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Old Surehand III

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»Wie man es nimmt! Wenn er Euch wirklich getroffen hat, so geht es ihm an das Leben, und das freut mich natürlich ungemein!«

»Was habe ich davon?«

»Das Bewußtsein, daß ein Schurke weniger auf dem Erdboden ist.«

»Lindert das meinen Schmerz? Heilt das meine Wunde?«

»Hört, wollt Ihr ihn etwa laufen lassen?«

»Fällt mir nicht ein!«

»So sagt, was mit ihm geschehen soll!«

»Wir werden eine Savannenjury einsetzen, welche darüber zu entscheiden hat.«

»Das ist recht. Darf ich mit dazu gehören?«

»Dürfen? Ihr müßt sogar mit dabei sein. An Euch haben sie sich doch auch vergangen.«

»Und wie! Wenn es auf mich ankommt, wird ihnen ihr letzter Nagel eingeschlagen. Wann denkt Ihr, daß diese Jury zusammentritt?«

»Möglichst bald.«

»Am besten gleich jetzt!«

»Ist mir recht.«

»Wo?«

»Draußen vor dem Hause. Ein Savannengericht muß bekanntlich möglichst unter freiem Himmel stattfinden, wie Ihr gehört haben werdet.«

»Da reißen uns die Kerle aus!«

»Das sollten sie versuchen! Uebrigens können wir sie ja binden.«

»Well! Das kann mir gefallen. Riemen und Leinen habe ich genug.«

»Soll ich sie holen?« fragte sein Sohn mit großer Bereitwilligkeit.

»Ja, hole sie! Sie hängen draußen.«

Da ergriff Toby Spencer das Wort:

»Thut nur nicht, als ob ihr unsere Richter sein und über uns aburteilen wollt! Ihr seid die Kerle nicht dazu. Binden lassen wir uns nicht!«

Da trat der Schmied zu ihm hin, hielt ihm die knochige Faust vor das Gesicht und sagte:

»Schweig, Kanaille! Wenn du etwa noch groß aufbegehren willst, mache ich außer der Jury noch einen Extratanz mit dir! Verstanden?«

Der Sohn brachte die Stricke und Riemen. Ich gab den Befehl:

»Bindet sie der Reihe nach, wie sie dasitzen! Wer sich wehrt, bekommt Hiebe!«

»Ja, hauen wir sie!« jubelte der Schmied. »Ich habe so mehrere schwanke Stöcke draußen; die mag der Boy auch hereinholen!«

Sein Sohn ging und brachte sie.

Das half. Sie schimpften zwar gewaltig, leisteten aber keinen thätlichen Widerstand; bald lagen sie, lang ausgestreckt, nach Westmannsart gebunden da. Der Schmiedeboy bekam den Auftrag, sie streng zu bewachen; dann gingen wir hinaus. Ich hatte die Absicht gehabt, die Rowdies mit hinauszunehmen; da dies aber zu umständlich gewesen wäre, unterließen wir es.

Nun traten wieder die alten Fragen und die schon wiederholten Gegensätze der Ansichten an uns heran. Ich hatte, zumal ich selbst verwundet worden war, keineswegs die Absicht, übermäßig human zu verfahren, aber sie verlangten alle, mit Ausnahme Winnetous, den Tod wenigstens Toby Spencers, und dazu konnte und wollte ich nicht ja sagen. Es gab eine lange und sehr erregte Debatte, bis endlich der Schmied, welcher sich wie ein »grimmer Hagen« gebärdete, aufsprang und rief:

»Ich sehe, daß wir noch morgen dasitzen werden, ohne einig geworden zu sein. Diese Menschen gehören zunächst mir, denn sie sind bei mir hereingefallen wie die Wilden und haben alles demoliert und mich verwundet. Ihr seht, daß mein Gesicht noch jetzt blutig ist. Ihr, Mr. Shatterhand, seid ein mir viel zu milder Herr; ich will Eurer Meinung aber Rechnung tragen und den Tod dieses Spencer nicht verlangen. Dafür aber erwarte ich, daß die Vorschläge, welche ich jetzt mache, angenommen werden.«

»Welche Vorschläge sind das?« fragte ich.

