Fünf Wochen im Ballon

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NEUNTES KAPITEL

Das Kap wird umfahren. – Das Halbverdeck. – Kosmographischer Kursus des Professors Joe. – Von der Lenkung des Ballons. – Von der Erforschung der atmosphärischen Ströme. – Heureka.

D

ie ›Resolute‹ segelte rasch auf das Kap der Guten Hoffnung zu, und das Wetter hielt sich gut, obgleich das Meer hoch ging.

Am 30. Mai, 27 Tage nach der Abreise von London, zeichnete sich der Tafelberg am Horizont ab; Kapstadt, am Fuße eines Amphitheaters von Hügeln gelegen, war mit den Ferngläsern wahrzunehmen, und bald legte sich die ›Resolute‹ im Hafen vor Anker. Aber der Kommandant hielt nur an, um Kohlen aufzunehmen, und dies war in einem Tage geschehen; am Folgenden schon hielt das Schiff südlich, um die mittägige Spitze Afrikas zu umsegeln und in den Kanal von Mozambique einzulaufen.

Joe machte nicht seine erste Reise zur See. Bald fühlte er sich heimisch an Bord, und jedermann hatte ihn wegen seiner Offenherzigkeit und guten Laune gern. Ein Abglanz von der Berühmtheit seines Herrn strahlte auch auf ihn über. Wenn er sprach, lauschte man ihm, wie auf ein Orakel. Während der Doktor seinen gelehrten Kursus in der Offizierskajüte fortsetzte, thronte Joe auf dem Halbverdeck und machte auf seine Weise Geschichte, ein übrigens von den größten Geschichtsschreibern aller Zeiten befolgtes Verfahren. Natürlich handelte es sich hierbei hauptsächlich um die Luftreise. Es war Joe schwer geworden, den störrischen Geistern die Unternehmung als überhaupt ausführbar vorzustellen. Nachdem man aber einmal von der Möglichkeit derselben überzeugt war, kannte die von der Erzählung Joes angestachelte Fantasie der Matrosen keine Grenzen. Der brillante Erzähler redete seiner Zuhörerschaft ein, dass man nach dieser Reise noch sehr viele andere machen würde; dies sei nur der Anfang einer langen Reihe großartiger Unternehmungen.

»Wissen Sie, meine Freunde, wenn man diese Art der Beförderung einmal versucht hat, so kann man dieselbe nicht mehr entbehren; bei unserer nächsten Expedition werden wir, anstatt von einer Seite zur anderen, geradeaus gehen, indem wir fortwährend steigen.«

»Gut! Also gerade auf den Mond los«, sagte ein staunender Zuhörer.

»Auf den Mond?«, entgegnete Joe; »nein wahrhaftig, das ist uns denn doch zu gewöhnlich! Nach dem Mond kann jeder reisen! Übrigens gibt es dort kein Wasser, und man ist genötigt, ungeheure Vorräte davon mitzunehmen ... ebenso auch einige Fläschchen Luft, so wenig man auch zum Atmen braucht.«

»Ob da wohl Gin zu haben ist?«, äußerte ein Matrose, der dieses Getränk sehr zu lieben schien.

»Auch das nicht, mein Lieber! Nein, mit dem Mond ist es nichts, aber wir wollen unter den Sternen lustwandeln, unter den reizenden Planeten, über die sich mein Herr so oft mit mir unterhalten hat. – Und wir werden damit anfangen, dem Saturn einen Besuch abzustatten ...«

»Dem, der so einen Ring um sich herum hat?«, fragte der Quartiermeister.

»Ja, einen Hochzeitsring. Man weiß nur nicht, was aus seiner Frau geworden ist.«

»Wie! So hoch würdet ihr hinaufsteigen?«, fragte ein Schiffsjunge verwundert. »Da ist Ihr Herr wohl der leibhaftige Teufel?«


»Der Teufel? Nein, dazu ist er zu gut!«

»Also zum Saturn?«, fragte einer der ungeduldigsten Zuhörer.

»Zum Saturn? Ja, natürlich! Und dann statten wir dem Jupiter einen Besuch ab; das ist ein komisches Land, in welchem die Tage nur neuneinhalb Stunden lang sind – ganz bequem für die Faulenzer; wo ein Jahr z.B. zwölf Jahre dauert, was sehr vorteilhaft für die Leute ist, die nur noch ein halbes Jahr zu leben haben. Das verlängert ihr Leben etwas!«

»Zwölf Jahre!«, wiederholte der Schiffsjunge erstaunt.

