Auf fremden Pfaden

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»Wo ist er jetzt?«



»Auf Weg nach Raafberg' und wart' auf Tschemba.«



»Wo?«



»In groß' Wald vor Raafberg' mit viel' Krieger von Zulu.«



»Du hast heute mit ihm gesprochen?«



»Tschemba red' mit Sikukuni, eh' Sikukuni komm' und als Sikukuni spring' auf Pferd mit Mietje.«



»Wer ist der Engländer, welchen er bei sich hat?«



»Tschemba weiß nicht England.«



»Du hast den Schild hier weggenommen?«



»Tschemba woll' bring' Schild zu Sikukuni; Zulu sein feig und sterb', wenn nicht hab' mehr Schild, und Sikukuni geb' viel Geschenk an Tschemba, wenn Tschemba bring' Schild.«



»Wo ist er?«



»Tschemba hab' trag' Schild hinaus über Garten und leg' auf Erd' bei Thür.«



»Quimbo, hole ihn!«



Der Diener entfernte sich eilig und kehrte in kürzester Zeit mit der Trophäe zurück. Mit ihm zugleich trat Mietje ein, welche die Boten hatte absenden wollen und dabei über das mit Tschemba Vorgekommene unterrichtet worden war. Ich gab ihr die nötigen Aufklärungen, und dann sandte sie ihre Briefe ab, obgleich Tschembas Aussage meine Vermutung bestätigte, daß für jetzt ein Überfall der Farm nicht zu erwarten sei. Über das Schicksal des Gefangenen zu entscheiden, war Sache der Boers, und deshalb ließ ich ihn in einem sichern Raum unterbringen, wo er bis zur Ankunft Jans eingeschlossen wurde.



Nun stellte ich, um allen Eventualitäten zu begegnen, Wachen aus und begab mich dann zur Ruhe. Als ich erwachte, graute der Morgen. Nachbar Zelmst war bereits eingetroffen, und kaum hatten wir unsere Morgenpfeifen angebrannt, so ritten auch die beiden jungen Hoblyn und Baas Jeremias mit einigen Kaffern in den Hof.



Sie waren nicht wenig überrascht gewesen von der Kunde, daß Sikukuni diesseits des Gebirges und in ihrer unmittelbaren Nähe aufgetreten sei, und versprachen mir, bis zur Rückkehr Jans nach besten Kräften für die Sicherheit der beiden Frauen Sorge zu tragen. Ich konnte also meinen Ritt nach den Raafbergen unternehmen.



Dieser war jedenfalls nicht ganz ungefährlich für mich, da sich die Zulus zwischen mir und den Boers befanden, doch kümmerte mich das nicht; diese Kaffern waren ja nicht die ersten Wilden, denen ich mich gegenüber sah.



Von den besten Wünschen der Zurückbleibenden begleitet, verließ ich nun die Farm. Quimbo saß wieder mit weit auseinander gespreizten Beinen auf dem Rückenplateau seines Brabanters und hatte hinter sich einige tüchtige Stücke des von der gestrigen Feier übrig gebliebenen Fleisches aufgestapelt. Die Pferde hatten sich ausgeruht und schritten so wacker aus, daß ich annahm, die Raafberge schon am nächsten Morgen erreichen zu können, obgleich mir Mietje und auch die andern versichert hatten, daß fast zwei Tagreisen bis zu ihnen zu rechnen seien.



Der Weg führte meist über wüste Sandstrecken oder über vegetationslose Konglomerat- und Schieferlager, und erst gegen Abend sahen wir nach einem scharfen, anstrengenden Ritte den bläulichen Duft eines Waldes an dem vor uns liegenden Horizonte auftauchen. Der Beschreibung und meiner Berechnung nach war dies vor den Raafbergen der letzte Wald, in welchem Tschemba zu Sikukuni hatte stoßen wollen; für uns allerdings war es auch der nächste, den wir trafen, da ich nach dem Kompaß genau die nördliche Richtung eingehalten und die zur Rechten und Linken vor uns liegenden einzelnen Waldungen nicht berührt hatte.