»Zunächst daß ich mich an ihrem Eigentum für alles schadlos halten darf, was sie mir vernichtet haben. Seid Ihr einverstanden, Sir?«

»Ja. Es versteht sich ganz von selbst, daß sie Euch entschädigen müssen.«

»Well! Nun kommt Spencer, der schuld an allem ist. Ihr wollt ihn nicht töten lassen, weil er Euch nicht ermordet, sondern nur verwundet hat. Ich halte das für eine Schwachheit von Euch, denn der wilde Westen kennt für Mörder keine Schonung, gleichviel, ob der Mord gelungen ist oder nicht. Wir wollen trotzdem eine Art von Gnade walten lassen. Er hat den Tod verdient, soll aber nicht direkt hingerichtet werden, sondern sich verteidigen dürfen.«

»Wie meint Ihr das?«

»Laßt ihn um sein Leben kämpfen!«

»Mit wem?«

»Mit mir.«

»Darauf werden wir wohl kaum eingehen können.«

»Warum nicht?«

»Er ist ein riesenstarker Mann.«

»Pshaw! Ich bin auch kein Kind! Oder meint Ihr, weil ich mich habe in den Keller stecken lassen? Sie überrumpelten mich und waren sechs Personen!«

»Mag sein! Ich sehe, daß Ihr gute Knochen habt. Der Kampf ist trotzdem ungleich.«

»Wieso?«

»Er ist ein Schurke, um den es nicht schade sein würde, und Ihr seid ein Ehrenmann, der Kinder hat, Ihr dürft Euer Leben nicht gegen das seinige einsetzen.«

»Das thue ich auch nicht. Die Ungleichheit, von welcher Ihr redet, wird durch die Waffen ausgeglichen, mit denen wir kämpfen werden.«

»Welche Waffen?«

»Schmiedehämmer.«

Schmiedehämmer! Welch ein Gedanke! Also um einen Cyklopenkampf sollte es sich handeln!

Ich gestehe aufrichtig, daß dieser Kampf dem Westmanne in mir sehr interessant vorkam, während ich als Mensch glaubte, ihn verwerfen zu müssen; aber dieser Zwiespalt in mir fand gar keine Zeit, zur Geltung zu kommen, denn meine Gefährten gingen mit großer Bereitwilligkeit auf den Vorschlag des Schmiedes ein. Ein Zweikampf, und noch dazu ein solcher, durfte nach dem Savannenbrauche nicht zurückgewiesen werden. Welch ein Schauspiel, diesen fest gefügten Grobschmied und Toby Spencer, welcher die Kräfte von drei, vier Menschen besaß, mit eisernen Hämmern gegeneinander losgehen zu sehen! Das hatte man noch nicht erlebt; das war noch nicht dagewesen! Man war sofort Feuer und Flamme. Hammerdull rief:

»Wunderbar großartiger Gedanke! Was für Schädel gehören dazu, solche Hiebe auszuhalten! ich stimme bei! Du nicht auch, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Hm! Wenn du denkst, daß so ein Hammerwerk schönere Wirkungen hat, als wenn man mit wattierten Paradieshandschuhen abgesäuselt wird, so muß ich dir vollständig recht geben, lieber Dick,« antwortete der Lange.

Auch die andern waren einverstanden. Selbst der Häuptling der Apatschen sagte:

»Ja, sie mögen miteinander kämpfen. Winnetou wird nichts dagegen haben.«

So gab es für mich also kein Widerstreben; ich erteilte meine Einwilligung.

Da das eigenartige Duell nur im Freien stattfinden konnte, wurden die Rowdies herausgeholt. Als sie erfuhren, was beschlossen worden war, wollten sie zunächst nicht daran glauben; es wurde ihnen aber ihr Zweifel derart benommen, daß sie den Ernst unseres Vorhabens schnell erkennen mußten. Natürlich war es Spencer, welcher den lautesten Einspruch dagegen erhob. Er erklärte, daß er dagegen protestiere und auf keinen Fall mitkämpfen werde; da aber sagte ihm der Schmied:

»Ob du mitthun willst oder nicht, das geht mich gar nichts an. Sobald das Zeichen gegeben wird, schlage ich zu, und wenn du dich nicht verteidigest, bist du im nächsten Augenblicke eine Leiche. Mit so einem Halunken, wie du bist, wird kurzer Prozeß gemacht. Du wirst dich aber schon wehren.«

»Das ist aber doch der reine Mord!«

»Was war es anderes, als du gestern auf Old Shatterhand schossest?«

»Das geht doch Euch nichts an!«

»Sehr viel sogar, denn ich kämpfe an Stelle dieses Gentleman mit dir.«

»Warum da nicht lieber er selbst?«

»Weil du geschont werden sollst, was du freilich nicht verdienst. Wenn er sich herablassen wollte, mit dir zu kämpfen, wäre dein Tod gewiß. Bei mir aber giebt es für dich doch die Möglichkeit, mich zu überwinden.«

Der Rowdy maß die Gestalt des Schmiedes mit forschendem Auge und fragte dann:

