Die Valetudo-Prinzipien für niedergelassene Ärzte

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Die Valetudo-Prinzipien für niedergelassene Ärzte
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Klaus-Dieter Thill

Die Valetudo-Prinzipien für niedergelassene Ärzte

Grundsätze und Instrumente für ein “gesundes“ und erfolgreiches Best Practice-Praxismanagement

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

1 Planung

2 Patientenmanagement

3 Marktforschung

4 Organisation

5 Corporate / Dienstleistungsdesign

6 Dienstleistungsmarketing

7 Führung / Zusammenarbeit

8 Selbst- und Zeitmanagement

9 Finanzmanagement

10 IGeL-Management

11 Mitarbeiterzufriedenheit

12 Patientenzufriedenheit

Anhang: Analyse und Optimierung des Praxismanagements mit Hilfe des Valetudo Check-up© „Praxismanagement“

Impressum neobooks

Vorwort

In deutschen Arztpraxen werden – über alle Fachgruppen betrachtet - durchschnittlich nur 53% der für ein reibungslos funktionierendes Praxismanagement notwendigen Regelungen und Instrumente eingesetzt. Die hieraus resultierende Patientenzufriedenheit erfüllt lediglich 61% der Anforderungen und Wünsche. Das sind die Resultate, die aus den Praxismanagement-Beschreibungen von mehr als 7.000 Arztpraxen mit Hilfe des validierten Analyse-Systems „Valetudo Check-up© Praxismanagement“ (http://bit.ly/1Zk3hWD ) repräsentativ ermittelt werden konnten. Die folgenden Kapitel beschreiben, welche im Praxisalltag ermittelten Grundsätze und Instrumente dazu beitragen, das beschriebene ungenutzte Praxismanagement-Potenzial zu aktivieren. Ihre Anwendung kann dabei vollständig in Eigenregie erfolgen. Die Konsequenzen derartiger Optimierungen konnten in den Praxisbetrieben der Valetudo-Community© (http://bit.ly/1UrhZ0p ) eindrucksvoll belegt werden: Produktivität, Arbeitsqualität, Patientenbindung und -gewinnung sowie der Praxiserfolg verbessern sich nachhaltig. Eine Beschreibung des Analyse-Instrumentariums findet sich im Anhang.

1 Planung

Mit Hilfe der Planung koordinieren, steuern und kontrollieren Sie die Arbeit Ihres Praxisunternehmens. Die Planung besteht aus folgenden Elementen:

1.1 PraxiszieleZiele sind vorweggenommene Vorstellungen, die Sie über das Ergebnis Ihrer Praxistätigkeit entwickeln. Sie geben Antwort auf die Frage „Was will ich mit meiner Praxisarbeit erreichen?“ und müssen unter Beachtung Ihrer Praxisperspektive (Halten, Wachsen, Reduzieren) für jeden Bereich des Praxismanagements, z. B. in Form von Arbeitszielen für Ihre Mitarbeiterinnen, definiert werden.