»Ja, mein Kleiner; wärest du dort geboren, so würdest du jetzt noch als Säugling auf dem Arm deiner Mama getragen werden, und jener Alte im fünfzigsten Jahr wäre ein niedliches Püppchen von kaum vier Jahren.«

»Das ist nicht zu glauben!«, rief das Halbverdeck wie aus einem Munde.

»Die reine Wahrheit«, beteuerte Joe zuversichtlich. »Aber wie das so geht! Wenn man, ohne sich anderwärts umzusehen, in dieser Welt immer weiter vegetiert, so lernt man nichts und bleibt unwissend wie ein Meerschwein. Kommt nur erst auf den Jupiter, dort werdet ihr euer blaues Wunder erleben! Man muss sich da oben anständig benehmen, denn er hat eine unangenehme Leibwache von Trabanten um sich!«

Man lachte, aber doch glaubte man ihm halb und halb; er redete weiter vom Neptun, bei dem die Seeleute gut aufgenommen würden, und vom Mars, auf welchem das Militär allen anderen den Rang ablaufe, was schließlich ganz unerträglich wäre. Was den Merkur anlangte, so sei das eine garstige Welt, nichts als Diebe und Kaufleute, die sich einander so ähnlich sehen, dass man sie schwer unterscheiden könne. Endlich entwarf er ihnen von der Venus ein wahrhaft entzückendes Bild.

»Und wenn wir von dieser Expedition zurückkehren«, sagte der liebenswürdige Erzähler, »wird man uns mit dem Stern des südlichen Kreuzes dekorieren, der da oben an dem Knopfloch des lieben Gottes leuchtet.«

»Und ihr habt ihn dann mit Recht verdient!«, sagten die Matrosen.

So vergingen in heiteren Scherzreden die langen Abende auf dem Halbverdeck, während im Kreise der Offiziere die lehrhaften Unterhaltungen des Doktors ihren Fortgang nahmen.

Eines Tages unterhielt man sich über die Lenkung der Ballons, und Fergusson wurde dringend aufgefordert, dahingehend seine Meinung abzugeben.

»Ich glaube nicht«, sagte er, »dass es gelingen wird, die Ballons zu lenken. Ich kenne alle in dieser Beziehung versuchten oder vorgeschlagenen Systeme, aber nicht ein einziges hat Erfolg gehabt, nicht ein einziges ist ausführbar. Sie begreifen wohl, dass ich mich eingehend mit dieser Frage beschäftigen musste, die ein so großes Interesse für mich hat; aber ich habe sie mit den von den gegenwärtigen Kenntnissen der Mechanik gelieferten Mitteln nicht lösen können. Man müsste eine bewegende Kraft von außerordentlicher Macht und unmöglicher Leichtigkeit entdecken! Und auch dann noch wird man gegen beträchtliche Luftströmungen nicht anzukämpfen vermögen. Bis jetzt hat man sich übrigens viel mehr damit beschäftigt, die Gondel zu lenken als den Ballon. Und das ist ein Fehler.«

»Es bestehen aber doch«, entgegnete man, »genaue Beziehungen zwischen einem Luftschiff und einem Schiff, und dies kann man nach Belieben lenken.«

»Ich muss das in Abrede stellen«, antwortete der Doktor Fergusson. »Die Luft ist unendlich weniger dicht als das Wasser, in welches das Schiff nur zur Hälfte sinkt, während das Luftschiff ganz und gar in der Atmosphäre schwebt und in Beziehung auf das umgebende Fluidum unbeweglich bleibt.«

»Sie sind also der Meinung, dass die aerostatische Wissenschaft ihr letztes Wort gesprochen hat?«

»Keineswegs! Wenn man den Ballon nicht lenken kann, so muss man etwas anderes zu erreichen suchen, ihn zumindest in den für ihn günstigen atmosphärischen Strömungen erhalten. In dem Maße wie man sich hebt, werden diese einförmiger und folgen dann beständig derselben Richtung. Sie werden nicht mehr durch die Täler und Berge, welche die Oberfläche der Erdkugel durchfurchen, gestört, und das ist ja bekanntlich die Hauptursache der Veränderungen des Windes und seiner ungleichen Stärke. Wenn nun aber einmal diese Zonen bestimmt sind, so braucht man den Ballon nur in die für ihn passende Strömung zu versetzen.«