»Was aber wird mit mir geschehen, wenn ich Euch totschlage?«

»Nichts. Der Sieger bleibt unbelästigt.«

»Ich kann dann gehen, wohin ich will?«

»Gehen, ja, aber nicht reiten.«

»Warum das?«

»Weil alles, was Ihr bei Euch habt, von jetzt an mir gehört.«

»Alle Teufel! Warum das?«

»Als Entschädigung für mein Eigentum, welches Ihr zu Grunde gerichtet habt.«

»Alles? Die Pferde und auch alles andere?«

»Ja.«

»Das ist Diebstahl! Das ist Betrug! Das ist ja der reine Raub!«

»Pshaw! Der Schaden, den Ihr angerichtet habt, muß bezahlt werden. Geld habt Ihr nicht; das weiß ich, denn Ihr habt vorhin wiederholt damit geprahlt, daß Ihr bei mir alles Vorhandene verzehrtet, ohne bezahlen zu können; da muß ich mich also an die Sachen halten, die Ihr mithabt.«

»Das ist aber viel, viel mehr, als der Betrag, der Euch gebührt!«

»Oh, das nehme ich nicht so genau! Ihr habt Euch in Beziehung auf Recht und Billigkeit ja auch nicht sehr hervorgethan. Jetzt kommen die Folgen!«

»Und das ist Euer Ernst? Das wollt Ihr wirklich, wirklich thun?«

»Mensch, frag doch nicht so dumm! Es fällt uns nicht ein, mit Euch zu scherzen!«

Da wendete sich Spencer an mich, den er für den humansten von uns hielt:

»Und auch Ihr seid im stande, eine so ungeheure Ungerechtigkeit zuzugeben?«

»Wollt Ihr etwa an mich appellieren?« antwortete ich in erstauntem Tone.

»Natürlich!«

»An mich, auf den Ihr geschossen habt?«

»Ja, trotzdem! Der Raub an uns hat gar nichts mit diesem Schuß zu thun!«

»Und ich habe nichts mehr mit Euch zu thun. Das könnt Ihr Euch wohl denken!«

»So hole euch alle der Teufel, alle, vom ersten bis zum letzten! Wenn ihr es in dieser Weise bis zum Aeußersten treibt, so glaubt nur ja nicht, daß ich sanft mit diesem Schmiedeskelett verfahren werde! Es ist schon so gut, als ob sein Schädel in Stücken sei. Laßt uns anfangen! Laßt den Tanz beginnen!«

Sein Bulldoggengesicht war vor Wut tiefrot geworden, und er knirrschte so laut mit den Zähnen, daß wir es hörten. Der Schmied stimmte bei:

»Ja, ich will die Hämmer holen, dann werde ich ihn schmieden, ohne daß er glüht!«

Er ging in die Schmiede, und ich folgte ihm, um ihm einen guten Rat zu erteilen:

 

»Nehmt Euch in acht, Sir! Dieser Spencer ist ein starker und gefährlicher Kerl!«

»Pshaw! Ich fürchte mich nicht; ich weiß, daß er mir nichts anhaben kann!«

»Seid nicht so zuversichtlich! Ich denke, daß Ihr nur zuschlagen wollt?«

»Ja. Was sonst?«

»Ihr müßt gewärtig sein, daß er nicht nur zuschlägt, sondern den Hammer schleudert!«

»Das darf er nicht; das wird ausgemacht!«

»Wenn es auch untersagt wird, er thut es doch! Und wenn es geschehen ist, kann man es nicht mehr ändern. Würde es Euch hindern, wenn der Hammer angebunden wäre?«

»Woran gebunden?«

»Art die Hand, an den Arm, am besten an das Handgelenk, mit einem Riemen.«

»Das würde mich gar nicht hindern, ganz und gar nicht. Aber warum das?«

»Damit der Unehrliche nicht dem Ehrlichen einen Vorteil dadurch abgewinnt, daß er den Hammer wirft, anstatt nur zuzuschlagen. Ist es Euch recht?«

»Natürlich, ja! Wenn man nur Flucht behält, den Stiel bewegen zu können.«

»Dafür werde ich schon sorgen, denn ich werde binden. Also kommt!«

Als wir auf den Platz kamen, hatte man Toby Spencer schon losgebunden. Winnetou stand, einen Revolver in jeder Hand, vor ihm und drohte:

»Wenn das Bleichgesicht etwa eine Bewegung zur Flucht macht, schieße ich sofort!«

Ich band den beiden Duellanten die Hämmer so an die Handgelenke, daß sie mit ihnen zwar zuschlagen, sie aber nicht schleudern konnten. Dann zog ich auch einen Revolver und wiederholte die Drohung des Häuptlings der Apatschen.