ZielformulierungDamit Praxisziele helfen, die Arbeit zu koordinieren, zu steuern und zu kontrollieren, benötigen die Zieldefinitionen eine ganz bestimmte Gestaltungsform: (1) Sie müssen auf ein oder mehrere Bezugsobjekte konkret spezifiziert werden. So genügt es z.B. nicht, wenn Sie ein Ziel wie „Die Praxis soll besser laufen“ formulieren. Zwar geben Sie eine Zielrichtung vor („besser laufen“), aber das Bezugsobjekt („die Praxis“) ist viel zu allgemein, als dass Sie Maßnahmen zur Erreichung des Ziels ableiten könnten.(2) Sie müssen eindeutige Maßgrößen definieren, mit deren Hilfe die beabsichtigten Resultate überprüfbar werden. Sie können hierfür Wertgrößen verwenden (z.B. Umsatz, Scheinzahl, Anzahl Patienten / Stunde o.ä.), aber auch qualitative Parameter wie z.B. den Grad der Patientenzufriedenheit, die Bekanntheit, das Image oder die Einstellungen von Patienten zur Praxis.(3) Formulieren Sie Ihre Ziele möglichst realistisch. Sind sie zu hoch angesetzt, werden die Ziele häufig vor allem von den Mitarbeiterinnen abgelehnt. Sind sie zu niedrig, werden sie nicht ernstgenommen.(4) Des Weiteren benötigt eine Zieldefinition unbedingt eine Beschreibung der beabsichtigten, vom Ist-Zustand aus gesehenen Veränderung und der hierfür benötigten Zeit. Ist dieser Zielhorizont langfristig ausgerichtet (ein Jahr und mehr), spricht man von strategischen Generalzielen. Diese sind aufgrund ihres Zeithorizontes allgemein gehalten und dienen als Orientierungshilfen für den generellen Zielerreichungsgrad. Die Generalziele setzen sich aus weiteren, mittel- bis kurzfristig ausgelegten, operational-taktischen Teilzielen zusammen. Mit diesen legen Sie die Teilschritte zur Erreichung Ihrer strategischen Ziele fest. Gleichzeitig dienen sie als Kontrollinstrument für den Erfolg Ihrer kurzfristigen Praxisarbeit.(5) Definieren Sie einen für die Zielerreichung Verantwortlichen. Dies trifft weniger auf die General- als auf die Teilziele zu, die Sie im Zuge der Delegation von Aufgaben an Ihre Mitarbeiter „weitergeben“.(6) Ihre Ziele sind jedoch keine für immer fixierten Größen. Sie müssen regelmäßig überprüft und den internen und externen Veränderungen entsprechend angepasst werden. In manchen Fällen genügt es, das eine oder andere Teilziel zu modifizieren, in anderen Fällen kann es auch notwendig werden, ein ganzes Globalziel und alle Teilziele zu ändern. Folgende Beispiele verdeutlichen die Ausführungen:

Beispiel 1:Generalziel: Die Anziehungskraft der Gemeinschaftspraxis soll im Hinblick auf die relevanten Zielgruppen „Patienten“ und „Zuweiser“ insgesamt so ausgebaut werden, dass folgende Einzelziele erreicht werden:

 Teilziel 1: Gewinnung von x% der niedergelassenen Ärzte des Einzugsgebietes in einem Zeitraum von einem Jahr als Zuweiser

 Teilziel 2: Erhöhung des Bekanntheitsgrades des Angebotes von Akupunkturleistungen bei der Zielgruppe „Selbstzahlungsbereite Patienten“ um 20% auf insgesamt 50% bis zum Ende des Jahres

 Teilziel 3: Erreichung eines Patienten-Zufriedenheitswertes von 1,6 bis zum Ende des Jahres

Beispiel 2:Generalziel: Innerhalb der nächsten drei Jahre soll für die Gemeinschaftspraxis ein Image als Expertenpraxis für angiologische Erkrankungen geschaffen werden.

 Teilziel 1: Die Patienten erhalten neben einer bestmöglichen Versorgung auch umfassende Informationen zum Leben mit ihrer Erkrankung. Hierfür ist bis zum (Datum) ein Kommunikationskonzept zu entwerfen.

 Teilziel 2: Zuweiser werden als Kooperationspartner eng in den Behandlungsprozess einbezogen. Zu diesem Zweck ist eine Zuweiserbefragung durchzuführen, die ermittelt, welche Anforderungen zuweisende Ärzte an die Zusammenarbeit haben.

 Teilziel 3: Aufgrund des hohen Stellenwertes von Familienangehörigen für den Behandlungs- und Genesungsprozess sollen diese in das Therapiekonzept integriert werden.

 Teilziel 4: Der Rufaufbau soll zusätzlich durch eine enge Zusammenarbeit mit Gefäßsport- und sonstigen, auf den Bereich Angiologie ausgerichtete Selbsthilfegruppen unterstützt werden.

