Mysterium fidei

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V. ERGEBNIS

Unsere Eucharistiefeier umfaßt die Grundgedanken des Passamahles, umfaßt das Abendmahlsgeschehen und feiert zugleich Gegenwart all dessen, um sich in den gegenwärtigen Christus hineinzugründen.

Zur theologischen »Gestalt« der Eucharistie
I. FRAGESTELLUNG

Mysterientheologie, liturgische Bewegung und Rezipienten suchten mit den Begriffen »Gestalt«, »Grundgestalt«, »Sinngestalt«, »dogmatische Sinngestalt«, »liturgische Gestalt«, »Feiergestalt« das Wesen der Eucharistiefeier als Opfer, Mahl oder Eucharistia zu bestimmen (II). Uns ist die »Eulogia« (Berakah, benedictio, Segen) Sinngestalt der Eucharistiefeier (III).

II. EUCHARISTIE: OPFER ODER MAHL?
1. Reformation und Trient

In der Messe als Sühnopfer sah die Reformation Lästerung des einmaligen Opfers Christi und den Hauptangriff gegen ihre Rechtfertigungslehre »sola gratia«.1 Ihr bestimmte »Nehmet hin und esset« die Eucharistie wesentlich als Mahl. Trient verteidigte beides: Opfer und Mahl, ohne die Einmaligkeit des Kreuzesopfers abzuschwächen. Die 22. Sitzung (17. Sept. 1562) behandelt das Meßopfer (DH 1738–1760): Einerseits hat Christus »zwar sich selbst ein für alle Male auf dem Altar des Kreuzes durch den eintretenden Tod Gott, dem Vater, opfern wollen [vgl. Hebr 7,27], um für jene [daselbst] ewige Erlösung zu wirken …« (DH 1740). Andererseits ist die Eucharistie sichtbares Opfer, das das vollbrachte Kreuzesopfer darstellt (repraesentaretur), bis zum Ende der Zeit erinnert (memoria … permaneret) und dessen heilbringende Kraft zuwendet (applicetur).2 Weil das Konzil den Sühnopfercharakter (propitiatorium) der Messe in Kanon 3 (DH 1753) ausdrücklich definierte, sprach man im Blick auf das Kreuzesopfer von einem »relativen« Opfer. Das ist irreführend. Denn Kanon 1 betont, daß dieses Sakrament ein »verum ac proprium« (DH 1751) und eben kein »relativum sacrificium« ist, u.a. weil es durch Priester dargebracht werde (DH 1741).3 Damit stellte sich der liturgischen Bewegung die Frage nach der sinngebenden Grundgestalt der Messe: Opfer oder Mahl.

2. Die Meßopfertheorien

Katholische Theologen flohen seit Trient zu Meßopfertheorien. Noch 1962 lobt Neunheuser4 sie bei all ihrer Unangemessenheit, weil sie das »Wie« des Opfercharakters der Messe herausstellen, den Trient nicht befriedigend gelöst hatte. Das erste von drei Modellen sagt, die Messe sei kein relatives, sondern absolutes Opfer, weil sie, wie alle Opfer, die Opfergaben destruiere: etwa in der Wandlung (Suarez), in der Kommunion (Bellarmin) oder in neuerlicher Erniedrigung in der Realpräsenz (J. de Lugo). Das zweite betont die mystische Schlachtung Christi in je aktueller Opferhingabe, die das einmalige Kreuzesopfer nicht antaste (Lessius).5 Das dritte Modell (Oblationstheorie) unterscheidet das einmalige Schlachtopfer (Kreuz) von seiner Opferung (Messe). Alle bestimmen religionswissenschaftlich (Destruktion) die Messe als Opfer.

3. Mysterientheologie und Liturgische Bewegung

Casels »Kultmysterium« und Guardinis »liturgische Grundgestalt« versuchen ohne (religionswissenschaftliche) Opfertheorien das Wesen der Messe zu erfassen.

a) Odo Casel OSB (1886–1948)