»Aber man wird dann«, begann der Kommandant, »beständig steigen oder fallen müssen, um sie zu erreichen. Darin liegt die eigentliche Schwierigkeit, mein lieber Doktor.«

»Und warum, mein lieber Herr Pennet?«

»Einigen wir uns darauf: Das wird nur für die ausgedehnten Reisen eine Schwierigkeit und ein Hindernis sein, nicht für einfache Luftspaziergänge.«

»Und weshalb denn, wenn‘s beliebt?«

»Weil man nur steigt, wenn man Ballast abwirft, und sich nur mit dem Ablassen von Gas herablässt, und weil bei diesem Verfahren Ihre Gas- und Ballastvorräte schnell erschöpft sein werden.«

»Mein lieber Pennet, dies eben ist die ganze Frage, dies ist die einzige Schwierigkeit, welche die Wissenschaft zu besiegen streben muss. Es handelt sich nicht darum, die Ballons zu lenken, sondern vielmehr darum, sie von oben nach unten zu bewegen, ohne dieses Gas zu vergeuden, welches, wenn man sich so ausdrücken darf, die Kraft, das Blut, die Seele des Ballons ist.«

»Sie haben Recht, mein lieber Doktor, aber dieses Problem ist noch nicht gelöst, das Mittel dafür noch nicht gefunden.«

»Bitte um Verzeihung, es ist gefunden.«

»Von wem?«

»Von mir!«

»Von Ihnen?«

»Sie begreifen wohl, dass es mir ohne dies nicht hätte in den Sinn kommen können, eine Bereisung Afrikas im Ballon zu unternehmen; nach 24 Stunden wäre ich mit meinem Gas aufs trockene gesetzt worden!«

»Aber in England haben Sie davon nichts verlauten lassen?«

»Nein, denn es lag mir nichts daran, meine Erfindung öffentlich besprochen zu sehen; dies schien mir überflüssig. Ich habe in der Stille vorbereitende Versuche gemacht, die befriedigend ausgefallen sind, und weiter brauche ich nichts.«

»Nun, mein lieber Fergusson, darf man jetzt Ihr Geheimnis erfahren?«

»Jawohl, meine Herren, das Mittel ist äußerst einfach.«

Die Aufmerksamkeit der Zuhörer war auf das Höchste gespannt, und der Doktor begann ruhig mit der folgenden Auseinanderlegung:

ZEHNTES KAPITEL

Frühere Versuche. – Die fünf Kästen des Doktors. – Das Knallgasgebläse. – Der Heizapparat. – Handhabungsweise. – Sicherer Erfolg!

 

M

an hat oft versucht, meine Herren, nach Belieben zu steigen oder zu fallen, ohne Gas oder Ballast aus dem Ballon zu verlieren. Ein französischer Luftschiffer, Herr Meunier, wollte dies dadurch erreichen, dass er Luft in einem inneren Behälter komprimierte. Ein Belgier, Herr Doktor van Hecke, suchte mithilfe von Flügeln und Schaufeln eine Kraft in vertikaler Richtung zustande zu bringen, die sich jedoch in der Mehrzahl der Fälle als ungenügend erwiesen haben würde. Auch sind die von diesen verschiedenen Mitteln erzielten praktischen Resultate geringfügig gewesen.

Ich beschloss also, an diese Frage von jenen früheren Versuchen ganz unabhängig heranzutreten. Zunächst lasse ich den Ballast im Prinzip vollständig beiseite und behalte ihn nur in beschränkter Weise für den Eintritt zwingender Umstände bei, wie z. B. für den Fall einer Beschädigung meines Apparates oder wenn ich mich unverzüglich zu erheben wünsche, um einem unvorhergesehenen Hindernis aus dem Wege zu gehen. Meine Mittel zum Steigen und Herablassen bestehen einzig darin, durch Anwendung verschiedener Temperatur das im Innern des Luftschiffes eingeschlossene Gas auszudehnen oder zu verdichten. Und dieses Ergebnis erhalte ich auf folgende Weise:

Sie haben gesehen, wie mit der Gondel mehrere Kästen, deren Gebrauch Ihnen unbekannt war, verladen worden sind; und zwar habe ich von diesen Kästen fünf mitgenommen. Der erste enthält ungefähr 25 Gallonen Wasser, dem ich einige Tropfen Schwefelsäure beifüge, um seine Leitungsfähigkeit zu erhöhen. Ich zerlege dasselbe mithilfe einer starken Bunsenschen Batterie. Das Wasser enthält bekanntlich zwei Raumteile Wasserstoffgas und einen Raumteil Sauerstoffgas. Dieses letztere begibt sich unter Wirkung der Batterie von ihrem positiven Pol in einen zweiten Kasten. Ein dritter, über diesem Kasten stehend und von doppeltem Inhalt, nimmt das Wasserstoffgas auf, welches vom negativen Pol herkommt. Hähne, von denen der eine eine doppelt so große Öffnung wie der andere hat, setzen diese beiden Kästen mit einem Vierten in Verbindung, welchen ich den Mischungskasten nennen will. Dort mischen sich nämlich diese beiden aus der Zerlegung des Wassers herrührenden Gase. Der Inhalt dieses Mischungskastens beträgt ungefähr 21 Kubikfuß.

Am obersten Teile dieses Kastens befindet sich ein mit einem Hahn versehenes Platinrohr. Sie verstehen mich, meine Herren: Der Apparat, den ich Ihnen beschreibe, ist ganz einfach ein Knallgasgebläse, dessen Hitze diejenige eines Schmiedefeuers übersteigt. Hiernach darf ich wohl zum zweiten Teil meines Apparates übergehen.

Von meinem hermetisch verschlossenen Ballon gehen unten zwei durch einen kleinen Zwischenraum voneinander getrennte Röhren aus, deren eine den oberen und deren andere den unteren Schichten des Wasserstoffgases entspringt. Diese beiden Röhren sind in gewissen Entfernungen mit starken Gelenken aus Kautschuk versehen, welche ihnen gestatten, den Schwingungen des Luftschiffes nachzugeben. Sie gehen beide bis in die Gondel hinunter und laufen in einen eisernen Kasten von zylindrischer Form aus, welcher den Namen des Wärmekastens führen mag und an seinen beiden Enden durch zwei starke Deckel aus demselben Metall verschlossen ist. Die von dem unteren Bereich des Ballons ausgehende Röhre läuft durch den unteren Deckel in diesen zylindrischen Kasten hinein und nimmt sodann die Gestalt eines schraubenförmig gewundenen Schlangenrohrs an, dessen übereinander gelegte Ringe fast die ganze Höhe des Kastens ausfüllen. Ganz oben mündet das Schlangenrohr in einen kleinen Kegel, dessen hohe Grundfläche in Gestalt einer Kugel-Kalotte nach unten gerichtet ist. Durch die obere Spitze dieses Kegels geht die zweite Röhre und läuft, wie gesagt, in die oberen Schichten des Ballons. Die Kugel-Kalotte des kleinen Kegels ist aus Platin, um nicht unter der Einwirkung des Knallgasgebläses zu schmelzen, denn dieses ist über dem Boden des eisernen Kastens inmitten des schraubenförmig gewundenen Schlangenrohrs angebracht, und die Spitze seiner Flamme erhitzt leicht die Kugel-Kalotte. Sie kennen, meine Herren, die Bestimmung eines Zimmerheizapparates und wissen auch, wie er arbeitet. Die Luft des Zimmers wird durch die Röhren geleitet und kommt mit erhöhter Temperatur zurück. Somit ist das, was ich Ihnen soeben beschrieben habe, nichts anderes als ein Heizapparat.

Wie ist denn nun schließlich der Vorgang? Wenn einmal das Knallgasgebläse angezündet ist, so erhitzt sich das Wasserstoffgas des Schlangenrohrs und des hohlen Kegels und steigt schnell durch das Rohr empor, welches es in die oberen Regionen des Luftschiffes hinaufführt. Ein leerer Raum bildet sich unten und zieht das Gas der unteren Bereiche an, welches sich seinerseits erwärmt und beständig wieder ersetzt wird. So stellt sich in den Röhren und in dem Schlangenrohr ein außerordentlich schneller Gasstrom her, welcher vom Ballon ausgeht, dorthin zurückkehrt und sich unaufhörlich überhitzt.

Nun vermehren sich aber die Gase für jeden einzelnen Hitzegrad um 1/480 ihres Volumens. Wenn ich also die Temperatur um achtzehn Grad steigere, wird sich der Wasserstoff des Luftschiffes um 18/480 oder um 614 Kubikfuß ausdehnen; er wird also 1.674 Kubikfuß Luft mehr verdrängen, was seine emportreibende Kraft um 160 Pfund vergrößern wird. Dies liefert demnach dasselbe Ergebnis, als wenn ich das gleiche Gewicht Ballast abwerfe.