1. 2 Praxisstrategie

Mit Hilfe der qualitativ ausgerichteten Praxis-Strategie beschreiben Sie die Wege und Mittel, mit deren Hilfe Sie Ihre Praxisziele erreichen wollen. Die Strategie ist – wie die Ziele – keine feste Größe, sondern muss sich der Entwicklung Ihrer Praxis und des Umfeldes anpassen. Zu diesem Zweck ist es notwendig, regelmäßige Kontrollen durchzuführen und die Strategie anzupassen.

Zwei Interpretations-WeltenDie Interpretationen des Begriffs "strategisches Denken" liegen bei niedergelassenen Ärzten weit auseinander: für die einen ist es ein Kaffeesatz-basiertes Stochern im Nebel, für andere eine Kunst, die nur wenige beherrschen.Förderung des proaktiven HandelnsDoch beide Auslegungsarten beschreiben das Wesen und vor allem die Umsetzung nur unzureichend. Strategisches Denken bezeichnet eine vorausschauende Grundhaltung. Hierbei wird versucht, perspektivisch die Folgen von Handlungen oder Entwicklungen in ihren Auswirkungen durch die Bildung von Annahmen, deren Verdichtung zu Hypothesen und die Ableitung von Szenarien zu antizipieren. Das Ziel ist, die Praxisarbeit nicht passiv an die jeweils herrschenden Gegebenheiten anpassen zu müssen, sondern aktiv und vorausschauend handeln zu können. Einfache Fragen führen zum ErfolgStrategisches Denken ist in der Umsetzung pragmatisch am Tagesgeschäft orientiert und sucht nach Antworten auf Fragen wie z. B:

 Was bedeutet die unveränderte Fortführung erkannter Schwächen der Praxisleistung?

 Welchen Einfluss hat die gegenwärtige Online-Reputation auf den zukünftigen Praxiserfolg und wie müsste / sollte sie entwickelt werden?

 

 Gibt es bislang wenig berücksichtigte Zielgruppen, die für aber für das Leistungsspektrum wichtiger werden können?

 Sind Veränderungen im Praxisumfeld zu erwarten, die die Arbeit beeinflussen werden?

Es geht auch ohne Strategie, aber...…in diesem Fall muss man als Praxisinhaber auf mehr als ein Drittel Praxisgewinn verzichten. Dieses Durchschnitts- Resultat ergibt sich, wenn man die betriebswirtschaftlichen Ergebnisse vergleichbarer Praxisbetriebe einander gegenüberstellt, die über eine Unternehmensplanung verfügen bzw. nicht. Die GründePraxisinhabern, die für ihre Arbeit keinen Orientierungsrahmen entwickeln,

 fehlt es an einer optimierten Leistungsstruktur und -tiefe,

 die Ressourcen werden falsch dimensioniert und inadäquat eingesetzt,

 ein Monitoring und Controlling von In- und Output ist nicht möglich,

 Erfolgsfaktoren sind deshalb nicht identifizierbar, Defizite können nicht konsequent beseitigt werden.

Weniger StressDas Gefühl von Arbeitsdruck und Stress ist bei Nicht-Planern überproportional höher als bei ihren mit System arbeitenden Kollegen, Team-Zusammenhalt, Arbeitsmotivation und Produktivität der Medizinischen Fachangestellten besser ausgeprägt. Und nicht zuletzt wird ein deutlich größerer Anteil der Patientenanforderungen auch nachhaltig erfüllt. Strategie-Hilfe SWOTEin zur Identifizierung der für die Strategie-Entwicklung einer Praxis relevanten Fragen einfach einzusetzendes, aber bislang von weniger als 10% der Ärzte verwendetes Instrument ist die SWOT-Analyse. „S“ steht dabei für „Strengths“, „W“ für „Weaknesses“. Hinzu kommt eine Erweiterung um eine perspektivische Beurteilung der Chancen eines Unternehmens („O“ steht für „Opportunities“) sowie seiner potentiellen Bedrohungen („T“ steht für „Threats“).