Casels Mysterienlehre6 betont: Die Heilstat Christi (Menschwerdung, Tod und Auferstehung: Passa) können wir nur mitvollziehen, weil sie im Abendmahl als bleibende Gegenwart des einmaligen Passa gestiftet ist und in der Eucharistiefeier als »Mysteriengegenwart« begangen werden kann, nicht nur in Wirkungen des Kreuzesopfers oder in abstraktem »Heilsgehalt« (Söhngen), sondern in »heilsgeschichtlicher Ganzheit« und eschatologischer Sieghaftigkeit, objektiv unter Zeichen verhüllt, wirklich und wirksam aufgrund der Heilstat und ihrer göttlichen Stiftung.7 Die Gegenwart dieser Heilstat ist nicht leere Darstellung (repraesentatio) oder Mitvollzug, sondern »wirklichkeitsgefüllte Gestalt«. Diese von der Wirklichkeit des Heilsmysterium ausgefüllte »Gestalt« nennt Casel »Kultsymbol«8. »Das Kultmysterium im eigentlichen Sinn ist somit das sakramentale Tun der Kirche, das seinen Mittel- und Höhepunkt in der Eucharistiefeier findet…«9 Beachten wir: »Kultgestalt« = »Kultsymbol« = »Kultmysterium der Kirche« (Eucharistiefeier) ist liturgietheologischer Begriff und weist auf das der wiederholbaren Mahlhandlung eingestiftete Heilsmysterium (Passa) als liturgie-theologische10, zunächst nicht streng dogmatische11 Wirklichkeit hin. Dies provozierte die Frage nach einer liturgie-dogmatischen »Grundgestalt« (Guardini) der Messe.

b) Romano Guardini (1885–1968)

Guardinis liturgische »Grundgestalt«12 besagt »Dramatik«, die eine vom »Dogma durchwirkte« … »Gesamtheit von Gedanken« ausdrückt.13 Das »Allgemein-Bedeutungsvolle« liturgischen Geschehens, d.h. die »Grundformen« des »Urbildlichen«14 sind in eine »geistliche Ausdrucksform«, d.h. in konkrete »Liturgie«15 zu gießen: »Denn die Liturgie ist keine bloße Erinnerung an das, was einst war, sondern lebendige Gegenwart, ist das beständige Leben Jesu Christi in uns und der Gläubigen in Christus, und zwar in dem ewig lebenden Gottmenschen Christus.«16 Das liturgische »Wesen des Dings, der Handlung«, die »innere Gestalt«, die liturgische »Grundgestalt« ist in der Eucharistie das Mahl als Vereinigung mit dem sich dem Vater und uns gewährenden Christus.17 Es besagt, ist und bewirkt als »lebendige Gegenwart…das beständige Leben Jesu Christi in uns und der Gläubigen in Christus, und zwar in dem ewig lebendigen Gottmenschen Christus«18. Die Position vom Mahl als Grundgestalt hat Guardini nach dem 2. Weltkrieg aufgegeben.19 Beachten wir: Guardinis Grundgestalt schillert zwischen liturgischer und dogmatischer Gegebenheit (»vom Dogma durchwirkt«).

c) Johannes Betz (1914–1984)

Mein Lehrer Joh. Betz20 skizziert die Grundgestalt der Eucharistie indirekt durch dogmatische Überlegungen: »Die Realpräsenz des Leibes und Blutes Christi ist das Herzstück der Eucharistie … Sie steht aber ganz im Dienst des Opfergeschehens. Denn präsent wird Christus nicht einfachhin und in statischer Befindlichkeit, sondern in höchster Heilsdynamik, als die sich für uns verzehrende Opfergabe, als der Christus passus (im Sinne eines perfectum praesens). So ist mit der substantialen Realpräsenz der geopferten Person Jesu die aktuale ihrer passio, ihrer Opfertat, unlöslich verbunden.«21 Die Anwesenheit des Opfers Christi in der Messe stützt Betz auch mit Meßopfertheorien (Doppelkonsekration etc.) und folgert: »Wie die Opfergabe der Kirche mit der Opfergabe Jesu, so wächst auch ihre Opferhandlung mit seiner Opferhandlung zu einer unlösbaren endgültigen Einheit zusammen«22: zum »Mahlopfer«, das in der Kommunion als Opfermahl zum Abschluß kommt: »Das letztere versinnbildet noch einmal und sogar in besonderer phänomenaler Durchsichtigkeit das Urmysterium: Die Hingabe des geopferten Jesus zu unserer Speisung respräsentiert seine Kreuzeshingabe zu unserem Heil, oder: Das Verzehrtwerden Jesu von uns vergegenwärtigt sein Sich-Verzehren für uns.«23 Also: Die dogmatische Grundgestalt der Eucharistie, die aller Mahl-Liturgie bestimmend vorausliegt, ist das Passa Christi. Betz provoziert jedoch mit »Opfermahl« und »Mahlopfer« diese Frage neu.

d) Joseph Kardinal Ratzinger (geb. 1927)