Wenn Sikukuni wirklich Tschemba hier erwartete, so hatte er sich jedenfalls an dem uns zugekehrten Rande des Waldes postiert und mußte unser Nahen bemerken. Daher zog ich es vor, hier auf der freien Ebene zu warten, bis es dunkel genug sei, um uns unbemerkt zu nähern. Wir stiegen ab, koppelten die Pferde zusammen und legten uns auf den von den Strahlen der Sonne noch warmen Boden nieder.



Quimbo zog, um sich die Zeit zu vertreiben, sein Messer hervor und schärfte es an dem harten Gestein; er that dies mit einer so andächtigen Sorgfalt, als gälte es, ein ganzes Heer von Feinden abzuschlachten.



»Seh' Mynheer! Quimbo wetz' Messer für Sikukuni,« erklärte er.



»Warum denn grad und bloß für ihn?«



»Sikukuni will raub' Mietje, und Mietje werd' doch sein Frau von Quimbo. Doch Quimbo stech' tot nicht bloß Sikukuni, sondern auch noch groß' viel' Zulus, wenn treff' in Wald!«



Er schwang das Messer und schnitt dabei eine Grimasse, die allerdings fürchterlich zu nennen war; dann holte er sich ein Stück Fleisch herbei und stach in dasselbe hinein, daß die Stücke davonflogen, die er allerdings zusammenlas, um sie in dem breiten Munde verschwinden zu lassen.



Die Sonne sank immer tiefer, und ihre immer schräger fallenden Strahlen ließen unsere Schatten von Minute zu Minute länger wachsen, bis sie sich in der hereinbrechenden Dämmerung verloren. Jetzt wurde es Zeit, aufzubrechen. Wir stiegen wieder zu Pferde und bogen nach einer seitwärts liegenden Hügelreihe ein, welche sich bis an den Wald hinzog und deren Fuß wir verfolgten, bis wir uns unter den Bäumen befanden.



Hier mußte Quimbo bei den Pferden warten, bis ich zu unserer Sicherheit den Platz in einem möglichst weiten Umkreise durchsucht hatte; dann sorgten wir für die Tiere und legten uns zur Ruhe, nachdem ich von den mitgenommenen Vorräten ein kurzes Abendessen gehalten hatte.



Als ich erwachte, ertönte bereits die helle Stimme des lang befiederten Finken aus den Zweigen. Zwar war es noch sehr früh am Tage, aber ich war ja genötigt, grad diese Morgenstunde gut auszunützen, indem ich die Spuren der Zulus zu finden versuchte. Ich weckte daher Quimbo und befahl ihm, den Ort auf keinen Fall vor meiner Rückkehr zu verlassen. Dann schritt ich behutsam längs des Waldrandes unter den Bäumen hin, um die Stelle zu finden, an welcher der Feind den Wald betreten hatte. Ich bemerkte nicht das geringste Zeichen, obgleich ich nach und nach eine Strecke von wohl einer halben Stundenlänge zurücklegte; der gesuchte Ort mußte sich nicht hier ober-, sondern unterhalb unseres Nachtlagers befinden, und daher kehrte ich zu diesem zurück.



Dort angekommen, fand ich wohl die Pferde, nicht aber Quimbo. Rufen durfte ich auf keinen Fall; an ein leichtsinniges Verlassen des Ortes wollte ich nicht glauben, daher folgte ich den Eindrücken, welche sein Fuß zurückgelassen hatte. Sie führten entgegengesetzt von der Richtung, aus welcher ich gekommen war, längs des Waldrandes hin und fielen also mit dem von mir beabsichtigten Wege zusammen. Nach einiger Zeit gingen sie waldeinwärts, wo sie mit einer breiten Fährte zusammentrafen, die auf einem durch einen Windbruch entstandenen freien Platz endigte. Hier lag ein Trupp von vollständig gerüsteten Zulukaffern; ich zählte deren vierundzwanzig. In ihrer Mitte saß Sikukuni. Ihre Pferde hatten sie ringsum an die Stämme des niedrigen Buschwerkes befestigt, welches zwischen den niedergestürzten Bäumen aufgeschossen war.