Die Angaben über Stärken und Schwächen sind auf die Gegenwart und auf alle durch ein Praxisteam veränderbaren Dinge bezogen, die Annahmen über Chancen und Bedrohungen sind auf die Zukunft und die Punkte, die außerhalb der direkten Einflussmöglichkeit liegen, gerichtet. Die SWOT-Analyse ist deshalb so beliebt, weil sie nicht nur durch die Form eines Aufschreibe-Verfahrens sehr leicht anzuwenden ist – man notiert die auf die eigene Praxis zutreffenden Aspekte einfach, sondern vor allem, weil sie demjenigen, der sie für sein Praxisunternehmen anwendet, ins Nachdenken bringt. Ziel der SWOT-Analyse ist, dass die Praxisarbeit einmal in ihrer Gesamtheit und aus einer Distanz betrachtet wird. Besonders aussagekräftig wird die Analyse, wenn auch die Medizinischen Fachangestellten gebeten werden, SWOT-Aspekte aufzulisten, um so zu einer Gesamtsicht zu gelangen.

Gefahr Fließband-BetriebDas gilt allerdings nur dann, wenn die operative Umsetzung der Strategie genügend Freiräume für eine individuelle Patientenorientierung lässt, denn in manchen Fällen wird die Planungsintensität so weit entwickelt, dass sie den Patientenbezug als Leitprinzip verdrängt. Derartige Praxen arbeiten zwar immer noch deutlich profitabler als Betriebe ohne Strategie, haben jedoch eine sehr hohe Patientenfluktuation, die durch ihre Unkalkulierbarkeit deutlichen Einfluss auf die Produktivität hat.

1.3 Positionierung

Unter der Positionierung Ihrer Praxis versteht man die Identität, mit Hilfe derer Sie sich in den Augen Ihrer Patienten von an-deren Praxen unterscheiden möchten. Sie besteht aus materiellen Bausteinen – z. B. die Art des Leistungsangebots oder die Gestaltung der Praxisräume – und immateriellen Elementen, z. B. der Freundlichkeit Ihres Personals oder der Intensität Ihrer Patientengespräche.

1.4 Zielgruppen

Zielgruppen sind die mit Ihrem Leistungsangebot anzusprechenden Patientenkreise. Sie können medizinisch definiert sein, z. B. nach Krankheitsbildern, aber auch demographisch (Rentner, junge Patienten) oder nach anderen Kriterien (Bereitschaft zur Selbstzahlung, Interesse an Naturheilverfahren etc.). Je genauer Ihre Zielgruppen definiert sind, desto besser können Sie Ihre Praxisstrategie hiernach ausrichten.

2 Patientenmanagement
2.1 Gestaltungsdimensionen der Arzt-Patienten-Kommunikation

Der Untersuchungsbereich „Patientenmanagement“ wird durch die Arzt-Patienten-Kommunikation dominiert, für die vier Best-Practice-Gestaltungsdimensionen relevant sind:

I GesprächsrahmenDer Gesprächsrahmen umfasst die Faktoren, die das Umfeld der Arzt-Patienten-Kommunikation bestimmen:

 Organisation: Wartezeit bis zum Gespräch, Länge des Gesprächs, Ungestörtheit

 Ambiente: Einrichtung, Atmosphäre, Gesprächsposition

II GesprächsinhaltDer Gesprächsinhalt bezeichnet den konkreten Inhalt der Arzt-Patienten-Kommunikation:

 Befunde: Erhebung, Erklärung

 Beratung: Umfang, Verständlichkeit, Anwendbarkeit

III Gesprächstechnik

Die Gesprächstechnik beinhaltet alle Instrumente, die dazu beitragen können, die Kommunikation möglichst optimal für Arzt und Patient zu gestalten:

 Rhetorik

 Non-verbale Kommunikation

 Verwendung von Gesprächshilfen (Schaubilder, Informationsblätter etc.)