Unter dem Titel »Gestalt und Gehalt der eucharistischen Feier« nimmt der Kardinal Guardinis Bemühen um »die wesentliche Gestalt der heiligen Messe« auf: Es ging um »die liturgische Feier als lebendige Gestalt. Die Gestalt wurde als eine theologische und geistliche Größe eigenen Gewichts entdeckt.«24 Er verdeutlicht: »Die Form, in der sich die Messe darbietet, erschien … als der innere Ausdruck der geistlichen Wirklichkeit, … hinter dem Zufälligen der Einzelriten die tragende Gesamtgestalt zu erkennen, die … Schlüssel zum Wesen des eucharistischen Geschehens ist … Mit dem Begriff ›Gestalt‹ war so eine bisher unbekannte Kategorie ins theologische Gespräch eingetreten, deren reformerische Dynamik unverkennbar war.«25 Und zur »Grundgestalt«: »Um sie zu finden, bot sich ein sehr einfacher Weg an: Die exemplarische Eucharistiefeier, die Einsetzung der Eucharistie durch Jesus selbst … im Rahmen des Letzten Abendmahles. Daraus schien mit einer völlig unwiderleglichen Eindeutigkeit zu folgen, daß die Grundgestalt der Eucharistie das Mahl ist.«26 War dies nicht die Position Luthers? Leugnete sie nicht Opfercharakter der Messe zugunsten einer Mahltheorie27, kritisiert Ratzinger das Auseinanderdriften von dogmatischer, das Opfer betreffender, und liturgischer, die Feier betreffender Bedeutungsebene.28 Ein solches Nebeneinander konnte auf Dauer nicht befriedigen …, die beziehungslose Trennung von Opfer und Mahl nichts erklären.29 Im Blick auf das 2. Vatikanische Konzil beklagt er das unklare Verhältnis zwischen dogmatischer und liturgischer Ebene als zentrales Problem liturgischer Reform.30 Für ihn ist die »Grundgestalt« der Messe (die) »Eucharistia«. Mit J.A. Jungmann SJ ist er dieser Auffassung.31 Der reformatorische Begriff Abendmahl ist für beide32 ein »vollständiges Novum«33. Allein die »Eucharistia« als Grundgestalt steht dem Opfer (»oblatio rationabilis«) offen.34 Nach O. Casel, J. Pascher, L. Bouyer und H. U. von Balthasar35 tritt im eucharistischen Gebet die Kirche in das Gebet Christi, in den Logos, in das Wort des Vaters ein und übergibt in Christus dem Vater alle Menschen.36 Die Eucharistia als (dogmatische) Grundgestalt der Messe schließt das Mahl nicht aus, sondern in das Dankgebet – weil Mahlgebet – ein.37 Der Begriff der Mahlgestalt sei eine historisch nicht haltbare Vereinfachung des Testaments des Herrn, das sachlich als Eucharistia zu sehen ist: »Eucharistia bedeutet ebenso das Geschenk der Communio, in der der Herr uns zur Speise wird, wie sie die Hingabe Jesu Christi bezeichnet, der sein trinitarisches Ja zum Vater im Ja des Kreuzes vollendet und in diesem ›Opfer‹ uns alle dem Vater versöhnt hat. Zwischen ›Mahl‹ und ›Opfer‹ gibt es keinen Gegensatz, in dem neuen Opfer des Herrn gehören sie beide untrennbar zusammen.«38 Man könne, auf unsere Studien verweisend, nicht mehr von »Mahlgestalt der Eucharistie«, »Mahl« und »Opfermahl« (vgl. Betz) sprechen; eine Korrektur der deutschen Übersetzung des Römischen Missale sei notwendig.39

 

III. AUF DEM WEG ZU EINER LÖSUNG
1. Die Frage nach der dogmatischen Sinngestalt

Der Begriff »Gestalt« (nicht Species) verwirrt durch liturgische und/oder dogmatische Ausrichtung. Trient spricht (eher) dogmatisch, aber nicht von Gestalt, sondern von der erinnernden und Gegenwart schaffenden »Repräsentanz« des Kreuzesopfers (Realsymbol: DH 1740) in der Messe, die selbst »eigentliches Opfer« (DH 1741) ist. Es fördert die Frage nach der Grundgestalt. Casels »Mysterium der Gegenwart« als »geschichtliche Gegenwart des Heilsmysteriums Christi« ist sakramental-liturgisch orientiert und macht das »Kultsymbol« Messe zur »wirklichkeitsgefüllten Gestalt«, zum »Kultmysterium« des Passa. In Guardinis »Grundgestalt« Mahl als »innerer Gestalt« und »Wesen« der Eucharistie bietet sich der gegenwärtige Gott-Mensch Jesus zur Gemeinschaft an. »Grundgestalt« schillert zwischen Liturgie und Dogma. Betz verwendet den spezifischen Begriff der Gestalt nicht, bestimmt aber die Eucharistie sakramenten-dogmatisch als Mahlopfer, das sich im Opfermahl vollendet. Ratzinger klärt Guardinis liturgie-dogmatisch schillernde »Gestalt« zur dogmatisch »tragenden Gesamtgestalt« der Messe in der »Eucharistia« (Jungmann), die dem Opfer offen steht.