Sie verstehen, meine Herren, dass ich auf diese Weise leicht bedeutende Gleichgewichtsdifferenzen hervorbringen kann. Das Volumen des Luftschiffes ist so berechnet, dass dasselbe, halb aufgeblasen, ein Gewicht an Luft verdrängt, welches dem der Hülle des Wasserstoffgases und dem der mit den Reisenden und all ihrem Zubehör beladenen Gondel genau entspricht. Wenn es so aufgebläht ist, hält es sich in der Luft genau im Gleichgewicht; es steigt weder, noch fällt es. Um die Steigung zu bewirken, bringe ich mithilfe meines Knallgasgebläses das Gas auf eine Temperatur, welche höher ist als die umgebende; durch diese gesteigerte Wärme erhält es eine stärkere Spannung und bläht den Ballon mehr auf, der umso mehr steigt, je mehr ich den Wasserstoff ausdehne.

Das Absteigen geschieht natürlicher Weise dadurch, dass ich die Hitze des Knallgasgebläses vermindere und die Temperatur sich abkühlen lasse. Das Aufsteigen wird also gewöhnlich viel schneller vonstatten gehen als das Herabsinken. Aber dies ist ein glücklicher Umstand. Ich habe nie ein Interesse daran, rasch herabzusinken, während ich im Gegenteil durch ein sehr schnelles Aufsteigen den Hindernissen aus dem Wege gehe: Die Gefahren sind unten und nicht oben.

Übrigens habe ich ja, wie gesagt, eine gewisse Menge an Ballast, die mir die Möglichkeit gibt, noch schneller aufzusteigen, wenn es notwendig werden sollte. Die am oberen Pol des Ballons angebrachte Klappe ist nur ein Sicherheitsventil; der Ballon behält immer die gleiche Last Wasserstoff; die Temperaturveränderungen, welche ich inmitten des eingeschlossenen Gases hervorbringe, besorgen an und für sich schon seine auf- und absteigenden Bewegungen. Jetzt, meine Herren, werde ich, als besondere Anmerkung für die Praxis, noch Folgendes hinzufügen:

Die Verbrennung des Wasserstoffs und Sauerstoffs an der Spitze des Knallgasgebläses erzeugt nur Wasserdampf. Ich habe also den unteren Teil des zylindrischen Eisenkastens mit einem Rohr für die Entweichung des Dampfes versehen. Dasselbe ist durch ein Sicherheitsventil geschlossen, welches sich bei weniger als zwei Atmosphären Druck öffnet; sobald der Dampf demgemäß diese Spannung erreicht hat, entweicht er von selbst. Hier folgen nun ganz genaue Zahlen:

25 Gallonen in seine Bestandteile zerlegten Wassers liefern 200 Pfund Sauerstoff und 25 Pfund Wasserstoff. Das stellt unter atmosphärischer Spannung 1.890 Kubikfuß des ersteren und 3.780 Kubikfuß des letzteren, im ganzen 5.670 Kubikfuß der Mischung dar. Nun verbraucht aber der voll geöffnete Hahn meines Knallgasgebläses in der Stunde bei einer Flamme, die sechsmal stärker ist als die der großen Beleuchtungslaternen, 27 Kubikfuß. Ich werde also im Durchschnitt, und um mich in einer weniger beträchtlichen Höhe zu halten, nicht über neun Kubikfuß in der Stunde verbrennen; meine 25 Gallonen Wasser ergeben demgemäß 630 Stunden Luftschifffahrt oder etwas über 26 Tage. Da ich nun aber nach Belieben herabsteigen und meinen Wasservorrat unterwegs erneuern kann, ist es mir möglich, meiner Reise eine unbegrenzte Dauer zu geben.

Dies ist das ganze Geheimnis, meine Herren; es ist sehr einfach, und wie bei einfachen Dingen überhaupt, kann ein Gelingen nicht ausbleiben. Zusammenziehung und Ausdehnung des Gases im Luftschiff: das ist mein Mittel, das weder künstliche Flügel noch einen sonstigen mechanischen Motor erfordert. Ein Heizapparat, um meine Temperaturveränderungen zu erzeugen, ein Knallgasgebläse, um denselben zu erhitzen, das ist weder unbequem noch schwer. Ich glaube so alle wesentlichen Bedingungen des Erfolgs vereinigt zu haben.«

Hiermit beendete Doktor Fergusson seine Rede und erntete reichlichen Beifall. Man konnte nicht einen einzigen Einwand erheben; alles war vorgesehen und berechnet.