IV Gesprächsverhalten

Zum Bereich „Gesprächsverhalten“ zählen die sog. „weichen“ Kommunikationsfaktoren, mit deren Hilfe die Gesprächsatmosphäre erzeugt wird:

 Emotionale Grundstimmung

 Offenheit

 Ruhe

 Sympathie

 Empathie

Aus medizinischer und betriebswirtschaftlicher Sicht geht es bei der Arzt-Patienten-Kommunikation darum, die o.a. Gestaltungsdimensionen so auszurichten, dass unter Beachtung des individuell notwendigen Vorgehens je Patient die für die Kommunikation aufzuwendende Zeit minimiert und gleichzeitig der Informationsaustausch so maximiert wird, dass sowohl die Arzt- als auch die Patientenziele erreicht werden.

2.2 Best-Practice-Kommunikationsregeln

Doch wie kommuniziert man in diesem Sinne effizient? Die folgenden Punkte zeigen Ihnen die im Zusammenhang mit der Patientenkommunikation am häufigsten zu beobachtenden Fehler und die Best-Practice-Maßnahmen, um diese zu vermeiden:

(1) Eine der wichtigsten Einflussgrößen ist die Praxisorganisation. Sind Bestellsystem, Arbeitsabläufe und ärztliches Zeitmanagement nicht aufeinander abgestimmt, kommt es zu längeren Wartezeiten. Die Folgen: sowohl der Zeitdruck des Arztes als auch die Erwartungshaltung der Patienten an das Arztgespräch steigen. Diese Konstellation führt zu dem fast schon als „klassisch“ zu bezeichnenden Dilemma der einseitigen Kommunikation: der Arzt übernimmt die Gesprächsführung und reduziert durch Ja-Nein-Fragen die Patienten auf möglichst kurze Antworten. Der Dialog, der von den meisten erwartet wird, kann unter diesen Umständen gar nicht erst zustandekommen. Für manche Situationen ist dieses Vorgehen durchaus geeignet, z. B. um gehemmten Patienten zu helfen oder um Vielredner zu stoppen, das Gros der Patienten schätzt diese Gesprächsform jedoch nicht. Will man die Kommunikation optimieren, steht somit an erster Stelle die Überprüfung der Praxisorganisation. Ziel ist, die Anzahl der Patienten und die Arbeitskapazität des Praxisteams sowohl zeitlich als auch quantitativ aufeinander abzustimmen, um insgesamt einen harmonischen und stressfreien Arbeitsablauf zu erhalten. Gelingt dies, greift ein wichtiger Mechanismus: bei gleicher Gesprächslänge beurteilen Patienten die Gesamtqualität des Gesprächs mit einem entspannten Arzt durchschnittlich mit der Note „1,6“ (Basis: Schulnotenskalierung), bei einem angespannt wirkenden Arzt lediglich mit der Note „3,9“. Zur Organisation gehört auch, dass Patientenkontakte, von denen bereits im Vorfeld bekannt ist, dass sie länger dauern werden, auf Randzeiten der Sprechstunde verlegt werden. Ebenso ist es unerlässlich, Pufferzeiten einzuplanen und vor allem ein striktes Terminsystem zu etablieren, da das „Einschieben“ von Patienten zu den häufigsten Störgrößen des Praxisablaufs und damit der Kommunikation gehört. (2) Patienten erwarten eine uneingeschränkte Kommunikation ohne Störungen mit dem Arzt. Doch das Durchstellen sog „wichtiger“ Telefonate oder das Einholen von Unterschriften für die Betreuung anderer Patienten durch die Mitarbeiterinnen gehören in vielen Arztpraxen zur Regel. Das empfinden Patienten nicht nur als unhöflich, sondern Störungen führen auch zu Konzentrationsverlusten bei den Ärzten. Die häufig verwendete Formel „Ja, wo waren wir noch einmal, ach ja…“ verdeutlicht dieses Phänomen sehr plastisch. Störungen führen immer zu Verlängerungen von Gesprächen, die dann nicht harmonisch, sondern eher abrupt-gehetzt enden - für die Patienten ein weiteres negatives Erlebnis. Dabei ist die Lösung dieser Probleme sehr einfach: mit dem Personal wird verabredet, dass Störungen grundsätzlich ausgeschlossen sind, für telefonische Rückrufe werden entsprechende Blockzeiten eingeplant, notwendige Absprachen werden zwischen Patientenkontakten getroffen. (3) Effiziente Kommunikation im Sinne eines Informationsaustausches wird erst möglich, wenn zwischen Arzt und Patienten keine Kommunikationsbarrieren existieren. Diese bestehen zum einen in räumlichen Anordnungen: der niedrige Patientenstuhl vor dem hohen Arztschreibtisch, die große Distanz zum Arzt über die Schreibtischfläche oder die durch einen Computerbildschirm teilweise verstellte Sicht sind solche Barrieren. Sie schrecken ab, verhindern ein Sich-Öffnen und können sogar zu Abwehrhaltungen führen. Zum anderen werden Barrieren durch eine nicht patientengerechte Sprache aufgebaut. Das Unverständnis führt auf Seiten der Patienten zu Einschüchterung, zu einem In-Sich-Zurückziehen und zu Unzufriedenheit. Untersuchungen belegen, dass die Verwendung verständlicher Erläuterungen nicht zu der vielfach befürchteten Verlängerung von Patientengesprächen führt, dafür aber die Compliance und vor allem die Arzt-Patientenbindung verstärken. Voraussetzung einer effizienten Kommunikation ist in diesem Kontext die initiale Analyse des Wissenstands der Patienten zu ihren Erkrankungen und den Therapiemöglichkeiten („Haben Sie hiervon schon einmal gehört…?“).