a) Dogmatische Sinngestalt

Ähnlich wie für Ratzinger ist auch für mich die berichtete Diskussion deshalb verwirrend, weil sie dogmatische und liturgische Gesichtspunkte mischt bzw. trennt. Ich unterscheide die liturgische Materialgestalt von der dogmatischen Formalgestalt, die ich deshalb dogmatische Sinngestalt nenne, weil sie allen liturgischen Ausdrücklichkeiten (dem liturgischen Material und der Materialgestalt) ihre theologische Einheit und Sinnhaftigkeit gibt.40 Ich entdeckte: Schrift und Kirchenväter konzipierten die Eucharistie dogmatisch nach dem Sinn-Modell der Berakah (Segen, benedictio, eulogia)41 mit ihren vier nicht zu trennenden Sinn-Elementen »Anamnese« (deus benedixit), »Epiklese« (deus benedicat), »Koinonia« (deus benedicit) und »Prosphora« (deus benedicatur). Bestätigt wurde ich: 1. die neutestamentlichen Abendmahlsberichte schildern eine Segenshandlung, setzen »Eulogein« mit »Eucharistein« identisch (Mt 26,26f; Mk 14,22f) und erwähnen die vier Elemente Anamnese, Epiklese, Koinonia und lobpreisende Prosphora (hymnesantes: Mt 26,30); 2. Die Evangelisten setzen das Abendmahl im Rahmen eines Passamahles an (Mt 26,17; Mk 14,14 etc.). Bezweifelt man diese Nachricht, so bleibt der hermeneutische Hinweis: Das Abendmahl ist theologisch vom Passamahl her zu verstehen als Segenshandlung. Damit hatte ich die Eulogia als dogmatische Sinngestalt der Eucharistie freigelegt, die den Sinnelementen (Realpräsenz, Opfer etc.) die eine theologische Sinnstruktur gibt und deshalb von mir auch theologische Sinngestalt genannt wurde.42 Selbst das Christusereignis deutet die Schrift als Eulogia, denn Christus ist die auto-eulogia (Origenes).43 Die dogmatische Sinngestalt der Eucharistie ist die Eulogia und hat als Formalgestalt Konsequenzen für die Materialgestalt, d.h. die liturgische Feiergestalt, ja selbst für die Theologie.44

b) Liturgische Sinn- und Feiergestalt bei H.B. Meyer (1924–2002)

H.B. Meyer SJ45 fügte – etwas verwirrend – zwischen dogmatische Sinngestalt und liturgische Feiergestalt noch eine »liturgische Sinngestalt« ein und bestimmt sie als liturgietheologischen, nicht streng dogmatischen Begriff, der aus liturgietheologischer Reflexion auf die von Jesus gestiftete und von der Kirche gefeierte Eucharistie gewonnen und Guardini und Casel gleichermaßen verpflichtet ist. Liturgische Sinngestalt »bezeichnet die formale Dynamik (Vollzugsform), die der Feier ihren Sinn gibt und durch die deren Einzelaspekte ihre theologische Bedeutung erhalten, untereinander verbunden und in das Ganze integriert sind. So verstanden, bestimmt die liturgietheologische Sinngestalt als Vollzugs-›Form‹ die formale Sinnstruktur der Eucharistie als liturgische Feier (actio) …«46 Nach Meyer verweist der liturgietheologische Begriff »Sinngestalt« auf die theologische Sinngestalt, weil das Wortelement »Sinn« auf die »theologische Bedeutung der Eucharistiefeier und ihrer Einzelaspekte« weist, während das Wortelement »Gestalt« die »formale Struktur der Feier im Ganzen und der Einzelaspekte« meint.47 Feiergestalt bestimmt Meyer in beschreibender Sachdefinition: »Feiergestalt« = »Materialgestalt« (Lies) oder »Grundgestalt« (Guardini) »bezeichnet den materialen Ausdruck der formalen Sinngestalt und umfaßt sowohl die anthropologischen als auch die in der Stiftung Jesu gründenden wesentlichen Elemente und Vollzüge der Eucharistiefeier, in denen die Sinngestalt in Erscheinung tritt«48: Worte und Gesten, Elemente und Handlungen, personale und soziale Faktoren. Wie gesagt: Meyer kennt damit drei Ebenen: theologische und liturgische Sinngestalt, zudem liturgische Feiergestalt. Die liturgische Sinngestalt als liturgische Sinnhandlung (actio) will der Liturgiewissenschaftler über die nicht zu trennenden dogmatischen Wesensaspekte der Eucharistiefeier (induktiv) ermitteln: 1. aus der »realsymbolischen Zeichenhandlung«, 2. dem »Stiftungs- und Gnadencharakter«, 3. der »Gedächtnis-Gegenwart«; 4. dem »Opfer und Mahl«; 5. der »Communio«.49 Da Liturgie kultisches Handeln ist, müssen diese (dogmatischen) Aspekte der Eucharistie in Wahrheit Aspekte einer »actio« und insofern liturgietheologisch bedeutsam sein; diese dogmatischliturgischen Aspekte werden durch die sie umfassende liturgische Sinngestalt zusammengehalten, die Meyer »eulogisches Gedenken«50 nennt: »Diese Bezeichnung ist nicht als definitorische Bestimmung im strengen Sinn, sondern eher heuristisch, d.h. als Hilfe dafür zu sehen, daß wir die Sinngestalt in ihrer Eigenart erfassen können. Als Bezeichnung für eine formale Sinngestalt ist sie in analogem Sinn grundsätzlich auch auf andere liturgische Feiern anwendbar … Es ist die umfassende, alle Einzelaspekte integrierende formale Sinngestalt der Eucharistie als gottesdienstliche Feier.«51