Es war eine erwartungsvolle, hochgespannte Situation. Wir bildeten einen Kreis, in welchem die Zwei sich nahe gegenüberstanden, die großen, gleichschweren Hämmer in den Händen. Sie maßen sich gegenseitig mit den Augen; der Schmied war ruhig und kalt, Spencer dagegen in hohem Grade aufgeregt.

»Man soll nicht eher beginnen, als bis ich es sage!« befahl Winnetou. »Es sollen alle Vorteile gelten, und die Kämpfenden können auch die freien Hände gebrauchen!«

»Das ist gut; das ist sehr gut!« jubelte Spencer. »Nun ist mir der Kerl sicher!«

»Ja,« rief einer seiner Leute. »Wenn du auch mit der andern Hand zugreifen darfst, ist er geliefert. Nimm ihn nur bei der Gurgel; da geht ihm der Atem aus!«

»Halte den Schnabel!« fuhr ihn Dick Hammerdull an. »Wer hat dich denn nach deinem Senf gefragt? Du hast ruhig zuzusehen und gar nichts drein zu reden!«

»Oho! Man wird doch noch reden dürfen! Wozu hat man denn den Mund?!«

»Ob du einen hast oder nicht, das ist ganz egal, aber halten sollst du ihn, sonst stecke ich dir einen Knebel zwischen die Zähne; das merke dir!«

Ich war natürlich nicht weniger gespannt als die andern. Wer würde wohl Sieger sein? Toby Spencer hatte wohl die größere Körperstärke für sich, während der Schmied im Gebrauche der ungewöhnlichen Waffe geübter war; zudem zeigte der letztere eine Kaltblütigkeit, welche Vertrauen erweckte, während der Rowdy sich je länger desto aufgeregter zeigte.

Der Schmiedeboy stand mit seiner Schwester auch in unserm Kreise. Auf ihren Gesichtern war nicht die geringste Besorgnis um ihren Vater zu entdecken; das war auch ein Umstand, welcher mich für ihn beruhigte.

»Jetzt kann es beginnen!« sagte Winnetou.

Toby Spencer holte sofort zum Schlage aus und wollte zugleich mit der linken Hand nach der Kehle des Schmiedes greifen. Er hatte nicht in Betracht gezogen, daß sich dadurch die Kraft des Hiebes vermindern mußte. Der Schmied parierte durch einen Gegenschlag, so daß die Waffen zusammenprallten; sein Hammer fuhr nieder und traf Spencers linken Arm, der mit einem Ruf des Schmerzes zurückgezogen wurde.

»Hund!« brüllte dann der Getroffene, »war‘s nicht sofort, aber jetzt nun gleich!«

Er holte mit aller Gewalt aus, sprang vor und schlug zu; der Schmied wich zur Seite, so daß der ihm bestimmte Hieb fehlging; die Wucht desselben zog den Rowdy halb nieder, sodaß er seinen Rücken bog.

»Jetzt schnell, Vater!« rief der Boy.

Es bedurfte dieser Aufforderung gar nicht, denn der Schmied machte mit hoch erhobenem Hammer eine Viertelwendung nach seinem Gegner hin und schmetterte ihn mit einem einzigen Schlage zu Boden. Den Arm zum sofortigen zweiten Hiebe erhebend, stand er da, das Auge auf den an der Erde liegenden Feind gerichtet, welcher krampfhaft mit den Armen und Beinen zuckte und ein ängstliches, röchelndes Stöhnen hören ließ, da senkte er den Arm wieder, lachte kurz und verächtlich und sagte: »Da liegt der Kerl! Ich könnte ihm den Schädel zerschlagen, thue es aber nicht, weil er sich nicht mehr wehren kann. Er hat schon so genug!«

Ja, Spencer hatte genug! Er war weder betäubt noch gar tot; aber er schien die Macht über seine Glieder verloren zu haben. Er bekam die Fähigkeit zu willkürlichen Bewegungen erst nach einiger Zeit zurück und richtete sich langsam auf, indem er sich dabei mit dem einen Arme stützte; der andere war unfähig, dabei gebraucht zu werden.

»Verdamm – – – —!« gurgelte er dabei, indem er nur diese beiden Silben zwischen den Zähnen hervorbrachte. Seine Augen waren mit Blut unterlaufen, und sein Gesicht zeigte den Ausdruck eines so tierischen Grimmes, wie ihn selbst ein zähnefletschender Coyote kaum hat.

»Ich habe ihm das Schulterblatt zerbocht,« meinte der Sieger. »Wenn er nicht daran zu Grunde gehen sollte, wird er wenigstens niemals wieder friedliche Menschen vergewaltigen können. Macht mir den Hammer ab!«

Er hielt mir die Hand hin, und ich band ihm das schwere Werkzeug los.