Da wo ich, durch die Zweige lauschend, lag, führte eine einzelne Spur an dem Rande der Lichtung hin. Stammte dieselbe von Quimbo, oder war sie von einem der Feinde verursacht worden, der mich bei seiner Rückkehr leicht entdecken konnte? Ich mußte dies untersuchen und folgte ihr schnell, aber vorsichtig.



Schon nach wenigen Schritten vereinigte sie sich mit einer zweiten Fährte und führte mit ihr grad senkrecht von der Lichtung ab. Da ich vor mir nicht das mindeste Geräusch vernahm, erhob ich mich aus der bisher eingehaltenen tief gebeugten Stellung und schritt rascher vorwärts. Nach einiger Zeit teilten sich die Spuren wieder. Welcher sollte ich folgen? Ich untersuchte beide. Die eine stammte von einem nackten Fuße und die andere von einem riesigen Schuhe oder Stiefel her. Sollte der Engländer in der Nähe sein? Ihn hatte ich weniger zu fürchten und wandte mich also der ersteren Fährte zu.



Noch hatte ich kaum ein Dutzend Schritte gemacht, so erblickte ich zwei nackte, braune Beine, welche hinter dem dikken Stamme eines Baumes hervorragten. Diese nach innen gewachsenen, eckigen Wadenmuskeln kannte ich; sie konnten keinem andern angehören, als meinem »gut', schön' und tapfern Quimbo«. Ich trat näher, nicht ganz leise, sondern für ihn vernehmbar, um ihn nicht zu erschrecken und dadurch zur Unvorsichtigkeit zu verleiten. Wirklich bewegten sich sofort die Beine; der Körper, zu dem sie gehörten, bog sich schnell hinter dem Stamme hervor, zwei Augen wandten sich mir zu, und dann stand der Kaffer mit einer zur Vorsicht mahnenden Pantomime vor mir.



»Oh, oh, Mynheer rat', wer bin dort!« flüsterte er mit einer durch die Bäume gerichteten Handbewegung.



»Der Engländer?«



»Mynheer weiß'? Wer hab' Mynheer 'sagt, daß England hier?«



»Ich sah seine Spur. Warum hast du die Pferde verlassen?«



»Oh, oh, Mynheer nicht bin bös, nicht bin zorn' auf Quimbo! Quimbo hör' lauf' Pferd; Quimbo paß' auf und seh' Pferd, was reiß' aus, und Zulu, der fang' Pferd. Quimbo lauf nach Pferd und Zulu und komm' an Ort, wo bin Sikukuni mit viel' Krieger und England. Da steh' auf England und geh in Wald; Quimbo lauf nach, und nun komm' auch Mynheer.«



Diese Erzählung genügte, um mich aufzuklären. Ich trat etwas vor und gewahrte den Engländer, welcher sich wohl nur entfernt hatte, um auf einige Zeit dem penetranten Fettgeruche der Kaffern zu entgehen, denn er lag ohne Beschäftigung am Boden und starrte in die über ihm hängenden Zweige empor.



Ich hatte jetzt eine schnelle Entscheidung zu treffen. Bemächtigte ich mich des Engländers, so lief ich Gefahr, grad dadurch unsere Anwesenheit zu verraten; aber wenn es mir gelang, unsere Spuren zu verbergen, so gab sein Verschwinden den Zulus jedenfalls Veranlassung, den ganzen Tag nach ihm zu suchen, wodurch ich die nötige Zeit gewann, die Boers herbeizuführen. Und zudem wußte ich ja, daß die Kaffern bei weitem nicht die Pfadfinder sind, wie die Wilden des westlichen Nordamerika. Auf das Eintreffen des Waffentransportes konnte das Verschwinden des Engländers keinen Einfluß haben; daher besann ich mich nicht lange, schlich mich bis hart zu ihm hin und richtete mich dann, das Messer in der Hand, vor seinen Augen empor.

