinnert?

Tafel II: »Die Schöpfungstafel«

Übersetzt von Audrey Camherst

Vor Städten, vor Feldern, vor Eisen, vor der Zeit kamen die drei zusammen, die drei namens Immer-Bewegt, Immer-Stehend und Licht der Welt, die drei namens Quelle des Windes, Ursprung von Allem und Schöpfer von Oben und Unten.

Gemeinsam schufen sie die Welt. Gemeinsam schufen sie Himmel und Erde, den Regen und die Flüsse und alles, was fliegt oder kriecht oder im Boden gräbt. Sie machten diese Dinge, aber sie waren immer noch einsam. Sie sagten zueinander: »Wen gibt es, der fähig ist, uns zu erkennen? Wer wird unsere Namen singen und uns preisen? Wer blickt auf das, was wir erschaffen haben, und erkennt dessen Schönheit?«

Also kamen sie am höchsten Punkt zusammen, an dem Ort, wo Immer-Stehend Immer-Bewegt trifft und das Licht der Welt herablächelt, an dem Ort, wo der Berg Rauch in den Himmel bläst1, an dem Ort, der Rauchfass des Himmels genannt wird. Die Quelle des Windes sprach zuerst: »Ich werde eine Kreatur schaffen, die die Pracht des Himmels kennt. Von hoch oben wird sie alles sehen. Sie wird auf das blicken, was wir erschaffen haben, und dessen Schönheit erkennen.«

Sie nahm den Wind und flocht ihn, viele Strähnen aus Brisen und Böen, mit Regen, um ihm Substanz zu verleihen, und setzte ihre Kreatur frei. Der erste issur2 stieg in den Himmel, und Immer-Bewegt war froh. Aus der Höhe sah ihre Kreatur alles und blickte auf das, was die drei erschaffen hatten.

Doch die Kreatur von Immer-Bewegt hatte einen Makel. Sie schaute, aber sie erkannte nicht. Sie kannte die drei nicht. Sie sang nicht ihre Namen und pries sie nicht. Obwohl sie eine Schönheit war, fehlte ihr die Fähigkeit, Schönheit zu erkennen. Ihr fehlte ein Verstand.

Und so sagte der Ursprung von Allem: »Ich werde etwas Besseres machen. Ich werde eine Kreatur formen, die die Fülle der Erde kennt. Vom Boden wird sie alles erfahren. Sie wird ergründen, was wir erschaffen haben, und dessen Schönheit schätzen.«

Er nahm die Erde und formte sie, Humus und Stein, mit den Wurzeln wachsender Dinge, die sie zusammenbanden, und ließ seine Kreatur frei. Der erste āmu3 lief über die Erde, und der Immer-Stehende war froh. Vom Boden aus erfasste er alles und erkundete, was die drei erschaffen hatten.

Aber die Kreatur des Immer-Stehenden hatte einen Makel. Sie erlebte, schätzte aber nicht. Sie erkannte die drei, doch in ihrer Arroganz sang sie nicht ihre Namen, pries sie nicht. Obwohl sie Verständnis besaß, fehlte ihr die Bescheidenheit, um die drei anzuerkennen.

Und so sagte das Licht der Welt: »Wir müssen etwas Besseres schaffen. Es muss die Schönheit des issur, den Verstand des āmu besitzen. Es muss kombinieren, was an beiden gut ist, und es muss besitzen, was jedem von ihnen fehlt. Ich kenne die Form, die es haben wird, aber um es zu schaffen, wie es sein soll, müssen wir uns alle drei am Werk beteiligen.«

Sie nahmen den Wind, sie nahmen die Erde. Sie schufen eine Kreatur mit den Schwingen des issur, den Augen des āmu. Aus Brisen und Gestein wurde sie gemacht, aus Regen und den Wurzeln wachsender Dinge. Der issur kam und hauchte sie als Segen an. Der āmu kam und vergoss als Geschenk sein Blut auf sie. Und zuletzt setzte der Schöpfer von Oben und Unten sein Licht auf deren Schöpfung, den göttlichen Funken, sodass sie die drei erkennen und ihnen Ehre erweisen würde.

Sie erwachte zum Leben. Sie sah sich um. Sie lief über die Erde und flog durch die Luft. Sie sah die Welt von oben und unten. Sie sang die Namen der drei und pries sie.

All dies geschah in der Zeit, bevor die Welt verändert wurde.