Jetzt stand der Rowdy aufrecht da, doch wankte er hin und her. Es schien alle Kraft aus seinem Körper gewichen zu sein; dafür kam ihm die Sprache zurück, und er machte von ihr in Flüchen und Verwünschungen einen solchen Gebrauch, daß ich ihm den Revolver an den Kopf hielt und drohte:

»Schweig augenblicklich, sonst jage ich dir eine Kugel in den Schädel!«

Er sah mir grinsend ins Gesicht, spie vor mir aus, wendete sich ab und wankte zu seinen Genossen hin, wo er haltlos zusammenknickte. Dick Hammerdull band ihn, ohne den geringsten Widerstand zu finden.

»Fiat justitia!« sagte Treskow. »Er hat, was er verdient, wenn auch nicht den Tod. Was thun wir nun mit ihm? Soll er verbunden werden?«

Er sah dabei Winnetou an. Dieser antwortete:

»Der Häuptling der Apatschen berührt diesen Menschen nicht!«

»Von mir hat er auch keine Hilfe zu erwarten,« erklärte ich.

»Well! Mag er sehen, wo er einen Arzt für seine Schulter findet!«

Da sahen wir vier Männer vom Walde her geritten kommen, einen jungen und drei ältere; sie hielten auf uns zu. Der Schmied sagte:

»Da kommt mein zweiter Sohn, welcher fischen gegangen ist, und die andern sind drei gute Bekannte, die nächsten Nachbarn von mir, was hier freilich etwas weitläufig gemeint ist. Die kommen mir eben recht, denn sie werden, wenn sie morgen von hier fortreiten, mich von diesen Gästen hier befreien, welche sich, ohne mich zu fragen, so ohne alle Zeremonien bei mir eingeladen haben.«

Der Sohn schien einen guten Fang gemacht zu haben, denn er hatte ein mit Fischen gefülltes Netz quer vor sich liegen. Er und seine Begleiter waren natürlich erstaunt darüber, gefesselte Menschen hier liegen zu sehen. Der Schmied erzählte ihnen in kurzen Worten, was geschehen war, und teilte ihnen dann auch den Wunsch mit, den er an sie hatte. Es traf sich sehr gut, daß die drei Männer nicht in der Schmiede bleiben, sondern weiter wollten. Sie hatten irgend einen Rechtshandel vor und wollten nach der Stadt, das heißt, was man dort und damals Stadt zu nennen beliebte. Sie mußten die ganze Nacht durch reiten, um am Morgen hinzukommen, und erboten sich, die Rowdies mitzunehmen, aber nicht etwa nach der Stadt, sondern sich ihrer unterwegs in der Weise zu entledigen, daß in verschiedenen Zwischenräumen einer nach dem andern freigelassen wurde. Auf diese Weise wurde verhütet, daß sich die Kerls so leicht und so bald wieder zusammenfinden und etwas gegen die Familie des Schmiedes unternehmen konnten. Die Söhne des letzteren sollten, weil der Transport der Gefangenen zu Pferde geschehen mußte, mitreiten, um dann die ledigen Tiere heimzubringen.

Es gab noch eine sehr bewegte und geräuschvolle Scene, als die Taschen der Rowdies geleert und sie selbst auf die Pferde gebunden wurden. Daß sie in dieser Weise und schon heut fortgeschafft werden konnten, war auch deshalb ein günstiger Umstand, weil zu erwarten war, daß die Tramps, welche jedenfalls unserer Fährte folgten, nach der Schmiede kommen würden. Diese sollten die Rowdies nicht finden und etwa gemeinschaftliche Sache mit ihnen machen.

Es waren keine Segenswünsche, die wir von den Gefangenen hörten, als sie unter Begleitung der fünf Männer den Ort verließen, an welchem es ihnen erst so sehr und dann so wenig gefallen hatte. Noch besser freilich wäre es gewesen, wenn ihr eigentlicher Anführer, der »General«, nicht das Glück gehabt hätte, uns zu entkommen.

Dieser letztere war eine für uns so wichtige Person, daß sich Winnetou aufmachte, nach seiner Spur zu sehen. Es war schon dunkel, als er zurückkehrte. Er hatte die Ueberzeugung gewonnen, daß Douglas nicht die Absicht habe, sich in der Nähe der Schmiede herumzutreiben, denn seine Fährte hatte ununterbrochen geradeaus geführt. Dieser Mann fürchtete uns viel zu sehr, als daß es ihm hätte beikommen können, uns heimlich zu umschleichen, um zu sehen, was wir mit seinen Gefährten wohl beginnen würden. Er gab sie lieber preis, um nur so weit wie möglich von uns fortzukommen.