 



»Good morning, Sir Hilbert Grey! Ihr scheint schlecht geschlafen zu haben, da Ihr bereits wieder der Ruhe pflegt!«



Es widerstrebte mir, ihn zu überfallen wie einen Wilden, und wenn ich geglaubt hatte, daß eine Überraschung jede Gefahr für mich unmöglich machen werde, so hatte ich mich auch nicht verrechnet, denn der gute Mann riß vor Erstaunen den Mund weit auf, machte ein Gesicht, als sähe er ein Gespenst, brachte keinen Laut hervor und vergaß sogar, sich zu erheben.



»Wollt Ihr nicht ein wenig aufstehen, Sir? Oder habt Ihr hier zu Lande bereits vergessen, wie man mit einem Gentleman zu sprechen hat?«



Erst jetzt erhob er sich langsam, wie im Traume, und sagte:



»

Heigh-ho

, Ihr seid es?«



»Ja, ich bin es, wenn ich mich nicht irre! Wollt Ihr nicht so gut sein und einmal Eure Schuhe ausziehen?«



»Warum?« fragte er, im höchsten Grade erstaunt.



»Weil ich es wünsche, Sir! Ich habe jetzt keine Zeit, Euch meine Gründe zu erklären, doch werdet Ihr sie später sicher hören. Also, bitte!«



»Ich begreife nicht, was – –«



»Ihr braucht es auch nicht zu begreifen, Sir. Seht hier dieses Messer! Es sitzt Euch in weniger Zeit als einer Minute zwischen den Rippen, wenn Ihr nicht sofort thut, was ich Euch befehle!«



Ich winkte, und Quimbo trat an seine andere Seite. Er hatte sich bisher versteckt gehalten und erhob jetzt die Lanze.



»Mynheer, soll Quimbo stech' Lanze hier in England wie gestern in Sau?«



Das war dem guten Sir Hilbert Grey denn doch zu gefährlich. Er erklärte erschrocken:



»Ich verstehe Euch nicht, Sir, aber ich werde Euch dennoch den sonderbaren Gefallen thun!«



»Ein Glück für Euch. Ihr seid uns einmal entgangen, zum zweitenmal aber passiert das nicht wieder! Übrigens ersuche ich Euch, so leise wie möglich zu sprechen und uns jetzt zu folgen!«



Ich ließ ihn die Schuhe natürlich bloß deshalb ausziehen, damit seine riesigen Stapfen etwas weniger bemerkbar wurden. Er nahm sie unter den Arm und folgte mir. Bei unsern Pferden angekommen, konnte ich schon etwas umständlicher mit ihm verkehren.



»Ihr wolltet mich gestern abhalten, Eure saubere Begleitung kennen zu lernen; es ist Euch nicht gelungen, und Ihr habt jetzt die Folgen zu tragen. Ihr seid mit den Feinden des Landes hier eingedrungen, habt Sikukuni geholfen, eine Farm zu überfallen, und werdet daher das Leben lassen müssen, wenn Ihr Euch nicht so verhaltet, daß ich Euch der Nachsicht meiner Freunde empfehlen kann. Wie kommt Ihr mit dem obersten Häuptling der Kaffern zusammen?«



»Good God, das ist sehr einfach, Sir,« antwortete er sehr kleinlaut. »Ich hatte eine Botschaft jenseits der Gebirge auszurichten und traf unterwegs mit ihm zusammen.«



»Welche Botschaft ist es?«



»Eine rein geschäftliche, Sir; Ihr könnt es glauben!«



»Ich glaube es allerdings; doch sind die Geschäfte sehr verschiedener Art. An wen war die Botschaft gerichtet?«



»An – an einen Holländer.«



»Lügt nicht, sonst verschlimmert Ihr Euch Eure Lage!«



»Ich sage die Wahrheit!«



»Die Wahrheit ist im Gegenteil, daß Ihr an den Lieutenant Mac Klintok geschickt seid!«



Er schwieg verlegen und überrascht.