»Man darf sich indessen nicht verhehlen, dass die Sache sehr gefährlich werden kann«, sagte der Kommandant.

»Was soll‘s?«, antwortete der Doktor kurz, »wenn sie nur ausführbar ist!«

ELFTES KAPITEL

Ankunft in Sansibar. – Der englische Konsul. – Ungünstige Stimmung der Einwohner. – Die Insel Kumbeni. – Die Regenmacher. – Schwellung des Ballons. – Abreise am 18. April. – Letztes Lebewohl. – Die Viktoria.

E

in günstiger Wind hatte die Reise der ›Resolute‹ nach ihrem Bestimmungsort beschleunigt. Die Fahrt durch den Kanal von Mozambique war besonders glücklich vonstatten gegangen, und so konnte die Seefahrt als eine gute Vorbedeutung für die Luftreise angesehen werden. Jeder sehnte sich nach dem Augenblick der Ankunft und wollte an die Vorbereitungen des Doktor Fergusson mit Hand anlegen helfen.

Endlich kam die Stadt Sansibar, auf der Insel gleichen Namens gelegen, in Sicht, und am 15. April, 11 Uhr morgens, legte sich das Schiff im Hafen vor Anker.

Gleich nach der Ankunft der ›Resolute‹ kam der englische Konsul von Sansibar an Bord, um dem Doktor seine Dienste anzubieten, denn schon seit einem Monat war er durch europäische Zeitungen von den Plänen desselben in Kenntnis gesetzt worden. Aber bis jetzt gehörte er zu der zahlreichen Phalanx der Ungläubigen.

»Ich zweifelte«, sagte er, indem er Samuel die Hand entgegenstreckte, »aber jetzt zweifle ich nicht mehr.«

Er bot dem Doktor, Dick Kennedy und natürlicherweise auch dem wackeren Joe sein eigenes Haus an, und durch ihn gewann Fergusson Kenntnis von verschiedenen Briefen, die er von dem Kapitän Speke erhalten hatte. Dieser sowie seine Begleiter hatten furchtbar unter dem Hunger wie unter der Ungunst des Wetters zu leiden gehabt, ehe sie das Land Ugogo erreichten; sie waren nur mit großen Schwierigkeiten vorgerückt und zweifelten, ob sie in nächster Zeit wieder von ihrem Ergehen würden Nachricht geben können.

»Das sind Gefahren und Entbehrungen, die wir zu vermeiden wissen werden«, sagte Doktor Fergusson.

Das Gepäck der drei Reisenden wurde in das Haus des Konsuls gebracht, und man schickte sich nun an, den Ballon auszuladen; es befand sich bei dem Signalturm, einem mächtigen Gebäude, das ihn vor den Ostwinden geschützt haben würde, eine geeignete Stelle hierzu. Der dicke Turm, welcher einer aufgerichteten Tonne nicht unähnlich sah (im Vergleich zu welcher freilich das Heidelberger Fass ein kleines Fässchen gewesen wäre), sollte als Fort dienen, und auf seinem Söller hielten mit Lanzen bewaffnete Belutschen, eine Art herumlungernder, großmäuliger Polizeidiener, Wache.

Aber als man an das Ausladen des Luftschiffes gehen wollte, wurde der Konsul darüber benachrichtigt, dass sich die Bevölkerung der Insel dem mit Gewalt widersetzen würde. Nichts ist blinder als durch Fanatismus angefachte Leidenschaften. Die Nachricht von der Ankunft eines Christen, der sich in die Lüfte erheben wollte, hatte eine gereizte Stimmung hervorgerufen. Denn die Neger, noch leichter erregbar als die Araber, vermuteten in diesem Vorhaben feindliche Absichten gegen ihre Religion und bildeten sich ein, dass er gegen die Sonne und den Mond in den Kampf ziehen wolle. Diese beiden Gestirne aber sind für die afrikanischen Völkerschaften Gegenstand größter Verehrung. So hatte man denn beschlossen, sich diesem gotteslästerlichen Unternehmen zu widersetzen. Der Konsul, welcher, wie gesagt, von solcher Stimmung Kunde erhalten hatte, nahm mit Fergusson und dem Kommandanten Pennet hierüber Rücksprache. Letzterer wollte vor den Drohungen nicht zurückweichen, aber der Doktor vermochte ihn zu veranlassen, eine andere Lösung zu finden.