Winnetou brachte Wundkraut mit, welches er auf seinem Ritte gefunden hatte, und das war mir sehr lieb. Ich hatte, so lange die Rowdies bei uns waren, mehr auf sie als auf mich selbst geachtet; dann, als Ruhe eintrat, fühlte ich die Schmerzen meiner Wunde und jene mir nur zu bekannte Leere im Kopfe und im ganzen Körper, welche, wenigstens bei mir, dem Fieber voranzugehen pflegt.

Ich wurde wieder verbunden; das Wundfieber stellte sich aber doch in der Nacht ein; ich schlief viertelstundenlang, um dann immer wieder zu erwachen, und als ich am Morgen vom Weiterreiten sprach, schüttelte Winnetou, welcher bei mir gewacht hatte, den Kopf und sagte:

»Mein Bruder darf sich nicht zu viel zutrauen. Wir werden bleiben.«

»Aber wir haben keine Zeit.«

»Wenn es sich um die Gesundheit Old Shatterhands handelt, haben wir immer Zeit! Es ist besser, wir bleiben einen Tag hier und lassen die Kräuter wirken, als daß du später in den Bergen liegen bleibst.«

Er hatte recht, und so blieben wir bei dem Schmiede, der sich, natürlich nicht der Veranlassung wegen, herzlich darüber freute.

Seine Söhne kamen mit den Pferden zurück und erzählten, wie die Rowdies sich gesträubt hatten, mitten in der finstern Nacht so einer nach dem andern abgesetzt zu werden. Am weitesten hatten sie Toby Spencer fortgeschafft. Ich an ihrer Stelle hätte ihm wohl einen Gefährten zur Pflege gelassen; sie aber hatten nicht die Rücksicht gehabt, so menschlich gegen ihn zu sein, zumal sein Verhalten unterwegs nicht ein solches gewesen war, welches sie hätte zur Milde stimmen können.

Als die Kameraden drin in der Stube beim Mittagsessen saßen, welches aus Fisch und Wildbret bestand, lag ich vor dem Hause im Grase, denn ich hatte keinen Appetit, und im Freien war es mir lieber als zwischen den engen Wänden. Unsere Pferde standen innerhalb der schon erwähnten Fenz, wo sie reichliches Grünfutter bekommen hatten; sie konnten also von weitem nicht gesehen, wenigstens nicht als die unserigen erkannt werden, und so kam es, daß der Reitertrupp, welcher jetzt unter den letzten Bäumen des Waldes erschien, keine Veranlassung fand, die Schmiede, vor der ich lag, zu meiden. Es waren die Tramps. Cox und Old Wabble ritten voran, und der einstige Medizinmann folgte mit seiner Squaw hinterher.

Um nicht gesehen zu werden, stand ich nicht auf, sondern kroch in die Schmiede und ging von da in die Stube, um die Ankunft dieser lieben Freunde dort zu melden. Wir hatten dem Schmiede von unserm Zusammentreffen mit ihnen erzählt; darum sagte er jetzt:

»Bleibt hier, Gentlemen! Ich gehe allein hinaus. Was werden sie für Gesichter machen, wenn sie erfahren, wer sich bei mir befindet!«

Die Tramps hatten inzwischen das Haus erreicht. Sie riefen nach dem Besitzer und stiegen von den Pferden. Ihre Haltung dabei war keine sehr elegante. Dick Hammerdull kicherte in sich hinein und sagte:

»Sie fühlen noch die süße Erinnerung an unsere Stöcke. Es wäre ihnen jedenfalls lieber, hier eine Apotheke als eine Schmiede zu finden!«

Old Wabble sah, auch abgesehen von seinem halbversengten Kopfe, sehr leidend aus. Er war, außer der Squaw, allein noch nicht abgestiegen und saß matt vornübergebeugt im Sattel; er hatte das Fieber in noch höherem Grade als ich in der vergangenen Nacht. Als der Schmied hinaus zu ihnen kam, wurde er von Cox gefragt:

 

»Hört, Mann, ist gestern vielleicht ein Trupp von sieben Reitern hier bei Euch vorübergekommen?«

»Ja,« antwortete der Gefragte.