»Nun, antwortet!«



»Wer sagt Euch das?«



»Eure Unvorsichtigkeit. Zur sichern Expedition eines wichtigen Auftrages gehört ein ganz anderer Mann als Ihr. Also noch einmal: Wie kommt Ihr mit Sikukuni zusammen?«



»Ich traf ihn zufällig; das ist die Wahrheit, so wahr ich ein Engländer bin!«



»Dann muß Eure Sendung für ihn eine freundliche, für die Holländer aber eine gefährliche sein. Wollt Ihr mir nichts Näheres mitteilen?«



»Ich darf nicht, Sir, denn ich verliere sonst meine Stellung!«



»Gut, so will ich nicht weiter in Euch dringen, Sir. Verliert nur auch die Rhinoceroshaube nicht, wie Ihr das Perspektiv und Eure interessante Briefsammlung verloren habt; es könnte sich sonst leicht einer finden, welcher eine Zeile um die andere liest!«



Er erbleichte.



»Was wollt ihr damit sagen, Sir?«



»Ich sage nur, was ich bereits gesagt habe: Wenn Ihr Euch im geringsten weigert, meinen Befehlen zu gehorchen, so schmeckt Ihr meine Kugel oder die Lanze meines Dieners. Jetzt werdet Ihr diesen schönen Brabanter Gaul besteigen; die Schuhe könnt Ihr wieder anziehen!«



Er sah, daß ich nicht spaßte, und stieg auf.



»Well, Sir, so meint Ihr wohl, daß ich mit Euch reiten soll?«



»Natürlich!«



»Aber ich habe ja noch meine Decke und meine Waffen bei den Kaffern!«



»Ihr braucht jetzt weder Decke noch Waffen. Zum Frieren ist es jetzt bereits zu warm, und überfällt Euch wieder ein Cerberus, so sitzt Ihr heut ja noch höher und sicherer als gestern. Übrigens werde ich Euch vielleicht schon morgen wieder zu Euren Sachen verhelfen! So, erlaubt mir einmal Eure Füße!«



Ich zog einen Riemen aus der Tasche und befestigte seine unendlichen Beine unter dem Leibe des Pferdes weg an demselben.



»Jetzt werdet Ihr nicht vom Gaule fallen, wenn ein Eber kommt! Steig hinten auf, Quimbo!«



Der Kaffer sah mich halb fragend und halb lachend an.



»Was soll Quimbo? England sitz' auf Pferd, und Quimbo soll sitz' auf England?«



»Nein, du sollst nicht auf England, sondern hinter England sitzen und dabei England so fest wie möglich halten!«



»Oh, Mynheer, oh, oh, das sein schön und gut für Quimbo, denn wenn Quimbo halt' England, so fall' Quimbo nicht von Pferd und werd' aufschneid' von Mynheer Uys!«



Er kroch auf den Rücken des Brabanters und umklammerte den langen Leib des guten Sir Hilbert Grey.



»So! Jetzt reitest du dort auf dem Schiefer immer grad nach West. Ich komme gleich nach!«



Er folgte der Weisung, kam aber nur mit Mühe vorwärts. Ich blieb zurück, um unsere Spuren zu verwischen; dann stieg auch ich auf und eilte den beiden nach. Auf dem harten Gestein war von einer Fährte keine Rede, und als wir eine Ecke des Waldes zwischen uns und den Kaffern hatten, ohne daß sich von diesen ein einziger gezeigt hatte, war ich sicher, daß dieselben keine Ahnung von unserer Gegenwart bekommen würden.



Der Brabanter war stark genug, die doppelte Last zu tragen, und als ich ihn am Zügel ergriff und nach Nord umlenkte, ging es im Galopp vorwärts, daß die Funken stoben. Der Engländer war kein übler Reiter, und Quimbo hielt sich an demselben so fest, daß ich immer scharf vorwärts trachten konnte, und Zeitverkürzung gab es auch, da sich Quimbo in den spaßhaftesten Bemerkungen über den Doppelritt erging und Sir Hilbert Grey sich alle Augenblicke nach dem Schicksale erkundigte, dem ich ihn entgegenführte. Natürlich fiel meine Auskunft sehr mangelhaft aus, da ich nicht zu seinen Richtern gehörte.