(4) Arzt-Patientenkommunikation erfordert – soll sie für beide Seiten zufriedenstellend sein – im Grundsatz als Dialog angelegt zu sein. Natürlich muss der Arzt, um überhaupt eine Diagnose stellen oder eine Beratung durchführen zu können, bestimmte Fragen stellen. Das wird auch von ihm erwartet. Die drei wichtigsten Grundregeln eines dialogorientierten Arzt-Patienten-Gesprächs lauten:

 Patienten möglichst nicht bei ihren Schilderungen unterbrechen

 Emotionen der Patienten nicht ignorieren und

 eindeutige Erklärungen abgeben.

Mit Hilfe einer kurzer Zusammenfassung lässt sich überprüfen, ob die Gesprächspartner alle Informationen verstanden haben, mit Kopfnicken und anderen non-verbalen Signalen können Zuwendung und Interesse gezeigt werden.

(5) Bei der Untersuchung von Kommunikationsprozessen in Arztpraxen stößt man immer wieder auf ein für viele Praxisinhaber sehr wichtiges Thema: die „schwierigen Patienten“. Das Spektrum dieses Patiententyps ist sehr groß, denn das Label „schwierig“ wird leider sehr schnell und zu häufig vergeben, z. B. wenn

 Mitarbeiterinnen mit Patienten nicht zurecht kommen und diese dann dem Arzt als „schwierig“ ankündigen,

 Patienten detailliert nachfragen, der Arzt aber unter Zeitdruck steht,

 empfohlene Therapien nicht ohne weiteres angenommen werden („Gibt es denn nicht auch etwas Natürliches…?) und erstreckt sich

 bis hin zu Patienten, denen Diagnosen mitgeteilt werden müssen, die ihr Leben negativ verändern werden.

Insgesamt gesehen besteht ein linearer Zusammenhang zwischen der Anzahl der als schwierig eingestuften Patienten und der Stressbelastung eines Praxisteams. Dabei ist Anzahl wirklich schwieriger Patienten – wie bereits angeführt - sehr gering. Im Kern geht es um schwierige Gesprächssituationen. „Schwierig“ wird es immer dann, wenn die Ziele des Arztes nicht mit denen der Patienten übereinstimmen. Ist eine Zielharmonie dauerhaft nicht erreichbar, handelt es sich um einen „echte“ schwierigen Patienten. Das können z. B. Fälle sein, in denen vom Arzt Verordnungen oder sonstige Leistungen gefordert werden, die er so nicht erfüllen kann oder will, auf denen die Patienten aber beharren.