»Es waren drei Redmen dabei?«

»Stimmt!«

»Zwei tiefschwarze Rappen unter den Pferden?«

»Auch das ist richtig.«

»Ihr habt sie jedenfalls beobachtet und wißt, ob sie es sehr eilig hatten?«

»Nicht eiliger als Ihr.«

»Gut! Habt Ihr vielleicht ein Mittel gegen das Fieber im Hause?«

»Nein. Wir pflegen uns hier mit dem Fieber gar nicht abzugeben.«

»Aber Proviant ist bei Euch zu haben?«

»Leider nicht. Ich bin von einer Horde Rowdies vollständig ausgeplündert worden.«

»Das macht Ihr uns nicht weis. Wir werden selbst nachsehen, was zu finden ist.«

»Das muß ich mir verbitten. Dieses Haus gehört nicht jedem Fremden, sondern mir!«

»Laßt Euch nicht auslachen! Ihr werdet doch nicht denken, daß sich zwanzig Männer vor Euch fürchten! Wir wollen essen, und Ihr habt zu schaffen, was wir brauchen!«

»Ihr seid ja ungeheuer kurz! Wie steht‘s mit der Bezahlung? Habt Ihr Geld?«

»Geld?« lachte Cox. »Wenn Ihr Hiebe haben wollt, die sind da, Geld aber nicht!«

»Hm, daß Hiebe da sind, merke ich; ich sehe sie noch deutlich sitzen!«

»Mann, wie meint Ihr das?«

»Genau so, wie ich es sage.«

»Ich will, wissen, wie Ihr dazu kommt, von Hieben zu reden!«

»Wer hat angefangen, von ihnen zu sprechen? Doch ich wohl nicht, sondern Ihr!«

»Ach so! Ich dachte – – —! Jetzt macht einmal Platz da an der Thür!«

»Der Platz an meiner Thür gehört mir und keinem andern!«

»Redet nicht dummes Zeug! Wir brauchen Fleisch und Mehl und andere Sachen, und Ihr werdet uns nicht verbieten, nach ihnen zu suchen!«

»Well, ganz wie Ihr wollt! Verbieten werde ich es Euch freilich nicht; ich denke nur, daß Ihr Euch über das Fleisch, welches Ihr findet, wundern werdet!«

»Keine Redensarten, sondern Platz gemacht!«

Der Schmied ließ sich vorwärts schieben; die Tramps drängten sich hinter Cox her. Als der Schmied zur Thüre hereingeschoben wurde, sagte er:

»Hier seht Ihr mein Fleisch. Es ist Menschenfleisch, lebendiges Menschenfleisch.«

Unsere Gewehre waren alle nach der Thür gerichtet. Cox sah uns und erschrak:

»Zurück, zurück!« rief er. »Macht doch zurück, ihr Kerls! Hier sind sie in der Stube, Old Shatterhand und Winnetou und alle andern auch!«

Die hinter ihm kamen, sahen uns auch; sie wendeten sich schleunigst um. Es gab ein Stoßen, Schieben und Drängen, zurück, wieder zum Hause hinaus; unser Lachen schallte hinter ihnen her. Draußen sprangen sie auf die Pferde und ritten schleunigst davon, schneller, als sie gekommen waren. Der letzte war wieder der Medizinmann, welcher das Pferd seiner Squaw am Zügel zog. Der dicke Hammerdull konnte es nicht unterlassen, ihnen durch das Fenster einen Schuß nachzusenden, indem er rief.

»Da machen sie sich fort, ohne Fleisch und ohne Mehl! Die Suppe ist ihnen versalzen! Habe ich da nicht recht, Pitt Holbers, altes Coon?«

»Hm, bloß auf eine Suppe hatten die es gar nicht abgesehen! Die hätten es heut grad so wie gestern die Rowdies hier gemacht. Es ist ein wahres Glück für den Schmied, daß wir nicht fortgeritten, sondern hiergeblieben sind!«

»Ob ein Glück oder ein Unglück, das ist ganz egal, das bleibt sich sogar gleich, wenn nur sie kein Glück dabei gehabt haben!«

Winnetou war schnell hinaus und zu den Pferden; eine Minute später sahen wir ihn fortreiten, um den Tramps zu folgen. Ich wußte, warum er das so rasch that: sie sollten ihn sehen; sie sollten wissen, daß er hinter ihnen war und sie beobachtete. Dadurch benahm er ihnen die Lust, etwa heimlich umzukehren und uns zu belauern. Als er nach vielleicht zwei Stunden wiederkam, konnte er uns versichern, daß sie sich aus dem Staube gemacht und wir wenigstens in der nächsten Zeit nichts Feindliches von ihnen zu erwarten hätten.

Da wir uns nun sicher fühlen konnten und nicht zur gegenseitigen Hilfe bei einander zu bleiben brauchten, gingen Schahko Matto und Apanatschka fort, um »Fleisch zu machen«; sie hatten guten Erfolg. Winnetou blieb daheim, um sich nur mit meiner Blessur zu beschäftigen.