So mochten wir über zwei Stunden lang geritten sein, als am nördlichen Horizonte vier dunkle Bergspitzen auftauchten, welche sich von Minute zu Minute vergrößerten, so daß ich in ihnen die Raafberge erkannte. Ich hielt genau auf ihre Mitte zu, und die dritte Stunde war noch nicht vergangen, so erkannte ich das Doppelthal und auch den Stinkholzbaum, welcher auf der Höhe zwischen ihnen in die Lüfte ragte.



jetzt wurde das Fortkommen schwerer; es galt, Abhänge zu erklimmen und zwischen dichtem Gebüsch sich hindurchzuwinden. Auf dem Höhenzuge angekommen, zog ich den Krimstecher aus dem Etui und fixierte den Signalbaum. Ein Mann lehnte an seinem Stamme und beobachtete uns ebenso durch ein Rohr. Ich nahm den Hut ab und schwenkte denselben; er antwortete durch das gleiche Zeichen und stieg dann schnell den Abhang hinunter. Jedenfalls ging er in die Kloof, um die Boers zu benachrichtigen.



In größerer Nähe angekommen, erkannte ich nun mit dem bloßen Auge acht Gestalten, welche uns teils erwarteten, teils uns entgegen kamen. Unter den Vordersten befand sich Kees Uys, der allerdings ganz erstaunte Augen machte, als er mich sah.



»Ihr seid es, Mynheer? Das ist ja gar nicht möglich! Was treibt Euch zu uns, und wie kommt Ihr in so kurzer Zeit hierher? Es ist doch nichts Schlimmes vorgefallen?« fragte er.



»Schlimmes genug, aber es hat ein gutes Ende genommen,« antwortete ich.



»Und wen bringt Ihr hier?«



»Einen Gefangenen, den ich euch zu überliefern habe. Führt mich zu den andern, dann werde ich euch alles erzählen!«



Ich wurde, als mich Uys vorstellte, von den derben, biederen Männern herzlich willkommen geheißen. Dann nahmen wir den Engländer in die Mitte und schritten, während Quimbo in der Nähe der Wache bei den Pferden blieb, nach der Kloof hinab.



Dort saßen noch vier Männer. Ihr Gespräch war so ernst gewesen, daß sie sich durch die Nachricht von meinem Nahen in demselben gar nicht hatten stören lassen. Der eine war ein Kaffer von hoher, schlanker, aber kräftiger Figur; ich erriet sofort, daß es Somi, der vertriebene Bruder Sikukunis, sei. Zwei kräftige, untersetzte und echt neerländische Gestalten waren Zingen und van Hoorst, und der vierte, welcher allerdings wie ein Goliath vor mir stand, war kein anderer als Jan van Helmers. Er war um einen vollen Kopf länger als ich, und die Stärke seiner Glieder stand zu dieser Höhe in genauer Proportion. Das Leopardenfell, welches ihm als Karoßüber die Schultern hing, erhöhte den Eindruck kriegerischer Stärke, welchen diese Figur machen mußte, und doch blickten seine klugen Augen so gut und mild, daß man ihn vom ersten Augenblick an liebgewinnen mußte.



»Neef Jan, dieser Mynheer kommt von Jeffrouw Soofje und von Mietje,« benachrichtigte ihn Kees Uys.



»Von Mietje? Ist's wahr?« fragte er.



»Ja. Er kam mit mir zu ihnen und ist es wert, daß du ihn willkommen heißest!«



»Das thue ich ohnedies, da er unsern Ort kennt und also einer der Unserigen ist,« antwortete er, mir kräftig die Hand schüttelnd.