 

»Gewiss würden wir am Ende den Sieg davontragen«, sagte er. »Selbst die Soldaten des Imam würden uns im Notfall ihre Hilfe nicht versagen; aber, mein lieber Herr Pennet, wie schnell kann sich ein Unfall ereignen! Ein einziger Hieb würde genügen, um dem Ballon einen enormen Schaden zuzufügen, und die Luftreise könnte durch eine solche Verletzung in Frage gestellt, ja unmöglich gemacht werden. Wir müssen also mit großer Vorsicht zu Werke gehen.«

»Aber was sollen wir tun? Bei einem Versuch, an der afrikanischen Küste zu landen, würden wir auf dieselben Schwierigkeiten stoßen.«

»Nichts einfacher als das«, erwiderte der Konsul. »Sehen Sie die jenseits des Hafens gelegenen Inseln? Lassen Sie Ihr Luftschiff auf eine derselben transportieren, umgeben Sie sich mit einer Wache von Matrosen, und Sie haben keine Gefahr zu befürchten.«

»Ausgezeichnet«, sagte der Doktor, »auf diese Weise können wir in aller Ruhe unsere Vorbereitungen vollenden.«

Der Kommandant fügte sich diesem Rate, und die ›Resolute‹ erhielt Befehl, sich der Insel Kumbeni zu nähern. Am Vormittag des 16. April wurde der Ballon inmitten einer Lichtung der großen Wälder in Sicherheit gebracht.

Man pflanzte zwei achtzig Fuß hohe Masten auf, welche in derselben Entfernung voneinander aufgestellt wurden; Rollen, die an ihren oberen Enden spielten, gestatteten, das Luftschiff mithilfe eines transversalen Taues zu heben; es war zur Zeit noch nicht aufgebläht, und der innere Ballon dergestalt oben an dem äußeren befestigt, dass dieser wie jener emporgehoben werden konnte. An den unteren Teil jedes Ballons wurden die beiden für den Wasserstoff bestimmten Leitungsrohre angelegt.


Der 17. April ging damit hin, den Gaserzeugungsapparat zu ordnen. Er bestand aus dreißig Tonnen, in welchen die Zersetzung des Wassers dadurch bewirkt wurde, dass man altes Eisen und Schwefelsäure mit einer großen Menge Wasser in Verbindung brachte. Nachdem der Wasserstoff auf seinem Durchgang gewaschen worden war, trat er in einen ungeheuren Zentralbehälter ein und gelangte von dort durch die Leitungsröhren in jedes der Luftschiffe. So wurden beide Ballons mit einer genau bestimmten Menge Gas angefüllt.

Für diese Operation musste man 1.870 Gallonen Schwefelsäure, 16.050 Pfund Eisen und 966 Gallonen Wasser verwenden. Diese Operation begann in der folgenden Nacht gegen drei Uhr morgens, und sie nahm beinahe acht Stunden in Anspruch.

Am folgenden Morgen schwebte das Luftschiff, mit seinem Netz bedeckt, anmutig über der durch eine große Zahl von Sandsäcken zurückgehaltenen Gondel. Der Aufblähungsapparat wurde mit äußerster Sorgfalt in Tätigkeit gesetzt und die von dem Luftschiff ausgehenden Röhren genau an dem zylindrischen Kasten befestigt. Anker, Stricke, Instrumente, Reisedecken, Zelte, Lebensmittel und Waffen mussten an den ihnen angewiesenen Plätzen in der Gondel untergebracht werden. Der Wasservorrat wurde aus Sansibar herbeigeschafft und die 200 Pfund Ballast, in fünfzig Säcke verteilt, im unteren Raum der Gondel, jedoch so, dass man sie leicht erreichen konnte, aufgestaut.



Diese Vorbereitungen hatten gegen fünf Uhr abends ihr Ende erreicht, Posten hielten fortwährend um die Insel herum Wache, und die Boote der ›Resolute‹ durchfurchten den Kanal nach allen Seiten.

Die Neger fuhren indessen fort, ihren Zorn durch Geschrei, Grimassen und wunderliche Körperverdrehungen an den Tag zu legen. Zauberer eilten unter den gereizten Gruppen hin und her, ihre Wut zu hellen Flammen anschürend, und einige Fanatiker versuchten, die Insel schwimmend zu erreichen, wurden jedoch zurückgeworfen. Alsdann begannen die Zaubersprüche und Beschwörungsformeln. Die Regenmacher, welche vermeinen, den Wolken gebieten zu können, riefen die Orkane und ›Platzregen von Steinen‹[4] zu ihrer Hilfe herbei. Dazu pflückten sie Blätter von allen verschiedenen Bäumen des Landes ab und ließen sie bei gelindem Feuer aufkochen, während man einen Hammel schlachtete, indem man ihm eine lange Nadel ins Herz bohrte. Aber trotz ihrer Zeremonien blieb der Himmel klar, und sie hatten ihren Hammel umsonst geschlachtet und ihre Faxen vergebens gemacht.