Schauen wir genauer auf Meyers Vorgehen! Als Liturgiewissenschaftler kannte er das neuzeitliche dogmatische Mühen um die Wesenselemente und Sinngestalt der Eucharistie genau. Jedoch die von ihm ausgewählten und (eher) dogmatisch entfalteten Aspekte der Eucharistie führen nicht notwendig und aus sich heraus (induktiv) auf die von ihm herangezogene Sinngestalt der Eulogie. Er formuliert einerseits die in der dogmatischen Theologie entwickelte Sinngestalt »Eulogie« zu einer liturgischen Sinngestalt um und beteuert: Sie »ist die den Einzelelementen und -vollzügen des liturgischen Geschehens vorausliegende, sinnenhaft wahrnehmbare ›tragende Grundgestalt‹, nach der Guardini und andere gesucht haben, und bringt die formale Sinngestalt in der Zeichenhandlung der Meßfeier zum Ausdruck. Sie kann daher auch deren Ausdrucksgestalt genannt werden.«52 Andererseits zerstört er diese eine »umfassende« liturgische Sinngestalt, wenn er zur Feiergestalt, die ja von der Sinngestalt umfaßt sein soll, sagt: »Wir meinen, daß die Feiergestalt der Eucharistie nicht durch einen einzigen Begriff bestimmbar ist, wie das vor allem von jenen Autoren getan oder wenigstens nahegelegt worden ist, die sich zum Thema ›Grundgestalt‹ (sc. Opfer oder Mahl) der Meßfeier geäußert haben.«53 Gegen solche »Engführungen« gibt Meyer nur eine »beschreibende Sachdefinition der Feiergestalt«, die faktisch doch auf einen umfassenden dogmatischen Sinn verzichtet: »Die Feiergestalt der Eucharistie besteht darin, daß in der im Namen Jesu versammelten Gemeinde das Paschamysterium verkündet, daß im lobpreisend-bittenden Gebet über den Mahlgaben seiner und seines Heilswerkes gedacht, die communio mit dem Herrenleib, Haupt und Gliedern erbeten und im Genuß seines Leibes und Blutes erlangt wird.«54 Letztlich sind – das zeigt schon der fehlende Opfercharakter – die eine dogmatische Sinngestalt, die betonte liturgische Sinngestalt und liturgische Feiergestalt auseinandergebrochen. Unsere Frage kehrt zurück: Was ist nun die theologische und liturgische Sinngestalt der Eucharistiefeier? Wir erkennen – und hier ist Ratzinger rechtzugeben – die Frage nach letzter liturgischer Gültigkeit kann nicht mehr die Liturgie, sondern nur die Dogmatik stellen.55