»Das ist er nicht, Neef Jan. Er ist ein Deutscher und kam nach dem Kap, um hier ein wenig spazieren zu gehen, wie es die deutschen Gelehrten zuweilen machen sollen. Ich brachte ihn zu Jeffrouw Soofje, und diese hat ihn gesendet, um dir wichtige Botschaften zu bringen.«



»Ah, da ist daheim etwas passiert! Setzt Euch, Mynheer; nehmt einen Trunk, und erzählt dann schnell!«



Er griff in eine Bodenvertiefung und langte nebst Glas eine Flasche des rühmlichst bekannten Kapweines hervor. Ich that Bescheid; das Glas ging rundum, und dann warteten alle mit Spannung auf meine Botschaft. Sir Hilbert Grey stand neben mir; eine Flucht aus der Mitte solcher Männer war nicht möglich, und man sah es ihm auch deutlich an, daß er bereit sei, sich in sein Schicksal zu ergeben.



Ich griff in die Tasche, zog sein Portefeuille hervor und nahm den Brief aus demselben. Er erschrak.



»Lest einmal diesen Brief, Mynheer!« bat ich Kees Uys.



Er that es und meinte dann:



»Findet Ihr etwas Sonderliches in ihm?«



»Gebt ihn weiter!«



Das Schreiben ging von Hand zu Hand, ohne daß einem einzigen die eigentümliche Fassung desselben aufgefallen wäre. Ich gab es Uys zurück und erklärte:



»Lest einmal die erste und dritte, die fünfte und siebente Zeile und so weiter, und fangt dann mit der zweiten wieder oben an!«



Er folgte dieser Weisung, und bald nahm sein Gesicht eine Spannung an, welche die andern neugierig machte.



»Ah, das ist etwas anderes; das ist ja ein Schreiben, welches wir Euch gar nicht mit Geld bezahlen können!« meinte er, als er die Lektüre beendet hatte.



»Gieb her; gieb her!« rief es von allen Seiten.



»Halt, das dauert zu lange. Ich werde euch den Brief vorlesen!«



Er begann, und als er zu Ende war, zeigte sich die Versammlung in der größten Aufregung.



»Das ist ja eine wahre Kunst, einen solchen Brief zu schreiben, und eine noch viel größere Kunst, das Geheimnis zu entdecken!« rief van Raal. »Wer hat es Euch verraten, Mynheer?«



»Niemand; ich fand es selbst.«



»Und wo fandet Ihr den Brief?«



»Nachher! Lest vorher diese Ordre!«



Ich nahm das Perspektiv des Engländers aus der Tasche und zog das Papier aus dem Rohre. Es wurde wieder von Uys vorgelesen, und auf die dann an mich gerichtete Bitte um Aufklärung wandte ich mich an den Gefangenen:



»Nehmt einmal Eure Mütze ab, Sir Hilbert Grey, und gebt sie diesem Herrn!«



Der Engländer gehorchte beinahe zitternd. Uys nahm die Mütze und nickte.

 



»Das also ist der Mann, und darum bringt Ihr ihn zu uns! Wollen das Duplikat gleich holen!« Er zog das Messer hervor und schnitt das Futter auf. »Hier ist es, und seht, es lautet dem anderen ganz gleich! Aber nun erzählt, Mynheer, wie Ihr zu dem Gefangenen kommt!«



»Ich fand ihn bei Sikukuni.«



»Bei Sikukuni!« rief es im Kreise, und selbst Somi, welcher bisher ruhig dagesessen hatte, machte eine Bewegung der Überraschung. »Das ist nicht möglich! Sikukuni ist beim Zuluheere drüben hinter den Bergen!«



»Sikukuni ist hier in der Nähe, und wenn ihr ihn fangen wollt, kann ich euch zu ihm führen!«



Sie sprangen alle auf, auch Somi, diese Männer, die sonst nicht leicht aus dem Gleichgewichte zu bringen waren.



»Scherzt Ihr oder ist es wirklich so?« wurde ich gefragt.



»Es ist so! Sikukuni war auf Eurer Farm, Mynheer van Helmers; er wollte Jeffrouw Soofje töten und Mietje mit sich nehmen. Ich hinderte ihn daran und verfolgte ihn bis in den Wald, den man zu Pferde in drei Stunden von hier erreichen kann.«



Jan legte mir die Faust schwer auf die Schulter.