Die Neger ergingen sich nun in rasenden Orgien, indem sie sich mit ›Tembo‹, einem dem Kokosnussbaum extrahierten Likör, und in einem außerordentlich zu Kopfe steigenden Bier, ›Togwa‹ genannt, berauschten. Ihre Gesänge ohne eigentliche Melodie, aber in sehr genauem Takt vorgetragen, folgten einander bis tief in die Nacht hinein.

Gegen sechs Uhr abends vereinigte ein letztes Mahl die Reisenden am Tische des Kommandanten und seiner Offiziere. Kennedy, den niemand mehr befragte, flüsterte ganz leise unverständliche Worte vor sich hin. Er ließ Doktor Fergusson nicht aus den Augen.



Bei dieser Mahlzeit ging es übrigens recht traurig zu. Das Herannahen des erhabenen Augenblicks flößte allen quälende Erwägungen und beunruhigende Gedanken ein. Was behielt das Schicksal den kühnen Reisenden noch vor? Würden sie sich je inmitten ihrer Freunde am häuslichen Herde wiederfinden? Wenn die Beförderungsmittel sie im Stich ließen, was sollte unter den wilden Völkerstämmen, in jenen unerforschten Gegenden, vielleicht tief in unermesslichen Wüsten aus ihnen werden?

Diese bis dahin nur zeitweilig auftretenden Gedanken, die man immer bald wieder zurückgedrängt hatte, ließen sich jetzt aus der so heiß erregten Fantasie nicht mehr verscheuchen. Doktor Fergusson, immer kühl und ruhig, sprach von diesem und jenem; aber er versuchte vergebens, die Traurigkeit, welche sich aller bemächtigt hatte, zu zerstreuen. Da man einen feindlichen Angriff gegen die Person des Doktors und seiner Begleiter befürchtete, schliefen sie alle drei an Bord der ›Resolute‹. Um sechs Uhr morgens aber verließen sie ihre Kajüte und begaben sich zu der Insel Kumbeni.

Der Ballon wiegte sich leicht im Hauch des Ostwindes. Die Sandsäcke, welche ihn hielten, waren durch zwanzig Matrosen ersetzt worden. Der Kommandant Pennet und seine Offiziere wohnten dieser feierlichen Abfahrt bei. In diesem Augenblick ging Kennedy plötzlich auf den Doktor zu, fasste ihn bei der Hand und sagte:

»Es ist also entschieden, Samuel, dass du abfährst?«

»Ganz entschieden, mein lieber Dick.«

»Ich habe doch alles, was in meinen Kräften stand, getan, um diese Reise zu verhindern?«

»Das bezeuge ich dir.«

»Dann kann ich mein Gewissen in Bezug auf diesen Punkt beruhigen, und – ich begleite dich.«

»Ich habe mich darauf verlassen«, antwortete der Doktor, und man konnte in seinen Gesichtszügen eine gewisse Rührung lesen.

Der Augenblick des Abschieds kam heran. Der Kommandant und seine Offiziere umarmten tief bewegt ihre unerschrockenen Freunde, ohne den würdigen, stolzen, hocherfreuten Joe auszuschließen, und jeder der Anwesenden wollte dem Doktor noch seinerseits kräftig die Hand drücken.

Um neun Uhr nahmen die drei Reisegefährten in der Gondel Platz. Der Doktor zundete sein Knallgasgebläse an und vergrößerte die Flamme, um eine rasche Hitze hervorzubringen, worauf der Ballon, welcher sich auf der Erde in vollkommenem Gleichgewicht gehalten hatte, nach Verlauf einiger Minuten anfing, sich zu heben. Die Matrosen mussten etwas von den ihn zurückhaltenden Stricken ablassen, und die Gondel erhob sich um etwa zwanzig Fuß. Der Doktor stand zwischen seinen beiden Begleitern, nahm den Hut ab und rief:

»Meine Freunde, geben wir unserem Luftschiff einen Namen, der ihm Glück bringe! Es heiße, die ›Viktoria‹!«

Ein laut schallendes Hurra erklang:

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