2. Die Eulogie als dogmatisch-eucharistische Sinngestalt

Was im Wort als Segen gefeiert wird (aktualpräsent), wird auch in den Symbolen gegenwärtig (somatisch-realpräsent). Die dogmatische Sinngestalt der Eucharistie, die einer liturgischen Sinngestalt erst Gültigkeit verleiht, ist die Eulogia (Segen) mit ihren Sinnelementen. Sie weist Mahl und Opfer ihre Ebenen zu. Die im Namen und damit im Gedenken Christi (gen.obj. und subj.) zusammenkommende und so gesegnete Gemeinde gedenkt und dankt (Anamnese) dem himmlischen Vater für das ein für alle Male geschehene Heilswerk (Segenswerk) in Christus, mit dem er sie von damals bis heute gesegnet hat. Die Segensgegenwart Christi mit seinem Heilswerk ist unverdiente Mitte und Bestand der Gemeinde. Daher ist gemeindliche Danksagung für das Heilswerk mit dem Bewußtsein verbunden, daß es ausschließlich die Freigebigkeit und Güte des Vaters war und seine Freiheit bleibt, seinen Sohn zu unserem Segen zu senden.

Allein dankbares Bitten der Gemeinde um die Freigebigkeit des Vaters auch heute kann der Freiheit Gottes gerecht werden (Epiklese). Die Gegenwart Christi mit seinem Heilswerk wird als Liebe des Vaters auf uns und die Gaben herabgefleht. Diese Segens-Bitte, da sie im Vertrauen auf den Namen und den Auftrag des Herrn geschieht, wird vom Vater unfehlbar erhört.

Wie im Erinnern der Menschen an Jahwe sich Jahwe der Menschen erinnert und ihnen gegenwärtig ist, wie Bitten und Danken nur in freier und personaler Begegnung möglich ist, so besagt Segen (Eulogia) immer freie Gemeinschaft Gottes mit den Menschen und darin der Menschen mit Gott (Koinonia). Diese in dankender Bitte gewährte Gemeinschaft des Vaters in Christus und im Heiligen Geist mit uns Menschen, die als aktual-und realpräsenter Segen die Feier ermöglicht und über den Gaben zu deren Wandlung erinnert, diese Gemeinschaft wird im Leibe Christi unter den Gestalten von Brot und Wein sakramental gegenwärtig: Christus in seinem geopferten Leib und Blut (somatische Realpräsenz) ist unser Segen, den wir in der Kommunion zum Segen aufnehmen und so zu seinem Segensleib, der Kirche, werden (Koinonia).

Segen kennt neben der katabatischen auch die anabatische Richtung. Gott segnet die Menschen, aber auch die Menschen segnen Gott (eulogetos theos). Dieser Segen Gottes (gen. obj.) kennt viele Begriffe: Lobpreis, Heiligung, Danksagung, Darbringung und Opfer. Präzise umschreibt die lateinische Liturgie diesen anabatischen Sinn mit »memores offerimus«: Unser Opfer (Prosophora) ist ein lobpreisendes und dankendes Gedenken (Anamnese). Dieses Opfer hat nichts mit religionsgeschichtlichen Meßopfertheorien zu tun. Was Gott uns in Christus schenkt, empfangen wir im Lobpreis und beziehen in diesem Lobpreis die erhaltene Segensgabe auf den Segensgeber zurück. Wenn das Konzil von Trient einerseits von der Gegenwart des Kreuzes und der Austeilung seiner Früchte und andererseits von einem neuerlichen Opfern, wie es in der Messe geschieht, spricht, so kann unsere eulogische Konzeption präzisieren: Im erinnernden Danksagen der Gemeinde an den himmlischen Vater wird Christus mit seinem Opfer aktual und sakramental zu unserem Empfang gegenwärtig und ausgeteilt. Das Lobopfer (Segen), zu dem die Kommunion gehört, ist wie für Trient auch Austeilungritus (Segensgabe). Die Kirche vereinigt sich mit Christus, indem sie Christus dem Vater dankend vor Augen stellt (prospherein) und in diesem Sinne bedankt, d.h. »darbringt« (offerimus). Da die in der Feier aktuellen Wirklichkeiten zugleich jene sind, die in den Gestalten von Brot und Wein realpräsent werden, kann man die gewandelten Wirklichkeiten von Brot und Wein im theologisch-umfassenden Sinne »Eulogia«, unter je bestimmter Rücksicht Eucharistia, Koinonia mit dem Leibe Christi, Opfergabe (hostia), ja Segensgabe Gottes an uns und auch unsere an Gott nennen. Und all dies letztlich, weil Christus als die »Auto-Eulogia« des himmlischen Vaters (gen. obj. und subj.) im Heiligen Geist anwesend ist. Auch Christi Passa ist Eulogie. Denn Christus ist besonders in seinem Opfer (Passa) des Vaters Gedenken an uns und unser Gedenken an den Vater (wechselseitiger Segen); Gottes rufende Bitte an uns, deshalb Ort unserer gedenkend antwortenden Bitte an den Vater; Gemeinschaft des Vaters mit uns und unsere Gemeinschaft mit dem Vater und untereinander; Christus ist des Vaters Hingabe und Versöhnungsopfer an uns und so unsere Hingabe an den Vater. Daher sind auch die Gaben Realsymbole begegnender Anamnese, Epiklese, Gemeinschaft und gegenseitiger Hingabe. Soweit ich sehe, setzt sich diese dogmatische Sicht als Sinngestalt auch der liturgischen Feiergestalt immer mehr durch.56