»Wenn er den Meinen nur ein Haar gekrümmt hat, so ist er verloren. Erzählt, aber schnell, schnell!«



»Ja, erzählt und laßt uns nicht länger warten!« mahnten auch die andern.



Ich begann meinen Bericht und erzählte rasch alle Ereignisse seit gestern bis zu dem gegenwärtigen Augenblick. Sie lauschten in atemloser Spannung, und als ich geendet hatte, war der Eindruck von der Wahrheit meines Referates so groß, daß sie alle zu den Waffen griffen.



»Wir müssen hin; wir müssen ihn sofort überfallen!« rief Jan.



»Ja,« stimmte Zingen bei. »Haben wir ihn, so ist der Aufstand der Zulus schon vor dem Ausbruche so gut wie beendet!«



»Holt die Pferde!« meinte van Hoorst. »Wir dürfen keine Zeit verlieren!«



»Halt!« rief ich in die allgemeine Unruhe hinein. »Hört mich, Mynheers, ehe ihr einen Entschluß faßt!«



»Ja, hört ihn,« meinte Kees Uys. »Er hat in allem so gehandelt, daß uns seine Meinung nur von Nutzen sein kann!«



»Ihr seid hier versammelt, um wichtige Dinge zu besprechen. Seid ihr bereits fertig damit?«



»Nein.«



»Und braucht ihr lange Zeit, um es zu werden?«



»Nein. Wir sind im ganzen einig und haben nur noch Nebendinge zu bestimmen.«



»Es bleibt euch Zeit genug dazu, und es ist besser, gleich fertig zu werden, als zuvor von hier aufzubrechen und von neuem zu beginnen.«



»Aber dann entgeht uns Sikukuni!«



»Wie kann er euch entgehen, da er euch hier überfallen will! Ihr könntet ihn ruhig erwarten; da es aber doch möglich ist, daß er Verdacht geschöpft hat, so halte ich es allerdings für besser, ihn im Walde aufzusuchen; doch ist jetzt dazu noch nicht die richtige Zeit.«



»Wann dann?« fragte Jan, der vor Verlangen brannte, mit dem Zulu zusammenzugeraten.



»Beabsichtigen die Zulus, hierher zu kommen, so wird dies nicht vor nachts geschehen, und suchen wir sie auf, so dürfen wir erst nach Mitternacht aufbrechen, um sie gleich beim Tagesgrauen zu erreichen. In beiden Fällen bleibt euch Zeit zu euren Verhandlungen. Ihr braucht nicht wieder hierher zurückzukehren, könnt im Chore nach Jan van Helmers Farm reiten und dann nach dem Attersberge aufbrechen, um den Transport wegzunehmen, zu welchem ihr vielleicht zu spät kommt, wenn ihr hier zu viel Zeit versäumt.«



»Ihr habt recht,« meinte Zingen, »wenn wir nur sicher wären, daß Sikukuni morgen früh noch zu treffen ist!«



»Ja, er hat recht,« knirschte auch Jan, »wenn nicht Sikukuni auf den Gedanken kommt, uns auch beim Morgengrauen zu überfallen.«



»Warum?« fragte ich.



»Weil dann beide Gegner zu gleicher Zeit aufbrechen und einander umgehen können.«



»Das ist allerdings ein Gedanke, der seine volle Berechtigung hat.«



»Darum ist es besser, wir brechen sofort auf und – –«



»Und lassen uns von den Zulus bemerken,« fiel ich ein. »Verzeiht, Mynheers, wenn ich sage, ›uns‹ und also eure Sache auch zu der meinigen mache! Aber ich habe mich einmal in dieses Abenteuer verwickelt und möchte auch nicht gern den Schauplatz verlassen, bevor ich weiß, zu welchem Ende es führt.«



Da trat van Hoorst zu mir und bot mir die Hand; die andern folgten ihm.



»Redet nicht, Mynheer!« sagte er. »Ihr habt grad so gehandelt, als wäret Ihr einer der Unserigen; wir sind Euch viel Dank schuldig, und da wir jetzt nicht über eine große Zahl von Büchsen ve

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