 

Einen Sonderfall stellt sicherlich die Übermittlung lebensverändernder Diagnosen dar. In diesen Situationen ist es vor allem wichtig:

 sich gut auf das Gespräch vorzubereiten,

 die Fakten verständlich, aber kurz und knapp darzulegen,

 soweit möglich, auch positive Botschaften zu übermitteln

 alle Informationen zu übermitteln,

 zurückhaltende Empathie zu zeigen,

 sich genügend Zeit zu nehmen und diese vor allem dem Patienten für die Akzeptanz der Nachricht und für seine Fragen zu geben,

 mögliche weitere Schritte (z.B. Kontrolluntersuchungen) schon vorbereitet oder vorgeplant zu haben

 unsichere Versprechen bezüglich des möglichen Krankheitsverlaufes zu vermeiden und – ganz wichtig –

 einen Spielraums für eigene Entscheidungen der Patienten zu schaffen.

2. 3 Best-Practice-Verhaltensweisen

Doch was kann man – über die aufgeführten Best-Practice-Grundregeln hinaus – noch tun, um „gute“ Patientengespräche zu führen? Folgende Best-Practice-Verhaltensweisen haben sich bewährt:

Gesprächsführung

 Sprechen Sie flüssig ohne „Ähs“?

 Verwenden Sie einen langsameren Sprachstil?

 Ist Ihre Aussprache deutlich?

 Setzen Sie knappe, kurze Sätze ein?

 Hören Sie aktiv zu (Zeigen Sie durch Blickkontakt und Kopfnicken dem Gegenüber Ihre Aufmerksamkeit)?

 Lassen Sie Ihre Gesprächspartner ausreden?

 Reden Sie grundsätzlich in der Ich-Form („Ich denke...“, „Ich meine....“, „Aus meiner Sicht...“)?

 Vermeiden Sie Behauptungen?

 Verwenden Sie überwiegend „W“-Fragen?

 Schalten Sie konsequent Signale von Hektik und Gereiztheit aus?

 Verzichten Sie auf das Wort „nicht“?

 Vermeiden Sie Worte wie „müssen“, „sollen“, „dürfen“?

Kontaktaufbau und –pflege

 Hat Ihr Gespräch einen roten Faden?

 Eröffnen Sie jedes Gespräch mit dem Aufbau einer Sympathie-Atmosphäre (Small Talk zu einem Thema, das Sie und Ihren Patienten verbindet)?

 Stellen Sie zu allen Diagnosen und therapeutischen Konsequenzen auch die positiven Aspekte heraus?

 Erzählen Sie – soweit möglich – auch aus Ihrem Privatleben?

 Zeigen Sie Interesse an Leben und Hobbies Ihrer Patienten?

Ausstrahlung

 Besitzen Sie eine positive Ausstrahlung?

 Gehen Sie offen auf Menschen zu?

 Haben Sie ein positives Menschenbild?

 Lernen Sie gerne neue Menschen kennen?

 Freuen Sie sich auf Ihre Patienten?

 Lächeln Sie viel während Ihrer Patientengespräche?

Körpersprache

 Drücken Sie in Mimik, Gestik und Körperhaltung aus, dass Sie positiv eingestellt sind?

 Halten Sie einen offenen Augenkontakt?

 Ist Ihr Kopf leicht geneigt, wenn Sie auf andere zugehen?

 Ist Ihre Armhaltung geöffnet?

 Halten Sie Ihre Handflächen offen nach oben als Geste der Offenheit?

 Halten Sie eine mittlere Körperdistanz (etwa 80 bis 100 cm) ein?

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