1Ich frage mich, ob dies ein bestimmter Berg ist? Ein Vulkan, möchte man annehmen.

Einer, den wir vielleicht identifizieren könnten? – AC

2Der Kontext lässt mich annehmen, dass sich dies auf Drachen beziehen muss, aber gewöhnlich würde man dafür umbarra schreiben. Also vielleicht nicht? Vielleicht etwas Mythisches? Oder das hier ist einfach ein älterer Ausdruck. – AC

3Wenn das erste Wort tatsächlich »Drache« ist, dann müsste dieses hier vermutlich Menschen bedeuten. Aber erneut ist es nicht das übliche Wort (das wäre lansin), deshalb bin ich nicht sicher. – AC

GEPLÜNDERTER TEMPEL ENTDECKT
Stätte in Seghayen bis aufs Gestein vernichtet Rouhani betrauert Zerstörung

»So viel Geschichte ist verloren«

Archäologen, die die Umgebung der Stadt Djedad in Seghayen erkunden, haben einen weiteren antiken drakoneischen Tempel gefunden, der in den gewachsenen Fels der Ghurib-Hügel gehauen ist – doch leider waren sie nicht die Ersten, die ihn entdeckt haben. Hormizd Rouhani, Leiter der Expedition, sagt, dass Plünderer die Stätte bereits verwüstet und unbekannte Reichtümer weggebracht hatten.

»Wir werden nie erfahren, was früher dort war«, schrieb Rouhani in einem Brief an die seghayische Kommission für Antiquitäten. »Zweifellos haben viele der Artefakte bereits ihren Weg auf den Schwarzmarkt gefunden, aber ohne ihren Kontext verlieren sie viel von ihrer Macht, uns von der Vergangenheit zu erzählen.«

Der Tempel ist von einem Typ, den man auch andernorts sieht, mit einer inneren Kammer, deren Decke einen Oculus enthält, eine Öffnung zum Himmel, die, wie Forscher glauben, in der Antike abgedeckt war. Während der Zeremonien sollen die Priester die Abdeckung im Schlüsselmoment abgenommen und dem Sonnenlicht erlaubt haben, in die Kammer zu scheinen. Ein Erdbeben in der Gegend hat die Abdeckung über dem Oculus einstürzen lassen, sodass, wie Rouhani glaubt, Plünderer die Stätte gefunden haben.

Als er gefragt wurde, ob der Tempel in vergangenen Jahrhunderten geplündert worden sein könnte, antwortete er: »Ich kann nicht sagen, in welchem Zustand er war, als die Plünderer ihn betreten haben. Aber wir haben Zigarettenstummel, Bonbonpapier und den Schutt gefunden, wo sie versucht haben, ein Fresko von der Wand zu meißeln, und es dabei zerstört haben. Es besteht keine Frage, dass sie vor Kurzem hier waren – ich würde sagen, in den letzten fünf Jahren.«

Was noch bleibt, deutet auf die frühere Pracht des Tempels hin. Es gibt Wandmalereien, deren Farben immer noch sichtbar sind und die eine noch unidentifizierte drakoneische Königin darstellen, die an Ritualen zum Erhalt ihres Reichs teilnimmt. An der Hinterseite der Kammer steht eine leere Truhe für Tafeln vom »Ursprungstyp«, die freistehend gelassen wurde, nachdem das umgebende Gestein weggehauen worden war. Scherben, die neben der Truhe gefunden wurden, zeigen, dass ihre Seiten einst mit geflügelten Sonnenscheiben aus bemalter Keramik dekoriert waren, von denen eine während der Entfernung völlig zerbrochen und von den Plünderern zurückgelassen wurde.

Entdeckungen von geplünderten Stätten werden in den letzten Jahren immer häufiger, weil die Aufregung über den kommenden Kongress von Falchester das öffentliche Interesse an drakoneischen Artefakten auf eine Höhe treibt, die man seit den besten Tagen von Lady Trent nicht mehr erlebt hat. Wie es Joseph Dorak, einer der prominentesten Antiquitätenhändler von Scirland, ausdrückt: »Selbst gewöhnliche Artefakte werden für das Zweioder Dreifache von dem verkauft, was sie vor fünf Jahren erzielt hätten.« Das Interesse wird erwartungsgemäß nur noch steigen, wenn der Kongress näher rückt.