 

1 Vgl. Melanchthon: Confessio Augustana [=CA],4 [BSLK 56,4f.]; Apologie der CA [Apol], 24,27 [BSKL 356,42]; vgl. ebd. 24,89 [374,6f.]; 24,92 [375,15]; M. Luther, Schmalkaldische Artikel, II, 2 [BSLK 416; vgl. 419]; vgl. CA 24,22 [BSLK 93,10–13].

2 DH 1740: »Weil jedoch sein Priestertum durch den Tod nicht ausgelöscht werden sollte [Hebr 7,24], hat er beim letzten Abendmahle, ›in der Nacht, da er verraten wurde‹ [1 Kor 11,23], um seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares (wie es die Natur des Menschen erfordert) Opfer zu hinterlassen, durch das jenes blutige (Opfer), das einmal am Kreuze dargebracht werden sollte, vergegenwärtigt werden, sein Gedächtnis bis zum Ende der Zeit fortdauern und dessen heilbringende Kraft für die Vergebung der Sünden, die von uns täglich begangen werden, zugewandt werden sollte, sich auf ewig als Priester nach der Ordnung des Melchisedek [vgl. Ps 110,4; Hebr 5,6; 7,17] eingesetzt erklärend, seinen Leib und sein Blut unter den Gestalten von Brot und Wein Gott, dem Vater, dargebracht und sie unter den Zeichen derselben Dinge den Aposteln (die er damals als Priester des Neuen Bundes einsetzte) dargereicht, damit sie sie empfingen, und ihnen und ihren Nachfolgern im priesterlichen Amte durch folgende Worte geboten, daß sie sie darbrächten: ›Tut dies zu meinem Gedächtnis‹ [Lk 22,19; 1 Kor 11,24], usw., wie es die katholische Kirche immer verstanden und gelehrt hat [Kan. 2].«

3 DH 1752: »ut … sacerdotes offerent corpus et sanguinem suum«; DH 1741: »se ipsum ab Ecclesia per sacerdotes sub signis visibilibus immolandum in memoriam transitus sui ex hoc mundo ad patrem«.

4 B. Neunheuser, Art.: Meßopfertheorien. In: LTHK 7 (21962) 350–353, hier 350.

5 Ebd. 351.

6 O. Casel, Das christliche Kultmysterium, Regensburg (3. Auflage) 1948; ders., Glaube, Gnosis und Mysterium. In: JLW 15 (1941); ders., Das christliche Kultmysterium, Regensburg (4. erw. Auflage [Neunheuser]) 1960.

7 V. Warnach, Art: Mysterientheologie. In: LThK 7 (1962) 724–727, hier 725.

8 Vgl. ebd. 726.

9 Ebd.

10 Vgl. H.B.Meyer SJ, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag vom Irmgard Pahl (Handbuch der Liturgiewissenschaft 4). Regensburg 1989, 29–73, hier 72.

11 Vgl. L. Lies, Kultmysterium heute – Modell sakramentaler Begegnung. In: Archiv für Liturgiewissenschaft 28 (1986) 2–21.

12 Vom Geist der Liturgie (Ecclesia orans). Freiburg (18. Auflage) 1953. Die erste Auflage liegt 30 Jahre zurück. Die Reihe geht zurück auf die Ursprünge der liturgischen Bewegung und besonders auf den Maria-Laacher Abt Ildefons Herwegen OSB, den Förderer auch von Odo Casel OSB. Vgl. »Grundgestalt« ebd. 14.