Erwähnen muß ich, daß schon seit dem Morgen das Feuer brannte, denn der Schmied hatte für unsere Pferde zu arbeiten, wobei ihm dann auch seine Söhne halfen. Wir befanden uns nicht mehr auf dem weichen Boden der Prairie und wollten hinauf in die Felsenberge, wo wenigstens für die Pferde der Bleichgesichter ein guter Hufbeschlag sehr nötig war. Unsere beiden Rappen bekamen stets, sobald es nötig wurde, die Eisenschuhe angeschraubt, welche eine Erfindung des Apatschen waren; sie und das dazu nötige Werkzeug befanden sich stets in unsern Satteltaschen. Wir hatten uns für den Fall, daß Späher irre zu führen waren, sogar Hufeisen mit Vexierstollen machen lassen, die uns schon sehr oft von Nutzen gewesen waren.

So verging die Zeit bis zum Abend, wo ich wieder das Fieber bekam, doch gelinder als früher und nur für kurze Zeit. Die Nacht durchschlief ich ganz, und auch Winnetou schlief bis früh. Als er dann die Wunde untersucht hatte, sagte er befriedigt:

»Die kräftige Natur meines Bruders und die Wundkräuter haben meine Erwartungen übertroffen. Dein Hatatitla hat einen sanften Gang, und so wie du zu reiten verstehst, können wir es wagen, aufzubrechen, ohne daß es dir Schaden macht, wenn wir nicht gezwungen sein sollten, auf ein Terrain zu gehen, wo der Ritt zu anstrengend wird. Wir werden öfter ausruhen als sonst.«

Er nahm einige Nuggets aus seiner verborgenen Gürteltasche, um den Schmied zu bezahlen. Dieser meinte, es sei zu viel, er wolle sich nur seine Arbeit, nicht aber seine Gastfreundlichkeit bezahlen lassen; der Apatsche aber nahm nichts zurück; seine Noblesse gab dies nicht zu. Mit den herzlichen Wünschen der vier braven Menschen versehen, setzten wir uns auf und ritten fort, dem Gebirge zu.

Es liegt nicht in der Absicht dieser Zeilen, malerische Schilderungen unsers Weges zu geben, der uns von jetzt an stets aufwärts führte. Wir kamen am Abende jenseits der vorlagernden Sandsteinberge an und befanden uns nun vor den eigentlichen Felsenbergen.

Es war uns nicht eingefallen, uns sehr darum zu kümmern, wohin die Tramps geritten seien. Es galt für uns, so bald wie möglich den Park von San Louis zu erreichen, und wir wußten oder ahnten vielmehr, daß wir Thibaut und die Squaw dort wiedersehen würden; die andern Personen konnten uns, Old Wabble ausgenommen, gleichgültig sein.

Nun mußten wir den alten Kontinentalpfad verlassen und uns seitwärts wenden; die Scenerie des Gebirges entfaltete sich in ihrer ganzen imponierenden Herrlichkeit um uns. Wir befanden uns in der Region der Taxodieenwälder und staunten oft über die außerordentliche Höhe der Bäume, obgleich dieselben noch lange nicht mit den riesigen Sequoias der Sierra Nevada zu vergleichen waren, unter denen es Giganten giebt, welche mehr als hundert Fuß im Umfang haben. Im Visalia-Distrikte steht eine Sequoia, welche einen Durchmesser von fünfunddreißig Fuß besitzt.

Wir ritten jetzt auf einer schräg hinaufziehenden, mehrere englische Meilen breiten Ebene, welche wie ein Dach zur Höhe stieg und vollständig von Wald bedeckt war. Das war nicht der in den Wipfeln dicht verschlungene, grüne überdachte Urwald des Nordens, sondern die riesigen Koniferen standen einzeln, weit auseinander, sich kaum mit den Wipfelrändern berührend; ihr Streben ging nur in die Höhe, nicht nach Vereinigung. Die Sonnenstrahlen fanden den Weg zwischen sie herein und ließen nicht jenes Dunkel aufkommen, welches den nördlichen Wäldern eigen ist. Wir ritten langsam und stetig diese schiefe Ebene hinan, die ich noch nicht kannte. Winnetou aber war schon dagewesen und verkündigte uns: »Jenseits dieser Höhe liegt das Kui-erant-yuaw[40], in welchem man zu jeder Zeit den Grizzly trifft. Kein roter Mann schlägt da gern über Nacht sein Lager auf, denn der graue Bär der Felsenberge mag nicht gern ein Feuer dulden und greift den Menschen an, ohne erst von ihm belästigt worden zu sein.«

»Werden wir da übernachten?« fragte Hammerdull.

»Nein.«

»Warum nicht? Ich hätte gar zu gern einen Grizzly geschossen.«

»Wir sind sieben Personen und müßten der Grizzlys wegen vier Wächter haben; da könnten nur drei von uns schlafen; wenn aber von sieben Männern, welche der Ruhe bedürfen, viere wachen müssen und nur drei schlafen dürfen, so ist das kein gutes Lager zu nennen.«

40Bärenthal.