13 Vgl. ebd. 5 u. 14f.

14 Vgl. ebd. 30.

15 Vgl. ebd. 31.

16 Vgl. ebd. 35f.

17 Vgl. ebd. 65f.

18 Vgl. ebd. 35f.

19 H. B. Meyer SJ, Eucharistie. Geschichte, Theologie, Pastoral. Mit einem Beitrag von Irmgard Pahl (Gottesdienst der Kirche. Handbuch der Liturgiewissenschaft 4). Regensburg 1989, 441–460, hier 443, weist darauf hin: »R. Guardini, Besinnung vor der Feier der heiligen Messe. 1–2 [1939]. 8. durchges. Aufl. Mainz 1965. – Zur Gestalt I,70–80. Ab der 4. Auflage fehlt dieses Kapitel, ›da es Anlaß zu Mißverständnissen gegeben hat‹ (Vorwort).«

20 Wichtige Veröffentlichungen: Joh. Betz, Eucharistie als zentrales Mysterium. In: MySal IV/2. Einsiedeln 1973,185–313; ders., Eucharistie. In der Schrift und Patristik. HDG IV/4a. Freiburg 1979.

21 J. Betz, Art.: Eucharistie. In: H. Fries (Hg.), Handbuch theologischer Grundbegriffe, München 21970, 388.

22 Ebd. 389.

23 Vgl. ebd.

24 Joseph Cardinal Ratzinger, Gestalt und Gehalt der eucharistischen Feier. In: Ders., Das Fest des Glaubens. Versuche zur Theologie des Gottesdienstes. Einsiedeln 21981, 31–54, hier vgl. 31.

25 Ebd. 31f.

26 Ebd. 32.

27 Vgl. ebd. 33.

28 Ebd. 33f sagt Ratzinger, es könne nicht die Meinung von Joseph Pascher gelten, »der von einer Mahlgestalt spricht, in der die Opfersymbolik eingezeichnet ist. Die Trennung der Gaben von Brot und Wein, die symbolisch auf das tödliche Blutvergießen Jesu verweise, trage das Zeichen des Opfers in die grundlegende Mahlgestalt ein.«

29 Vgl. ebd. 33.

30 Vgl. ebd.

31 Vgl. ebd. 34 mit Verweis J.A. Jungmann, Missarum sollemnia. 2 Bde., Freiburg 1948 u.ö., hierzu I, 327ff.

32 Vgl. ebd.

33 Vgl. ebd. mit Verweis auf J.A. Jungmann, Abendmahl als Name der Eucharistie. In: ZKTh 93 (1971) 93: »Es bestätigt sich also, daß die Bezeichnung ›Abendmahl‹ im sechzehnten Jahrhundert ein vollständiges Novum war.«

34 Vgl. ebd.

35 Ebd. 35 mit Verweis auf: O. Casel, Die ›logike thysia‹ der antiken Mystik in christlich-liturgischer Umdeutung. In: Jahrbuch für Liturgiewissenschaft 4 (1924) 36ff.; J. Pascher, Eucharistia. Gestalt und Vollzug. Münster-Krailling 1947, 94–98; L. Bouyer, Eucharistie. Théologie et Spiritualité de la prière eucharistique. Tournai 1966; H.U.v. Balthasar, Die Messe, ein Opfer der Kirche? In: Ders., Spiritus Creator. Einsiedeln 1967, 166–217.

36 Vgl. ebd.

37 Vgl. ebd.

38 Ebd. 45f.

39 Vgl. ebd. 47.

40 Vgl. L. Lies, Eulogia – Überlegungen zur formalen Sinngestalt der Eucharistie. In: ZKTh 100 (1978) 69–121 (Lit.), hier 69: »Unter Formalgestalt der Eucharistie verstehen wir jene Gestalt, die die Vorstellungen des Gedächtnisses, des realpräsentischen Sakramentes, des Opfers und des Mahles zusammenfassen kann und allen Aspekten der Eucharistie ihren formalen Sinn gibt. Wir nennen daher die Formalgestalt auch theologische Sinngestalt … Unter Materialgestalt der Eucharistie verstehen wir all das, was auf die Ebene der sichtbaren Wirklichkeit gehört und heute oft mit Grundgestalt (z.B. dem Mahl- oder dem Zeichencharakter oder dem liturgischen Vollzug) wiedergegeben wird. Mit formaler Sinngestalt der Eucharistie meinen wir deshalb auch nicht die durch die liturgische Bewegung eingeführte Kategorie der ›Gestalt‹.«

41 Vgl. L. Lies, Wort und Eucharistie bei Origenes. Zur Spiritualisierungstendenz des Eucharistieverständnisses (Innsbrucker theologische Studien 1). Innsbruck [1978] 21981; ders., Eulogia – Überlegungen zur formalen Sinngestalt der Eucharistie. In: ZKTh 100 (1978) 69–97.98–121; ders., Ökumenische Erwägungen zu Abendmahl, Priesterweihe und Meßopfer. In: ZKTh 104 (1982) 385–410; ders., Sakramententheologie. Eine personale Sicht. Graz 1990; ders., Eucharistie. In ökumenischer Verantwortung. Graz 1996.